Statoil in der Barentssee Wie der Ölkonzern und die norwegische Regierung die Arktis bedrohen Norwegens größter Ölkonzern Statoil plant die nördlichste Bohrung, die je in norwegischem Gebiet durchgeführt wurde und gefährdet damit eine der letzten unberührten Regionen der Erde. Freigeben wurde das Bohrgebiet in der 23. Lizenzierungsrunde der norwegischen Regierung im Juni 2016. Neue Bohrlizenzen Im Juni 2016 hat der norwegische Staat neue Bohrlizenzen im Gebiet der Barentssee vergeben. 1 Es ist das erste Mal seit 20 Jahren, dass Norwegen ein völlig neues Gebiet so weit im Norden zur Ölsuche freigibt. Mehr als zehn Firmen, darunter auch Dea Norge, Tochterunternehmen der Deutsche Erdöl AG (Dea), sowie Statoil, Chevron und Lukoil haben Bohrrechte erworben. Statoil plant bereits diesen Sommer mit den Bohrungen zu beginnen. Die Bohrvorhaben in der Barentssee unterscheiden sich von den Öl- und Gasfeldern in Norwegen und der Nordsee aufgrund ihrer spärlichen Infrastruktur und den teilweise weiten Entfernungen zwischen dem Bohrfeld und Festland. Das Korpfjell Feld liegt beispielsweise über 400 Kilometer von Hammerfest entfernt. der Wintermonate, Stürme, niedrige Temperaturen sowie Eisberge stellen eine Herausforderung für Mensch und Material dar und machen, in Kombination mit der mangelnden Infrastruktur, eine Ölbekämpfung nahezu unmöglich. Auch umweltpolitische Beratergremien der norwegischen Regierung halten 20 der insgesamt 40 vergebenen Bohrlizenzen für kritisch. 2 Statoils Pläne Für das Jahr 2017 hat Statoil angekündigt, fünf bis sieben Bohrungen in der Barentssee durchzuführen. Dies umfasst auch Bohrungen im nördlichsten Block namens Korpfjell, der nur 175 Kilometer vom arktischen Naturschutzgebiet der Bäreninsel entfernt ist. Im Falle eines Ölunfalls könnte der Ölteppich das Naturschutzgebiet, Heimat einer der größten Vogelkolonien auf der nördlichen Hemisphäre, in weniger als einer Woche erreichen. Trotz der widrigen Bedingungen ist das Investitionsrisiko für Statoil gering: Der norwegische Staat erstattet 78 Prozent der bei der Ölsuche entstehenden Kosten. Das finanzielle Risiko wird somit weitestgehend von staatlicher Seite getragen. Die Barentssee – einzigartige Natur Die Barentssee zählt zu den produktivsten Gewässern und ist besonders empfindlich gegenüber Ölunfällen. Sie ist ein wichtiger Aufzuchtort für die Kabeljau- und Heringsbestände. Kaltwasserkorallen und große Vogelkolonien gehören genauso zur Barentssee wie Wale, Robben und Eisbären. Ein Ölunfall in diesen Breiten hätte katastrophale Auswirkungen. Die Dunkelheit Das Naturschutzgebiet Bäreninsel – gefährdet durch Statoils Bohrinsel. 1 2 Government.no (2016). Map 23rd license round. http://bit.ly/28IuAZx, abgerufen am 25.02.2017. Miljødirektoratet (2014) Miljødirektoratets vurdering av de foreslåtte blokkene. http://bit.ly/28MtIB9, abgerufen am 25.02.17. Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eG, KTO: 33 401, BLZ: 430 609 67 Greenpeace ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig. Norwegens Verfassung Auch in der Gesellschaft ist die Vergabe der neuen Bohrlizenzen umstritten und stößt auf Widerstand bei Vertreter*innen aus verschiedenen Umweltverbänden, Politik, Kunst, Ökonomie, bei Anwält*innen und anderen Bürger*innen. Zusammen mit der Unterstützung einer breiten Koalition haben Greenpeace Nordic und die norwegische Jugendumweltorganisation Nature & Youth deshalb am 18. Oktober 2016 Klage gegen die norwegische Regierung erhoben. Sie werfen ihr vor, mit der Vergabe neuer Lizenzen das Pariser Klimaabkommen und die norwegische Verfassung zu verletzen. Letztere garantiert in Artikel 112 zukünftigen Generationen ein Recht auf eine saubere und sichere Umwelt. Es ist das erste Mal, dass Artikel 112 in seiner aktuellen Fassung vor Gericht verhandelt wird. 3 Kläger und Unterstützer vor dem Gerichtshof in Oslo Der Pariser Klimavertrag Die Vergabe der Lizenzen widerspricht den Verpflichtungen, die Norwegen mit der Unterzeichnung und Ratifizierung des Pariser Abkommens eingegangen ist. Im Pariser Klimavertrag einigen sich die unterzeichnenden Länder darauf: Die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen – mit weitergehenden „Bemühungen“ um eine Begrenzung auf 1,5 Grad. Wissenschaftlichen Studien zufolge, muss jegliches arktische Öl im Boden bleiben, um die Klimaziele zu erreichen. 4 3 http://www.greenpeace.org/international/en/press/release s/2016/lawsuit-arctic-oil-norway-historic/, abgerufen am 25.02.2017. 4 McGlade, C. and Ekins, P. (2015). The geographical V.i.S.d.P Stephanie Menzel Auch andere völkerrechtliche Abkommen sprechen gegen weitere Bohrungen in der Arktis: Am 13. Mai 2016 unterzeichnete Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg einen Vertrag mit US-Präsident Barack Obama zur Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung der Arktis. Die Arktis Die Arktis – das Wort leitet sich aus dem griechischen Wort für Bär ab – umfasst die Region nördlich des Polarkreises (66,56° nördlicher Breite). Die Größe der Arktis schwankt je nach Definition zwischen ca. 21 Millionen (Polarkreis) und ca. 28 Millionen Quadratkilometern (Baumgrenze) und ist in etwa vergleichbar mit der Größe Nordamerikas. Der Großteil der Arktis besteht aus dem Arktischen Ozean, der in den Wintermonaten zu mehr als 2/3 mit Eis bedeckt ist. Die Arktis verfügt über beträchtliche Ressourcen an Öl, Gas und verschiedenen Metallen. Nach Angaben des United States Geological Survey (USGS) lagern geschätzte 90 Milliarden Barrel (1 Barrel= 159 Liter) in der Arktis – etwa 84 Prozent davon unter dem Meeresboden. 5 Diese Menge an Öl würde ausreichen, um den derzeitigen Weltverbrauch drei Jahre lang zu decken. Das Ökosystem der Arktis ist verwundbarer gegen Ölunfälle als andere Regionen auf dieser Welt. Niedrige Temperaturen, Eisbedeckungen und lange Perioden ohne Sonnenlicht sorgen dafür, dass die Giftstoffe des Öls lange Zeit im Ökosystem verbleiben und dieses schädigen. Darüber hinaus ist die Arktis erheblich vom Klimawandel betroffen: Nirgends sonst steigt die Temperatur schneller. Wissenschaftler*innen schätzen, dass im schlimmsten Fall bereits in wenigen Jahrzehnten der Arktische Ozean im Sommer eisfrei sein wird. 6 distribution of fossil fuels unused when limiting global warming to 2°C. Nature, 517, 187-190. 5 Gautier, D.L. et al. (2009). Assessment of Undiscovered Oil and Gas in the Arctic. Science, 324, 1175-1179. 6 14 Overland, J.E. and Wang, M. (2013). When will the 02/2017 Greenpeace fordert: • Statoil und andere Ölkonzerne müssen ihre Ölpläne in der Arktis aufgeben • Rücknahme der in der 23. Runde vergebenen Bohrlizenzen durch die norwegische Regierung • Keine Ölförderung in arktischen Gewässern • Einrichtung eines internationalen Schutzgebietes in der Hohen Arktis und rund um den Nordpol • Verbot von Ölförderungen in sensiblen Gebieten (Tiefsee, Wattenmeer, Korallenriffe) summer Arctic be nearly sea ice free?Geophysical Research Letters, 40, 2097-2101. http://bit.ly/1EK8eCN V.i.S.d.P Stephanie Menzel 02/2017
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