Diese Offerte macht keinen Sinn

VORSORGE
«Diese Offerte macht keinen Sinn»
Ein Versicherungsvertreter empfahl einer Frau, mit Pen­
sionskassengeld eine Leibrente zu kaufen. Das war ein
sehr schlechter Ratschlag. K-Geld hat nachgerechnet.
‰‰ Wer von der Pensionskasse eine
Rente bezieht, muss dieses Geld zu
100 Prozent als Einkommen ver­
steuern. Wer hingegen von einer
Versicherungsgesellschaft eine Leib­
rente hat, muss solche regelmässi­
gen Zahlungen nur zu 40 Prozent
Versicherungsverkäufer werben
gerne mit diesem Steuervorteil. Das
erfuhr zum Beispiel eine 63-jährige
Frau aus Rüschlikon ZH, die von
ihrem Versicherungsagenten kon­
taktiert wurde. Dieser kannte seine
Kundin und wusste, dass sie dem­
nächst pensioniert würde. Deshalb
riet er ihr, das Pensionskassengeld
bar zu beziehen und es in eine
Leibrente zu investieren.
Es wäre ein sehr schlechtes
­Geschäft geworden, wenn die Frau
versteuern. Leibrente heisst in der
klassischen Variante: Die versicher­
te Person zahlt einer Gesellschaft
einmalig eine grosse Summe – und
diese Gesellschaft garantiert im
­Gegenzug, lebenslang eine Rente
auszuzahlen.
darauf eingestiegen wäre. Die Leib­
rente brächte zwar aus steuerlicher
Sicht im konkreten Fall einen Vor­
teil von jährlich rund 6000 Franken
(siehe Tabelle). Dem stehen aber
einmalige Totalkosten von 127 700
Franken gegenüber, die beim Bezug
des Altersguthabens und beim Kauf
der Leib­rente anfallen: erstens die
Kapitalbezugssteuern und zweitens
die Stempelabgabe von 2,5 Prozent.
Erstes Fazit: Schaut man nur die
Steuern an, so «rentiert» die Leib-
Leibrente statt Pensionskassenrente:
Der Effekt auf Steuern und Einkommen
Gesellschaft
AHV-Rente pro Jahr
(Maximalrente 2017)
Individuelle Pensionskassenrente
pro Jahr (steuerbar zu 100 %)
Garantierte Leibrente, gekauft mit
PK-Kapital (steuerbar zu 40 %)
Variante mit der Rente Variante mit
der Pensionskasse
der Leibrente
28 200.–
49 200.–
_
53 400.–
Steuerbares Einkommen
77400.–
38 300.–
Staats- und Gemeindesteuer pro Jahr
7 500.–
2 700.–
Direkte Bundessteuer pro Jahr
1 400.–
220.–
8 900.–
2 920.–
Verfügbares Einkommen pro Jahr
6 000.–
68 500.–
50 480.–
Einkommensnachteil pro Jahr
18 000.–
Staats- und Gemeindesteuern
Kapitalbezug auf 866 000.–
88 900.–
Bundessteuer Kapitalbezug auf 866 000.–
19 900.–
Stempelsteuer (2,5 % von 756 000.–)
18 900.–
Total einmalige Kosten bei Kauf
Leibrente
Dauer, bis die einmaligen Kosten
durch den wiederkehrenden
Steuervorteil kompensiert sind
GE T T Y
25 200.–
77400.–
Steuervorteil Leibrente pro Jahr
K-Geld 1/2017
_
Bruttoeinkommen vor Steuern
Total Steuern pro Jahr
Leibrente: Schlechtes Geschäft
28 200.–
127 700.–
21 Jahre
Steuerangaben für Rüschlikon ZH (ohne Kirchensteuer),
Alle Zahlen sind auf 100 Franken gerundet.
Quelle: Daniel Hausherr, ConsultInFinance, Volketswil
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VORSORGE
Den Vorbezug ab
Fortsetzung von Seite 25
rente im konkreten Fall nach
21 Jahren. Oder anders ausge­
drückt: Nur falls die Frau mindes­
tens 85 Jahre alt wird, hat sie bis
dahin die angefallenen Kosten
durch den jährlichen Steuervorteil
(6000 Franken) kompensiert.
Und sie profitiert künftig voll von
der tieferen Einkommenssteuer.
Diese rechnerische Alters­
grenze kann sich – je nach Situa­
tion – um mehrere Jahre nach
vorne verschieben. Das hängt in
erster Linie von der Höhe der Ka­
pitalbezugssteuer ab. Je tiefer sie
ist, desto eher «rentiert» die
Leibrente aus steuerlicher Sicht.
Leibrente: Tieferer
­Umwandlungssatz als
bei Pensionskasse
Doch der Steueraspekt ist nur
die eine Seite der Medaille. Die
andere Seite ist extrem nachteilig,
weil der Umwandlungssatz der
Leibrente viel schlechter ist als der
Umwandlungssatz der Pensions­
kasse. Folge: Die Leibrente ist viel
tiefer als die Pensionskassenrente.
Der reine Einkommens-Unter­
schied beträgt pro Jahr 24 000
Franken, pro Monat ist die Rente
also 2000 Franken kleiner. Unter
Berücksichtigung des Steuervor­
teils beträgt die Einkommens­
lücke immer noch 18 000 Fran­
ken pro Jahr, wie die Tabelle zeigt.
Im konkreten Fall wendet die
Pensionskasse einen Umwand­
lungssatz von 5,68 Prozent an. So
wird aus einem Alterskapital von
866 000 Franken eine Jahresrente
von 49 200 Franken.
Für die Leibrente hingegen
steht weniger Kapital zur Ver­
fügung, weil wie geschildert vom
26
bezogenen Alterskapital der Pen­
sionskasse im konkreten Fall
127 700 Franken für die Kosten
weggegangen wären. Weil der
Agent die Kapitalbezugssteuer
falsch einschätzte, offerierte er
eine Leibrente auf der Basis von
756 000 Franken. So resultierte
bei einem Umwandlungssatz von
3,33 Prozent eine garantierte Jah­
resrente von nur gerade 25 200
Franken. Das ist nur etwas mehr
als die Hälfte der Pensionskassen­
rente.
Damit ist die vorgeschlagene
Leibrente finanziell auf jeden Fall
ein Desaster – Steuerersparnis hin
oder her. Der Steuervorteil kann
dieses Budget-Loch niemals fül­
len. Egal wie alt die K-Geld-­
Leserin wird.
«Eine solche Offerte macht
absolut keinen Sinn», empört sich
denn auch der unabhängige Vor­
sorgeexperte Daniel Hausherr aus
Volketswil ZH, der für K-Geld
die Tabelle erstellt hat. «Profitiert
hätte nur der Versicherungs­­­­ver­treter, weil hier Provisionen
locken.» In der Branche seien
­
2 bis 3 Prozent der Versicherungs­
summe üblich. Im konkreten
Fall wären das rund 15 000 bis
23 000 Franken geworden.
Die Berechnungen in der Ta­
belle beruhen auf der garantierten
Leibrente, die in der Offerte ge­
nannt wird. Versicherungsgesell­
schaften offerieren jeweils auch
nicht garantierte Überschüsse. Im
konkreten Fall waren es pro Jahr
3000 Franken. Dieser Betrag
­ändert aber nichts an der Grund­
aussage. Hausherr bringt es deut­
lich auf den Punkt: «Mit Pen­
sionskassenkapital eine Leibrente
zu kaufen ist das Dümmste, was
ein angehender Pensionär tun
kann.»
Ernst Meierhofer
Wer die Rente der Pen­
sions­kasse vorbezieht,
­erhält lebenslang eine tiefe­
re Rente. Diese Einbusse
lässt sich mit einem zusätz­
lichen Einkauf ein Stück
weit ­auffangen. Das kann
sich lohnen.
‰‰ «Ich möchte mich mit 63 Jah­
ren frühpensionieren lassen, könn­
te jedoch vorher noch freiwillig
60 000 Franken in meine Pensions­
kasse einzahlen», schreibt ein
61-jähriger K-Geld-Leser aus der
Ostschweiz. «Das würde meine
Renteneinbusse ein wenig kompen­
sieren.» Und er fragt: «Lohnt sich
das?»
K-Geld macht eine Musterrech­
nung und kommt zum Schluss: Ja,
eine solche freiwillige Einzahlung in
die Pensionskasse zum Ausgleich
des tieferen Umwandlungssatzes
kann sich lohnen. Die Tabelle ver­
deutlicht das. Allerdings müssen für
solche Rechnungen viele Annahmen
getroffen werden – zur Pen­sions­
kasse und zur jeweiligen Person, die
sich im Einzelfall unterscheiden. In
der Tabelle gelten diese Variablen:
nn Die Pensionskasse verzinst
die Altersguthaben konstant mit
1 Prozent. Der Umwandlungssatz
(er bestimmt die Rente anhand des
angesparten Alterskapitals) bei Be­
zug im Alter 65 beträgt hier 6 Pro­
zent. Das ist weniger als die gesetz­
lichen 6,8 Prozent, ist aber erlaubt,
weil die Kasse mit dem Überobli­
gatorium eine Mischrechnung ma­
chen darf. Für jedes Vorbezugsjahr
sinkt der Umwandlungssatz um
0,15 Prozentpunkte. Für Alter 63
ergibt das hier einen Satz von 5,7
Prozent – unabhängig von der
Höhe des Alterskapitals.
Der Mann entscheidet, bei
der Pensionierung die Rente zu
nehmen und nicht das Kapital.
nn Vor der Pensionierung hat
der Mann aufgrund seines aktuellen
Lohns und der übrigen Einkünfte
einen Grenzsteuersatz von 25 Pro­
zent. Der Grenzsteuersatz gibt an,
wie hoch der letzte Franken des
Einkommens besteuert wird. Nach
der Pensionierung sinkt sein Ein­
kommen – der Grenzsteuersatz be­
trägt dann nur noch 20 Prozent.
Fazit: Netto nach Steuern kann
der 61-Jährige mit seinem «Ret­
tungs»-Einkauf von 60 000 Franken
seine vorgezogene Altersrente
der Pensionskasse um jährlich
2800 Franken aufbessern und da­
mit seine Rentenkürzung abfedern.
Geht man davon aus, dass der
Mann noch 21 Jahre lang die Ren­
nn
K-Geld 1/2017