Stellungnahme


Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft
Landesverband
Hessen
// Vorsitzende //
GEW Hessen • Postfach 170316 • 60077 Frankfurt
Hessisches Kultusministerium
Referat II.2.1-MA
Betreff
-KlassengrößenverordnungFrankfurt, 22. Februar 2017
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Frankfurt, 22. Februar 2017
Stellungnahme zum Entwurf der „Verordnung über die Festlegung der Anzahl und der
Größe der Klassen, Gruppen und Kurse in allen Schulformen“
Im Wesentlichen schreibt der Entwurf die bisher geltenden Festlegungen der Klassen-,
Gruppen- und Kursgrößen der alten Verordnung von 2011 fort. Bereits an dieser Verordnung
hat die GEW Hessen erhebliche Kritik geübt, die auch weiterhin Gültigkeit hat. Auch wenn es
kleine Schritte in die richtige Richtung gibt – wie die Begrenzung der Klassengröße an
Integrierten Gesamtschulen mit Binnendifferenzierung auf maximal 25 – so sind doch die
nach wie vor zu hohen Obergrenzen zu bemängeln.
Klassen- und Kursgrößen von mehr als 25 Schülerinnen und Schülern sind für die GEW
Hessen in allen Schulformen inakzeptabel. Diese Höchstgrenze muss perspektivisch
weiter reduziert werden. Zu große Klassen sind wesentlich mit verantwortlich für die
Arbeitsüberlastung, die von vielen Lehrkräften nicht nur beklagt, sondern auch deutlich
nachgewiesen werden kann. Sie bedeuten weniger Zeit für individuelle Förderung,
Betreuung und Zuwendung pro Schülerin oder Schüler, bringen einen erhöhten
Korrekturaufwand mit sich und führen zu einer beengten Raumsituation mit den
bekannten Folgen hinsichtlich des Lärmpegels, der räumlichen Enge und der größeren
Unübersichtlichkeit.
Für den „Gemeinsamen Unterricht“ von behinderten und nichtbehinderten Kindern oder
Jugendlichen galt bis 2011 eine Höchstgrenze von 20 Schülerinnen und Schülern pro Klasse.
In dieser Verordnung findet sich nichts dazu. Inklusive Beschulung erfordert jedoch
intensivere Zuwendung und Betreuung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf. Auch
haben die Lehrkräfte einen deutlich höheren Aufwand für Gutachten, Förderpläne und
Förderberichte sowie textbasierte Zeugnisse zu bewältigen. All das kostet Zeit. Je größer die
Klassen sind, desto weniger Zeit steht für den einzelnen Schüler oder die einzelne Schülerin
zur Verfügung. Damit Lehrkräfte aber den Bedürfnissen aller Kinder und Jugendlichen
gerecht werden können, benötigen wir kleinere Klassen und mehr Zeit.
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Die angemessene Umsetzung des Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung an
Förderschulen benötigt ebenfalls kleinere Lerngruppen. Seit Jahrzehnten hat sich an den
Klassengrößen für die Bereiche „emotionale und soziale Entwicklung“ und „Lernen“ nichts
verändert, obwohl festzustellen ist, dass es zunehmend Schülerinnen und Schüler an
Förderschulen gibt, die zusätzlich zu ihrem festgestellten Anspruch auf sonderpädagogische
Förderung auch darüber hinaus gehende Beeinträchtigungen haben, die bei Unterricht,
Förderung und sonderpädagogischer Unterstützung angemessen berücksichtigt werden
müssen. Aus diesem Grund fordert die GEW Hessen für die Bereiche „Lernen“ und
„emotionale und soziale Entwicklung“, die Klassenhöchstgrenze auf 12 und die
Klassenmindestgrenze auf 6 zu reduzieren.
Die gleichen Argumente gelten für Klassen mit vielen Seiteneinsteigerinnen und
Seiteneinsteigern. Laut Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses haben
Schülerinnen und Schüler in Intensivklassen 28 Stunden Unterricht in der Sekundarstufe I
und 20 Stunden in der Grundschule. Wir erwarten, dass diese Verordnung umgesetzt wird
und für jede Intensivklasse die genannte Stundenzahl zugewiesen wird. Wir halten die
mehrfachen Kürzungen der Stundenzuweisung für Intensivklassen und -kurse sowie die
Nachförderung für falsch. Inzwischen beträgt diese nur noch 22 Stunden an den
weiterführenden Schulen und 18 Stunden an den Grundschulen. Oft erhöht sich daher auch
in den Regelklassen die Anzahl der Schülerinnen und Schüler für diese Stunden über die
Höchstgrenze hinaus, weil die Intensivklassen eine Extrazuweisung erhalten und nicht in der
Grundunterrichtsversorgung berücksichtigt sind. Wir möchten nochmals darauf hinweisen,
dass wir auch in Intensivklassen und InteA-Klassen die Zahl von 16 bzw. 20 Schülerinnen und
Schüler für zu hoch erachten. Dieses gilt insbesondere für Angebote im Bereich der
Alphabetisierung. Die GEW Hessen tritt dafür ein, dass die Höchstzahl für alle Intensiv- und
InteA-Klassen auf 12 Schülerinnen und Schüler begrenzt wird.
Deshalb, und auch wegen des zusätzlichen Förderaufwands für die Beschulung dieser
Kinder und Jugendlichen in den Regelklassen fordert die GEW Hessen für Klassen mit
inklusiven Unterricht – und wir meinen damit auch Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger –
die Höchstzahle auf 20 Schülerinnen und Schüler zu reduzieren.
Die pädagogische Arbeit in den Grundschulen benötigt kleine Gruppen, um die Schülerinnen
und Schüler individuell fördern und unterstützen zu können. Die durchschnittliche
Klassengröße in hessischen Grundschulen erhöhte sich in diesem Schuljahr auf über 20
Schülerinnen und Schüler pro Klasse. Insbesondere im Rhein-Main-Gebiet liegt die reale Zahl
jedoch deutlich höher und erreicht sehr häufig die Höchstgrenze von 25 oder mehr. Diese
Schulen liegen oft in „sozialen Brennpunkten“, gerade ihre Schülerinnen und Schüler haben
aufgrund ihrer sozio-kulturellen Situation einen besonderen Förder- und
Unterstützungsbedarf. Deshalb fordert die GEW für Klassen an Grundschulen die
Höchstgrenze auf 20 zu reduzieren.
Die Festlegung in § 1 Abs. 1 Satz 2, dass Schulen von den Schülerhöchstzahlen nach Satz 1
abweichen können sollte aus Sicht der GEW Hessen gestrichen werden. Es wird zudem nach
wie vor nicht geregelt, wer die Entscheidung über eine Abweichung trifft und wer in die
Entscheidungsfindung einbezogen wird. So wird in der Verordnung nur der Begriff „Schule“
verwendet.
Vor dem Hintergrund des bestehenden Mangels an Grundschullehrkräften befürchtet die
GEW Hessen, dass insbesondere in Grundschulen die Höchstgrenze dauerhaft überschritten
wird. Wenn die Zuweisung nicht ausreicht, Stellen nicht zu besetzen sind oder aus anderen
Gründen nicht genügend Lehrkräfte vorhanden sind, wird es allein Angelegenheit der Schule
sein, für eine möglichst umfassende Unterrichtsabdeckung zu sorgen. Die
Entscheidungsfreiheit über die Gruppengröße im Rahmen der Verordnung an die Schulen zu
verlagern bedeutet, dass im Zweifel oder bei Konflikten die Schulleitung beziehungsweise die
Schule alleine verantwortlich gemacht werden kann.
Die Mindestzahl für Schülerinnen und Schüler an Abendhaupt- und Abendrealschulen wird in
Anlehnung an die regulären Hauptschulen auf 13 angehoben. Anscheinend soll sich aber an
der Stundenzuweisung nichts ändern. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass
die neu aufgenommene Regelung nicht dazu führen darf, dass eine Abendhaupt- und
Abendrealschule, die 26 Schülerinnen und Schüler aufweist, zwar zwei Klassen bilden muss,
aber in der Zuweisung nur 1,2 Stunden mehr erhält. Hier muss das Kultusministerium
prinzipiell sicherstellen, dass die volle Zuweisung für die zusätzlich eröffnete Klasse
tatsächlich erfolgt.
Bei Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug an Hauptschulen, Integrierten Gesamtschulen
und Kooperativen Gesamtschulen gibt es eine Erhöhung im Vergleich zu entsprechenden
Regelungen in der alten Verordnung. Die GEW Hessen lehnt diese Erhöhung ab und fordert
analog zu vergleichbaren Lerngruppen an beruflichen Schulen, die Mindestgrenze auf 9
und die Höchstgrenze auf 16 Schülerinnen und Schüler herabzusetzen. Gerade die
Schülerinnen und Schüler, die in diesen Lerngruppen mit erhöhtem Praxisbezug lernen,
brauchen eine individuelle und intensive Begleitung und Betreuung. Auch die Anhebung der
Mindestzahl bei PuSch B hält die GEW Hessen für nicht richtig.
Für die GEW Hessen ist die neu aufgenommene Regelung für Schulen, deren Zügigkeit nach
Schulentwicklungsplan des Schulträgers begrenzt ist, nicht nachvollziehbar. Die Gründe
dafür, eine Zügigkeit und damit die Klassenzahl zu begrenzen, sind für den Schulträger in der
Regel der zur Verfügung stehende Raum. Werden zusätzliche Schülerinnen und Schüler
aufgenommen, können an diesen Schulen prinzipiell keine neuen Klassen gebildet werden,
da kein Raum zur Verfügung steht. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler einer Klasse
übersteigt dann die Höchstgrenze dauerhaft. Dies führt zu einer beengten Raumsituation mit
den bereits oben erwähnten Belastungen betreffend Lärmpegel, räumliche Enge und
größere Unübersichtlichkeit. Damit verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für die
Lehrkräfte und die Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler.
Frankfurt, den 22. Februar 2017