Presseunterlage TiSA (PDF 424.5 KB)

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VON
Monika Vana
EU-Abgeordnete der Grünen
Adi Gross
Klubobmann der Vorarlberger Grünen
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Trade in Services Agreement TISA – GEFAHREN FÜR
STÄDTE UND GEMEINDEN
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Mittwoch, 22. Februar 2017, 09.30 Uhr
Landtagsklub der Grünen
TiSA – noch geheimer, noch größere Folgen für Vorarlberg
Fast unbemerkt wurde im Schatten von TTIP an einem weiteren umfassenden
Freihandelsabkommen gearbeitet: Dem Trade in Services Agreement TiSA
(Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen). Im Geheimen verhandelt, trifft
es Vorarlbergs Gemeinden umso mehr. Es geht um die Liberalisierung von
Dienstleistungen - das betrifft auch öffentliche Dienstleistungen wie
Wasserversorgung, Gesundheitsversorgung und Bildung.
TiSA gefährdet unsere hohen Standards im Umwelt-, KonsumentInnen-, und
ArbeitnehmerInnenschutzbereich und schränkt den Handlungsspielraum der
Gemeinden massiv ein. TiSA ist eine aktuelle Gefahr. Denn im Gegensatz zu TTIP
wird TiSA durch den neuen US-Präsident Trump nicht obsolet. Für uns Grüne ist klar:
Wir sagen Nein zu diesem Abkommen.
Fairer Handel statt Freihandel!
Wir Grüne wollen fairen Handel statt Freihandel. Dort braucht es mehr
Anstrengungen, im Sinne des öffentlichen Interesses, für Solidarität und für
Nachhaltigkeit. Sämtliche öffentliche Dienstleistungen müssen in den Händen der
öffentlichen Hand bleiben.
Breite BürgerInnenfront gegen ungezügelten Freihandel
Eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern stellt sich gegen Abkommen für
ungezügelten Freihandel. Immerhin 16.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger
haben das Volksbegehren gegen TTIP, CETA und TISA unterschrieben. Das darf von
der Politik nicht ignoriert werden.
Dienstleistungen werden zur freien Ware
TiSA ist ein Dienstleistungsabkommen, das die Europäische Kommission im Auftrag
der Mitgliedsländer seit 2013 mit 22 anderen Ländern der WTO verhandelt (darunter
USA, Türkei, Kanada, Mexiko, Australien und Japan). Mit TiSA sollen sämtliche
Dienstleistungsbereiche liberalisiert werden, darunter Spitäler und Altersheime,
Schulen und Universitäten, öffentlicher Verkehr und Müllabfuhr, die Versorgung mit
Wasser und Energie, Kranken- und Sozialversicherung. TiSA ist als Folge des
gescheiterten GATS-Abkommens zu verstehen.
Der Dienstleistungssektor hat in Europa eine enorme Bedeutung. Mehr als zwei
Drittel des BIP wird darüber erwirtschaftet. Ein etwa gleich großer Anteil der
ArbeitnehmerInnen arbeitet im Dienstleistungsbereich.
Liberalisierungen mit fatalen Folgen
Liberalisierungen und Privatisierungen von Dienstleistungen in der Vergangenheit
zeigen: Diese waren z.B. bei der britischen Eisenbahn, der Wasserversorgung in Paris
oder dem öffentlichen Verkehr in Stockholm so fatal, dass diese Dienstleistungen
wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt wurden. Mit TiSA wäre das aber nicht
mehr möglich, da im Vertrag das einmal erreichte Liberalisierungsniveau
festgeschrieben werden soll!
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Verhandlungen unter strenger Geheimhaltung
Seit März 2013 wird TiSA unter strenger Geheimhaltung verhandelt. Die
selbsternannten „Really Good Friends of Services“ agieren unter Ausschluss der
Öffentlichkeit, aber unter Einfluss von Konzernlobbyisten.
Bisher fanden 21 Verhandlungsrunden zu TiSA statt. Nach der Wahl Donald Trumps
wurden die Verhandlungen vorerst auf Eis gelegt, bis die US-Administration sich
entschieden hat, wie ihre neue Position zu Handelsabkommen ist. Die USA haben
bisher auf einen möglichst uneingeschränkten Datenverkehr gedrängt, während sich
die EU ein weitgehendes Recht zur Einschränkung des Datenaustausches zur
Garantie des Personenschutzes vorbehalten will. In diesem - vor allem aus
datenschutzrechtlicher Sicht sehr wichtigen - Bereich gehen die Positionen der
verhandelnden Staaten noch weit auseinander.
Positionierung der USA steht bevor
Die nächste Verhandlungsrunde ist noch nicht festgelegt. Bei dieser werden die USA
ihre Position darlegen. Das BMWFW geht von einer mehrmonatigen Pause aus, bis
die US-Administration ihre Position zu Freihandel geklärt hat.
Hohe Standards und Handlungsspielraum der Gemeinden in
Gefahr
TiSA wird sich gravierend auf unsere Daseinsvorsorge und auf unsere hohen
Standards im Umwelt- und KonsumentInnenschutzbereich auswirken. Der
Handlungsspielraum der Vorarlberger Gemeinden droht bei einer Liberalisierung der
Dienstleitungen massiv unter Druck zu geraten.
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Druck auf Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen: Internationale Konzerne
auf dem Dienstleistungsmarkt erwarten sich Milliardenprofite von einer
Privatisierung der Daseinsvorsorge.
Wie bei CETA und TTIP gefährdet TiSA arbeitsrechtliche Standards, Umweltund KonsumentInnenschutzstandards. Der Liberalisierungsdruck bringt alle
Dienstleistungen in Bedrängnis.
Der Handlungsspielraum für Städte, Gemeinden und Länder wird drastisch
eingeschränkt. Kommunale Selbstverwaltung und "Right to Regulate" stehen
in Frage: von Koppelung der Auftragsvergabe an soziale und ökologische
Kriterien über Bedarfsprüfungen bis zu Ladenöffnungszeiten.
TiSA enthält Klauseln (sog. Stillstands- und Sperrklinkenklausel), wonach
einmal erfolgte Liberalisierungen nicht mehr rückgängig gemacht werden
können. Das betrifft auch erst zukünftig entstehende Dienstleistungen. Was
einmal liberalisiert ist, soll nicht mehr rekommunalisiert werden dürfen.
Alle Dienstleistungen, die bei Vertragsabschluss nicht auf der Negativliste
stehen, müssten künftig privaten Anbietern (auf internationaler Ebene)
offenstehen. Das heißt sogar zukünftige Dienstleistungen, von denen wir noch
gar nicht wissen, dass es sie einmal geben wird (Bsp. E-Commerce), können
wir nicht vor Liberalisierung schützen (Future Proofing Klausel).
Durch TiSA könnte die Kluft zwischen Arm und Reich noch weiter wachsen:
Jene, die sich den Ersatz der staatlichen Dienstleistungen durch private,
individualisierte Leistungen leisten können und jene, die weiter von Armut und
Überarbeitung gefährdet sind. Auch jene Auswirkungen, die nicht sofort
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sichtbar sind, müssen beachtet werden.
Für ArbeitnehmerInnen sind die Gefahren der Liberalisierung von
Dienstleistungen eminent: flexiblere Arbeitszeiten, Zunahme der Leiharbeit in
prekären Beschäftigungsverhältnissen, steigender Druck auf Arbeitskosten und
Löhne.
Beispiel:
Im Jahre 1850 gab es noch keine Stromnetze. Wäre TiSA damals unterzeichnet
worden, hätten aufgrund der Future-Proofing-Klausel später keine öffentlichen
Stromnetze gebaut werden dürfen. Elektrizität wäre zwingend in die Hand von
privaten Konzernen gekommen. Ebenso wenig gab es damals Eisenbahnnetze – wäre
TiSA 1850 unterzeichnet worden, gäbe es heute keine ÖBB.
TiSA-Leaks lassen Schlimmes befürchten
Aus den TiSA-Leaks wissen wir, dass die USA massiv darauf drängen, den
europäischen Datenschutz aufzuweichen. Wenn andere Staaten argumentieren, dass
durch den hohen europäischen Datenschutz ihre Handelsinteressen eingeschränkt
werden, müssen die Datenschutzbestimmungen fallen.
Erstmals wurde auch offensichtlich, wie nah Lobbygruppen an den Verhandlungen
sind. Lobbygruppen sponsern das Catering während der Verhandlungen und sind
mitten im Geschehen.
Der Leak machte außerdem klar, dass mit dem jetzigen TiSA-Text private Kontooder Gesundheitsangaben hin- und hergeschoben werden und niemand mehr
kontrollieren könnte, an wen europäische NutzerInnendaten weitergegeben werden.
Grüne machen Druck auf europäischer Ebene
Die Grünen haben erreicht, dass das Europaparlament in einer Resolution den
Ausschluss der öffentlichen Dienstleistungen und die Aufrechterhaltung des "Rechts
zu regulieren" für Staaten, Länder und Gemeinden fordert. Die Grünen machen auf
europäischer Ebene Druck, dass das Verhandlungsmandat der Kommission
entsprechend geändert wird. Außerdem pochen die Grünen auf die Streichung des
Verbots von Rekommunalisierungen sowie die vollständige Transparenz der
Verhandlungsdokumente.
Grüne Forderungen
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Gesundheit, Bildung oder Mobilität müssen weiterhin in öffentlicher Hand
bleiben! Wir müssen ganz klar festhalten, dass auch in den Anhängen des
TiSA-Abkommens keine Ausnahmen für die Bereiche gemacht werden.
„Right to Regulate“ muss bleiben! Z.B.: Bioessen an Schulen, eine Koppelung
der Auftragsvergabe an Lehrlingsförderung oder Frauenförderung, etc.
Hohe europäische Qualitätsstandards dürfen nicht umgangen werden! Das gilt
speziell für Datenschutzstandards.
Konzerne dürfen nicht mehr Macht haben als demokratisch gewählte
Regierungen! Was von Konzernen als „Handelshemmnisse“ beschrieben wird,
sind hart erkämpfte soziale Absicherungen, Gemeingüter und öffentliche
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Dienstleistungen. Über Generationen aufgebaut, mit Hilfe von Steuergeldern,
übernehmen sie essentielle Aufgaben. Jede Privatisierung sorgt dafür, dass
diese Dienste nicht mehr dem Gemeinwohl verpflichtet sind, sondern den
Gewinninteressen privater Eigner.
ArbeitnehmerInnenrechte dürfen nicht wirtschaftlichen Zielen der
Handelsabkommen untergeordnet werden. Wir wollen kein Dumping bei
Schutzstandards. Und wir wollen das "Recht zu regulieren" der Parlamente
(EU-Parlament, Nationalrat, Landtage/Gemeinderäte).
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