Spezial Makro Research Volkswirtschaft Spezial Ausgabe 3/2017 – Freitag, 24. Februar 2017 Wahlen in den Niederlanden: Populisten werden in Schach gehalten ‡ Am 15. März 2017 finden in den Niederlanden Parlamentswahlen statt. Die Chancen der regierenden Koalition aus der rechtsliberalen Partei VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie) und der sozialdemokratischen PvdA (Partij van de Arbeid) auf eine Fortführung der Regierungstätigkeit scheinen aussichtslos. ‡ Eine der Parteien mit der höchsten Zustimmung in den Umfragen ist die rechtspopulistische PVV (Partij voor de Vrijheid). Das im vergangenen Sommer veröffentlichte Wahlprogramm der PVV beinhaltet den EU-Austritt. ‡ Die unmittelbare Gefahr für den Fortbestand des Euro, die von den niederländischen Wahlen ausgeht, ist jedoch gering. Denn eine absolute Mehrheit ist für die EU-feindliche PVV ebenso wenig in Sicht wie ein Koalitionspartner. ‡ Die Umfragen deuten auf eine Zersplitterung der Parteienlandschaft in den Niederlanden hin. Daher dürfte die nächste niederländische Regierung erst nach mühsamen Koalitionsverhandlungen eine europafreundliche Drei- bis Fünf-Parteienkoalition werden. ‡ Die Erosion der Zustimmung zur EU bleibt aber sicherlich ein Ergebnis der Wahlen und lässt sich nicht mit dem guten wirtschaftlichen Zustand der Niederlande in Einklang bringen. Den Niederländern geht es gut … …. aber die EU-Gegner in Umfragen auf Platz 1 Am 15. März 2017 finden die Wahlen in den Niederlanden zur Zweiten Kammer des niederländischen Parlamentes statt. 150 Sitze sind zu vergeben. Jede Partei, die einen Stimmenanteil von mindestens 1/150 (0,67 %) bekommt, ist in der Zweiten Kammer vertreten. Die Abgeordneten der Ersten Kammer (Senat) werden von den Parlamenten der Provinzen bestimmt. Die Wahlumfragen deuten aber entgegen der sehr guten Wirtschaftslage auf eine hohe politische Unzufriedenheit hin. Die regierende Koalition aus der rechtsliberalen VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie) und Abb. 1 Arbeitslosenquoten (in %) % Die wirtschaftliche Ausgangslage in den Niederlanden spricht eigentlich für eine hohe Zufriedenheit der Wahlbevölkerung. Denn bei allen wirtschaftlichen Problemen, die es in den Niederlanden gibt, steht das Land im Vergleich zu den meisten anderen Ländern in der EWU hervorragend da. Das niederländische Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf gehört mit 40.000 Euro zu den höchsten, nicht nur in der EWU sondern auch in der Welt. Dies ist sogar höher als das deutsche BIP pro Kopf (37.400 Euro) und deutlich höher als beispielsweise in Italien (27.000 Euro). Daneben hat sich die Lage am Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr vor dem Hintergrund der guten konjunkturellen Entwicklung stetig verbessert (siehe Abbildung 1). Die Arbeitslosenquote lag im Dezember 2016 bei 5,4 % und damit deutlich unter der EWU-Arbeitslosenquote von 9,6 %. Die Staatsfinanzen lassen sich ebenfalls sehen. Die niederländische Schuldenstandsquote betrug im dritten Quartal des vergangenen Jahres 61,9 % (gemessen am nominalen BIP). Der Nachbar aus Belgien kommt auf eine Schuldenstandsquote von 108,8 % und in der EWU liegt sie bei durchschnittlich 90,1 %. Das staatliche Haushaltsdefizit dürfte 2016 sogar weniger als 1 % betragen haben und damit klar unter der Maastricht-Grenze von 3 % liegen. 28 24 20 16 12 8 4 0 07 08 09 Euroraum 10 11 Spanien 12 13 14 Deutschland 15 16 Frankreich Niederlande Quellen: Eurostat, DekaBank der sozialdemokratischen PvdA (Partij van de Arbeid) startete 2012 mit einem Wahlerfolg von knapp 52 % der Wählerstimmen und hat sich seitdem in den Umfragen auf 24 % verschlechtert (Abbildung 2). Eine Fortführung der Regierung nach den Wahlen im März 1 Spezial Makro Research Volkswirtschaft Spezial Ausgabe 3/2017 – Freitag, 24. Februar 2017 Abb. 2 Wahlumfragen: PVV vs. Regierungskoalition in % 30 25 20 15 10 5 0 PVV Regierungskoalition (VVD + PvdA) Quellen: Peil.nl, DekaBank. scheint ausgeschlossen. Die führende Partei in den Umfragen (Peil.nl) ist mit 19 % die rechtspopulistische PVV (Partij voor de Vrijheid), gefolgt von der VVD mit 17 % (siehe Abbildung 3). Nicht bei allen Umfrageanbietern liegt die PVV an der Spitze, aber sie gehört in allen Umfragen zu den stärksten Parteien. Euro in Gefahr? Das Wahlprogramm der PVV wurde im Sommer 2016 veröffentlicht und passt auf eine DIN A4 Seite. Es besteht aus elf Forderungen. Dazu gehören u.a. der EUAustritt, die Einführung bindender Referenden, die Beendigung der Aufnahme von Immigranten und Asylsuchenden aus islamischen Staaten, die Verringerung der Einkommensteuer und die Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung und Polizei. Wie groß ist die Gefahr eines Austritts der Niederlande aus der Europäischen Union (EU) und damit einhergehend eine Destabilisierung der Europäischen Währungsunion? Die größte Gefahr bestünde, falls die PVV bei den Wahlen eine 2/3 Mehrheit bekäme. Bislang gibt es in den Niederlanden nicht die Möglichkeit ein bindendes Referendum durchzuführen, das bestehende Gesetze bzw. Verträge wie die EU-Mitgliedschaft korrigiert oder sogar aufkündigt. Nur mit einer 2/3-Mehrheit könnte die PVV die Verfassung dahingehend ändern. Eine entsprechende Verfassungsänderung ist im Wahlprogramm der PVV enthalten. Im Fall einer absoluten Mehrheit mit weniger als 2/3 der Parlamentssitze wäre dieser Weg zum EUAustritt für die PVV versperrt. Allerdings gäbe es dann noch die Möglichkeit über das Parlament ein nicht- bindendes konsultatives Referendum zum EU-Austritt zu initiieren. Dies wäre vergleichbar mit dem Referendum im Vereinigten Königreich über den EU-Austritt am 23. Juni 2016. Aber auch die absolute Mehrheit ist nicht in Reichweite für die PVV (siehe Abbildung 2). Weniger gefährlich als eine absolute Mehrheit der PVV, aber nicht ungefährlich, wäre für den Euro eine Koalitionsregierung unter Einbindung der PVV. Dies erscheint aus heutiger Sicht zwar eher möglich als eine absolute Mehrheit, ist aber dennoch nicht der zu erwartende Ausgang. Denn die PVV gilt unter den weiteren großen und etablierten Parteien als nicht koalitionswürdig. Der Spitzenkandidat der VVD und amtierender Ministerpräsident Mark Rutte hat ein Regierungsbündnis mit der PVV kategorisch ausgeschlossen. Dies dürfte auch an seinen schlechten Erfahrungen mit der PVV liegen. Im Oktober 2010 bildete Mark Rutte eine Minderheitsregierung zwischen VVD und CDA (Christen Democratisch Appèl) unter Duldung der PVV. Dieses Bündnis zerbrach bereits nach weniger als zwei Jahren am Streit mit der PVV über Haushaltskürzungen im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise. Prognose: Koalition ohne Populisten Sollte das Wahlergebnis am 15. März 2017 den Umfragen ähneln, wäre mit einer Koalition ohne Einbindung der PVV zu rechnen. Die Fragmentierung des Parteienspekt-rums deutet allerdings mühsame Koalitionsverhandlungen an. Nach den Umfragen bedarf es eines Fünf-Parteienbündnisses, um eine Regierungsbeteiligung der PVV zu verhindern (siehe Abbildung 3). Dies Abb. 3: Wahlumfragen in % 30 25 20 15 10 5 0 PVV VVD PvdA SP CDA GL D66 Quellen: Peil.nl, DekaBank. 2 Spezial Makro Research Volkswirtschaft Spezial Ausgabe 3/2017 – Freitag, 24. Februar 2017 könnte auch eine Minderheitsregierung sein. Ein mögliches Bündnis bestünde aus der rechtsliberalen VVD, der sozialdemokratischen PvdA, der bürgerlichkonservativen CDA, der linksliberalen D66 (Democraten 66) und der ebenfalls linksliberalen GL (Groenlinks). Die fünf Parteien decken ein weites Feld an politischen Überzeugungen ab, aber die ideologischen Gräben sind überwindbar. Dies wird durch die gute Haushaltslage des Staates erleichtert. Sie bietet einen erheblichen Spielraum, um auf die Ausgabenwünsche aller Bündnispartner einzugehen. Bei der vorhandenen Zersplitterung der Parteienlandschaft in den Niederlanden sind Neuwahlen nach einem längeren Zeitraum erfolglosen Verhandelns nicht auszuschließen. Bereits die Wahlen 2012 haben gezeigt, dass die Umfragen mit großer Unsicherheit behaftet sind. Allerdings wäre es fahrlässig davon auszugehen, dass die EUkritische PVV nicht zu den stärksten Parteien am Wahltag gehört. Fazit: Euro nicht in unmittelbarer Gefahr Die niederländischen Parlamentswahlen stehen unter besonderer Beobachtung. Erstens gibt es klare Hinweise auf einen Regierungswechsel und zweitens lehnt in den Wahlumfragen eine der stärksten Parteien die EU sowie den Euro ab. Drittens folgt im April/Mai die französische Präsidentschaftswahl, bei der eine EU- und EuroGegnerin zumindest sehr gute Chancen hat in die Stichwahl zu kommen. Die unmittelbare Gefahr für den Fortbestand des Euro, die von den niederländischen Wahlen ausgeht, ist jedoch gering. Eine absolute Mehrheit für die EU-feindliche PVV ist ebenso wenig in Sicht wie ein Koalitionspartner. Die nächste niederländische Regierung dürfte nach mühsamen Koalitionsverhandlungen eine europafreundliche Drei- bis FünfParteienkoalition werden. Die Erosion der Zustimmung zur EU in einem ihrer Kernländer wird aber sicherlich ein Ergebnis der Wahlen bleiben, und dies lässt sich nicht mit dem guten wirtschaftlichen Zustand der Niederlande erklären. Ein Teil der Niederländer scheint bei seiner Wahlentscheidung weniger das gute wirtschaftliche Umfeld in der Vordergrund zu stellen, als vielmehr die Themen Zuwanderung und innerer Sicherheit. Denn Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Niederländer unzufrieden ist mit dem Vorgehen der EU in der Flüchtlingsfrage und mehr als 60 % der Niederländer mit einer erhöhten Terrorismusgefahr durch Zuwanderung rechnen. Diese Ängste scheint die PVV für sich nutzen zu können. Autor: Dr. Christian Melzer Tel.: (069) 7147-2851 [email protected] Impressum: https://deka.de/deka-gruppe/impressum Rechtliche Hinweise: Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden von der DekaBank nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfängers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumenten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragliche oder anderweitige Verpflichtung gedacht, noch ersetzen sie eine (Rechts- und / oder Steuer) Beratung; auch die Übersendung dieser stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und stammen (teilweise) aus von uns nicht überprüf-baren, allgemein zugänglichen Quellen. 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