2017-02-22 VPRT – Position: VPRT

Bundesrat
An die Mitglieder des
Wirtschaftsausschusses
11055 Berlin
Per Mail an: [email protected]
22. Februar 2017
(JH)\Sonstige medienrechtliche Themen\DWD-Gesetz\VPRT-Stellungnahme zum RegE_DWD-G_BRat.docx
VPRT-Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst
BR-Drs. 72/17
Sehr geehrte Frau Aigner,
sehr geehrter Herr Duin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
gerne nutzt der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) die
Gelegenheit, im Zuge der Sitzung des Wirtschaftsauschuss des Bundesrats
am 23. Februar 2017 zum Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (DWD-ÄG) kurz
Stellung zu nehmen. Den Umstand, dass der Wirtschaftsausschuss sich des
Themas im Zuge eines Nachtrags zur Tagesordnung noch angenommen hat,
möchten wir dabei ausdrücklich positiv hervorheben, weckt dies doch die
berechtigte Hoffnung, dass insbesondere die wettbewerblichen Implikationen und die damit verbundenen Bedenken der Marktteilnehmer in gebührendem Umfang in der Diskussion Berücksichtigung finden.
Der VPRT vertritt ca. 150 Mitglieder aus den Bereichen Radio und Audiodienste sowie Fernsehen und Multimedia, die dem Verbraucher gerade im
wachsenden Online-Segment eine Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten
und Dienstleistungen offerieren. Innovative und digitale Angebote, die
durch das geplante Gesetzesvorhaben unmittelbar negativ betroffen und in
ihren Geschäftsmodellen gefährdet wären, sind beispielsweise die Dienste
von wetter.com (Wetter.com GmbH), die wetter.de-App oder deren kommender Ableger für Kinder „Lotta - Spiele für jedes Wetter“ (Mediengruppe
RTL Deutschland GmbH).
A. Vorbemerkung
Wie bekannt, bietet der Deutsche Wetterdienst (DWD) seit einiger Zeit eine
kosten- und werbefreie WarnWetter-App an, die dem Nutzer vorrangig aktuelle Informationen zu meteorologischen Gefahrenlagen liefern soll. Jedoch bietet die App unentgeltlich und damit entgegen der derzeitigen
gesetzlichen Grundlage weit darüber hinausgehende Inhalte wie Wettervorhersagen oder einen Niederschlagsradar an. Dieser Verstoß gegen das
seit 1998 bestehende DWD-G, das den Rahmen der unentgeltlich bereitzustellenden Leistungen des DWD klar definiert, führt unmittelbar zu einer
Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der kommerziellen Anbieter am Markt.
Denn anders als die übrigen Wettbewerber muss sich der DWD nicht am
Markt refinanzieren, sondern wird – ebenso wie die WarnWetter-App –
durch öffentliche Gelder letztlich subventioniert. Gegen diese Praxis hat
unser Mitglied wetter.com ebenso wie wetteronline.de Klage eingereicht.
Gerade wenn man bedenkt, dass die obige skizzierte Praxis derzeit Gegenstand laufender Gerichtsverfahren zwischen Mitbewerbern und des DWD
ist, irritiert es umso mehr, dass just zu diesem Zeitpunkt ein Gesetzesvorhaben vorangetrieben wird, das den Kern der Beschwerde nicht nur tangiert, sondern aufgrund der umfangreichen Kompetenzerweiterung zugunsten des DWD geradezu darauf abzielt, den Klagen der betroffenen
Unternehmen die (Rechts-)Grundlage zu entziehen.
B. Zum Gesetzesentwurf im Einzelnen
1. Unentgeltliche Leistungen im Bereich öffentliche Sicherheit und
Ordnung und Daseinsvorsorge nicht zu beanstanden
Das geltende DWD-G sieht in § 4 Abs. 1 eine eindeutige Aufgabenzuweisung für den DWD vor. Leistungen, die für die Länder im Bereich des Katastrophenschutzes insbesondere bei extremen Wettereignissen und damit
einem zentralen Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der
Daseinsvorsorge erbracht werden, sind nach §§ 4 Abs. 4, 6 Abs. 2a DWD-G
entgeltfrei. Dies war und ist nicht zu kritisieren. Dieser Punkt ist eingangs zu
betonen, da klar dem Eindruck entgegen gewirkt werden muss, dass die
bisherige Leistungserbringung des DWD an dieser Stelle in Frage gestellt
werden soll. Anknüpfungspunkt jedweder Kritik ist ausschließlich der Umstand, dass unter dem Vorwand der originären Aufgaben des DWD eine stete Erweiterung dessen Leistungsspektrums legitimiert werden soll.
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2. Ausgewogenes System entgeltlicher Leistungserbringung muss zum
Schutz des Wettbewerbs erhalten bleiben
Für alle sonstigen Abnehmer von Leistungen des DWD nach § 4 Abs. 1
DWD-G ist in § 6 Abs. 2 DWD-G eine Vergütungspflicht vorgesehen, die ihrerseits klaren Anforderungen unterliegt. So ist die Höhe der Vergütung
nicht statisch, sondern skaliert je nach wirtschaftlichem Wert der Leistung
oder deren Bedeutung für die Öffentlichkeit entweder nach oben oder unten. Außerdem ist zur Wahrung der Kostentransparenz und Validität regelmäßig ein Wirtschaftsprüfer einzuschalten, § 6 Abs. 7 DWD-G.
Das DWD-ÄG würde in dieses ausgewogene System, das sowohl die öffentlichen als auch die wirtschaftlichen Interessen an den Wetterdaten des
DWD in einen gesunden Ausgleich bringt, durch eine Ausweitung des Auftrags sowie des begünstigten entgeltbefreiten Adressatenkreises nachhaltig
eingreifen. So sollen künftig neben den Ländern auch der Bund und die
Gemeinden sowie die Gemeindeverbände von der Privilegierung nach § 4
Abs. 4 DWD-ÄG profitieren. Zudem – und dies wiegt weit schwerer – soll de
facto jede Form der Leistungsüberlassung nach § 4 Abs. 1 DWD-ÄG an die
Allgemeinheit als auch die Bereitstellung von Geodaten und Geodatendiensten entgeltfrei erfolgen, § 6 Abs. 2a DWD-ÄG.
3. Leistungen, die steuerfinanziert und unentgeltlich angeboten werden,
führen zu massiver Verzerrung des Marktes
Wie eingangs erwähnt, ist die Frage, ob der DWD nach derzeitiger Gesetzeslage über eigene Angebote, z. B. Apps, Wetterdienstleistungen gegenüber der Allgemeinheit erbringen darf, Gegenstand gerichtlicher Verfahren,
wobei im Grunde keinerlei Zweifel daran existieren, dass ihm (dem DWD)
dies nach derzeitiger Rechtslage verwehrt ist. Anders als noch der Referentenentwurf adressiert der Regierungsentwurf diesen Umstand nunmehr im
neu eingefügten § 4 Abs. 6 DWD-ÄG ausdrücklich im Sinne des DWD. So
heißt es in der Begründung, dass der DWD sein Leistungen „anlog oder digital, etwa über moderne Kommunikationsmittel wie zum Beispiel eine App
für mobile Endgeräte“ öffentlich verbreiten dürfen soll. Damit wird nicht
weniger als der Versuch unternommen, das bisherige Handeln des DWD –
während eines laufenden Rechtstreits – zu legalisieren.
Dies hätte schwerwiegende Effekte für den gesamten Markt der Wetterdienstleister. Wetter.com, wetter.de und andere private Anbieter, die ihre
Dienste und Apps über Werbeeinnahmen und/oder gegen Entgelt finanzieren, stünden künftig einem Wettbewerber gegenüber, der jedwedem Nutzer sämtliche Dienste kostenfrei und steuerfinanziert zur Verfügung stellen
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könnte. Damit nimmt der Gesetzgeber nicht weniger als die Gefährdung eines stabilen privatwirtschaftlichen Marktes in Kauf und schadet damit einem – auch gesellschaftspolitisch – etablierten Zweig der Digitalwirtschaft.
Gerade angesichts dieses bestehenden und funktionierenden Marktes für
meteorologische Leistungen wird hier eine Novellierung des bestehenden
Rechtsrahmens ohne Not forciert.
4. Gesetz hemmt „Open Data“-Nutzung, statt deren marktliche Entwicklung zu fördern
Kontraindiziert ist das Gesetz auch, soweit man sich davon einen positiven
Effekt hinsichtlich der „Open Data“-Nutzung versprochen hat. Der Anknüpfungspunkt von Open Data ist, dass (Roh-)Daten, die allgemein zugänglich
sind oder im Zuge z. B. staatlicher Alimentation allgemein zugänglich gemacht werden, für eigene wirtschaftliche Zwecke nutzbar gemacht werden
können, um so am Markt mit anderen Anbietern in einen unmittelbaren
Wettbewerb über die attraktivste Leistung gegenüber dem Nutzer bzw.
Nachfrager zu treten. Dieser Ansatz wird jedoch durch den Gesetzesentwurf konterkariert, da hier der Anbieter der Daten auch gleichzeitig legitimiert wird, mit einer eigenen und alimentierten Leistung am Markt zu
agieren. Damit besteht für (potentielle) Mitbewerber keinerlei Anreiz, mit
einem eigenen Produkt in den Markt einzutreten, da aufgrund der eingetretenen Marktverzerrung (unentgeltlich vs. kommerziell) keine echte Refinanzierungsmöglichkeit besteht.
Auf diesen Umstand hat auch der renommierte Ökonom Prof. Dr. Justus
Haucap hingewiesen und festgestellt, dass es nicht Ziel der Open Data Philosophie sei, „durch das Anbieten eigener staatlicher Apps mit Hilfe von
Steuergeldern die Entwicklung privater Angebote drastisch zu erschweren“.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
5. Gesetz widerspricht seiner eigenen Intention und führt zu Einnahmeausfällen in Millionenhöhe
Das Gesetz widerspricht aber auch überdies seiner eigenen Intention: Denn
wie sich aus Sinn und Zweck von § 6 Abs. 1 DWD-G ergibt, sollten die mit
der entgeltlichen Leistungserbringung erzielten Einnahmen, wie auch bei
der letzten Reform des DWD-G 1998 angedacht, maßgeblich dazu beitragen, die aus dem Bundeshaushalt finanzierten Ausgaben des DWD zu senken. Durch die geplante Novelle würden allerdings mindestens dreieinhalb
Millionen Euro Umsatzverlust (wahrscheinlich jedoch deutlich höher) für
den DWD verursacht werden. Diese Entwicklung stünde somit diametral
zum Willen des Gesetzgebers, wie er ihn im DWD-G 1998 formuliert hat.
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6. Fazit
Nach alledem plädiert der VPRT nachdrücklich dafür, von einer Änderung
des bestehenden DWD-G, wie sie die Bundesregierung vorgeschlagen hat,
abzusehen. Soweit man angesichts geänderter Umstände eine Anpassung
dennoch für erforderlich halten sollte, so müsste ein minimalinvasiver Ansatz gewählt werden, der hinreichend Raum für bestehenden und künftigen
Wettbewerb lässt.
Für einen weiteren Austausch zu dem Thema stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Hofmann, LL.M.
Referent Recht / Rechtsanwalt
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