Einwendung 23.02.17 fertig

LutzHoffmann/BettinaMahlert
Werther,Februar2017
Einwendung
Betr.EntwurfBebauungsplanNr.43„WohngebietBlotenberg–1.BA“
anlässlichderOffenlagegem.§3IIBauGB
Der Bebauungsplanentwurf Blotenberg verstößt nachhaltig und irreparabel gegen die Forderung
des BauGB § 1(5), dass Bauleitpläne dazu beitragen sollen „die natürlichen Lebensgrundlagen zu
schützen und (...) die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu
erhalten und zu entwickeln“. Er steht im Widerspruch zu der Zielsetzung des BauGB, dass
deswegen „die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung
erfolgen“soll.
Begründung:
ImApril2016habenwirunsereStudie„PerspektivenderWohnraumentwicklungvonWerther“der
interessiertenÖffentlichkeitinWertherübergeben.1WiruntersuchenindieserStudie,welcheFolgen
diedemografischeEntwicklung,wiesieverschiedeneInstitutefürWerthervorausberechnen,aufdie
Altersstruktur,dieStadtentwicklung,dieWohnraumversorgungunddenstädtischenHaushaltinden
nächsten zwei Jahrzehnten haben wird. Als Fazit haben wir festgestellt, dass der Vorrang der
InnenentwicklungvorderAußenentwicklungimgenuinenInteressederStadtWertherliegenmüsste.
Im Lichte dieser Studie, die wir zum Bestandteil unserer Einwendung machen und dieser anfügen,
halten wir die Darstellung der „Ausgangslage der Siedlungsentwicklung in Werther“ sowie der
„Bedarfslage“imEntwurfder„BegründungmitUmweltbericht“,wieervonderVerwaltungderStadt
Werthernunmehrvorgelegtwordenist,fürverfehlt.EinesachgerechteEinschätzungderBedarfslage
rechtfertigt keinen neuen Bebauungsplan. Es ist daher nicht verwunderlich, dass entsprechenden
PasssagenindemEntwurfzahlreicheSchwächen,FehlschlüsseundfalscheBehauptungenaufweisen,
mitdenenwirunsnachfolgendauseinandersetzen.
1
Siehehttp://www.blotenberg-werther.de/
Vgl.HallerKreisblatt30.04.2016:„Stadtentwicklungmussneugedachtwerden“;Westfalenblatt05.05.2016:
DrohtWerthereineVerödung?;WertheraktuellMai2016:ÜberalterunghatdramatischeFolgen.
2
I.DasAngebotanAltimmobiliennimmtzu
DerEntwurfstelltinHinblickaufdiedemographischeEntwicklungfest:
„InälterenWohnsiedlungsbereichenverbleibendamitinzunehmenderHäufungEin-bisZweiPersonen-HaushaltemitälterenBewohnern.“(S.7)
Bemerkenswertist,dassdieVerwaltungvon„zunehmenderHäufung“spricht,alsoeinräumt,dasses
sichnichtumeinevorübergehende,sondernumeineimLaufederJahresichzuspitzendeSituation
handelt.
SienimmtdabeiBezugaufdenDemografieberichtfürdenKreisGütersloh(S.6f.),derebensowie
andere Bevölkerungsprognosen konstatiert, dass in Werther die Überalterung höher ist als in allen
anderenKommunendesKreises.DerAnteilvonEinwohnernab65Jahrenlag2014bei2.490.Erwird
indennächstenJahrenweiterstarkansteigen:
Jahr
ObereVariante
UntereVariante
2020
2.650
2.620
2025
2.950
2.880
2030
3.260
3.160
2035
3.540
3.380
DerAnteilderSeniorenanderGesamtbevölkerung,derschonheutemehralseinFünftelausmacht,
wirdalsoindennächstenbeidenJahrzehntenaufetwa30Prozentanwachsen.Nochauffallenderist
derhoheAnteilvonBewohnernab80Jahren.Erlagschon2014bei660Personenundwirdbis2035
jenachVarianteauf990bis1.040Personen,alsoauf8,7bis9,1Prozentansteigen.
LegtmandieVerteilungdesZensusausdemJahr2011zugrunde,indemrund70%allerSenioren
ohne Jüngere in ihren Wohnungen lebten, und geht von einer durchschnittlichen Belegung mit 1,5
Personenaus,sowärenesimJahr20141.320Wohnungen,also26,4%und20Jahrespäter1.615,
also 32 % aller im Jahr 2011 bestehenden Wohnungen, in denen ausschließlich Senioren leben.
Demnach sind im Jahr 2014 ein gutes Viertel und 20 Jahre später ein knappes Drittel aller
WohnungennurvonSeniorenbelegt.(Mahlert/Hoffmann,Studie2016,S.20)
Esistunbestreitbar,dassdieLebenszeitderindiesenWohnungenlebendenMenschenbegrenztist,
so dass ein erheblicher Anteil dieser Wohnungen früher oder später leer stehen und zum Verkauf
angebotenwerdenwird.BauamtsleiterJensKreiensiekhatschonvordreiJahrendargelegt,dassin
denfolgendenfünfJahrenvondenüber70jährigenMitbürgerinnenundMitbürgerninsgesamt160
ObjekteaufdenMarktkommenwerden.2NachunsererBerechnungsindesindennächstenbeiden
Jahrzehnten auch bei vorsichtigster Schätzung durchschnittlich jährlich mindestens 70 Wohnungen,
die nicht mehr bewohnt sein und daher zumeist auf den Markt kommen werden. (Vgl.
Mahlert/Hoffmann,Studie2016,S.21) DassindproJahrungefährsovieleWohnungen,wieeinmalig
durchdasgeplanteBaugebietentstehenwürden.
WennderEntwurfdaherbehauptet,
2
BerichtvonJensKreiensiekzurAnfragederCDUzurBaulandnachfrageimHaupt-undFinanzausschussam
06.02.2014.
3
„dass in Werther (Westf.) nicht jederzeit Altimmobilien im ausreichenden Umfang zur
DeckungderstetigenNachfragenachWohnraumverfügbarsind“,(S.7)
sotrifftdaranallenfallsdasWort„jederzeit“zu,weilnichtabsehbarist,wanndiejetzigenBewohner
sterben.UmdieseBehauptungzubegründen,werdenlediglicheinigevageVermutungenangestellt:
DiealtenMenschenseien
„häufig emotional sehr stark mit Haus und Grundstück verbunden. Das Ergebnis sind nicht
selten hohe Preisvorstellungen. Auch können damit besondere Anforderungen an die
Erhaltung von bautechnisch überholten, jedoch in Gestaltung und Volumen eigentlich
interessantenbaulichenAnlagenverbundensein.“(Ebd.)
DassollennachMeinungderStadtverwaltungWertherdie„Gründe“dafürsein,dass
„Altimmobilien in älteren Wohnsiedlungsbereichen häufig nur sehr schleppend für neue
Nutzerverfügbar“
seinwerden.(Ebd.)Tatsächlichaberänderndiesevorgeschobenen„Gründe“überhauptnichtsdaran,
dass die Lebenszeit der Wohnungsinhaber begrenzt ist und daher in Werther zunehmend mehr
Altimmobilien verfügbar sein werden, als zur Deckung der stetigen Nachfrage nach Wohnraum
erforderlichsind.
Es ist daher kein Versehen, wenn der Entwurf unmittelbar nach diesen Ausführungen über die
Altimmobilienübergangslosglaubtfeststellenzukönnen,
„dass die Nachfrage bzw. der Bedarf an Bauland nicht allein durch die Nutzung von
innerstädtischen Baulücken oder von Rest/Reserveflächen im inneren Siedlungsbereich
gedecktwerdenkann“.(S.8)
IndiesemSatzwerdendievorangehendbehandeltenAltimmobilienmitkeinemWortmehrerwähnt.
Das hat durchaus Methode. Denn würden neben „innerstädtischen Baulücken“ und
„Rest/Reserveflächen im inneren Siedlungsbereich“ auch die vorab behandelten derzeitigen und
zukünftig zunehmenden leerstehenden Altimmobilien aufgezählt, so würde die Schlussfolgerung
nicht mehr stimmen. Dann würde die Nachfrage unschwer im inneren Siedlungsbereich gedeckt
werdenkönnen.
Um„eineandauerndeNachfragenachBaugrundstücken“zubelegen,beruftsichdieStadtverwaltung
aufdieZahlder„KaufinteressentenaufderListederStadtWertherfürWohnbaugrundstücke“:
„Die Nachfrage ist kontinuierlich gestiegen und liegt Mitte September 2016 bei rund 202
AnfragenvonPrivatpersonenundrund16vonInvestoren.“(Ebd.)
Auf dieser Liste werden nicht die jährlichen Anfragen gezählt, sondern alle Anfragen seit 2010
fortlaufend weiter hinzu addiert, was dann natürlich dazu führt, dass sie „kontinuierlich gestiegen“
sind.Tatsächlichstammen51AnfragenausdenJahren2010bis2012.3Ende2015standenbereits
173InteressentenaufderListe.4DaMenschen,diesichzumBauenentschlossenhaben,damitnicht
unbegrenztwartenwerden,istdavonauszugehen,dassdieseälterenAnfragensichzwischenzeitlich
erledigt haben. Auch wenn die bloße Anfrage nichts darüber aussagt, ob die Interessenten sich
angesichts des Preises, der Lage, der Beschaffenheit und möglicher Alternativen für ein
BaugrundstückamBlotenbergentscheidenwürden,verbleibendamitallenfallsdie45Anfragendes
3
4
Haupt-undFinanzausschuss06.02.2014,TOP5.
DatenfürdenSachstandsberichtFlächenmanagement,Stand31.12.2015.
4
vergangenen Jahres. Dieser Zahl steht ein in den kommenden Jahren zu erwartendes Angebot von
jährlichmindestens70Altimmobiliengegenüber.
Im Übrigen steht die Zahl dieser „Anfragen“ in einem auffallenden Kontrast zur Zahl der
Vorkaufsrechtsfällenach§24BauGB,die193imJahr2014und108imJahr2015ausmachten.5Esist
zwarnichtbekannt,wiehochderAnteilderImmobilienkäufeinWertherist,diederRegelungvon§
24 BauGB unterliegen. Würde aber die Stadtverwaltung bei den Interessenten auf ihrer Liste
regelmäßig nachfragen, so würde die Liste rasch zusammenschmelzen, unter anderem weil etliche
InteressenteneinObjektmitkommunalemVorkaufsrechterworbenhaben.
Fazit:
Am 21.06.2013 (also nach der Frühzeitigen Bürgerbeteiligung und Anhörung der TÖB!)
wurdedieNovelledesBauGBveröffentlichtunddieseVorschrifteingefügt:
§1a: „Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter
Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der
Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen,
Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen
können."
Der Entwurf scheint diese Vorschrift zwar zu kennen, berücksichtigt sie aber nur mit
oberflächlichen Floskeln und widersprüchlichen Formulierungen. Insbesondere ignoriert
er fast völlig die absehbaren demografischen Veränderungen in Werther. Damit
widerspricht er auch der Forderung des §1(6.2) des BauGB, dass bei der Aufstellung von
Bauleitplänen die Bevölkerungsentwicklung zu berücksichtigen ist. Zudem enthält er nur
höchst mangelhaft die geforderten „Ermittlungen zu den Möglichkeiten der
Innenentwicklung“vorallembeim„Gebäudeleerstand“.
II.DieMöglichkeitenderInnenentwicklungwerdenauchsonstnichtausgeschöpft
Die Forderung, der Innenentwicklung Vorrang einzuräumen, verbietet nicht die Außenentwicklung.
Sie verlangt nur, dass zunächst alle Möglichkeiten der Innenentwicklung ausgeschöpft werden. Der
Entwurf geht daher auf mehrere Problemfelder der Innentwicklung ein und bemüht sich
nachzuweisen,dasssichdieStadtWertherdortangestrengthabe,dabeiaberGrenzenerreichthabe,
ohne den Bedarf an Wohnraum völlig befriedigen zu können. Wenn man aber genauer hinschaut,
erkenntman,dassdieseAnstrengungenhöchsthalbherzigwaren.DieStadtverwaltunghatsichum
dieseProblemfeldernieernsthaftgekümmert.
SohatsichdieStadtzwar
„am 11.03.2016 im Rahmen des 3. Aufrufverfahrens mit sechs Grundstücken beim Flächenpool
NRW beworben. Der Flächenpool NRW ist ein Angebot des Lands Nordrhein-Westfalen, um
untergenutzteoderbrachgefalleneFlächenimInnenbereichzuaktivieren.IndieserBewerberrunde
wurdedieStadtWerther(Westf.)leidernichtberücksichtigt.“(S.6)
Allerdings hat die Bewerbung erst stattgefunden, nachdem Ratsmitglieder die Bürgermeisterin auf
diese Förderungsmöglichkeit hingewiesen hatten. Obwohl bei jeder Förderrunde des Flächenpools
alleGemeindeninNRWangeschriebenundeingeladenwerden,sichzubewerben.DieVerwaltungin
5
Vgl.FN4.
5
WertheristindenerstenbeidenFörderungsrundenimJahr2014diesenEinladungennichtnurnicht
nachgekommen. Sie hat auch die zuständigen Ausschüsse nicht über diese Möglichkeit informiert.
AufAntragderCDUwurdedannimDezember2014dieVerwaltungdurchdenAusschussfürKultur,
Stadtentwicklung und Klima gebeten, „den Beitritt zum Bewerberkreis des Flächenpools NRW zu
prüfen und ggf. eine Vorlage zu erstellen“.6 Erst im November 2015 wurde dann der Flächenpool
wieder Thema in einer Ausschusssitzung – abermals geschah dies jedoch auf Initiative eines
Ausschussmitglieds.7 Auch als die Bürgermeisterin den Ausschuss im darauffolgenden Monat über
dieEinladungzurTeilnahmeamFlächenpoolinformierte,wurdekeineAuskunftüberdenSachstand
der versprochenen Vorlage gegeben.8 In der Sitzung des Ausschusses für Kultur, Stadtentwicklung
undKlimaschutzam02.03.2016wurdedieStadtverwaltungschließlicheinstimmigdamitbeauftragt,
eine Bewerbung für geeignete Flächen im Rahmen des 3. Aufrufverfahrens beim Flächenpool NRW
einzureichen. Erst dieser Beschluss führte dann offensichtlich zu der im obigen Zitat erwähnten
Bewerbung, über die aber gegenüber den Ausschussmitgliedern und der Öffentlichkeit bis heute
keinerleiMitteilungerfolgtist. AngesichtsdieserGleichgültigkeitgegenübereinerFördermöglichkeit
muss es nicht eigens erwähnt werden, dass die Stadt nicht nachweisen kann, jemals eigene
Anstrengungen unternommen zu haben, diese Flächen zu aktivieren und ggf. einer Wohnnutzung
zuzuführen.
DesWeiterenberuftsichderEntwurfdarauf,dass
„von der Stadt Werther (Westf.) seit März 2000 ein Baulückenkataster geführt (wird).
Eigentümer von Baulücken werden kontaktiert und - sofern gewünscht - bei der Bebauung
bzw.VermarktungihrerFlächenunterstützt.“
Tatsächlich hat aber erst ein Antrag der CDU-Fraktion dazu geführt, dass der Ausschuss für
Klimaschutz, Stadtentwicklung und Kultur am 26.10.2016 die Verwaltung beauftragte, dieses
offensichtlich vor sich hinschlummernde Kataster zu aktualisieren und zu prüfen, ob man es nach
demVorbildvonBorgholzhausenaufderHomepagederStadtveröffentlichendürfe.
Ähnlich verhält es sich bei dem Weco-Gelände, wo es den Plänen der Stadt scheinbar
entgegenkommt,dasssie„aufgrundvorliegenderAltlasten“behauptenkann,dassdieseFlächen
„heuteundinabsehbarerZukunftfüreineWohnnutzungnichtalsgeeignet“
anzusehen sind. (S. 10) Es ist nicht bekannt, ob die Stadtverwaltung jemals ernsthaft geprüft hat,
unter welchen Bedingungen (z.B. indem sie die Flächen in Besitz nimmt, was Voraussetzung einer
Förderung der Bodensanierung wäre) und zu welchen Kosten die Flächen einer Wohnnutzung
zugeführtwerdenkönnten.SoistoffensichtlichbisherauchdervorJahrenangeknüpfteKontaktmit
demvomLandNRWeingerichteten„VerbandfürFlächenrecyclingundAltlastensanierung“(AAV)in
Hattingen nicht weiter verfolgt worden, der die Kommunen durch die Beteiligung an der
Finanzierung von Sanierungsuntersuchungen und -maßnahmen sowie durch die Beratung in
Einzelfällenunterstützt.
Fazit:
6
AusschussfürKultur,StadtentwicklungundKlimaschutz,11.12.2014,TOP4(https://www.stadtwerther.de/index.php?id=141).
7
AusschussfürKultur,StadtentwicklungundKlimaschutz,25.11.2015,AnfragenundMitteilungen
(https://www.stadt-werther.de/index.php?id=141).
8
Haupt-undFinanzausschuss,14.12.2015,AnfragenundMitteilungen(https://www.stadtwerther.de/index.php?id=141).
6
Bei genauerem Hinsehen belegen die drei von der Stadt genannten Maßnahmen zur
Innentwicklung(Baulückenkataster,Flächenpool,Weco)genaudasGegenteilvondem,was
sie zeigen sollen: Sie machen deutlich, dass sich die Stadt sich nicht systematisch um
Innenentwicklung bemüht. Würde die Stadt mit vergleichbarem Aufwand die
Innenentwicklungbetreiben,wiesieihnfürdieAußenentwicklungentfaltet,sowürdendie
GründefüreinneuesBaugebietentfallen.
III.DerBestandwirdvernachlässigt
DieForderungdesBauGB,derInnenentwicklungVorrangeinzuräumen,hatzweiAspekte.Einerseits
sollquantitativderBedarfanWohnraumvorrangigimBestandgedecktwerden.Andererseitssolldie
Kommune ihre Bemühungen zunächst auf den qualitativen Zustand der bisherigen Siedlungsfläche
lenken,bevorsiediesedurchneueBaugebieteerweitert.
DieStadtWertherverstößteklatantgegendiesenzweitenAspekt,wennsiezurRechtfertigungihrer
Neubauplänefeststellt:
„Auch genügen die im Bestand gegebenen Wohnungsformen und -größen in vielen Fällen
nichtdenaktuellenAnsprüchen.“(S.7)
SachlichmagdieseinezutreffendeBeobachtungsein.UndeinMaklerkannesauchdabeibelassen,
weil er nicht verpflichtet ist, „Schrottimmobilien“ zu vermarkten. Eine Kommune aber darf um der
StadtentwicklungwilleneinesolcheFeststellungnichttreffen,ohnesichdenHerausforderungenzu
stellen,diesichdarausergeben.
Wenn die Stadt Werther diesen Zustand der Altimmobilien lediglich als Argument benutzt, um ein
neues Baugebiet zu begründen, so schreibt sie achselzuckend die Altimmobilien ab. Diese genügen
eben nicht mehr „den aktuellen Ansprüchen“. Sie nimmt es tatenlos hin, dass die vor Jahrzehnten
errichteten Häuser nach dem Tod ihrer Bewohner wegen ihres Zustandes nicht mehr vermarktet
werdenkönnen.
DamitwächstdasRisiko,dasssichinälterenWohnbereichenstrukturellerLeerstandausbreitetund
die Verödung ganzer Quartiere droht. Eine Abwärtsspirale wird ausgelöst, die sich auf Stadtbild,
Lebensqualität und Grundstückswerte negativ auswirkt. Während dank eines Neubaugebietes die
Stadt an ihren Rändern aufblüht, soll sie also im Innern verkümmern. Dort wohnen umgeben von
„Schrottimmobilien“ zunehmend nur noch alte Menschen; im Neubaugebiet dagegen bleiben die
jungenFamilienuntersich.WenndieseAbwärtsspiraleersteinmalinGanggekommenist,lässtsie
sich kaum noch aufhalten. Ihr muss vorbeugend und frühzeitig entgegengewirkt werden, was
angesichtsderdemografischenEntwicklungvonaktuellerDringlichkeitist.
DerEntwurfbehauptetzwar
„DieNutzungvonNachverdichtungsmöglichkeitenwirdvonderStadt…intensivbegleitet.“
UndalsBelegwirdangeführt,dassdieStadt
„bereits seit 2014 durch ein Beratungsangebot bei Altbausanierungen inklusive
EnergieberatungdieNach-undUmnutzungvonalterBausubstanzunterstützt“.(S.6)
Damit gemeint sein dürfte die kostenlose Energieberatung, die zweimal im Monat im Rathaus
angebotenwird(aufderHomepagederStadtmühsamunter„UmweltundNatur“zufinden).Doch
7
damit wird – wie öfter in dem Entwurf – eine Maßnahme zu Unrecht als Beleg für eine aktive
InnenentwicklungspolitikinAnspruchgenommen.DiesesAngebotrichtetsichnämlichanengagierte
undenergiebewussteInhabervonAltbauten,begleitetabernicht–undschongarnicht„intensiv“–
„dieNutzungvonNachverdichtungsmöglichkeiten“.
Fazit:
Die Verwaltungsvorlage vernachlässigt die Stadtentwicklung im Bestand zugunsten des
geplanten Neubaugebietes und missachtet damit nachdrücklich die Interessen und
Bedürfnisse der bisherigen und insbesondere der künftigen Einwohner der Stadt. Damit
verstößt sie auch gegen § 1(5) BauGB, demzufolge Bauleitpläne „eine nachhaltige
städtebaulicheEntwicklung…auchinVerantwortunggegenüberkünftigenGenerationen…
gewährleisten“sollen.
IV.DieRessourcensindungleichverteilt
DerEntwurfwechseltwillkürlichdieTerminologie:Umdaszubehandeln,wassieihrerMeinungnach
nichtbeeinflussenkann,sprichtdieStadtvon„Altimmobilien“;wennsieabervondemspricht,was
sie schaffen möchte, gebraucht sie den Begriff „Bauland“. Bereitstellung von Bauland sei angeblich
dieeinzigeMöglichkeit,denBedarfanWohnraumzudecken.JedenfallsistkeinBemühenerkennbar,
dafürSorgezutragen,„dassdieNachfragebzw.derBedarfanBauland“zunächstaufdasAngebotan
Altimmobiliengelenktwird.
AlsGrundwirdangegeben,dieStadthabe
„nur sehr geringe Möglichkeiten und Ressourcen, um auf die Inanspruchnahme von
Altimmobiliensteuerndeinzuwirken“.(S.7)
Dies ist jedoch keine unabänderliche Sachlage, sondern das gewollte Resultat administrativer und
politischer Entscheidungen. Die Stadt setzt nämlich für die Wiederverwendung von leerstehenden
AltimmobiliennichtannähernddiegleichenRessourcenanHaushaltsmitteln,Personalkapazitätund
Einfallsreichtumein,diesiebeiderAufstellungdesBebauungsplansBlotenbergandenTaglegt.
Bei einem Neubaugebiet handelt die Stadt unmittelbar, indem sie einen Bebauungsplan aufstellt,
Flächen ankauft, Baugrundstücke verkauft und die Infrastruktur herstellt, was tatsächlich
befriedigenderundbequemerist,alssichumeinenachhaltigeInnenentwicklungzukümmern.Denn
die kann die Stadt überwiegend nur mittelbar steuern, was Kleinarbeit, Geduld,
EinfühlungsvermögenundGesprächsbereitschafterforderlichmacht.Esistdahererklärlich,wenndie
StadtmehrRessourcenindieAußenentwicklungalsindieInnenentwicklunginvestiert.
MaßnahmenzurMobilisierungvonAltimmobilenunterbleiben,weilsieimGegensatzzurAufstellung
eines Neubaugebiets nur mühsam und mit zeitlichen Verzug zu nachweisbaren Erfolgen führen.
Warum sonst ist zweimal (18.05.2011, 22.10.2012) im Ausschuss für Klimaschutz, Stadtentwicklung
und Kultur der Antrag abgelehnt worden, nach dem Vorbild der Gemeinde Hiddenhausen ein
Programm„JungkauftAlt“aufzulegen?
DieGemeindeHiddenhausenimKreisHerfordistinUmfangundStrukturungefährmitWertherzu
vergleichen.UnterFührungdesheutenochamtierendenSPD-BürgermeistershatsieimJahr2007ein
8
Förderprogramm gestartet, um junge Familien für ihre zunehmenden Leerstände zu gewinnen.9 Je
nach Kinderzahl unterstützt sie den Erwerb einer Altimmobilie mit bis zu 10.500 Euro. Im Rahmen
dieserFörderungberätdieGemeindeintensivdieInteressenten,sodassdiesenauchallgemeinein
wohlwollendes Klima entgegenkommt. Bis zum Jahresende 2016 waren das 414 Förderungen. Da
überdieHälftederNutznießervonauswärtsstammen,ergabsichindenletztenJahreneinepositive
Wanderungsbilanz. Ohne dass Neubaugebiete ausgewiesen wurden, für die die Gemeinde hohe
Infrastrukturkostenhätteaufbringenmüssen,hattesiejährlichfast150Neubürger.AuchdieZahlder
KinderimAlterzwischen3und5Jahrennahmzu;warenesimJahr2007noch426,sozählteman
fünfJahrespäterschon543.10
In Werther dagegen glaubt man, derartige Erfolge müheloser durch die Erweiterung der
Siedlungsflächeerzielenzukönnen.ManverkenntdasPotential,dasangesichtsderÜberalterungim
Innenbereich in zunehmendem Maße zur Verfügung steht, und ignoriert gleichzeitig die
zunehmendenProbleme,wenndortkeineRevitalisierungerfolgt.
Fazit:
WürdedieStadtmitvergleichbaremAufwanddieInnenentwicklungbetreiben,wiesieihn
für die Außenentwicklung entfaltet, so würden die Gründe für ein neues Baugebiet
entfallen.
V.AspektedesstädtischenHaushalts
Die Stadt begründet das Bestreben, ein „weiteres attraktives Wohn- und Bauangebot zu eröffnen“,
mitdemZiel,
„sich möglichst in Richtung der oberen Variante der Bevölkerungsprognose des Kreises
Güterslohzuorientieren“.
Diesseinotwendig,
„umdieinfrastrukturelleAusstattungbesondersindenBereichenBildung,KulturundFreizeit
weiterzustützen“.(S.7)
Offensichtlich wird hier eine Kausalkette zwischen dem Baugebiet und der Finanzierung von
freiwilligenSelbstaufgabenderGemeindekonstruiert:DurchdasBaugebietwürdendieBevölkerung
von Werther und damit die Einkommensteuer zunehmen, so dass die soziale und kulturelle
Infrastrukturbezahltwerdenkönne.
DiesesArgumentstehtzwarunterderÜberschrift„Bedarfslage“.Aberwährenddarunteransonsten
der Bedarf von Menschen an Wohnraum behandelt wird, geht es hier um den Bedarf der Stadt an
steuerzahlendenMenschen.DiedamitkonstruierteKausalkettezwischendemneuenBaugebietund
dersozialenundkulturellenInfrastrukturderStadtunterschlägtjedocheineVielzahlvonFaktoren.
ZunächstwürdeeinBlickaufdenAltersaufbauderBevölkerungvonWertherzuderEinsichtführen,
dass sich die Jahrgänge der sozialversicherungspflichtigt Beschäftigten in den nächsten beiden
9
Westfalenblatt30.01.2017;
http://www2.hiddenhausen.de/PDF/Richtlinien_zur_F%C3%B6rderung_des_Erwerbs_von_Altbauten_Jung_ka
uf_Alt_.PDF?ObjSvrID=1500&ObjID=365&ObjLa=1&Ext=PDF&WTR=1&_ts=
10
http://spd-bersenbrueck.de/imperia/md/content/bezirkweserems/gliederungen/bersenbrueck/jung_kauft_alt.pdf
9
Jahrzehnten nahezu halbieren werden. (Vgl. Mahlert/Hoffmann, Studie 2016, S. 23 f.) Die daraus
resultierenden Probleme des städtischen Haushalts lassen sich durch die Einkommensteuer der 50
bis100neuenHaushaltedesBaugebietsnichtkompensieren.DieseabsehbarenProblemesolltenes
aber verbieten, dass die Stadt sich durch ein neues Baugebiet weiter ansteigende
Infrastrukturfolgekostenzumutet.
DerEntwurfenthältnochnichteinmalansatzweiseeineGegenüberstellungvonNutzenundKosten
desgeplantenBaugebiets.ErschweigtdaherzuderVielzahlvonfinanziellenRisikenfürdieStadt,die
jedeErweiterungderSiedlungsflächemitsichbringt.(Vgl.ebd.,S.25ff.)AusdurchsichtigenGründen
macht er keinen Gebrauch von den verschiedensten im Internet verfügbaren Instrumenten, um
einmalige und dauerhafte Kosten den zu erwartenden Einnahmen gegenzurechnen, die auch in
WertherohnegroßenAufwandeingesetztwerdenkönnten.(Vgl.ebd.,S.29)
Ginge es der Stadt tatsächlich darum, „sich möglichst in Richtung der oberen Variante der
BevölkerungsprognosedesKreisesGütersloh“(vgl.ebd.S.7)zuentwickeln,sowärediesesZieldurch
ein Management der rasch wachsenden Leerstände, also mittels einer Strategie, die sich dem
Vorrang der Innenentwicklung verpflichtet fühlt, um ein Vielfaches besser zu erreichen. Denn wie
obendargelegt,würdedasBeispielvonHiddenhausenindenkommendenJahrzehnteninjedemJahr
einen Zuwanderungsgewinn in der Größenordnung zur Folge haben, wie er nur einmalig durch ein
neues Baugebiet erzielt werden könnte. Und dabei würden der Stadt gleichzeitig die
Haushaltsbelastungen durch neue Infrastrukturkosten erspart bleiben, die ein neues Baugebiet
zwangsläufigzurFolgehätte.(Vgl.ebd.,S.28f.)
Fazit:
DieBehauptungdesEntwurfs,derBebauungsplanwürdesichpositivaufdieHaushaltslage
der Stadt auswirken, wird noch nicht einmal ansatzweise belegt. Angesichts der
demografischenEntwicklungistvielmehrzubefürchten,dassdieInfrastruktur(folge)kosten
des neuen Baugebiets in den kommenden Jahren die Stadt zwingen würden, massive
Streichungen bei den freiwilligen Aufgaben im sozialen und kulturellen Bereich
vorzunehmen.
Zusammenfassung:
DerEntwurfeiner„Begründung“desBaugebietsBlotenbergvomJanuar2017istoberflächlichund
mangelhaft.BeieinersorgfältigenLektüreentdecktmanmehrGründegegenalsfürdasBaugebiet.
Es liegt daher im wohlverstandenen Interesse der Stadt Werther, dieses Baugebiet nicht zu
realisieren.