8 Die große Daniel-Spoerri-Re trospektive im Kunstforum Ost deutsche Galerie Regensburg (KOG) geht am Wochenende ins Finale. S kurril und morbid, aber auch humorvoll und mysteriös zeigen sich Daniel Spoerris Objekte, in denen er verschiedenste Gegenstände vereint. Der in der Schweiz lebende Spoerri, der 1930 als Daniel Isaac Feinstein in Galatz in der Westmoldau in Rumänien geboren wurde, erhielt letztes Jahr im KOG den LovisCorinth-Preis. Bei dem Rundgang durch die Ausstellung „Daniel Spoerri. Das offene Kunstwerk“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie kann man ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle erleben. Nur noch bis Sonntag ist die umfangreiche Retrospektive zu sehen, die den Erfinder des legendären „Fallenbildes“ und den Begründer der „Eat Art“ mit über 100 Werken vorstellt. Ein unaufgeräumter Eßtisch an der Wand, ein elektrifizierter Elefantenrüssel vor einem kitschigen Bildteppich, Requisiten wie Beinprothese und Knochen neben Mistgabel und Machete, umrankt von künstlichen Pflanzen, vereinen sich zu einem plastischen Stillleben. Dazu kommen bizarre Wesen aus Metall mit rissiger Patina und Gußkanälen. Das alles sind alltägliche, aber auch skurrile Dinge, die Daniel Spoerri in seinen Assemblagen und Bronzeplastiken zusammenträgt. Ausgehend vom Nouveau Réalisme, der sich Anfang der sechziger Jahre in Paris etablierte, entdeckt der Objektkünstler auf Flohmärkten Alltags- KULTUR Sudetendeutsche Zeitung Folge 8 | 24. 2. 2017 AUSSTELLUNGen � Finale im Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg Kunst-Augenblicke Daniel Spoerri: Bronzeplastiken aus der Serie „Prillwitzer Idole“ (2005/2009) mit Collageobjekten aus der Reihe „Prillwitzer/Krüger“ (2006). Bild: Wolfram Schmidt/KOG gegenstände aus verschiedenen Kulturen, die er in seinen dreidimensionalen Werken umdeutet. Seine unverwechselbare Bildsprache vereint dabei Bedrohliches, Makabres und Unheimliches mit Witzigem, Hintersinnigem und Ironischem. Zuletzt waren im reichen Begleitprogramm auch ganz junge Kunstfreunde aktiv: Schüler der Bischof-Wittmann-Schule und einer Übergangsklasse der Mittelschule Lappersdorf führten am ersten Sonntag im Februar die Museumsgäste im Kunstforum Ostdeutsche Galerie durch die Daniel-Spoerri-Ausstellung. Das inklusive und zugleich integrative Projekt „Kunst(augen)blicke“ brachte Jugendliche mit Handi- cap und Gleichaltrige mit Migrationshintergrund zusammen. Initiiert wurde es vom KOG und KreBeKi, der Stiftung für krebskranke und behinderte Kinder in Bayern. Für die Führung wurden Rollen aufgeteilt, Texte geprobt, Requisiten gestaltet für die vier gemischten Teams aus den Schulen. Zusammen mit den Museums pädagoginnen des Hauses, Sonja Konen, Claudia Lermer, Isabell Stein und Karla Volpert, hatten sie sich viele Gedanken gemacht, wie sie „ihre“ Werke in der Ausstellung „Daniel Spoerri. Das offene Kunstwerk“ den Besuchern am besten vorstellen. Der Rundgang mit vier Stationen begann mit Daniel Spoerris berühmter „Eat-Art“. Die erste Gruppe bot den Gästen die einmalige Gelegenheit, einen Blick ins Restaurant Spoerri zu werfen, wo sie Augenzeugen bei der Entstehung eines Eat-Art-Objekts wurden. Was dabei rauskommt, wenn man Redewendungen gemeinsam mit Spoerri wörtlich nimmt, erfuhren die Besucher im nächsten Raum. Im großen Ausstellungssaal wurde das Geheimnis der Prillwitzer Idole gelüftet, die den Objektkünstler zu kuriosen Bronzeplastiken inspirierten. Abschließend begleitete das letzte Team durch die bizarren Bilderwelten der Werkgruppe „Background Landscapes“: Verschiedene Darstellungen, darunter billige Bild- kopien oder kitschige Wandteppiche, erweckte Daniel Spoerri zum Leben, indem er sie zu Kulissen kurioser Szenen machte. KOG-Pressesprecherin Gabriela Kašková: „Uns im Museum freut es besonders, daß wir durch Kunstvermittlung den Jugendlichen Raum bieten konnten, aufeinander zuzugehen und daß es in der Praxis tatsächlich so gut klappte.“ Bis Sonntag, 26. Februar: „Lovis-Corinth-Preis 2016: Daniel Spoerri“ in Regensburg, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Dr.Johann-Maier-Straße 5, Internet www.kunstforum.net. Dienstag bis Sonntag 10.00–17.00. Die Schüler der Mittelschule Lapperdorf und der Bischof-Wittmann-Schule erstellen für ihre Führungen das eigene Fallenbild „Amerika“ und setzen sich intensiv mit Spoerris „Eat-Art“ auseinander. Bilder: Gabriela Kašková/KOG Louisa Diederichs und Justus Haufe stellten bei einer Veran staltung der Heimatpflegerin Zuzana Finger und des Tsche chischen Zentrums München in München ihr Videoprojekt „Su pernova“ vor. � Präsentation im Sudetendeutschen Haus D Vavroušková und Irena Cejpová, zwei Studentinnen aus Prag, die die Lebenserinnerungen von Anna Weber aus Prag wiedergaben. Im dritten Film beschäftigte sich Michal Urban mit der Zeitzeugin Lisa Kees aus Thomasdorf im ehemaligen Kreis Freiwaldau im Altvatergebirge. Film vier beruhte auf dem Interview von Ludmila Tomášková mit Udo Krumpholz aus Sternberg. Louisa Diederichs und Justus Haufe organisierten abschließend als Projektleiter ein Seminar, in dem sich die tschechischen Filmemacher das erste Mal trafen, ihre Filme sichteten und über verschiedene Aspekte und Problematiken diskutierten. Die einzige verpflichtende Vorgabe der Projektleiter war, daß die tschechischen Filmer die Stimme des deutschen Zeitzeugen als Tonspur einbauten oder sie in einer anderen Form aus dem Interview in den Kurzfilm transponierten. Diese Vorgabe lösten ie Medienstudenten Louisa Diederichs und Justus Haufe aus Bayreuth haben im Rahmen ihres Bachelorstudiums „Medienwissenschaften und Medienpraxis“ in einem Filmprojekt junge tschechische Filmer, die sich für sudetendeutsche Geschichte interessieren, und vertriebene Sudetendeutsche zusammengebracht. „Das Projekt ,Supernova‘ setzt sich aus vier dokumentarischen Kurzfilmen zusammen, für die jeweils ein sudetendeutscher Zeitzeuge per Skype von einem tschechischen Studenten interviewt wurde“, erläuterte Heimatpflegerin Zuzana Finger. „Dies ist ein Novum bei Zeitzeugeninterviews und eine gute Möglichkeit, die geographische Entfernung zu überwinden.“ Der erste Film war von Veronika Kupková, die Kristian Ehinger interviewt hatte, der 1938 in Hohenelbe geboren wurde. Der zweite Film war von Radka Sudetendeutsche Zeitung, 24.2.2017 „Supernova“ aus vier Filmen Louisa Diederichs und Justus Haufe. Bilder: Matthias Heinrich/Supernova die jungen Teilnehmer auf ganz verschiedene Weise, wie man im Sudetendeutschen Haus sehen konnte: Veronika Kupková blendet in ihrem Film über Hohenelbe und das Riesengebirge die Aussagen von Kristian Ehinger als Text ein. Irena Cejpová und Radka Vavroušková gehen in ihrem Film durch Prag und unterhalten sich auf Tschechisch. Dabei erzählt Cejpová die Geschichte ihrer Familie. Vavroušková schlüpft in die Rolle von Astrid Förster aus Pegnitz und erzählt von deren Großmutter Anni Weber. Im Film von Michal Urban hört man die Erzählstimme der Zeitzeugin Lisa Kees und sieht Bilder vom Altvatergebirge. Auch die Stimme von Udo Krumpholz ist in „seinem“ Film zu hören. Was er von seiner Kindheit erzählt, zeigt Ludmila Tomášková auf ihrem Mobiltelefon, während sie zu Fuß auf seinen Spuren durch das heutige Sternberg läuft. Die Filme sind mit Untertiteln konsequent deutsch-tschechisch gehalten und damit allgemein verständlich. „Die jungen Filmer haben sich mit viel Respekt und Sympathie in ihren Kameraaufnahmen mit den Aussagen der sudetendeutschen Zeitzeugen auseinandergesetzt“, lobte Zuzana Finger. „Da der Zeitzeuge immer unsichtbar bleibt, jedoch seine Aussagen oder seine Stimme mit Bildern seiner Heimat begleitetet werden, bekommt man als Zuschauer das Gefühl einer engen Verknüpfung der schönen Landschaft und der Menschen, die dort früher gelebt haben“, stellte sie fest und bedankte sich n Bis Dienstag, 28. Febru ar: „Verwaiste Denkmäler“ in München-Au, Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, AdalbertStifter-Saal. Montag bis Freitag 9.00–18.30 Uhr. n Mittwoch, 1. März bis Mitt woch, 17. Mai: „Verschwunden. Orte, die es nicht mehr gibt“. Ausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen in Bayreuth, Lastenausgleichsarchiv, Dr.-Franz-Straße 1, Montag bis Donnerstag 8.00–17.00 Uhr, Freitag 8.00–15.00 Uhr. n Bis Sonntag, 5. März: „Karl IV. (1316–2016). Baye risch-tschechische Landesaus stellung“ in Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, Internet www. karliv.eu. Dienstag bis Sonntag 9.00–18.00, Mittwoch bis 21.00 Uhr. n Bis Montag, 6. März: Verlo renes Gedächtnis? Orte der NS Zwangsarbeit in der Tschechi schen Republik“ in München, Tschechisches Zentrum, Prinzregentenstraße 7. Montag bis Freitag 10.00–17.00, Donnerstag 10.00–19.00 Uhr. n Donnerstag, 9. März bis Freitag, 28. April: „Stadln – Das verschwundene Dorf im Böh merwald“ in München-Au, Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, drittes Obergeschoß. Montag bis Freitag 9.00–18.30 Uhr, feiertags geschlossen. n Bis Sonntag, 12. März: „Hundertwasser. Schön & gut“ in Bernried/Kreis WeilheimSchongau, Buchheim-Museum, Am Hirschgarten 1. Dienstag bis Freitag 10.00–17.00, Samstag und Sonntag 10.00–18.00 Uhr. n Bis Donnerstag, 16. März: „Leben und Werk des Kompo nisten Josef Bohuslav Foerster (1859–1951)“ in Regensburg, Bischöfliche Zentralbibliothek, Sankt-Peters-Weg 11–13. Montag bis Mittwoch 9.00–12.00 und 13.00–17.00, Donnerstag 9.00– 18.00 Uhr. n Bis Sonntag, 19. März: „Vom Bayerisch-Werden und anderen Merkwürdigkeiten. 200 Jahre Marktredwitz in Bay ern“ in Marktredwitz, EgerlandMuseum, Fikentscherstraße 24. Dienstag bis Sonntag 14.00– 17.00 Uhr. n Bis Freitag, 24. März: „Li ly Reich und ihre Beziehung zur Weißenhofsiedlung und den Städten Stuttgart und Brünn“ in Stuttgart, Stadtteilbibliothek Feuerbach, Sankt Pöltener Straße 29. Dienstag, Donnerstag, Samstag 10.00–13.00, Dienstag und Freitag 14.00–19.00, Mittwoch und Donnerstag 14.00–18.00 Uhr. bei den Projektleitern und anderen Beteiligten. Die Filmemacher hatten sich mit dem Prozeß des Erinnerns beschäftigt und für das Projekt den Namen „Supernova“ gewählt, einem Begriff aus der Astronomie. Er solle hinweisen auf das helle Aufleuchten vergangener Ereignisse, das lange anhalte und für andere wahrnehmbarer werde als die früheren Ereignisse, so Finger. Louisa Diederichs und Justus Haufe dankten der SL-Kreisgruppe Bayreuth für die umfangreiche und unermüdliche Unterstützung des Videoprojekts. Christa Naaß, Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rates, war eigens zu dieser Veranstaltung aus Mittelfranken, wo sie Vizepräsidentin des Bezirkstags ist, nach München gekommen. Sie würdigte in ihrem Grußwort das Projekt der Bayreuther Studenten und hob die Vorbildfunktion für weitere deutsch-tschechische Zeitzeugenprojekte hervor. Dafür spreche auch, daß „Supernova“ nach den Stationen Bayreuth, Erlangen und München gerade auch in Brünn vorgestellt worden sei. Susanne Habel Informationen im Internet unter https://supernova2017.net/
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