SWR2 Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Roderich, Kiesewetter (CDU), Obmann der CDU/CSUBundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss,
gab heute, 23.02.17,dem Südwestrundfunk ein Interview
zum Thema: „Syrien Friedensgespräche in Genf“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Pascal Lechler.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
23.02.2017
Lösung in Syrien ohne Assad momentan kaum denkbar
Baden-Baden: Der Obmann der Unions-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss,
Roderich Kiesewetter, hat die Hoffnungen auf einen baldigen Durchbruch bei den heute in Genf
beginnenden Syrien-Friedensgesprächen gedämpft. Er rechne mit langwierigen
Verhandlungen, so Kiesewetter im SWR2-Tagesgespräch. Eine Lösung des Konflikts ohne
Machthaber Baschar al-Assad hält Kiesewetter für kaum mehr denkbar. Wichtig sei jetzt, dass
die Europäer den Druck auf Russland aufrecht erhielten, damit Moskau am Ende Assad die
Unterstützung entziehe. Außerdem müssten die Europäer der stark geschwächten syrischen
Opposition eine Stimme geben. Mit Blick auf die neue Administration in Washington sagte
Kiesewetter im SWR, dass es misslich sei, dass die USA als wesentlicher Verhandlungspartner
ausfalle. Damit werde auch die Position der Europäer im Syrien-Konflikt geschwächt. Außerdem
forderte Kiesewetter im SWR2-Tagesgespräch Schutzzonen für Flüchtlinge. Hier seien die UN
gefragt.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Lechler: Ich denke, die Ausgangslage für Verhandlungen in Genf war noch nie so
schwierig wie heute. Der UN-Sondergesandte de Mistura meinte, er rechne nicht mit
einem schnellen Durchbruch. Mit was rechnen Sie denn?
Kiesewetter: Also zunächst mal ist wichtig, dass nach dieser langen Pause wieder Gespräche
stattfinden, das die Opposition mit am Tisch ist. Aber ich dämpfe auch die Erwartungen, weil es
Uneinigkeit über die Zukunft von Assad besteht. Die internationale Gemeinschaft möchte, dass
der IS bekämpft wird, Russland möchte Assad im Amt halten und dazwischen werden die
Menschen umgebracht - 100.000-fach, wie sie auch gerade dargestellt haben. Ich rechne mit
langwierigen Verhandlungen.
Lechler: Ist eine Lösung ohne Assad überhaupt noch denkbar?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Kiesewetter: Das glaube ich nicht. Wichtig ist aber, dass es keine militärische Lösung geben
kann, aus westlicher Sicht. Also es wird keine Bodentruppen der USA oder Deutschlands oder
Europas geben. Entscheidend ist aber, dass wir Europäer mit einer Stimme sprechen. Das wir
de Mistura unterstützen und da helfen Alleingänge, wie sie Frankreich im November und so
weiter gemacht hat, überhaupt nicht. Das bedeutet also, Prioritätenwechsel Assad aus dem Amt
zu verhandeln. Wahrscheinlich wird er dann nach Russland oder in den Iran gehen, und damit
Platz zu machen für eine neue Friedensordnung. Die Grundlagen wurden geschaffen, vor
anderthalb Jahren. 18 Monate nach Waffenstillstand soll es dann zu Wahlen kommen.
Lechler: Wie hinderlich ist es denn, dass die Amerikaner sich immer noch nicht ganz
deutlich ausgedrückt haben, was sie eigentlich in Syrien wollen?
Kiesewetter: Ja, das ist sehr misslich, weil ein wesentlicher Verhandlungspartner ausfällt.
Entscheidend ist ja, dass die Amerikaner bereits seit anderthalb Jahren sich aus der Region
zurückgezogen haben. Sie sind energieautark, also unter Obama hat der Rückzug ja begonnen.
Und dieses Vakuum hat Russland, das geopolitisch denkt und nicht taktisch, sehr rasch
ausgenutzt. Das ist nicht nur misslich, das schwächt auch uns Europäer.
Lechler: Herr Trump hat ja zumindest mal angekündigt, er möchte entschiedener gegen
den IS vorgehen. Jetzt ist der IS ja nur ein kleines oder ein Teil des Problems in Syrien.
Kiesewetter: Entscheidend ist, dass wir uns klar werden, worum es da eigentlich geht. Es geht
um den iranischen Einfluss, dass er über Irak, Syrien und den Libanon, wo er den
Staatspräsident unterstützt, einen Bogen hat mit Zugang zum Mittelmeer. Zweitens, dass
Russland seine Militärbasen Tartus und Latakia in Syrien halten will und drittens, dass die
Europäer das Flüchtlingsproblem dort in den Griff bekommen und wir endlich an eine Rückkehr
der Flüchtlinge denken können. Schlüsselrolle spielt dabei die Türkei, die ist gegen Assad,
nimmt 3 1/2 Millionen Flüchtlinge auf. Ich glaube, so schwierig die Lage mit der Türkei ist, was
Syrienpolitik angeht, kann man hier die Türkei unterstützen.
Lechler: Wie hilfreich sind denn die Versuche gewesen der Türkei und Russlands, da
Parallelverhandlungen in Astana zu führen?
Kiesewetter: Zumindest haben diese Parallelverhandlungen dazu geführt, weil die Amerikaner
sich herausgehalten haben, dass die Verhandlungen jetzt in Genf ermöglicht wurden und da wir
Deutsche auch auf eine diplomatische Lösung drängen, hat dies eine diplomatische Lösung
näher gebracht. Pervers ist aber, und ich nutze bewusst dieses Wort, dass in der Zwischenzeit
Assad 2/3 der Bevölkerung beherrscht, 1/3 des Landes und, dass Assad seine Machtposition
ausgebaut hat und dadurch die Opposition geschwächt. Das heißt, Assad sitzt ganz stark mit
am Tisch, wenn dem die Opposition schwächer als bei den letzten Verhandlungen. Und hier
können wir insofern helfen, als wir der Opposition eine Stimme geben.
Lechler: Jetzt melden die Agenturen wieder Bombardements auf Damaskus. Auch die
Opposition wirft der Regierung in Damaskus vor, weiter mit Gewalt gegen sie
vorzugehen und damit auch die Gespräche in Genf zu unterminieren. Werden wir nicht
wahrscheinlich zuschauen müssen, bis Assad wirklich gewonnen hat, bis er wieder die
Kontrolle über das ganze Land bekommen hat?
Kiesewetter: Das ist das Ziel Assads, aber wir haben Hinweise, dass Russland seinen Druck
aufrecht erhält. Das Assad wenigstens für die Dauer der Verhandlungen das Bombardement
einstellt. Hier können wir Russland auf die Bühne schieben und sehr klar sagen, was wollt ihr
eigentlich? Russland ist derjenige, der Assad stabilisiert hat, durch den Militäreingriff seit
Oktober 2015. Nur dadurch ist Assad noch an der Macht. Die russische Glaubwürdigkeit leidet
unter dem Vorgehen und wir sollten uns sehr im Klaren sein, dass Russland hier Machtpolitik
durchsetzt. Wir sehen das auch in Ukraine. Also in jeden Fall müssen wir auch den Druck auf
Russland aufrecht erhalten, da wir keine militärische Lösung wollen.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Lechler: Die UN wollen in Genf über eine Übergangsregierung, eine neue Verfassung und
Wahlen verhandeln. Ist das nicht unrealistisch letztlich, wenn man sich die
Ausgangslage anschaut. Sollte man nicht eher über humanitäre Fragen erst mal reden?
Kiesewetter: Der Punkt ist ja, was ist die Alternative? Wenn sie keine Aussichten haben,
humanitäre Hilfe zu leisten oder auf das russische Kalkül wann Waffenstillstand ist, angewiesen
zu sein, hilft es nicht. Wir brauchen noch eine zweite Ebene, das ist die Ebene des
Internationalen Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds. Hier müssen wir weltweit darauf
drängen, dass es Schutzzonen gibt, die von der Türkei, von Libanon und von Jordanien aus
eingerichtet werden und hier ist die UN gefragt. Diese lässt sich blockieren durch die VetoMächte. Also wir sehen hier die ganze missliche Lage und deshalb ist es so wichtig, dass
wenigstens Verhandlungen mit der Opposition und der Regierung stattfinden. Ich würde mir das
auch wünsche, aber die Wirklichkeit ist eben so, dass im Krieg und in solchen Fällen die
Zivilbevölkerung am meisten leidet. Das kann die Stärke Europas sein, hier stärker zu fordern.
Dazu muss aber Europa aber mit einer Stimme sprechen und schauen Sie mal, was gerade in
Frankreich oder Italien los ist. Also hier ist auch wieder deutsche Außenpolitik gefordert.
- Ende Wortlaut -
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