6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Sonntag, 12. Februar 2017
6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Jes Sir 15, 15-20, 1 Kor 2, 6-10, Mt 5, 17-37
VA 18.00 Grafenberg, 8.30 Straning, 10.00 Wartberg, 18.00 Domkirche St. Stephan
Liebe Schwestern und Brüder,
immer wieder bin ich versucht zu sagen, dass das EVANGELIUM kein Ratgeber ist und es
keinen Leitfaden enthält, um für sich darin, persönliche Strategien zu einem geglückten
Leben zu finden. Und doch, so „meine“ Antithese, findet sich darin ein Weg zum „Glück“,
sodass nicht alle Jagd nach diesem nur in einem peinlichen Straucheln auf dem
Tanzparkett des Lebens enden muss.1
Und immer wieder ergeht es mir dabei, wie es uns in einer „Weisung der Väter“
überliefert wird, in der es heißt: Einmal kamen Altväter zum Altvater Antonios, unter
denen auch der Altvater Joseph war. Antonios wollte sie prüfen, indem er ihnen ein Wort
der Schrift vorlegte und sie zu fragen begann, was das Wort bedeute. Jeder gab Antwort, je
nach seinem Vermögen. Der Greis sagte zu jedem: „Du hast es noch nicht gefunden.“
Zuletzt von allen sprach er zum Altvater Joseph: „Was sagst denn du, dass dieser Spruch
bedeute?“ Seine Antwort war: „Ich weiß es nicht.“ Da sprach der Altvater Antonios:
„Wahrhaftig, Altvater Joseph hat den Weg gefunden, indem er sagte: „Ich weiß es nicht!““2
Wenn wir nun in dieser Stunde das EVANGELIUM, das uns die Liturgie dieses Sonntages
zum Nachdenken in die Hände gibt und ans Herz legt, um es zu verstehen und in unser
Leben als Christen und als Glaubende zu „übersetzen“, betrachten, muss auch ich Ihnen
sagen: „Ich verstehe es nicht.“ Vor allem eines nicht: wie man es leben soll. Damit ich Sie
mit meinen Gedanken und Auslegungen nicht vom EVANGELIUM wegführe und wir nicht
Gefahr laufen, darauf zu vergessen, was in der Botschaft JESU die Hauptsache ist,3 will ich
uns alle ermutigen, TROTZDEM weiterhin darüber nachzudenken, es zu leben versuchen,
auch wenn wir vielleicht jetzt oder auch übermorgen immer noch nicht wissen, wie.
Und selbst wenn Sie nun etwas verwundert reagieren oder über mich sogar entsetzt
sein mögen: es hat mich in meinen Vorbereitungen und Überlegungen dazu eine fast
1
Vgl. Konrad Paul Liessmann, „Die Jagd nach dem Glück“, Vortrag zur Eröffnung des 15. Philosophicum
Lech am 22. September 2011 in Lech am Arlberg.
2
Vgl. Apophthegmata Patrum, 17, in: Günther Schulz/ Jürgen Ziemer, Mit Wüstenvätern und
Wüstenmüttern im Gespräch, 49.
3
Vgl. Adolf Schlatter, Das Evangelium nach Matthäus, 60f.
verzweifelte Ratlosigkeit befallen, die aber, so „meine“ Antithese, eine Voraussetzung
dafür ist, am EVANGELIUM nicht willkürlich herumzubasteln, sondern es in seiner
ganzen Radikalität einfach einmal stehen zu lassen. Und es nicht einfach schön zu reden
oder in seiner Kompromisslosigkeit zu entschärfen und dem eigenen Belieben zu
überlassen, damit wir vielleicht doch noch mit einem guten Gewissen und einem
wohligen Gefühl nach Hause gehen können, wie nach einer Wellness-Stunde.
Das EVANGELIUM entlässt uns nicht in eine „Kapitulation“ vor der Bergpredigt, sondern
es will uns helfen, uns immer mehr bewusst zu werden, worum es diesem JESUS geht,
damit in allem GOTTES Wille geschieht. Denn ER ist nicht dazu gekommen und es war
auch nicht in SEINER Absicht, die Gesetze einfach aufzuheben, sie für obsolet zu
erklären, sondern sie zu erfüllen! Weil das Israel gegebene göttliche Wort für alle Zeiten
gültig bleibt und von IHM nach seinem vollen Sinn und Willen erfüllt wird. Was auch für
uns bedeutet, dass wir nur dann Christen sind, wenn wir IHM, diesem JESUS, der der
CHRISTUS ist, Gehorsam erweisen.4
Was hindert uns daran, es Tat werden zu lassen? Vielleicht letztlich doch nur eine dubiose
Angst, uns vor der Welt „vorgestrig“ zu fühlen und nicht für ganz voll genommen zu
werden, weil uns zu verstehen gegeben wird: So kann man doch heute nicht mehr denken,
geschweige denn leben, und schon gar nicht glücklich werden. Ja, aber wodurch dann?
Das EVANGELIUM, die Botschaft JESU, entzieht uns letztlich den Boden des oftmals
gekränkten Ichs und des Eigenwillens, der selbst immer nur das auswählt, womit er
GOTT dienen will. GOTTES WORT aber kann niemals durch uns entkräftet werden, denn
echte Größe gewinnt der Mensch nur dadurch, wenn er gehorsam ist.5 Und damit tun
wir uns schwer, sehr sogar!
JESUS geht es um die Gerechtigkeit, die wir als Christen im Vergleich mit den
Schriftgelehrten und Pharisäern, welche sich durch ihr Tun und Denken von der Schrift
frei machten und dadurch der Sünde einen Boden bereiteten, weil sie sich selbst für
weise hielten und nur nach ihren eigenen Satzungen fromm waren, überbieten sollen.6
Wie aber steht es um unsere Gerechtigkeit? Um unser Gerecht-Sein? Sind wir es? Wie
steht es um die Reinheit unserer Gedanken und unseres Herzens, in dem doch alles,
nicht erst durch die Tat, seinen Anfang nimmt?
JESU Worte rütteln auf! Und das ist gut so, denn nur über die Erfüllung des Willens
GOTTES, nicht über die Auflösung des Gesetzes, geht der Weg in den Himmel!7 Mit
einem offenen und klaren JA oder NEIN sollen wir darüber Auskunft geben. Mehr ist oft
nicht erforderlich, 8 damit dem Auskommen mit den Menschen und dem Leben
miteinander nichts mehr im Wege steht.
4
Vgl. ebd., 60.
5
Vgl. ebd., 62 und 63.
6
Vgl. ebd., 61.
7
Vgl. Klaus Berger, Meditationen zu den Sonntagsevangelien, Lesejahr A, 152.
8
Vgl. ebd., 76.