Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Gesetzentwurf der Landesregierung Thüringer Gesetz zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes (ThürThUGAG) A. Problem und Regelungsbedürfnis Am 1. Januar 2011 ist das Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305), geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425), in Kraft getreten. Seinem Anwendungsbereich unterfallen Personen, die infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Az.: 19359/04) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden oder bereits entlassen wurden und bei denen die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ThUG vorliegen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ThUG sind für die Therapieunterbringung nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzugs getrennt sind. Durch die Änderung des Therapieunterbringungsgesetzes vom 5. Dezember 2012, die am 1. Juni 2013 in Kraft trat, wurde § 2 ThUG um einen Absatz 2 ergänzt, wonach Einrichtungen im Sinne des § 66c Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet sein können. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem vormaligen Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und dem vormaligen Justizministerium war ersteres bis zum 31. Mai 2013 für die Umsetzung des Therapieunterbringungsgesetzes zuständig. Am 1. Juni 2013 ging die Zuständigkeit auf das Justizministerium über. Wegen dieses Zuständigkeitswechsels und der genannten Erweiterung des § 2 ThUG wurde in Artikel 1 Abs. 3 des am 20. Dezember 2012 unterzeichneten Staatsvertrags zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen über die Errichtung und die gemeinsame Nutzung einer Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung (GVBl. 2013 S. 103) ausdrücklich geregelt, dass auch nach dem Therapieunterbringungsgesetz unterzubringende männliche Verurteilte in dieser Einrichtung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt aufgenommen werden können. Thüringen stehen 15 Plätze zu Verfügung. Trotz dieser Kooperation mit Hessen bedarf es eines Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes, da der Staatsvertrag eine Anrechnung der nach dem Therapieunterbringungsgesetz Unterzubringenden auf das Thüringen zustehende Kontingent an Plätzen Vorabdruck verteilt am: 15. Februar 2017 Druck: Thüringer Landtag, 15. März 2017 Drucksache 6/ 15.02.2017 3441 Drucksache 6/ 3441 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt vorsieht. Bei einer vollständigen Nutzung der Plätze wäre Hessen nicht verpflichtet, weitere männliche Unterzubringende aufzunehmen. Sie müssten daher gegebenenfalls in Thüringen verbleiben. Zudem bedarf es auch einer Regelung für die Therapieunterbringung weiblicher Verurteilter. Ebenso möglich ist, dass ein aus der Sicherungsverwahrung Entlassener eines anderen Bundeslandes seinen Wohnsitz nach Thüringen verlegt. Zudem ist gesetzlich zu regeln, wem die Aufgaben und Befugnisse der unteren Verwaltungsbehörde nach dem Therapieunterbringungsgesetz obliegen. Bislang ist dies durch die Thüringer Therapieunterbringungszuständigkeitsverordnung vom 14. Mai 2013 (GVBl. S. 142) in der jeweils geltenden Fassung geregelt, die jedoch nur eine Übergangslösung darstellt und dementsprechend bis zum 31. März 2017 befristet ist. B. Lösung Das Gesetz dient der Umsetzung des Therapieunterbringungsgesetzes in Thüringen. Neben dem Vollzug der Therapieunterbringung wird auch festgelegt, wem die Aufgaben und Befugnisse der unteren Verwaltungsbehörde zukommen. Aufgrund der bundesgesetzlichen Vorgaben in § 2 ThUG ist davon auszugehen, dass im Regelfall eine Unterbringung in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung zulässig ist, jedoch in Ausnahmefällen weiterhin auch eine Unterbringung in Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Betracht kommen kann (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34). Durch § 2 des nachfolgenden Gesetzes wird dieses Regel-AusnahmeVerhältnis verdeutlicht. Dementsprechend findet grundsätzlich das Thüringer Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz vom 23. Mai 2013 (GVBl. S. 121 -122-) in der jeweils geltenden Fassung auf den Vollzug der Therapieunterbringung in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung entsprechende Anwendung. Lediglich einzelne, durch Besonderheiten der Therapieunterbringung bedingte Abweichungen oder Ergänzungen werden gesondert geregelt. Hintergrund hierfür ist, dass nach der Begründung des Regierungsentwurfs für das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung die Leitlinien nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 und 2 Strafgesetzbuch (StGB) bereits weitestgehend den Vorgaben von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThUG entsprechen (Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34). Für den Fall einer ausnahmsweisen Unterbringung in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs im Sinne der §§ 63 oder 64 StGB findet im Wesentlichen das geltende Thüringer Maßregelvollzugsgesetz vom 8. August 2014 (GVBl. S. 545) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung. C. Alternativen Keine, Thüringen stehen in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt nur begrenzt Plätze zur Verfügung, sodass ein Verbleib von männlichen Unterzubringenden in Thüringen nicht ausgeschlossen werden kann. Ebenso ist auch eine Regelung für die Therapieunterbringung weiblicher Unterzubringender notwendig. Zudem besteht nach den bundesgesetzlichen Vorgaben zumindest theoretisch die Möglichkeit einer Unterbringung in Einrichtungen des Maßregelvollzugs. Zur Vermeidung von Gesetzeslücken bedarf es daher landesspezifischer Vollzugsregelungen. 2 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 Im Übrigen ist aufgrund der Befristung der Thüringer Therapieunterbringungszuständigkeitsverordnung eine Regelung erforderlich, welcher Behörde künftig die Aufgaben und Befugnisse der unteren Verwaltungsbehörde nach dem Therapieunterbringungsgesetz obliegen. D. Kosten Die Deckung der Kosten der Therapieunterbringung erfolgt, auch im Fall einer ausnahmsweisen Unterbringung in Einrichtungen des Maßregelvollzugs nach § 2 Abs. 2, aus dem Einzelplan 05. Aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs des Therapieunterbringungsgesetzes ist von vergleichsweise geringen Fallzahlen auszugehen. So existierte zum Stichtag 18. April 2016 bundesweit lediglich ein Fall einer Unterbringung auf der Grundlage des Therapieunterbringungsgesetzes. Der betreffende männliche Unterzubringende war in einer Maßregelvollzugseinrichtung des Landes Niedersachsen untergebracht. In Thüringen kommt (im Februar 2018) lediglich ein (männlicher) Sicherungsverwahrter für eine Therapieunterbringung in Frage. Aufgrund des bestehenden Staatsvertrags zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen wird für Thüringen sowohl die Sicherungsverwahrung als auch die Therapieunterbringung von männlichen Verurteilten grundsätzlich in Hessen vollzogen. Von den anfallenden Kosten hat Thüringen pauschal ein Viertel zu tragen, also unabhängig davon, ob das Kontingent von 15 Plätzen vollständig genutzt wird. Insofern führt der Vollzug der Therapieunterbringung zunächst zu keinen zusätzlichen Kosten. Diese würden erst nach einer vollständigen Ausschöpfung des Thüringen zustehenden Kontingents in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt entstehen und wären im Rahmen der im Einzelplan 05 verfügbaren Mittel zu decken. Die Unterbringung weiblicher Sicherungsverwahrter, wie auch die Inhaftierung weiblicher Gefangener aus Thüringen, erfolgt aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Thüringen, dem Freistaat Sachsen und dem Land Sachsen-Anhalt in der sächsischen Justizvollzugsanstalt Chemnitz. Die Vereinbarung umfasst jedoch nicht die Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz. Grundsätzlich möglich wäre aber, die Vereinbarung zu erweitern und eventuelle künftige Therapieunterbringungen weiblicher Unterzubringender ebenso in Kooperation mit dem Freistaat Sachsen zu vollziehen. Dort erfolgt die Unterbringung nach § 3 Abs. 1 des Sächsischen Therapieunterbringungsausführungsgesetzes im Sächsischen Krankenhaus Großschweidnitz. Daneben käme aber auch eine Kooperation mit anderen Bundesländern, insbesondere mit dem Land Hessen, in Betracht. Die Kosten für die Unterbringung weiblicher Unterzubringender sind aufgrund der noch unklaren Unterbringungssituation derzeit nicht bezifferbar. Allerdings dürften die zu erwartenden Fallzahlen sehr gering sein. Zum Stichtag 18. April 2016 war bundesweit lediglich ein Fall einer in Sicherungsverwahrung befindlichen weiblichen Verurteilten (in Hessen) bekannt. Zudem sind in Sachsen keine weiblichen Gefangenen aus Thüringen inhaftiert, für die eine Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz in Betracht kommt. Nicht bezifferbar ist zudem der Verwaltungsaufwand. Aufgrund der zu erwartenden niedrigen Fallzahlen ist jedoch nur von einem geringen Verwaltungsaufwand auszugehen. E. Zuständigkeit Federführend ist das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. 3 Drucksache 6/ 3441 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode FREISTAAT THÜRINGEN DER MINISTERPRÄSIDENT An den Präsidenten des Thüringer Landtags Herrn Christian Carius Jürgen-Fuchs-Straße 1 99096 Erfurt Erfurt, den 14. Februar 2017 Sehr geehrter Herr Präsident, hiermit überreiche ich den von der Landesregierung beschlossenen Entwurf des "Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes (ThürThUGAG)" mit der Bitte um Beratung durch den Landtag in den Plenarsitzungen am 22./23./24. Februar 2017. Mit freundlichen Grüßen Bodo Ramelow 4 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 Thüringer Gesetz zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes (ThürThUGAG) Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen: §1 Anwendungsbereich Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Therapieunterbringung aufgrund des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) in der jeweils geltenden Fassung. §2 Einrichtungen (1) Die Therapieunterbringung wird in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung im Sinne des § 2 Abs. 2 ThUG vollzogen. (2) Der Vollzug der Therapieunterbringung kann ausnahmsweise im Einvernehmen mit dem für Gesundheit zuständigen Ministerium in einer Einrichtung erfolgen, die Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den §§ 63 oder 64 des Strafgesetzbuchs vollzieht und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 ThUG erfüllt, wenn diese Einrichtung im Einzelfall für die Behandlung einer psychischen Störung besser geeignet ist. §3 Ziele des Vollzugs (1) Der Vollzug der Therapieunterbringung dient dem Ziel, die infolge einer psychischen Störung bestehende Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Anordnung der Therapieunterbringung möglichst bald aufgehoben werden kann. Die Untergebrachten sollen befähigt werden, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen. (2) Der Vollzug der Therapieunterbringung bezweckt zugleich den Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten. §4 Gestaltung des Vollzugs (1) Der Vollzug der Therapieunterbringung ist medizinisch-therapeutisch und unter Berücksichtigung notwendiger Sicherheitsbelange freiheitsorientiert auszurichten. Er gewährleistet eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans. Der Vollzug der Therapieunterbringung ist unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit so auszugestalten, dass die Untergebrachten so wenig wie möglich belastet werden. (2) Das Leben im Vollzug der Therapieunterbringung ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Es soll den Bezug zum Leben außerhalb des Vollzugs erhalten, die Untergebrachten in ihrer Eigenverantwortung stärken und ihnen helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. 5 Drucksache 6/ 3441 (3) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Untergebrachten, insbesondere im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion und Weltanschauung, werden bei der Gestaltung des Vollzugs der Therapieunterbringung und bei allen Einzelmaßnahmen berücksichtigt. §5 Behandlung, Motivation (1) Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen anzubieten. Die Behandlungsmaßnahmen haben wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen. (2) Die Erreichung des Vollzugsziels nach § 3 Abs. 1 erfordert die Mitwirkung der Untergebrachten. Ihre Bereitschaft hierzu ist fortwährend zu wecken und zu fördern. Die Motivationsmaßnahmen sind zu dokumentieren. §6 Verlegung Die Untergebrachten können, wenn dies zur Behandlung der psychischen Störung erforderlich ist, im Einvernehmen mit der aufnehmenden Einrichtung und nach Anhörung des nach § 4 ThUG zuständigen Gerichts in eine andere Einrichtung im Sinne des § 2 verlegt werden. §7 Entsprechende Anwendung anderer Rechtsvorschriften (1) Für den Vollzug in Einrichtungen nach § 2 Abs. 1 finden, soweit Zweck und Eigenart der Therapieunterbringung nicht entgegenstehen, die §§ 6 bis 47, 49 bis 58, 60 bis 70, 73 und 75 des Thüringer Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes (ThürSVVollzG) vom 23. Mai 2013 (GVBl. S. 121 -122-) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass 1. sich die Behandlungsuntersuchung nach § 9 Abs. 2 ThürSVVollzG insbesondere auf alle Umstände, die für die Behandlung der psychischen Störung maßgeblich sind, erstreckt, 2. bei der Entscheidung über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 bis 4 ThürSVVollzG auch medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind und anstelle der Strafvollstreckungskammer das nach § 4 ThUG zuständige Gericht anzuhören ist, 3. bei der Entscheidung über die Gewährung einer Freistellung aus der Unterbringung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ThürSVVollzG das nach § 4 ThUG zuständige Gericht anzuhören ist und 4. in den Fällen des § 58 ThürSVVollzG in Verbindung mit § 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 und § 131 Abs. 1 des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs vom 27. Februar 2014 (GVBl. S. 13) in der jeweils geltenden Fassung eine Übermittlung von Daten auch an das nach § 4 ThUG und an das für Entscheidungen nach § 327 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587) in der jeweils geltenden Fassung zuständige Gericht zulässig ist. 6 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 (2) Für den Vollzug in Einrichtungen nach § 2 Abs. 2 finden, soweit Zweck und Eigenart der Therapieunterbringung nicht entgegenstehen, die §§ 3 bis 10, 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bis 5, die §§ 12, 13 Abs. 3 bis 5, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 und 3 sowie die §§ 15 bis 31, 34 bis 47, 49 und 51 des Thüringer Maßregelvollzugsgesetzes (ThürMRVG) vom 8. August 2014 (GVBl. S. 545) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass 1. nach § 10 Abs. 3 Satz 1 ThürMRVG die Untergebrachten durch den aufnehmenden Arzt unverzüglich und möglichst in einer für sie verständlichen Sprache über das Vollzugsziel nach § 3 Abs. 1 zu belehren und über die gesetzlichen Grundlagen ihrer Unterbringung sowie ihrer Rechte und Pflichten aufzuklären sind, 2. das Gutachten nach § 11 Abs. 4 Satz 4 ThürMRVG unverzüglich dem Chefarzt und dem nach § 4 ThUG zuständigen Gericht zur Kenntnis zu bringen ist, 3. nach § 23 Abs. 1 ThürMRVG der Vollzug gelockert werden soll, wenn die begründete Erwartung besteht, dass dadurch das Vollzugsziel nach § 3 Abs. 1 gefördert wird und die Untergebrachten die ihnen eingeräumten Möglichkeiten nicht missbrauchen werden, 4. nach § 23 Abs. 3 ThürMRVG bei Vollzugslockerungen und Verlegung in die offene Unterbringung den Untergebrachten zur Förderung des Vollzugsziels nach § 3 Abs. 1 Auflagen erteilt werden können, 5. nach § 23 Abs. 4 ThürMRVG vor einer erstmaligen Vollzugslockerung der dort genannten Fälle anstelle der Vollstreckungsbehörde das Einvernehmen mit dem nach § 4 ThUG zuständigen Gericht einzuholen ist, 6. nach § 23 Abs. 5 ThürMRVG Vollzugslockerungen und Verlegung in die offene Unterbringung das Einvernehmen mit dem nach § 4 ThUG zuständigen Gericht erfordern und dem Interventionsbeauftragten umgehend mitzuteilen sind, 7. nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ThürMRVG zur Absicherung des Behandlungsziels nach § 3 Abs. 1 die forensischen Ambulanzen es übernehmen, die Nachsorge steuernd zu begleiten und die an der Nachsorge beteiligten Einrichtungen und Stellen zu beraten, 8. nach § 26 Abs. 6 Satz 2 ThürMRVG bei Anordnung besonderer Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 ThürMRVG das für Entscheidungen nach § 327 FamFG zuständige Gericht und der Interventionsbeauftragte zu unterrichten sind, 9. die Schutz- und Sicherungsmaßnahme nach § 26 Abs. 6 Satz 3 ThürMRVG in Abständen von maximal zwei Wochen von dem für Entscheidungen nach § 327 FamFG zuständigen Gericht überprüfen zu lassen ist, wenn deren Dauer einen Zeitraum von vier Wochen seit ihrer Anordnung übersteigt, 10.nach § 27 Abs. 2 Satz 5 ThürMRVG der Interventionsbeauftragte und das für Entscheidungen nach § 327 FamFG zuständige Gericht über die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu unterrichten sind, 11.eine Zwangsbehandlung nur auf Antrag des Chefarztes oder seines Stellvertreters nach § 29 Abs. 5 Satz 1 ThürMRVG mit vorheriger Zustimmung des für Entscheidungen nach § 327 FamFG zuständigen Gerichts zulässig ist, 12.die Dokumentation über die Zwangsbehandlung nach § 29 Abs. 8 Satz 2 ThürMRVG dem Interventionsbe- 7 Drucksache 6/ 3441 auftragten sowie dem für Entscheidungen nach § 327 FamFG zuständigen Gericht unverzüglich zu übermitteln ist, 13.nach § 47 Abs. 2 ThürMRVG die Vollzugseinrichtungen mit dort genannten Stellen und Personen eng zusammenarbeiten sollen, soweit diese die Ziele des Vollzugs der Unterbringung nach § 3 fördern können, und 14.eine Übermittlung von Daten in gerichtlichen Verfahren an das nach § 4 ThUG und an das für Entscheidungen nach § 327 FamFG zuständige Gericht zulässig ist. §8 Unterrichtung Die Einrichtung unterrichtet das nach § 4 ThUG zuständige Gericht und die Aufsichtsbehörde, sobald nach ihrer Überzeugung die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr vorliegen. §9 Zuständigkeiten, Kosten der Unterbringung (1) Die Aufgaben und Befugnisse der unteren Verwaltungsbehörde nach dem Therapieunterbringungsgesetz obliegen dem für Justiz zuständigen Ministerium. (2) Zuständig für den Vollzug sind die Einrichtungen nach § 2. (3) Erfolgt die Unterbringung in einer Einrichtung nach § 2 Abs. 2, sind die Untergebrachten an den Kosten ihrer Unterbringung zu beteiligen. § 32 Abs. 1 Satz 2 und 3 ThürMRVG gilt entsprechend. Für die Ermittlung und Abrechnung der Kosten der Unterbringung in einer Einrichtung nach § 2 Abs. 2 findet § 32 Abs. 2 bis 5 ThürMRVG entsprechende Anwendung. (4) Entstehen bei der Unterbringung in einer Einrichtung nach § 2 Abs. 2 Kosten für Leistungen der Gesundheitsfürsorge, erfolgt die Kostenbeteiligung der Untergebrachten nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 und 3 ThürMRVG. Art und Umfang der Leistungen richten sich nach den Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 ThürMRVG gilt entsprechend. § 10 Einschränkung von Grundrechten Durch dieses Gesetz werden die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen), auf informationelle Selbstbestimmung sowie den Schutz der personenbezogenen Daten (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen) und auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses, des Post- und Fernmeldegeheimnisses sowie des Kommunikationsgeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes, Artikel 7 der Verfassung des Freistaats Thüringen) eingeschränkt. 8 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 § 11 Gleichstellungsbestimmung Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form. § 12 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. April 2017 in Kraft. 9 Drucksache 6/ 3441 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Begründung: A. Allgemeines Am 1. Januar 2011 ist das Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305), geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425), in Kraft getreten. Anwendung findet dieses Gesetz auf Personen, die infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Az.: 19359/04) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden oder bereits entlassen wurden und bei denen die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 ThUG vorliegen. Nach § 2 Nr. 3 ThUG in seiner ursprünglichen Fassung waren für die Therapieunterbringung nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzugs getrennt sind. Durch die Änderung des Therapieunterbringungsgesetzes, die am 1. Juni 2013 in Kraft trat, wurde § 2 ThUG um einen Absatz 2 ergänzt, wonach Einrichtungen im Sinne des § 66c Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet sein können. Nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 11 ff.) sprechen nicht nur die geringen Fallzahlen und auch die praktische Umsetzung der sowohl dem Therapieunterbringungsgesetz als auch der Sicherungsverwahrung nach § 66c Abs. 1 StGB zugrunde liegenden Therapieorientierung gegen eine formalistisch angelegte Unterscheidung zwischen Einrichtungen für Sicherungsverwahrung einerseits und solchen nach dem Therapieunterbringungsgesetz andererseits, sondern vielmehr für eine Orientierung an den tatsächlichen therapeutischen Erfordernissen (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 33). Aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem vormaligen Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und dem vormaligen Justizministerium war ersteres bis zum 31. Mai 2013 für die Umsetzung des Therapieunterbringungsgesetzes zuständig. Am 1. Juni 2013 ging die Zuständigkeit auf das vormalige Justizministerium über. Wegen dieses Zuständigkeitswechsels und der genannten Erweiterung von § 2 ThUG wurde in Artikel 1 Abs. 3 des am 20. Dezember 2012 unterzeichneten Staatsvertrags zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen über die Errichtung und die gemeinsame Nutzung einer Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung (GVBl. 2013 S. 103) ausdrücklich geregelt, dass auch nach dem Therapieunterbringungsgesetz unterzubringende männliche Unterzubringende in dieser Einrichtung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt aufgenommen werden können. Trotz dieser Kooperation mit Hessen bedarf es eines Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes, da der Staatsvertrag eine Anrechnung der nach dem Therapieunterbringungsgesetz männlichen Unterzubringenden auf das Thüringen zustehende Kontingent an Plätzen in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt vorsieht. Bei einer vollständigen Nutzung der Plätze wäre Hessen nicht verpflichtet, weitere männliche Unterzubringende aufzunehmen. Sie müssten daher gegebenenfalls in Thüringen verbleiben. Zudem bedarf es auch einer Regelung für die Therapieunterbringung weiblicher Unterzubringender. Ebenso denkbar ist, dass ein aus der Si10 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 cherungsverwahrung Entlassener eines anderen Bundeslandes seinen Wohnsitz nach Thüringen verlegt. Zudem ist gesetzlich zu regeln, wem die Aufgaben und Befugnisse der unteren Verwaltungsbehörde nach dem Therapieunterbringungsgesetz obliegen. Bislang ist dies durch die Thüringer Therapieunterbringungszuständigkeitsverordnung vom 14. Mai 2013 (GVBl. S. 142) in der jeweils geltenden Fassung geregelt, die jedoch nur eine Übergangslösung darstellt und dementsprechend bis zum 31. März 2017 befristet ist. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung des Therapieunterbringungsgesetzes in Thüringen. Neben dem Vollzug der Therapieunterbringung wird auch festgelegt, wem die Aufgaben und Befugnisse der unteren Verwaltungsbehörde zukommen. Der Strafvollzugsausschuss der Länder setzte im Rahmen seiner 115. Tagung vom 9. bis 11. Mai 2012 in Wörlitz eine Arbeitsgruppe unter der Federführung Bayerns mit dem Auftrag ein, die Grundlagen für den Vollzug der Therapieunterbringung in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung nach § 2 Abs. 2 ThUG zu erarbeiten. An dieser Arbeitsgruppe beteiligten sich alle Länder mit Ausnahme von Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Die Arbeitsgruppe erstellte im Hinblick auf die Neukonzeption der Sicherungsverwahrung und die Vorgaben des Bundesgesetzgebers im Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425) einen Grundlagenentwurf für den Vollzug der Therapieunterbringung in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung. Dieser Grundlagenentwurf sieht weitestgehend die Anwendung der Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetze auf den Vollzug der Therapieunterbringung vor. Daneben soll aber auch ausnahmsweise eine Unterbringung in Einrichtungen des Maßregelvollzugs im Sinne der §§ 63 oder 64 StGB möglich sein, so dass für solche Ausnahmefälle die Maßregelvollzugsgesetze der Länder beziehungsweise ein Großteil der in diesen Gesetzen normierten Bestimmungen zur Anwendung kämen. An diesem Grundlagenentwurf orientiert sich der vorliegende Gesetzentwurf, der zudem im Wesentlichen dem Hessischen Ausführungsgesetz zum Therapieunterbringungsgesetz vom 27. Juni 2013 (GVBl. S. 442) entspricht. Im Hinblick auf die Kooperation mit Hessen im Bereich des Vollzugs der Sicherungsverwahrung und der Therapieunterbringung männlicher Verurteilter ist dies konsequent. Aufgrund der bundesgesetzlichen Vorgaben nach § 2 ThUG ist davon auszugehen, dass im Regelfall eine Unterbringung in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung zulässig ist, jedoch in Ausnahmefällen weiterhin auch eine Unterbringung in Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Betracht kommen kann (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34). Durch § 2 des Gesetzentwurfs wird dieses Regel-AusnahmeVerhältnis verdeutlicht. Dementsprechend findet grundsätzlich das Thüringer Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (ThürSVVollzG) vom 23. Mai 2013 (GVBl. S. 121 -122-) in der jeweils geltenden Fassung auf den Vollzug der Therapieunterbringung in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung entsprechende Anwendung. Lediglich einzelne, durch Besonderheiten der Therapieunterbringung bedingte Abweichungen oder Ergänzungen werden gesondert geregelt. Hintergrund hierfür ist, dass nach der Begründung des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung die Leitlinien nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB bereits weitestgehend den Vor- 11 Drucksache 6/ 3441 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode gaben des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThUG entsprechen (Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34). Für den Fall einer ausnahmsweisen Unterbringung in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs im Sinne der §§ 63 und 64 StGB findet im Wesentlichen das Thüringer Maßregelvollzugsgesetz (ThürMRVG) vom 8. August 2014 (GVBl. S. 545) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung. B. Zu den einzelnen Bestimmungen Zu § 1 Anwendungsbereich Die Bestimmung regelt den Anwendungsbereich des Gesetzes. Dieser umfasst den Vollzug der Therapieunterbringung in geeigneten geschlossenen Einrichtungen nach § 2 ThUG in der derzeitigen Fassung. Grundlage für den Vollzug der Therapieunterbringung ist § 1 ThUG, der die Unterbringung von entlassenen oder zur Entlassung anstehenden Sicherungsverwahrten, bei denen ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist (vergleiche Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009, Az.: 19359/04), ermöglicht, wenn von ihnen infolge einer psychischen Störung die Gefahr erheblicher Straftaten ausgeht. Die Unterbringungsentscheidung erfolgt durch eine Zivilkammer des Landgerichts. Es handelt sich bei der Therapieunterbringung um eine Form der Freiheitsentziehung, die im Anschluss an eine Sicherungsverwahrung oder nach einer Entlassung hieraus vollzogen wird. Zu § 2 Einrichtungen Die Bestimmung normiert die Einrichtungen, in denen die Therapieunterbringung vollzogen wird. Weder das Therapieunterbringungsgesetz noch diese Bestimmung setzt die Schaffung eigenständiger Einrichtungen für den Vollzug der Therapieunterbringung voraus. Nach § 2 Abs. 2 ThUG sind Einrichtungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung im Sinne des § 66c Abs. 1 StGB ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet, wenn sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThUG erfüllen. Mit dem Inkrafttreten des § 66c Abs. 1 StGB wird auch die Sicherungsverwahrung freiheitsorientiert, therapiegerichtet und mit der notwendigen räumlichen Trennung vom Strafvollzug ausgestaltet sein (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34), so dass die Annahme einer grundsätzlichen Eignung dieser Einrichtungen, der Absatz 1 Rechnung trägt, ab diesem Zeitpunkt gerechtfertigt erscheint. Der Bundesgesetzgeber geht allerdings davon aus, dass auch künftig in jedem Einzelfall eine Prüfung stattzufinden hat, ob eine Einrichtung für den Vollzug der Therapieunterbringung im konkreten Fall geeignet ist (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34). Insoweit sind Ausnahmefälle nicht ausgeschlossen, denen durch die Regelung in Absatz 2 Rechnung getragen wird. Durch die Bestimmung wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis normiert: Nach Absatz 1 wird die Therapieunterbringung im Regelfall in Einrichtungen für Sicherungsverwahrung vollzogen; diese sind geeignete Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 2 ThUG. Nach Absatz 2 kann die Therapieunterbringung ausnahmsweise in einer Einrichtung vollzogen werden, die Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den §§ 63 oder 64 StGB vollzieht und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 ThUG 12 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 erfüllt, wenn diese Einrichtung im Einzelfall für die Behandlung der psychischen Störung besser geeignet ist und das für Gesundheit zuständige Ministerium sein Einvernehmen erklärt hat. Damit wird der vom Bundesgesetzgeber vorausgesetzten Einzelfallprüfung für die Auswahl der "geeigneten Einrichtung" im Sinne des § 2 ThUG Rechnung getragen. Ergänzend regelt § 6 die Möglichkeit einer nachträglichen Verlegung in andere Einrichtungen nach § 2. Zu § 3 Ziele des Vollzugs Die Bestimmung regelt die Ziele des Vollzugs der Therapieunterbringung und entspricht inhaltlich weitgehend § 2 ThürSVVollzG. Absatz 1 Satz 1 wurde lediglich um die Formulierung "die infolge einer psychischen Störung bestehende Gefährlichkeit" ergänzt und damit die Formulierung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG ("infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird") aufgegriffen. Mit Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 werden damit die Ziele des Vollzugs der Sicherungsverwahrung übernommen und an die spezifische gesetzliche Ausgestaltung der Therapieunterbringung hinsichtlich der für die Anordnung der Unterbringung erforderlichen psychischen Störung angepasst. Zu § 4 Gestaltung des Vollzugs Die Bestimmung regelt die Gestaltung des Vollzugs der Therapieunterbringung. Nach Absatz 1 Satz 1, der § 3 Abs. 1 ThürSVVollzG nachgebildet ist, ist der Vollzug der Therapieunterbringung medizinisch-therapeutisch und freiheitsorientiert auszurichten. Der Begriff "medizinisch-therapeutisch" greift die Formulierung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ThUG ("medizinischtherapeutische(n) Ausrichtung") auf. Dieser Begriff aus dem Therapieunterbringungsgesetz darf nicht zu eng verstanden werden. Gemeint ist damit weder die zwingende Behandlung in einer Klinik (so klarstellend jetzt § 2 Abs. 2 ThUG) noch dass es sich um eine medizinische Behandlung handeln muss. Entscheidend ist insoweit die therapeutische Ausrichtung. In der Begründung zum Therapieunterbringungsgesetz (Bundestagsdrucksache 17/3403, S. 54) wird dazu ausgeführt: "Denkbar ist der Vollzug in jeder geschlossenen Einrichtung mit therapeutischer Ausrichtung, die im konkreten Fall eine angemessene Behandlung sicherstellen kann." Auch die Behandlungsmaßnahmen umfassen sämtliche Formen der Therapie, nämlich medizinische (das heißt auch psychiatrische), psychologische, soziale oder sonstige Maßnahmen. Der Begriff "freiheitsorientiert" wiederum setzt eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 4. Mai 2011 (Az.: 2 BvR 2365/09, juris, Rn. 101, 115) um. Auch die Therapieunterbringung ist freiheitsorientiert auszurichten, da sie ebenso wie die Sicherungsverwahrung keinen Strafcharakter hat, sondern aus präventiven Gründen angeordnet wird (vergleiche das vorgenannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung). Nach Absatz 1 Satz 2 gewährleistet der Vollzug der Therapieunterbringung eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans. Die Formulierung entspricht der Vorgabe des § 2 Abs. 1 13 Drucksache 6/ 3441 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Nr. 1 ThUG. Zugleich wird dadurch der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 1 Satz 3 ThürSVVollzG aufgegriffen. Absatz 1 Satz 3 regelt, dass die Unterbringung unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit so wenig wie möglich belastend auszugestalten ist. Die Formulierung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und entspricht der Vorgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ThUG. Die Absätze 2 und 3 regeln den Angleichungs- und Gegensteuerungsgrundsatz sowie die notwendige Differenzierung von Vollzugsgestaltung und Einzelmaßnahmen. Zu § 5 Behandlung, Motivation Die Bestimmung regelt entsprechend § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 ThürSVVollzG das Angebot von Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen sowie die notwendige Motivationsarbeit. Zu § 6 Verlegung Um eine optimale Behandlung der psychischen Störung zu gewährleisten, wird durch § 6 die zusätzliche Möglichkeit geschaffen, Untergebrachte, die sich bereits in einer Einrichtung nach § 2 befinden, in eine andere Einrichtung nach § 2 zu verlegen, wenn dies zur Behandlung der psychischen Störung erforderlich ist. Die Verlegung setzt ein Einvernehmen mit der aufnehmenden Einrichtung und eine Anhörung des nach § 4 ThUG zuständigen Gerichts voraus. Damit wird insbesondere eine Verlegung von Einrichtungen nach § 2 Abs. 1 in solche nach § 2 Abs. 2 und umgekehrt ermöglicht. Die Bestimmung trägt damit der vom Bundesgesetzgeber vorausgesetzten Einzelfallprüfung für die Auswahl der "geeigneten Einrichtung" im Sinne des § 2 ThUG auch im weiteren Verlauf des Vollzugs der Therapieunterbringung Rechnung. Für den Vollzug in der aufnehmenden Einrichtung findet dann für Einrichtungen nach § 2 Abs. 1 die Regelung des § 7 Abs. 1 und für aufnehmende Einrichtungen nach § 2 Abs. 2 die Regelung des § 7 Abs. 2 Anwendung. Zu § 7 Entsprechende Anwendung anderer Rechtsvorschriften Die Bestimmung regelt die entsprechende Anwendung anderer Rechtsvorschriften auf den Vollzug der Therapieunterbringung. Nach Absatz 1 findet das Thüringer Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz mit den nachfolgend aufgezählten Maßgaben entsprechende Anwendung, soweit Zweck und Eigenart der Therapieunterbringung nicht entgegenstehen. Nach der Begründung des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung entsprechen die Leitlinien nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB bereits weitestgehend den Vorgaben des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThUG (Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34). Daher ist eine entsprechende Anwendung der Regelungen über den Vollzug der Sicherungsverwahrung grundsätzlich sachgerecht. Die Therapieunterbringung muss jedoch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThUG medizinisch-therapeutisch ausgerichtet sein und eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten können (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ThUG) sowie unter Berücksichtigung therapeu14 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 tischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine den Untergebrachten so wenig wie möglich belastende Unterbringung zulassen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ThUG), vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9874, S. 34. Auch prozessual bestehen Unterschiede zur Sicherungsverwahrung. Für das gerichtliche Verfahren sind die Zivilkammern der Landgerichte ausschließlich zuständig (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ThUG). Auf das gerichtliche Verfahren finden dabei weitgehend die Regelungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I 2586, 2587) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung (§ 3 ThUG). Zur Umsetzung dieser vom Vollzug der Sicherungsverwahrung abweichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sind die Regelungen über den Vollzug der Sicherungsverwahrung nur mit folgenden Maßgaben entsprechend anzuwenden: Nach Absatz 1 Nr. 1 erstreckt sich die Behandlungsuntersuchung nach § 9 Abs. 2 ThürSVVollzG insbesondere auf alle Umstände, die für die Behandlung der psychischen Störung maßgeblich sind. Hierdurch wird die Bedeutung des medizinisch-therapeutischen Behandlungserfordernisses nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ThUG auch bereits für die Behandlungsuntersuchung, welche die Grundlage für die Behandlung des Untergebrachten und die Vollzugsgestaltung legt, ausdrücklich betont. Absatz 1 Nr. 2 und 3 regelt Maßgaben bei der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen. Zunächst wird normiert, dass bei der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen auch medizinisch-therapeutische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Dies ist Ausfluss der unbedingten Behandlungsorientierung des Vollzugs der Therapieunterbringung und kann infolge der medizinisch-therapeutischen Ausrichtung im Einzelfall zu einer Versagung vollzugsöffnender Maßnahmen aus medizinisch-therapeutischen Gesichtspunkten führen, obwohl die weiteren Voraussetzungen vorlägen; medizinisch-therapeutische Gesichtspunkte können jedoch umgekehrt auch die Entscheidung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen stützen. Darüber hinaus ist in den Fällen des § 13 Abs. 2 ThürSVVollzG anstelle der Strafvollstreckungskammer das nach § 4 ThUG für die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung der Therapieunterbringung zuständige Gericht anzuhören. Die Anhörung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ThürSVVollzG für eine Freistellung aus der Unterbringung bis zu sechs Monaten erfolgt ebenso durch das nach § 4 ThUG zuständige Gericht. Absatz 1 Nr. 4 erweitert die Zulässigkeit der Datenübermittlung (vergleiche § 58 ThürSVVollzG in Verbindung mit § 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 und § 131 Abs. 1 des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs vom 27. Februar 2014 (GVBl. S. 13) in der jeweils geltenden Fassung. Eine Übermittlung ist danach auch an das nach § 4 ThUG und das für Entscheidungen nach § 3 ThUG in Verbindung mit § 327 FamFG zuständige Gericht zulässig. Nach der bisher bekannt gewordenen Rechtsprechung findet nach § 3 ThUG der § 327 FamFG (Vollzugsangelegenheiten) entsprechende Anwendung (vergleiche Landgericht Regensburg, Beschluss vom 3. April 2012, Az.: 7 AR 5/11 ThUG; bestätigt durch Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 24. September 2012, Az.: 15 W 1314/12 Th und 15 W 1315/12 Th, obiter dictum). Ausweislich der Begründung zu den §§ 3 und 7 Abs. 4 ThUG geht davon auch der Bundesgesetzgeber aus (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/3403, S. 55, 57). Durch Nummer 3 wird insbesondere sichergestellt, dass die Einrichtung Daten, die für die gerichtliche Entscheidung über die Dauer, Verlängerung und 15 Drucksache 6/ 3441 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Aufhebung der Therapieunterbringung (§§ 12 und 13 ThUG) oder für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Vollzugsmaßnahmen von Relevanz sind, an das zuständige Gericht weitergeben darf. Absatz 2 bestimmt das anwendbare Recht für die Fälle des § 2 Abs. 2 und in den Fällen des § 6 bei Verlegungen in eine Einrichtung des Maßregelvollzugs. Inhaltlich wird damit im Wesentlichen das Thüringer Maßregelvollzugsgesetz für entsprechend anwendbar erklärt. Die Nummern 1 bis 14 enthalten Maßgaben für die Anwendung. Die Maßgaben begründen sich im Wesentlichen darin, dass das Vollzugsziel nach § 3 Abs. 1 zu berücksichtigen ist und im Rahmen der Therapieunterbringung die Zuständigkeit der Zivilgerichte und nicht der Strafvollstreckungskammern beziehungsweise Strafvollstreckungsbehörden gegeben ist. Zu § 8 Unterrichtung Die Bestimmung regelt eine Unterrichtungspflicht der Einrichtung gegenüber dem nach § 4 ThUG zuständigen Gericht und der Aufsichtsbehörde, sobald nach ihrer Überzeugung die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr vorliegen. Zweck der aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Regelung ist es, dem Landgericht möglichst rasch die Entscheidung über die Aufhebung zu ermöglichen. Diese hat nach § 13 Satz 1 ThUG von Amts wegen zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen der Anordnung einer Unterbringung nach § 1 ThUG nicht mehr vorliegen. Zu § 9 Zuständigkeiten, Kosten der Unterbringung Das Therapieunterbringungsgesetz weist der unteren Verwaltungsbehörde die folgenden Aufgaben und Befugnisse zu: Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ThUG stellt sie den Antrag zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens. Nach § 6 Abs. 1 und 3 Nr. 1 ThUG ist sie Verfahrensbeteiligte. Nach § 8 Abs. 3 ThUG führt sie den Betroffenen dem Gericht zur Anhörung vor, wenn er diese verweigert; nach § 8 Abs. 4 und 5 ThUG darf sie auf gerichtliche Anordnung Gewalt anwenden und die Wohnung des Betroffenen gewaltsam öffnen, betreten und durchsuchen. Nach § 11 Abs. 1 ThUG führt sie den Betroffenen der Einrichtung zu und ist für den Vollzug zuständig. Nach § 13 Satz 2 ThUG ist sie durch das Gericht anzuhören, wenn die Therapieunterbringung aufgehoben werden soll. Nach § 16 Abs. 1 ThUG steht ihr das Recht der Beschwerde zu. Absatz 1 bestimmt, dass die genannten Aufgaben und Befugnisse mit Ausnahme des Vollzugs durch das für Justiz zuständige Ministerium wahrgenommen werden. Da sich die Frage der Anordnung einer Therapieunterbringung in aller Regel bereits während der Sicherungsverwahrung stellt, werden die genannten Aufgaben und Befugnisse im Wesentlichen durch den Leiter der Einrichtung wahrgenommen, in der die Sicherungsverwahrung vollstreckt wird. Dieser ist nach dem Therapieunterbringungsgesetz neben der unteren Verwaltungsbehörde ebenfalls insbesondere zur Antragstellung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG), zur Verfahrensbeteiligung (§ 6 Abs. 1 und 3 Nr. 1 ThUG) und zur Beschwerde (§ 16 Abs. 1 ThUG) berechtigt (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/3403, a.a.O.). Insofern wird die Zuständigkeitsregelung nach Absatz 1 kaum praktische Bedeutung erlangen. 16 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Drucksache 6/ 3441 Absatz 2 stellt klar, dass für den Vollzug der Unterbringung die Einrichtung nach § 2 zuständig ist. Bei dem abweichenden Wortlaut von § 11 Abs. 1 ThUG, wonach die untere Verwaltungsbehörde nicht nur für die Zuführung des Betroffenen in die Einrichtung nach § 2 ThUG, sondern auch für den "Vollzug der Unterbringung" zuständig sein soll, handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen. Angesichts der rechtssystematisch gebräuchlichen Unterscheidung zwischen Vollstreckung und Vollzug ist von § 11 Abs. 1 ThUG ersichtlich nur die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Therapieunterbringung erfasst. Für den Bereich des Vollzugs erscheint aufgrund der größtmöglichen Sachnähe die Zuständigkeit der jeweiligen Einrichtung, in der sich die Untergebrachten befinden, sachgerecht. Absatz 3 regelt in Ergänzung zu § 7 Abs. 2 die Beteiligung des Untergebrachten an den Kosten der Unterbringung in einer Einrichtung nach § 2 Abs. 2, die Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den §§ 63 oder 64 StGB vollzieht. Zudem wird allgemein geregelt, wie die Ermittlung und Abrechnung der Kosten der Unterbringung in einer Einrichtung des Maßregelvollzuges erfolgt. Die Regelung entspricht damit im Wesentlichen dem für den Maßregelvollzug geltenden § 32 ThürMRVG. Absatz 4 entspricht im Wesentlichen dem für die Maßregelvollzugseinrichtungen zu den Kosten für Leistungen der Gesundheitsfürsorge geltenden § 33 ThürMRVG. Sofern eine Unterbringung in einer solchen Einrichtung erfolgt, definiert die Bestimmung Art und Umfang der zu gewährenden Leistungen und trifft Regelungen zur Kostenbeteiligung des Untergebrachten. Zu § 10 Einschränkung von Grundrechten Diese Bestimmung trägt dem Zitiergebot des Artikels 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes und des Artikels 42 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen Rechnung. Zu § 11 Gleichstellungsbestimmung § 11 enthält die Gleichstellungsbestimmung. Zu § 12 Inkrafttreten Die Bestimmung regelt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. 17
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