"Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval" [PDF

Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Musik: Jetzt geht’s los – Höhner
O-Ton 1 Holger Kirsch Karnevalsmusik
Ich kann mir im Sommer ein Karnevalslied anmachen und ich verspüre sofort dieses
Glücksgefühl und diese Freude einfach über diese Stadt nachzudenken.
O-Ton 2 Jochen Hilgers – was wäre Köln ohne den Karneval
Was wäre Köln ohne den Karneval? Da würde sehr viel der Identifikation fehlen. So
wie sich die Kölner mit ihrer Stadt identifizieren, so wie ihr Selbstverständnis ist.
O-Ton 3 Bögner Karneval ist ein Geschäft
Karneval ist ein Geschäft.
O-Ton 4 Julia – viel Aufwand lohnt sich
Ich habe Momente, wo ich denke ja vielleicht ist es doch ein bisschen zu viel, aber
eigentlich wenn man dann das Resultat auf der Bühne sieht, dann weiß man wofür
man es gemacht hat.
O-Ton 5 Hüther im Karneval wird nicht über Geld gesprochen
Der Karneval hält natürlich den Anschein aufrecht, dass er eigentlich so etwas ist,
wie bürgerschaftliches Engagement.
O-Ton 6 Kirsch persönlicher Aufwand
Eine Rolle im Kölner Dreigestirn einzunehmen ist mit finanziellen Verpflichtungen
verbunden, ganz klar.
O-Ton 7 Anastasi hohe Margen
Wenn man sich die ein oder andere Armbanduhr bei einem Karnevalisten, der schon
etwas länger und besser im Geschäft ist, anschaut, oder das Auto, in dem er dann
chauffiert wird, dann weiß man, dass da schon Geld hintersteckt.
Musik: Jetzt geht’s los – Höhner hochziehen
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2017
Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen
Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 8 Kira tanzen im Karneval
Ist einfach ein sehr schönes Gefühl vor all den Leuten zu tanzen, das macht einfach
sehr viel Spaß.
O-Ton 9 Anastasi Millionenumsatz
Große
Karnevalsgesellschaften,
Traditionskorps,
haben
mit
Sicherheit
Jahresumsätze sagen wir mal eine Millionen Euro aufwärts. Vielleicht sogar zwei
Millionen Euro aufwärts. Das sind schon kleine, mittelständische Betriebe und
Unternehmen über die man da an der Stelle sprechen kann.
Sprecherin
Einmol Prinz zo sin – Das Geschäft mit dem Karneval. Ein Feature von Alexandra
Rank und Maike von Galen.
Musik: Jetzt geht’s los – Höhner ENDE
Atmo Heumarkt 11.11.
(Trommel), Zehn, Neun, Acht, Sieben, Sechs, Fünf, Vier, Drei, Zwei, Eins – (Jubel im
Hintergrund, Tusch)
Atmo Bühne Gesang (WDR TV-Mitschnitt 11.11. 11 Uhr)
Du bes die Stadt op die mir all he ston,
Du häs et uns als Pänz schon anjedon
Du häs e herrlich Laache em Jeseech
Du bes die Frau die Rotz un Wasser kriesch
Sprecherin
Köln, am 11.11. ein paar Minuten nach 11 Uhr – Reporter Jochen Hilgers steht als
Karnevals-Reporter live fürs WDR-Radioprogramm mitten auf dem Heumarkt:
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 10 Schalte Jochen Hilgers – WDR_WDR 5_MIC_2253_TRK001 – ab 1:13
Hier ist Köln, hier ist der Heumarkt und die Session ist lange eröffnet obwohl wir noch
gar keine 11:11 Uhr haben. Denn um 11:09 und 34 Sekunden war es, da fingen sie
auf der Bühne glaube ich schon an das Zählkommando herunterzuzählen von 11 bis
0. Wahrscheinlich konnte es keiner abwarten. Henriette Reker […] (Jubel im
Hintergrund).
Sprecherin
Dass die Session auf dem Heumarkt fast eineinhalb Minuten zu früh gestartet ist, fällt
nur den Menschen hinter den Kulissen auf. Die Jecken schunkeln glücksselig,
obwohl das Wetter so gar keine Lust auf Karneval macht: Es ist nicht nur bitterkalt,
sondern Geparden, Narren, Marienkäfer und Clownsnasen bekommen direkt eine
Dusche aus feinem Sprühregen. Der guten Laune tut das keinen Abbruch. Auf dem
Heumarkt, dem angrenzenden Alter Markt, in der Altstadt feiern zehntausende
Jecken. Auch in Aachen, Düsseldorf, Bonn und vielen anderen Städten wird in
diesen Minuten wieder der Karneval eingeläutet, schunkeln zigtausende Kostümierte.
Atmo vom Heumarkt – Musik Kölle Alaaf
O-Ton 11 Hilgers – was wäre Köln ohne den Karneval
Dieser volkstümliche Karneval, wie er gefeiert wird, der ist natürlich für die
Bevölkerung, für die Kölner enorm wichtig: Was in den Vereinen da auch unter dem
Jahr passiert, was vorbereitet wird für die Session und welcher Freude die Menschen
dann tatsächlich in den Karnevals starten, das ist schon unvorstellbar. Also da macht
man sich, glaube ich, außerhalb von Köln gar keinen Eindruck von.
Musik: Drink doch ene met: – Bläck Fööss
Sprecherin
Karnevals-Reporter Jochen Hilgers. Bis zum Aschermittwoch herrscht im Rheinland
und vielen anderen Teilen Nordrhein-Westfalens wieder der Ausnahmezustand. Der
fünften Jahreszeit wird viel Zeit gewidmet: Überall Menschen, die sich verkleidet
haben, die schunkeln, tanzen und trinken wollen. Sie füllen in diesen Wochen
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Kneipen und Partyzelte. Übernachten in Hotels, nutzen den öffentlichen Nahverkehr,
gönnen sich ein Taxi, haben Hunger und vor allem ganz viel Durst. Kurz: An dem
ausgelassenen Treiben im Karneval haben nicht nur zig tausende Menschen Freude,
sondern verdienen auch viele mit. Karneval ist ein Wirtschaftsfaktor.
Musik: Drink doch ene met – hochziehen
O-Ton 12 Hüther Saisongeschäft
+ O-Ton 13 Hüther Arbeitsplätze ganzjährig
Es ist ein Saisongeschäft, was in der Gastronomie und im Hotelgewerbe ankommt,
(hier schneiden) etwa 3000 Unternehmen, 40.000 Beschäftigte, bei denen man
sagen kann, dass die in irgendeiner Weise ganzjährig vom Karneval leben, weil die
Dinge natürlich genauso wie die Osterhasen nicht nur zu Ostern produziert werden.
Sprecherin
sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Wenn es
um die Wirtschaftskraft des Karnevals geht, wird gerne eine inzwischen schon etwas
angestaubte Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2009 zitiert: Allein in
Köln werden auf Zügen, Sitzungen und im Kneipenkarneval 460 Millionen Euro
umgesetzt, rechneten die Wirtschaftsprüfer damals aus. Der wirtschaftliche Sog ist
ungebremst: Keine zehn Jahre nach der Studie, werden in dieser Session neue
Daten in Köln erhoben.
Das Bonner Festkomitee gab 2014 eine ähnliche Studie in Auftrag: Demnach
generiert der Karneval jährlich in Bonn 15 Millionen Euro an Einnahmen – ein Drittel
davon wird durch Veranstaltungen eingespielt. Allerdings wurde anders gerechnet.
Exakte Bilanzen zum Karneval gibt es nicht. Die Wirtschaftskraft des Karnevals ist
weitgehend unerforscht. Aber es gibt sie – mit Frohsinn wird viel Geld verdient.
Musik: Drink doch ene met – noch mal hochziehen
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2017
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Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Historiensprecher
Spätestens ab dem 11. im 11. geht das Geschäft los. Die größten Umsätze werden
in der Hochzeit des Karnevals gemacht – zwischen Donnerstag, regional als
„Altweiber“
oder
„Weiberfastnacht“
bekannt
und
dem
darauffolgenden
Aschermittwoch. Zum Abschluss – auch das ist regional unterschiedlich – wird in
Düsseldorf der „Hoppeditz“ zu Grabe getragen, die Kölner verbrennen den „Nubbel“.
Eine fiktive Figur, die Schuld an allem trägt, was in den vergangenen fünf Tagen
geschehen ist – am ausschweifenden Feiern genauso wie am leeren Portemonnaie:
Musik: Drink doch ene met: – Bläck Fööss ENDE
O-Ton 14 Priester Nubbel ist Schuld
Et letzte Mal ston mer he noch zusamme, und schmießen de Nubbel in de Flamme.
Denn der is schuld an unserer Misere, und an unserer akuten Geldbeutelleere.
(Publikum johlt)
Atmo – Loss mer singe
Sprecherin
Wohin aber fließt das Geld im Karneval außer in die löchrigen Taschen des Nubbels
wirklich? Wer verdient am Frohsinn? Wer danach fragt, bekommt nur selten eine
Antwort. Über Geld, so scheint die ungeschriebene Regel, redet man im Karneval
eigentlich nicht. Eigentlich. Aber einige Karnevalisten haben doch erzählt: Auf den
Spuren des Geschäfts hinter dem Frohsinn.
O-Ton 15 Hinz Lied wird schneller zum Hit
Wenn ein Lied im Herbst rauskommt, dann kann es sein, dass es an Karneval, an
Weiberfastnacht auch das meist gewünschte Lied in dieser Karnevalszeit wird. Das
hat eben damit zu tun, dass es verschiedene Mechanismen gibt, die das sofort an
die Öffentlichkeit spülen.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Sagt Georg Hinz. Er ist Initiator der Kneipentour „Loss Mer Singe“. Eine
Veranstaltung, die quer durch Kölner Kneipen tourt und bei der sich Karnevalsjecke
treffen, einzig aus dem Bedürfnis heraus, erstmals aus vollem Herzen die neuen
Karnevalslieder zu singen. Unter 20 Titeln küren sie den Hit der Session.
Mit einem Liederabend in der Küche fing vor vielen Jahren alles an: Um sich für die
Session zu rüsten verteilte Hinz Liederzettel, suchte eine Auswahl neuer
Karnevalshits zusammen.
O-Ton 16 Hinz von der Küche in die Kneipe
Aus der Küche ging’s in die Kneipe und dann kamen viele Anfragen und mittlerweile
ist es ja in der Region zu so einem festen Ritual für viele Menschen geworden, dass
man sich vor Karneval einsingt und mit den neuen Liedern versorgt.
Sprecherin
Inzwischen gibt es Loss Mer Singe-Abende in über 60 Kneipen, davon 40 allein in
Köln. Ein immenser Organisations-Aufwand. Dabei hat Georg Hinz eigentlich einen
anderen Job – er arbeitet im Domforum, dem Besucherzentrum des Kölner Doms.
Hinz Arbeitgeber nimmt viel Rücksicht auf sein Hobby:
O-Ton 17 Hinz Arbeitsaufwand
Ab Ende September, wenn man das wirklich ganz streng zusammenrechnen würde,
mit Abendveranstaltungen und so weiter, kommt schon häufig auf fünfzehn, zwanzig
und mehr Stunden, die man sich irgendwie gedanklich oder auch intensiv damit
beschäftigt.
Sprecherin
Georg Hinz und seine 32 Mitstreiter machen das immer noch komplett ehrenamtlich
– nur eine Bürokraft auf 450-Euro-Basis beschäftigen sie. Von dem Geld, das bei
den Veranstaltungen eingespielt wird, gönnen sie sich lediglich einen Ausflug nach
Berlin und eine Vereinsfahrt nach Belgien.
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Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Anfang Atmo Loss Mer singe
O-Ton 18 Hinz Geld von Wirten
Wir nehmen ja auch von den Wirten etwas Geld ein, weil wir natürlich denen die
Hütte vollmachen. Das wäre ungerecht, wenn es nicht so ein bisschen ein Teilen
dieses Gewinns gibt.
Sprecherin
Nicht nur die Gastwirte profitieren von den vollen Loss-mer-singe-Abenden – auch
die Kölner Bands: ihre Lieder setzen sich in den Kneipen schnell als Ohrwürmer fest.
Und sorgen für steigende Verkaufszahlen und Einnahmen aus der Vermarktung,
Gema- und Lizenzgebühren.
Atmo Busfahrt (Türen schließen, Motor startet)
Sprecherin
Auf dem Weg mit der Kölner Nachwuchsband Miljö ins Schützenzelt nach Holweide,
einem Stadtteil von Köln. Auch sie sind vor allem durch die Loss-Mer-Singe-Reihe
bekannt geworden. In der Karnevalszeit tingeln sie am Wochenende von
Veranstaltung zu Veranstaltung: Mehr als 100 Auftritte spielen die Musiker in der
Session, weitere 100 über das Jahr verteilt. Miljö hat an diesem Novemberabend in
der noch jungen Karnevalssession ein Heimspiel – sie kommen selber aus Holweide,
haben hier ihre ersten Gehversuche als Musiker gemacht. Entspannt blicken sie dem
Abend entgegen.
Atmo Band im Bus:
Max: Wir spielen einfach fünfmal den Lommi, das merken die wahrscheinlich gar
nicht mehr
Mike: Die dritte Nummer war jot!
Max: ich fand den zweiten besser. (lachen)
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Seit der letzten Session hat Miljö mit dem „Lommi“ den Durchbruch geschafft, einem
Lied über eine urige Gaststätte mit einem legendär knorrigen Wirt in Köln.
Musik: Su lang de Lichter noch brenne – Miljö
O-Ton 20 Mike mit Hit läuft es wie von selbst
Man merkt halt immer den Unterschied, wenn dem Publikum ein Titel schon bekannt
ist, oder nicht. Du kannst vorher im Prinzip machen, was du willst, alles probieren
und alles reinlegen, aber der Effekt wie jetzt mit dem Lommi, wo die Menschen
dieses Lied schon kennen, das ist halt ein ganz anderer, da stehen sie alle auf und
haben Lust drauf.
O-Ton 21 Nils angekommen im Geschäft
Weil wir gemerkt haben, dass der Song extrem gut ankommt, die Nachfrage nach
dem Song extrem riesig ist und die Leute den total feiern und deswegen haben wir
das Gefühl, dass wir so langsam irgendwie angekommen sind in dem Geschäft.
Sprecherin
Geschäft heißt dabei auch: Mit der Musik lässt sich gutes Geld verdienen.
O-Ton 22 Mike jedes Jahr mehr Geld
Die Tarife richten sich immer danach, wie lang man im Prinzip schon im Karneval
aktiv ist. Und man nimmt dann jedes Jahr wieder ein bisschen mehr.
Sprecherin
Bei Miljö sind das pro Aufritt zwischen 800 und 1200 Euro. Zwanzig bis dreißig
Minuten spielen sie dafür, dann geht’s weiter zum nächsten Auftritt – in der Session
sind das manchmal acht oder zehn pro Abend. Zum Leben reichen die Gagen
bislang trotzdem nicht. Alle Bandmitglieder haben noch einen Hauptberuf, arbeiten
als Lehrer oder Grafikdesigner.
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Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 23 Nils für Nudeln mit Ketchup reichts schon
Wenn man sich jetzt jeden Tag von Nudeln mit Ketchup ernähren würde könnten wir
wahrscheinlich auch jetzt schon davon leben, aber jeder hat natürlich auch einen
anderen Lebensstil deswegen (Zwischenruf Mike: Parmesan muss schon sein)
Parmesan müsste zum Beispiel beim Nils schon sein – deswegen könnte er zum
jetzigen Zeitpunkt noch nicht davon leben. Bei Nils wäre das dann vielleicht ab dem
nächsten Jahr oder so (lacht).
Musik: Su lang de Lichter noch brenne – Miljö ENDE
Sprecherin
Gut möglich, denn auch in dieser Session läuft es prima für die Band Miljö: Ihr neues
Lied „Wolkeplatz“ kommt in den Kneipen richtig gut an.
Song „Wolkeplatz“ - Miljö anspielen
Sprecherin
Im Vorzelt der Schützenhalle wird die Band von Mario Anastasi begrüßt. Der Kölner
ist Sitzungspräsident auf vielen Veranstaltungen, nicht nur bei den ganz Großen in
der Kölner Innenstadt sondern auch in den Stadteilen weiter draußen. Anastasi weiß,
was ein Karnevalsabend kostet.
O-Ton 24 Mario Anastasi (Hintergrund: Dat is geil/Brings)
Im Veedel brauchst du immer so zwischen fünf und fünfzehn Tausend, und wenn du
Richtung Gürzenich gehst, Sartory und so weiter, Tanzbrunnen, dann brauchst du
schon 20, 25 Tausend Euro um überhaupt zu Rande zu kommen. Und du musst
auch zwischen 30 und 50 Euro pro Karte nehmen, um überhaupt in der Lage zu sein,
das zu machen. Das ist hier im Veedel anders. Hier im Veedel kommst du mit
fünfzehn bis zwanzig Euro pro Karte hin.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Denn im Veedel, in der kölschen Sprache das Stadtviertel, lassen sich die Karten
auch gut verkaufen, wenn nicht die ganz Großen der Kölner Musikszene auftreten.
O-Ton 25 Mario Anastasi (Hintergrund: Dat is geil/Brings)
Wenn du Brings, Höhner, Pavaier, Cat Ballou, Kasalla und so weiter, Räuber,
verpflichten willst, zahlst du mal eben zweieinhalb Tausend aufwärts, an so nem
Vorabend im November, und ich sag mal mit Miljö und Lupo, die wir heute Abend
hier hatten, kommst du halt ein bisschen günstiger weg. Und dann bist du in der
Lage so einen ganzen Abend mit fünftausend Euro zu gestalten. Und den Gästen
wird jetzt nichts Schlechteres geboten, das muss man auch sagen.
Sprecherin
So offen wie der Sitzungspräsident an diesem Abend im Stadtteil Holweide spricht
kaum jemand in Köln über Geld.
O-Ton 26 Anastasi Zahlen schwierig
Es ist ja auch ein empfindliches Thema. Man macht das ja immer im Rahmen eines
Vereins oder, ich sag mal, mit Bezug auf irgendeine Benefizgeschichte und dann
sind Zahlen mitunter schwierig. Gerade was das Thema Vereinsarbeit angeht, kann
man ja auch nicht immer über Zahlen sprechen.
Sprecherin
Anastasi selbst hat kein Problem damit.
O-Ton 27 Anastasi Championsleague und Kreisliga
Das, was im Veedel passiert, ist mitunter kein Vergleich zu dem, was in den großen
Gesellschaften passiert, gerade bei den Chorgesellschaften. Wenn man die blauen
Funken nimmt, die haben bestimmt einen Jahresumsatz von über zwei Millionen
Euro. So‘n kleiner Verein im Veedel hat vielleicht dreißigtausend Euro und macht
damit drei, vier, fünf, sechs Veranstaltungen plus das gesamte Vereinsleben – das
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
sind ganz unterschiedliche Dimensionen. Das ist der Vergleich Champions League
und Kreisliga im Fußball.
Atmo: Sitzung rote Funken
Sprecherin
Ebenfalls in der Champions League des Kölner Karnevals: Die Roten Funken.
Ton 28 – Hunold eröffnet Sitzung
Hochverehrte Freunde des kölschen Frohsinns, liebe Fründe. Meine Herren ich
begrüße euch auf das herzlichste zum Exerzierabend. Der kölsche Funke rut-wieß
von1823 in der Ülepooz, mit dreimal Kölle (Männer im Hintergrund: Alaaf), Funken
(Alaaf), Kölle (Männer im Hintergrund: Alaaf! Sehr zum Wohl).
Sprecherin
Rund 100 Männer von jung bis alt sitzen bei Wasser oder Kölsch an langen Tischen
in den alten Gemäuern der Stadtmauer. Das Quartier der Roten Funken ist die
historische Ulrepforte. Während der Session trifft sich die Karnevalsgesellschaft
einmal wöchentlich zur Besprechung. Ihr Präsident Heinz-Günther Hunold fasst die
Woche zusammen:
Ton 29 – Hunold spricht über Woche
Wie fangen wir an? Fangen wir an – führige Woch – was ist gewesen? Führige
Woch‘ … hab ich jetzt eigentlich den Pokal … (Gelächter) Was wir gemacht haben
am Freitag – wir waren bei einem ortsansässigen Möbelhaus und haben denen
unsere Aufwartung gemacht. Leider waren die Autobahnen gesperrt und ußer uns
war keiner da. (Gelächter im Hintergrund)
Sprecherin
Die Karnevalsgesellschaft ist nicht nur ein gemeinnütziger Verein sondern auch
Arbeitgeber von drei hauptamtlichen Mitarbeitern. In der Karnevalszeit arbeiten
außerdem noch 12 Aushilfen für die Roten Funken. Die mehr als 500 Mitglieder der
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Gesellschaft bekleiden ihre Ämter dagegen alle ehrenamtlich. Trotzdem hat die
Karnevalsgesellschaft nicht nur Vereinscharakter sondern auch Züge eines
Wirtschaftsunternehmens, erklärt Präsident und Kommandant Hunold:
O-Ton 30 Heinz-Günther Hunold – Rote Funken auch Unternehmen
Wenn Sie heute professionell ein Programm anbieten, wie wir das tun, mit über
20.000 Gästen, die jedes Jahr zu uns zu den Veranstaltungen kommen, dann muss
man schon auch, ja ich sage mal, wettbewerbsfähig sein. Es ist da kein Unterschied
zu einem Unternehmen: Kreativität, Ideenreichtum, Zielgruppen – wer feiert
Karneval. Heute kommt keiner mehr so einfach um die Ecke und nimmt daran teil.
Das Angebot muss stimmen. Und von daher muss man sich auch Gedanken
machen, wie man dieses Angebot zusammenbringt. Und das unterscheidet sich
überhaupt nicht von einem Unternehmen.
Atmo Rosenmontagsumzug, WDR vom 11.11.2016
Sprecherin
Nicht nur Kommunikation, Marketing und Werbung erinnern an eine Firma – auch die
Jahreszahlen: Als Schatzmeister verwaltet Peter Pfeil einen Umsatz von rund 1,6
Millionen Euro pro Geschäftsjahr. Rosenmontagsumzug und Karnevalssitzungen
kosten nicht nur viel, sie bringen auch Geld in die Vereinskasse:
O-Ton 31 Peter Pfeil – mittelständisches Unternehmen
Sagen wir mal so: 20.000 Karten verkaufen wir. Jetzt rechnen Sie mal ungefähr 40
Euro kostet die Karte, dann sind sie schon mal bei 800.000 Euro Kartenumsatz. So,
dann kommen noch Spenden dazu und und, und …, dann sind sie schon bei einem
guten mittelständischen Unternehmen, was sie hier verwalten.
Sprecherin
Peter Pfeil ist gelernter Kaufmann.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 32 Peter Pfeil – Kaufmannserfahrung
Man
sollte
schon
ein
kaufmännisches
Verständnis
haben,
bisschen
Zahlenverständnis haben – Kosten und Erträge differenzieren können – und ja, auch
ein Gefühl haben eine Planung zu erstellen und das muss man schon mal irgendwo
gesehen oder gemacht haben. Das schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel.
Sprecherin
Auch wenn im Karneval viel Geld fließt – darüber reden tun Karnevalisten nur selten:
Fragen zu Einnahmen oder Ausgaben wollen weder das Bonner oder Aachener
noch das Kölner Festkomitee beantworten, auch die Antwort aus Düsseldorf ist kurz
und deutlich:
Faktensprecher
Welche Einnahmen werden über Tribünenkarten und die Vermarktung des Zugwegs
generiert?
Sprecherin
Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft.
Faktensprecher
Wie hoch war die Summe der Ausgaben des Karnevalkomitees 2015?
Sprecherin
Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft.
Faktensprecher
Wie hoch waren die Einnahmen in der Session 2015?
Sprecherin
Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft.
Faktensprecher
Wie groß war das Vereinsvermögen 2015?
Sprecherin
Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 33 Hilgers Geld Geheimnis
Ich denke, es hat ein bisschen damit zu tun, dass Karneval natürlich eben diesen
lockeren, leichtlebigen Anschein hat und das eben auch nach Außen tragen will und
da redet man eben einfach nicht gerne über Geld. Es soll ja den Menschen Spaß
machen und auch die Künstler, die kommen (lacht) es sind ja eigentlich eher Leute,
wo man sagt, die machen das gerne. Dass sie eine ganze Menge Geld kassieren,
das stört vielleicht ein bisschen das Bild.
Sprecherin
Sagt Jochen
Hilgers,
seit
fast
20
Jahren
Kommentator
des
Kölner
Rosenmontagszugs für das WDR-Radioprogramm.
Musik: Einmol Prinz zo sin – Wicky Junggeburth
Sprecherin
Ein noch heikleres Thema: Egal ob Prinz im Aachener oder Kölner Dreigestirn, oder
als Prinzenpaar in Bonn oder Düsseldorf – wie viel Geld die Repräsentanten für das
hohe Ehrenamt aufbringen müssen, gehört zu den ganz großen Geheimnissen des
Karnevals.
Sprecherin
Holger Kirsch, 42 Jahre alt, war in der Karnevalssession 2014/ 2015 als Holger der
Erste Prinz im Kölner Dreigestirn. Sein Markenzeichen – eine Mundharmonika. Für
den
selbständigen
Architekten
war
das
Prinzenamt
die
Erfüllung
eines
Kindheitstraums:
O-Ton 35 Kirsch Karnevalsprinz Kindheitstraum
Also ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich mit meiner Mutter als ich sechs
Jahre alt war das erste Mal zum Rosenmontagszug gegangen bin und es war bis
dato damals das prächtigste, was je an mir vorbeigefahren ist. Der damalige Prinz
war Peter Ganser von der Prinzengarde Köln und ich glaube mir sind Kaubonbon© Westdeutscher Rundfunk Köln 2017
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sabberfäden aus dem Mund gelaufen als er an mir vorbeigefahren ist. Und diesen
Traum habe ich mir dann irgendwann versucht zu verwirklichen.
Sprecherin
Als der Kölner an Weiberfastnacht seine heutige Frau kennenlernt, eine gebürtige
Sauerländerin, stellt er sich ihr mit den Worten vor, dass er irgendwann einmal
Karnevalsprinz von Köln sein werde.
Bevor der Traum aber endlich Wirklichkeit wird, wartet auf Holger Kirsch und zwei
gute Freunde viel Arbeit: Die Bewerbung für ein Kölner Dreigestirn ist umfangreich,
auch wenn alle Beteiligen über Anzahl und Auswahl der Bewerber absolutes
Stillschweigen bewahren. Fest steht aber, dass das hohe repräsentative Amt in Köln
nur jemand bekleiden darf, der einen einwandfreien Leumund hat, ein sauberes
Führungszeugnis und eben auch genug Geld, um seinen Anteil an der Session zu
bezahlen.
O-Ton 36 Holger Kirsch – Unterstützung durch Gesellschaft und Familie
Ich hatte immer große Unterstützung in meiner Frau dafür, dass sie mir zum einen
den Rücken zu Hause frei hielt. Also meine drei Mädchen, die haben mich auch
vermisst in der Zeit, das hat meine Frau wunderbar abgefangen zu Hause.
Musik: Einmol Prinz zo sin – Wicky Junggeburth ENDE
Atmo Rosenmontagszug
Faktensprecher:
„Kamelle im Wert eines Kleinwagens“ – so beschreibt Holger Kirsch selbst die Menge
an Süßigkeiten, die allein er, Bauer und Jungfrau an diesem Tag vom Wagen warfen.
Und nicht nur der Prinz verteilt Kamelle: 300 Tonnen Süßigkeiten werden auf dem
Kölner Rosenmontagszug verteilt, in Bonn Kamelle im Wert von 1,14 Millionen Euro.
Bezahlt wird das von den Zugteilnehmern selbst: In Bonn geben die Gesellschaften
pro Person zwischen 400 und 800 Euro für Wurfmaterial aus – manche
Karnevalsgesellschaften sogar bis zu 1.000 Euro pro Person.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Ende Atmo Rosenmontagszug
Sprecherin
Während am Anfang vor allem der Gedanke an pompöse Festwagen, große Bühnen
und volle Sitzungssäle ein Lächeln ins Gesicht zaubert, sind dem Prinzen nach der
Session die Besuche im Hospiz, auf der Kinderkrebsstation, den Seniorenheimen im
Herzen geblieben.
Atmo Mundharmonika Holger Kirsch
O-Ton 37 Kirsch – Karneval ist lebenswichtig
Wir drei hatten diese wunderbare Begegnung mit der damals ältesten Kölnerin. Die
war 104 Jahre alt, dement. Außer, wenn sie Karnevalsmusik hört. Und als ich ihr
dann auf der Mundharmonika ein Lied vorgespielt habe, liefen ihr die Tränen runter
und das unterstreicht einfach, dass dieses Fest, diese Freude die man empfindet ein
Stück weit lebenswichtig sein kann.
Sprecherin
Egal
ob
im
Zeitplan
eines
Dreigestirns
oder
im
Terminkalender
der
Karnevalsgesellschaften: Eigentlich haben alle Ehrenamtler den Anspruch, nicht nur
zu feiern und zu repräsentieren sondern sich auch sozial zu engagieren, anderen
Menschen Gutes zu tun. Mit ihrer Zeit genauso wie mit Geld. Auch das gehört zum
Karneval. Das Dreigestirn mit Holger Kirsch gründete zum Beispiel den bis heute
aktiven Verein „Lachende Hätze“, der sich für benachteiligte Kinder einsetzt. Rund
280.000 Euro kamen so allein während der Session zusammen.
Musik: Ach wär ich nur ein einzig Mal, ein schmucker Prinz im Karneval – Fritz
Weber
Sprecherin
Ein bürgerliches Leben lässt sich in Handschuhen, Strumpfhosen und Ornat nur
schwerlich weiterführen. Wenn man sich die Prinzen der vergangenen Sessionen
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
anschaut,
dann
waren
Immobilienunternehmer,
viele
waren
beruflich
selbstständig:
Geschäftsführer
eines
Sie
arbeiteten
als
Familienunternehmens
Gastronom – oder Architekt wie Holger Kirsch.
Musik: Ach wär ich nur ein einzig Mal, ein schmucker Prinz im Karneval – Fritz
Weber ENDE
O-Ton 38 Kirsch – wie lange nicht gearbeitet
Also wirklich gar nicht gearbeitet habe ich natürlich ab dem Einzug in die Hofburg.
Das waren in unserem Falle gute siebenhalb Wochen. Vorher versucht man der
Arbeit noch irgendwie nachzugehen, und stellt dann aber immer mehr fest, dass es
eigentlich schon fast gar nicht mehr geht. Ich glaube drei, vier Monate können Sie
komplett streichen in ihrem Arbeitsleben.
Sprecherin
Wenn Kirsch über seine Zeit als Prinz erzählt, dann leuchten seine Augen und er
erzählt mit Begeisterung – spricht man ihn allerdings auf die Kosten seiner
Regentschaft an, wird seine Ex-Tollität mit einem Mal einsilbig:
O-Ton 39 Kirsch über Kosten für Dreigestirn wird nicht gesprochen
Da möchte ich nicht drauf reagieren, weil genau über das Geld im Karneval zu
sprechen, gerade was verbunden ist mit dem Dreigestirn – also das ist eigentlich so
– überhaupt der Mythos Dreigestirn und die finanziellen Verbindungen, die da – oder
die finanziellen Verpflichtungen, die damit zusammenhängen, da spricht man
eigentlich nicht drüber. Aber was ich sagen kann, ist: Jeder der diesen Traum hegt,
einmal im Kölner Dreigestirn zu sein und der es so gemacht hat wie ich, sich jährlich
immer mal ein bisschen was zur Seite gelegt hat, der kann sich diesen Traum
erfüllen. Also, diese skurrilen Summen, die da im Volksmund kursieren, die sind
völlig daher geholt.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Musik: Fink „Pretty little thing“
Sprecherin
Während der ehemalige Kölner Karnevalsprinz Holger Kirsch lieber keine konkreten
Zahlen nennen will, gab sich sein Vorgänger Walter Passmann im Handelsblatt 2005
offener:
Faktensprecher
15.000 Euro kostete damals das maßgeschneiderte Kostüm, 15.000 Euro der
Prunkwagen auf dem Rosenmontagszug. Dazu musste der Prinz zahlreiche
Honoratioren des Karnevals verköstigen – allein das sogenannte Prinzenessen
kostete den Karnevalsprinzen der Session 2004/2005 rund 10.000 Euro.
Sprecherin
Zahlen, die auch Sitzungspräsident Mario Anastasi bestätigt:
O-Ton 40 Anastasi 30.000 Euro Prinz
Also ich würd mal sagen: Unter 30.000 Euro – bin ich mir sicher – wird man das nicht
finanziert bekommen. Ich sag mal, bereit sein da 30 bis 60.000 Euro dafür
auszugeben, das sollte man und die sollte man auch haben.
Sprecherin
Auch in Düsseldorf gibt es einen Karnevalsprinzen, der das Amt aber nicht im
Dreigestirn bekleidet, sondern mit einer Frau an seiner Seite: seiner Venetia. Die
BILD-Zeitung zitierte im November 2016 aus den „geheimen Verträgen“ des Comitee
Düsseldorfer Carneval und verriet:
Zitatsprecher
Das Komitee verlangt vom Prinzen eine Bankbürgschaft. Denn der Vorstand will
nach der Session nicht auf den rund 80 bis 100.000 Euro sitzen bleiben, die die
Prinzenrolle kostet.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Informationen, die das Comitee Düsseldorfer Carneval nicht kommentieren will.
Finanzielle Fragen zum Prinzenpaar beantworte man aus Prinzip nicht, heißt es dort.
Musik: Fink „Pretty little thing“ ENDE
Atmo – Tanztraining – Musik – Kommandos
Trainern: „Hepp. Und noch mal und hepp hepp hepp. Sehr gut. (Geräusch
Handeklatschen). Achte auf den Rücken – gerade! Sehr schön. Und jetzt noch mal
Gas geben.
Hoch! Luft holen. Füße, Füße. Sehr schön. Ruhig, ruhig […]“
Sprecherin
Ein Samstagmittag in Aachen – Trainingsstunde für Julia Plötz. Sie tanzt seit ihrem
fünften Lebensjahr und investiert viel Zeit. Die 18-jährige liebt den Karneval.
O-Ton 41 Julia Zeitaufwand
Also ich habe eigentlich nahezu jeden Tag Training. Oft gehe ich auch sonntags
trainieren oder gehe ins Fitnessstudio zusätzlich.
Sprecherin
Dazu kommen zig Auftritte in der Session. Die angehende Abiturientin lebt für den
Applaus. Als Einzelmariechen ist sie der Stolz der KG Eulenspiegel Aachen –
verdienen tut sie nichts. Ganz im Gegenteil:
O-Ton 42 Julia Kosten für Hobby
Mein Hobby kostet mich ziemlich viel (hier schneiden). Ich bezahle beim Training um
die 75 € im Monat beim Solotraining, dann gehe ich aber noch zu einer AkroTrainerin, die pro Training 15 € kostet.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Die Akro-Trainerin ist eine Trainerin für Akrobatik. Durch die Luft fliegen im Spagat,
im Takt zur Musik die Beine senkrecht in den Himmel schwingen, immer ein Lächeln
auf den Lippen – was mühelos aussieht, ist ein riesiger Kraftakt. Julia tanzt nicht
einfach nur, sondern führt quasi nebenbei auch noch eine Akrobatiknummer auf, für
die sie extra Trainingsstunden nimmt.
Atmo – Tanztraining – Musik – Kommandos
Trainerin: „Sehr schön. Du musst am Ende den Kopf noch ein bisschen mehr zur
Seite legen.“
O-Ton 43 Julia Kosten für Hobby + O-Ton Julia Kosten Uniform
Da gehe ich eigentlich mindestens viermal im Monat hin. Dann bezahle ich noch
Uniform und bezahle für die Showtänze noch die Uniform also die Kostüme –, also
es ist schon ziemlich viel.
Sprecherin
Damit Julia ihren Traum auf der Karnevalsbühne leben kann, gibt sie selber
Tanztraining.
O-Ton 44 Kira tanzt zum zweiten Mal und wird von Julia korrigiert – ca. ab 00:30
Julia: Und Spring!, Hoch und lauf!, Spannung, hoch – streck den Fuß...
Faktensprecher
Egal ob in der Garde als Tanzmariechen die Beine in die Luft schwingen, Wagen für
den Zug bauen, den Saal für die Sitzungen schmücken, oder als Sanitäter den
Zugweg begleiten: Für die fünfte Jahreszeit engagieren sich viele Menschen rein
ehrenamtlich. Auch hier gibt es keine zusammenfassenden Statistiken – nur einzelne
Zahlen. Zum Beispiel: Allein für den Sanitätsdienst sind in Nordrhein-Westfalen
landesweit zwischen Altweiber-Donnerstag und Veilchen-Dienstag über 10.000
Helfer im Einsatz.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 47 Jochen Hilgers Ehrenamt im Karneval
Ohne das Ehrenamt würde gar nichts funktionieren und da verbringen viele
Menschen sehr, sehr viel Zeit und vernachlässigen teilweise sogar ihren Beruf, um
für ihren Karneval etwas zu tun. Ohne Ehrenamt ist der Karneval völlig undenkbar.
Sprecherin
Sagt
WDR-Karnevals-Fachmann
Jochen
Hilgers.
Auch
der
Kölner
Brauchtumsexperte Hans-Georg Bögner betont die Bedeutung des Ehrenamts im
Karneval:
O-Ton 48 Bögner Ehrenamt gibt Prestige
Vereine würden ja überhaupt nicht existieren können, wenn es das Ehrenamt nicht
gäbe. Aber auch in diesem Ehrenamt gibt es ja Hierarchien, nich. Also wer in Köln
Präsident einer großen Gesellschaft ist, ist in der Gesellschaft dieser Stadt
angekommen. Hinter dem Kardinal und der Oberbürgermeisterin ist der Präsident
einer jroßen Jesellschaft – dat is schon wat! (verfällt ironisch ins Rheinische)
Musik: "m'r brauche keiner, der uns säät, wie m'r Fastelovend fiere...machen dat sit
2000 Joor“ – Bläck Fööss
Faktensprecher
Im offiziellen Kölner Karneval engagieren sich rund 20.000 Personen; weitere 10.000
Menschen im alternativen Karneval. 55 Prozent der Mitglieder sind über 50 Jahre alt.
Die Boston Consulting Studie bescheinigt der fünften Jahreszeit schon 2009 eine
„hervorgehobene Netzwerkfunktion“.
Zitatesprecher
„Der Karneval ist eine große Kontaktbörse auch für wirtschaftliche Belange“.
Sprecherin
Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther findet das nicht verwerflich:
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 49 Hüther Netzwerke gibt es überall + Hüther Netzwerken ist nichts
Schlechtes
Das gibt’s ja in jeder Stadt oder in jeder regionalen Verdichtung, dass Menschen in
Netzwerken zusammenarbeiten. Und Netzwerke, die jetzt nicht was per se mit dem
reinen Geschäft zu tun haben, aber irgendwie auch ne Bedeutung dafür haben.
O-Ton 50 Bögner Karneval und Wirtschaft
Wenn Sie sich die Historie des Kölner Karnevals anschauen, dann sehen Sie immer
die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Karneval. Festkomiteepräsidenten
früherer Jahre waren immer Getränkegroßhändler, die dann die Säle bespielten oder
halt auch Menschen, die ne Künstleragentur hatten oder so was. Also das ist ein
schleichender Prozess, der sich die letzten zwanzig, dreißig Jahre einfach
manifestiert hat.
Sprecherin
Sagt der Brauchtumsexperte Hans-Georg Bögner.
Zitatsprecher
„Der
Karneval
bietet
eine
ideale
Kontaktbörse,
die
vielfach
gerade
von
Einzelunternehmern und Mittelständlern zum Knüpfen von Geschäftskontakten
genutzt wird“.
Musik: "m'r brauche keiner, der uns säät, wie m'r Fastelovend fiere...machen dat sit
2000 Joor“ – Bläck Fööss ENDE
Sprecherin
stellt auch die Boston Consulting Studie fest.
Musik: Marie Luise Nikuta – Klüngellied
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 51 Boegner wir kennen uns wir helfen uns
Es ist schon so: Wenn ich weiß in meiner Gesellschaft gibt’s nen Busunternehmer,
dass ich dann auch mit dem Busunternehmer die Geschäfte mache um die Garde
durch die Gegend zu fahren und der Bauunternehmer kriegt dann den Auftrag, der
Statiker kriegt den Auftrag aus der Gesellschaft und so – das ist alles legitim. Also wir
reden jetzt nicht von Korruption oder so gar nicht. Sondern, der wirtschaftliche Aspekt
des: Wir kennen uns, wir helfen uns.
Musik: Marie Luise Nikuta – Klüngellied ENDE
Atmo Foyer Männerchor – unter nachfolgendem Sprechertext:
Sprecherin:
Die Herrensitzung der Lyskirchener Junge im Kölner Gürzenich, der altehrwürdigen
guten Stube der Stadt. Während sich im Foyer ein Spielmannszug aufbaut, singen
sich die ersten Gäste schon warm.
Sprecherin
Im Saal sitzen die Herren dann an langen Tischen, trinken Kölsch und vereinzelt
Wein. Die meisten tragen schwarze Anzüge und das Krätzche, eine Narrenkappe in
den Vereinsfarben, nur wenige haben sich auch verkleidet. 1500 Gäste fasst der
Saal – heute sind die Tische nur zur Hälfte eingedeckt: 800 Karten haben die
Lyskirchener Junge für ihre Herrensitzung verkaufen können. Auf dem Programm
steht unter anderem ein Aufritt von Redner Mark Metzger:
O-Ton 52 Metzger das ist der schönste Saal den ich je gesehen hab
Das ist der schönste Saal, den ich je gesehen hab. (Publikum lacht)
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Metzger gehört zu den gefragtesten Rednern im Karneval. Eine trinkfreudige Gruppe
aus dem Sauerland reicht Metzger einen Schnaps auf die Bühne.
Menge grölt, Kapelle spielt „Schnaps, das war sein letztes Wort“
Sprecherin
Metzger gibt den Schnaps an den Sitzungspräsidenten weiter.
Atmo Büro Müller
Sprecherin
Während im Gürzenich an diesem Tag gefeiert wird, sitzt Horst Müller noch an
seinem Rechner – wie so oft in der Session. Der Geschäftsführer der Kölner
Eventagentur Alaaaf.de spielt Feuerwehr für den Fall, dass ein Künstler ausfällt –
dann muss er schnell für Ersatz sorgen.
O-Ton 56 Müller Orga auf Sitzungen
Wir haben alleine an Sitzungstagen, so nem normalen Samstag, wenn wir zwanzig,
dreißig Sitzungen haben, haben wir auf jeder Sitzung einen Mitarbeiter, der die
komplette Regie hat, der abwickelt, der alle Probleme löst, der aber dann auch bei
mir anruft und sagt: Pass mal auf, da steht grad ein Künstler im Stau, der kommt
nicht durch – ist jemand anderes in der Nähe, kann der einspringen?
Musik: Flanger „Tiny Tina“
Sprecherin
Ursprünglich gehörte Müller in Köln eine allgemeine Eventagentur, die alle möglichen
Veranstaltungen managte. Inzwischen ist der Karneval sein Hauptgeschäft. Sieben
Mitarbeiter kümmern sich das ganze Jahr über nur um die fünfte Jahreszeit, planen
Sitzungen und Konzerte. Über Geld spricht man auch hier nur ungern und
ausweichend. Doch es ist ein lohnendes Geschäft, glaubt Sitzungspräsident Mario
Anastasi.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 57 Anastasi zu Alaaaf
Ich glaube eine Agentur Alaaaf, da können schon einige Familien von ernährt
werden. Bei 10-20 Prozent Handlingsfee für eine komplette Gestaltung, da sind
schon Gelder dahinter.
Sprecherin
„Handlingsfee“ ist der Teil, den die Agentur von der Gage der Künstler abbekommt.
Dabei betreut die Agentur manche Künstler komplett, für andere übernimmt sie nur
die Terminbuchungen.
O-Ton 58 Müller 4000 Verträge
Wir vertreten circa 35 Künstler, für die wir das Büro machen, also wo wir die
komplette Anlaufstelle sind, wo wir alle werblichen Interessen abwickeln für diese
Künstler. Das ist also ein Teil unserer Tätigkeit. Und das andere ist: Wir sind
Programmgestalter im organisierten Karneval, das heißt wir machen für große
Gesellschaften die kompletten Sitzungsprogramme und verwalten auf dieser Linie
etwa 4000 Einzelverträge.
Sprecherin
Eine perfekte Karnevalssitzung hat einen festen Ablauf: Musikgruppen wechseln sich
mit Redner und Tanzgruppen ab – in der Theorie. Früher bestimmte das bei jeder
Gesellschaft ein eigener so genannter Literat. Er war Programmgestalter und
entschied, wer es auf die Bühne schaffte und wer nicht. Das hat sich heute geändert,
sagt Mario Anastasi:
Musik: Flanger „Tiny Tina“ ENDE
O-Ton 60 Anastasi Animositäten
Manchmal sind es in dem Geschäft Karneval nicht immer, sagen wir mal, nur die
musikalische oder künstlerische Qualität. Sondern es ist dann auch der Nasenfaktor,
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Emotion, persönliche Einschätzung, Animositäten, die darüber entscheiden, ob
Erfolg oder Misserfolg dann das Ergebnis des künstlerischen Schaffens dann sind.
Sprecherin:
Eine entscheidende Rolle spielen neben Literaten und Agenturen aber auch die
zahlenden Gäste. In der Praxis muss sich die Dramaturgie oft der Prominenz
beugen, sagt Agenturchef Müller – schließlich will der Veranstalter seinen Saal gefüllt
bekommen.
O-Ton 61 Müller Plakat schlägt Dramaturgie
Er braucht die Namen von namenhaften Künstlern auf dem Plakat um seine Karten
zu verkaufen. Und dann teilweise kriegen sie die Künstler nicht zu ihren
Wunschzeiten, dann habe ich auf einmal Bläck Föös und Höhner hintereinander. Das
ist dramaturgisch eigentlich total schlecht, aber der Kunde ist froh, dass er beide
Gruppen hat.
Sprecherin
Denn in den Sitzungskarneval schleicht sich eine gewisse Besuchermüdigkeit und so
investieren die Veranstalter ihr Geld am liebsten in Musikgruppen, denn die bringen
die meiste Stimmung in den Saal.
O-Ton 63 Hilgers Redner werden unwichtiger
Also die Redner sind stark in der Defensive momentan. Es läuft fast nur noch Musik.
Insofern werden die Bands immer wichtiger. Leider, das bedauern viele, ich
eigentlich auch, werden die Redner immer unwichtiger.
Sprecherin
Beobachtet Karnevalsreporter Hilgers. Auch hier zieht am Ende nur Prominenz. Und
so stehen heute immer mehr Comedians auf den Karnevalsbühnen.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 64 Stelter iPhone
1876 hat Alexander Graham Bell das Telefon erfunden, damit man sich unterhalten
kann, selbst wenn man weit auseinander ist. Seit wir das iPhone haben, wissen wir,
dass man sich nicht mehr unterhalten kann, selbst wenn man am gleichen Tisch sitzt.
O-Ton 65 Bögner Kabarett statt Karneval
Fangen wir an von Herrn Cantz über Herrn Stelter bis hin zu anderen auch
Humoristen, wie sie früher hießen, oder auch Knacki Deuser oder so – ich mag die
alle, die haben alle ihre Qualitäten. Aber: das was die da auf der Bühne tun, machen
die am Abend drauf auf der Kabarettbühne. Das heißt, es hat eigentlich nichts mehr
ursprünglich mit Karneval zu tun.
Sprecherin
Kritisiert Brauchtumsforscher Bögner.
Atmo Musik aus dem Saal, darüber
Sprecher-Collage
Weibertanz, Die Halle, Köln
Kölschfest, Südstadion, Köln
Lachender Königpalast, Krefeld
Die lachende Kölnarena, Köln
Die große Kölsche Nacht, Höxter
Lachende Philippshalle, Düsseldorf
Sprecherin
Neben den klassischen Sitzungen der Karnevalsvereine gibt es inzwischen auch
immer mehr private Anbieter, die im Karneval Party versprechen. Eine große
Konkurrenz für die eh schon kämpfenden Gesellschaften.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 66 Anastasi private Konkurrenz
Ich kenne Künstler und Bands die weite Wege auf sich nehmen, um Auftritte
wahrzunehmen, die teilweise an so nem Abend nach Aachen ins Kongresszentrum
fahren, um aufzutreten, die haben drei Stunden später einen Auftritt in Oberhausen
und weitere zwei Stunden später einen Auftritt in Köln dann wahrnehmen.
Sprecherin
Beispiel Gagen: Anastasi vermutet:
O-Ton 67 Anastasi private zahlen besser
Wenn sich so ne Band wie Brings zum Beispiel auf den Weg nach Oberhausen
macht, dann bin ich mir sicher, dass die da nicht für zweieinhalb Tausend Euro
hinfahren. Da bin ich mir relativ sicher, dass wir da bei ner doppelt so hohen Summe,
wenn nicht bei ner drei, viermal so hohen Summe sind.
Musik: Poppe, Kaate, Danze – Brings (Remix)
Faktensprecher
Auch die Boston Consulting-Studie stellte fest: Karneval erlebt einen Trend zur
"Eventisierung". 45 Prozent der Veranstaltungen sind heute kommerzielle Events,
dazu zählt etwa die lachende Kölnarena. Die Studie beobachtet eine
Zitatesprecher
„veränderte Konsumhaltung“ ... „mit einem Wunsch nach Interaktion und Party“.
Musik: Poppe, Kaate, Danze – Brings (Remix) ENDE
Atmo Kneipe Ballermann 6
Sprecherin
Auf der Bolker Straße in Düsseldorf reiht sich Kneipe an Kneipe. Es ist Freitag, der 6.
Februar 2016, Hochzeit des Straßenkarnevals, ein Tag nach Altweiber. Im
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Ballermann 6 feiern die Gäste ausgelassen Karneval, wenn auch nicht unbedingt zu
Karnevalsmusik.
O-Ton 68 Atmo LS 110458 – ab 11:52
DJ: So Freunde, seid ihr schon gut drauf? Wir sind ja in Düsseldorf, wir feiern
Karneval, da sagt man zickezacke zickezacke, Hoi hoi hoi – das sagt mal: Auf den
Düsseldorfer ein dreifach kräftiges Ballermann 6 – Helau! Düsseldorf, Helau!
Ballermann 6 Helau! Ah, das klappt nicht so gut, deswegen machen wir es weiter mit:
zickezacke zickezacke
Gäste: Hoi hoi hoi.
DJ: Scha na na na na.
Gäste: heeeheeeeheee...
weiter mit Atmo Location
Sprecherin
Im Stimmungslokal Ballermann 6 gibt der Manager des Lokals selbst den DJ. Hier
laufen nicht nur die Hits vom Ballermann sondern auch Schlager und dazwischen
mal ein Karnevalssong aus Köln. Die Hassliebe zwischen Köln und Düsseldorf
scheint hier vergessen. Von den Gästen können viele nicht einschätzen, wie
ungewöhnlich das ist. Hier trinkt, singt und schunkelt kaum ein Rheinländer –
stattdessen Österreicher, Schwaben, Bayern. Peter Erhardt kommt aus SchwäbischHall. Seit 12 Jahren fährt der Karnevalsfan nach Düsseldorf und lässt sich das
einiges kosten.
O-Ton 69 Peter Erhardt Kosten Karneval 1
Also rund 1000 Euro sind es schon. Biste das Hotel hast, Sprit und bissle was trinken
will man ja auch.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Sprecherin
Die gut Tausend Euro sind ihm die fünf Tage Karneval wert. Beim ersten Mal war
auch seine Frau mit dabei, der haben die tollen Tage in Düsseldorf aber gar nicht
gefallen. Deswegen fährt Peter Erhardt alleine. Seit elf Jahren. Damit geht es beiden
gut.
O-Ton 70 Peter Erhardt Kosten Karneval 2
So lange es noch irgendwie geht werde ich das immer machen.
Faktensprecher
Knapp 320.000 Pensions- und Hotelübernachtungen gab es in Düsseldorf im
Februar 2016, 3,7 Prozent mehr als im Februar davor. Und das obwohl
Rosenmontag im vergangenen Jahr acht Tage früher gefeiert wurde. Auch der
Kölner Karneval zieht viele Besucher an. Köln-Tourismus, das Touristenbüro der
Stadt Köln, schätzt, Zitat:
Zitatesprecher
An den fünf tollen Tagen werden unserer Schätzung nach mehr als 100.000
Hotelübernachtungen getätigt. Damit gestaltet sich der Karnevalsmonat (Februar
oder März, je nachdem) wie ein guter Messemonat.
Sprecherin
Und durchaus eine Gelegenheit, für diese Zeit die Preise zu erhöhen. Wer zum
Beispiel im Internet auf dem HRS-Portal auf Zimmersuche geht, findet für das
Wochenende vor Rosenmontag ein Drei-Sterne-Hotel im Kölner Zentrum, da kostet
das Doppelzimmer ohne Frühstück pro Nacht 135,-Euro – zwei Wochen nach
Karneval dagegen nur 79,50.
Beim privaten Zimmervermittler Airbnb kostet das Appartement am zentralen
Barbarossaplatz für 2 Personen an dem begehrten Karnevalswochenende 145 Euro
pro Nacht – statt 75,- Euro zwei Wochen später.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Aufschläge für Karneval um 60, 70 fast 100 Prozent. Auch ein Gläschen Bier kostet
während der tollen Tage viel Geld: Für ein 0,2er Glas Kölsch legt man bei einer
Karnevalssitzung schnell 2,50 Euro hin. In der Eckkneipe außerhalb der
Karnevalstage kommt man mit 1,50 Euro hin. Dabei darf Bier gar nicht bei allen
Sitzungen getrunken werden: Traditionell herrscht oft Weinzwang. Wer den nicht
trinken mag für den gibt es alternativ „Kalte Ente“: Ein Gemisch aus einer Flasche
Weißwein und einer Flasche Sekt – serviert mit Eis und Zitrone. Die Kosten pro
Karaffe um auf Kölschen Sitzungen: um 50,-.
O-Ton 72 DJ/ Wirt – WDR_TRACK_TRK021 – ab 0:30
Es ist Karneval in Düsseldorf.
Sprecherin
Das sieht man bei Manager Mario Linssen nicht. Sein Kostüm besteht aus
quietschgrünen Socken – versteckt unter einer schwarzen Hose, obenrum ein
schwarzes Hemd. Die Nacht wird lang.
O-Ton 73 Manager Mario Linssen Knochenjob
Normalerweise ist das Alltagsgeschäft ein Geschäft, welches zehn Stunden in der
Nacht dauert und am Karneval ist es so, dass wir fünf Tage fast rund um die Uhr da
sind.
Sprecherin
Ein Knochenjob. Während des Karnevals-Finales arbeiten doppelt so viele
Mitarbeiter in der Kneipe.
O-Ton 76 Mario Linssen Geld
Die Zahlungsfreudigkeit endet immer da, wo das Portemonnaie endet. Letztendlich
ist es aber so, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die anreisen, die wirklich für
dieses Event sparen und sich dann fünf Tage amüsieren, ohne darüber
nachzudenken, ob der eine oder andere Euro wirklich über den Tresen geht.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Uns ist es sehr wichtig – natürlich möchten wir Umsatz machen und wir möchten ein
Geschäft machen – uns ist es sehr wichtig, dass wir lachende Gesichter haben, und
Leute einfach glücklich und entspannt sind.
Sprecherin
In Köln findet der Karneval inzwischen nicht mehr nur im Winter statt – auch davon
profitieren die Wirte:
Atmo Vogelgezwitscher, Sommeratmosphäre darunter langsam aufdrehen Atmo
Aachener Weiher „Jeck im Sunnesching“
Sprecherin
Ein Samstagvormittag im August 2016 am Aachener Weiher in Köln – die
Karnevalszeit ist da eigentlich noch ein paar Monate weit weg: Während am Wasser
einige Jogger ihre Runden drehen, sammeln sich am Biergarten aber immer mehr
bunt verkleidete Menschen. Es ist kurz vor elf, in wenigen Minuten startet hier „Jeck
im Sunnesching“ – ein Karnevalsevent mitten im Hochsommer.
Atmo Musik Aachener Weiher (im Hintergrund „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ –
Höhner)
Sprecherin
Unter den Verkleideten sind auch Uschi und Michael aus Aachen. Während er sich
ein FC Köln-Trikot angezogen hat, ist seine Frau als Marienkäfer verkleidet.
Angestoßen wird mit dem ersten Kölsch für diesen Morgen.
O-Ton 77 Michael brasilianisches Gefühl
Man hat so ein brasilianisches Gefühl, Sonne scheint.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 78 Uschi Spaß haben
Nicht dick angezogen zu sein um draußen zu feiern – das macht das aus. Einfach
Spaß haben, bisschen nett was trinken, mit netten Leuten feiern und das ist einfach
traumhaft.
O-Ton 79 Bögner der Kölner singt gerne
Der Kölner singt gerne und er ist gern fröhlich und wenn man irgendwo in nem
Biergarten sitzt oder zu nem Grillfest eingeladen wird, dann dauerts es nicht lange
und irgendwer fängt an ein kölsches Lied zu gröhlen – dann ist ne Spur von Karneval
auch wieder da.
Sprecherin
Sagt Brauchtumsforscher Bögner.
Faktensprecher
Erfunden wurde der Sommerkarneval eigentlich schon vor zehn Jahren in einer
Kölner Gastwirtschaft, dem Traditions-Brauhaus „Unkelbach“, wo etwa hundert Jecke
auch außerhalb der Session schunkelten. Als sich 2015 die Brauerei Gaffel der
Sache annahm, wurde Jeck im Sunnesching stadtweit bekannt: Über hundert
Gaststätten beteiligen sich inzwischen am Sommerkarneval. 10.000 Kostümierte
lockte die Veranstaltung zuletzt allein in den Kölner Jugendpark – in diesem Jahr soll
auch in Bonn im Sonnenschein gefeiert werden.
Sprecherin
Vom Kölner Karnevalskomitee kam Kritik. Karneval habe etwas mit Tradition zu tun,
erklärte der scheidende Festkommitee-Präsident Markus Ritterbach dem Kölner
Stadt-Anzeiger, dabei gehe es nicht nur um Party und Trinken. Es feiere ja auch
keiner Weihnachten im Sommer. Für den Aachener Karnevalisten Michael ist der
Sommerkarneval eine gute neue Institution:
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 80 Michael Kostümparty
Ich empfinde, dass Karneval ist ja … Brauchtum, gehört in den Winter. Das ist für
mich ne Kostümparty – aber ist geil.
O-Ton 81 Hüther Jeck im Sunnesching
Wenn dann angefangen wird wie in Köln auch noch Karneval im Sunnesching zu
feiern und dann die Kölschversorgung in der Kölner Südstadt zusammenbricht, dann
haben Sie natürlich noch eine Ausuferung von ökonomischen Effekten.
Sprecherin
Sagt Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther. Er glaubt aber nicht, dass der
Sommerkarneval Zukunft hat:
O-Ton 82 Hüther Karneval darf nicht Alltag werden
Wenn Karneval so zum Alltag wird, kann er nicht wirklich überleben. Also insofern
bleibt es ein begrenztes Geschäft.
Musik: „Wer soll das bezahlen?“ – Jupp Schmitz
Sprecherin
Spätestens zwischen Weiberfastnacht und Rosenmontag steuert die fünfte
Jahreszeit mit dem Straßenkarneval auf das laute und feierliche Finale der Session
zu: Millionen Jecken sorgen für volle Kneipen und Säle – und für ausgebuchte Hotels
und Sonderschichten in der Gastronomie. Agenturen bezahlen vom Karneval ein
ganzes Büro. Gut beschäftigte Musiker und Redner eilen von Auftritt zu Auftritt, um in
dieser Zeit einen Großteil ihres Jahreseinkommens einzuspielen. Nachwuchsredner
und -Musiker bringen sich in Stellung, ihre Zeit kommt vielleicht schon in der
nächsten Session. Die Zeit ist aber auch glanzvoller Höhepunkt für alle
Ehrenamtlichen, ohne die es den Karneval gar nicht gäbe. Sie bringen für den
Karneval ihre gesamte Freizeit auf: Tanzmariechen Julia aus Aachen und der Kölner
Georg Hinz, mit seinen Mitsingkonzerten. Nicht nur die beiden, auch tausende
andere, schufteten monatelang ohne etwas daran zu verdienen. Ein Prinz, der
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
Zehntausende Euro für seinen Traum investiert, die Jecken in den Vereinen und
Gesellschaften. Die Band Miljö, die versucht, aus ihrem Hobby den Lebensunterhalt
zu bestreiten – oder Peter Erhardt, der mit einem Koffer voller Kostüme zum 13. Mal
nach Düsseldorf fahren wird – für fünf Tage Partyurlaub.
Aus dem Brauchtum ist auch ein gewaltiges Geschäft geworden, in dem sich viel
verändert hat: Die Tradition darf nicht dem Kommerz weichen, warnen Karnevalisten.
Auch Eventmanager Müller hat solche Bedenken:
Musik: „Wer soll das bezahlen?“ – Jupp Schmitz ENDE
Atmo Nubbelverbrennung, Menge ruft: Tod dem Nubbel
O-Ton 83 Müller Kommerz und Ehrenamt
Es gibt sicher einen Trend zur Kommerzialisierung des Karnevals, alle wichtigen
Entscheidungsträger müssen auch sehr vorsichtig die Ehrenamtlichkeit im Auge
behalten und die ist im Prinzip der Nährboden des Karnevals.
Historiensprecher
In Bonn waschen die Karnevalisten am Aschermittwoch ihr Portemonnaie im Rhein
aus, als Zeichen, dass der Karneval auch den letzten Cent aus der Tasche gezogen
hat. Wenn sie dann Kassensturz machen, dann ist der Schuldige für die hohen
Ausgaben längst gefunden.
Regie: Atmo Nubbelverbrennung wieder hochziehen, darüber:
Historiensprecher
In Düsseldorf wird der Hoppeditz eingeäschert, in Essen, Dortmund oder
Recklinghausen der Bacchus verbrannt. In Köln und Leverkusen wird mit dem
Sessionsende der Nubbel verbrannt. Die Strohpuppe, büßt als Sündenbock für alles
im Karneval. Und weiß wohl als einzige ganz genau Bescheid darüber, was für
Geschäfte im Zeichen von Alaaf und Helau gemacht werden.
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Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017
Einmol Prinz zo sin:
Das Geschäft mit dem Karneval
O-Ton 84 Priester bei Nubbelverbrennung
Und wer is dat Schuld, dat in unserem Portmonee keine Cent mi drin ist (Menge: Dat
wor der Nubbel!) Und wer ist dat Schuld, dat wir morje alle wieder Fisch esse
müsse? (Menge: Dat wor der Nubbel!)
O-Ton 85 Holger Kirsch Karneval lässt Alltag vergessen
Karneval verbindet die Menschen – unabhängig der Herkunft, des Standesdünkels.
Man ist kostümiert, man hat das gemeinsame Interesse ausgelassen zu feiern, zu
schunkeln und jeder trägt ja für sich die Sorgen des Alltags mit sich und das vereint
glaube ich alle, dass man diese Sorgen des Alltags für diese Zeit gemeinsam
vergessen kann.
Absage-Musik: „Am Aschermittwoch“ (CD: “Karneval einmal klassisch“)
Sprecher-Absage:
Einmol Prinz zo sin - Das Geschäft mit dem Karneval.
Ein Feature von Alexandra Rank und Maike von Galen.
Es sprachen:
Edda Fischer, Andreas Laurenz Maier, Henning Freiberg und Detlef Dickmann.
Technische Realisation: Steffen Jahn und Werner Jäger.
Regieassistenz: Sophie Garke,
Regie: Michael Wehrhan.
Redaktion: Frank Christian Starke.
Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2017.
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