Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Musik: Jetzt geht’s los – Höhner O-Ton 1 Holger Kirsch Karnevalsmusik Ich kann mir im Sommer ein Karnevalslied anmachen und ich verspüre sofort dieses Glücksgefühl und diese Freude einfach über diese Stadt nachzudenken. O-Ton 2 Jochen Hilgers – was wäre Köln ohne den Karneval Was wäre Köln ohne den Karneval? Da würde sehr viel der Identifikation fehlen. So wie sich die Kölner mit ihrer Stadt identifizieren, so wie ihr Selbstverständnis ist. O-Ton 3 Bögner Karneval ist ein Geschäft Karneval ist ein Geschäft. O-Ton 4 Julia – viel Aufwand lohnt sich Ich habe Momente, wo ich denke ja vielleicht ist es doch ein bisschen zu viel, aber eigentlich wenn man dann das Resultat auf der Bühne sieht, dann weiß man wofür man es gemacht hat. O-Ton 5 Hüther im Karneval wird nicht über Geld gesprochen Der Karneval hält natürlich den Anschein aufrecht, dass er eigentlich so etwas ist, wie bürgerschaftliches Engagement. O-Ton 6 Kirsch persönlicher Aufwand Eine Rolle im Kölner Dreigestirn einzunehmen ist mit finanziellen Verpflichtungen verbunden, ganz klar. O-Ton 7 Anastasi hohe Margen Wenn man sich die ein oder andere Armbanduhr bei einem Karnevalisten, der schon etwas länger und besser im Geschäft ist, anschaut, oder das Auto, in dem er dann chauffiert wird, dann weiß man, dass da schon Geld hintersteckt. Musik: Jetzt geht’s los – Höhner hochziehen © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 1 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 8 Kira tanzen im Karneval Ist einfach ein sehr schönes Gefühl vor all den Leuten zu tanzen, das macht einfach sehr viel Spaß. O-Ton 9 Anastasi Millionenumsatz Große Karnevalsgesellschaften, Traditionskorps, haben mit Sicherheit Jahresumsätze sagen wir mal eine Millionen Euro aufwärts. Vielleicht sogar zwei Millionen Euro aufwärts. Das sind schon kleine, mittelständische Betriebe und Unternehmen über die man da an der Stelle sprechen kann. Sprecherin Einmol Prinz zo sin – Das Geschäft mit dem Karneval. Ein Feature von Alexandra Rank und Maike von Galen. Musik: Jetzt geht’s los – Höhner ENDE Atmo Heumarkt 11.11. (Trommel), Zehn, Neun, Acht, Sieben, Sechs, Fünf, Vier, Drei, Zwei, Eins – (Jubel im Hintergrund, Tusch) Atmo Bühne Gesang (WDR TV-Mitschnitt 11.11. 11 Uhr) Du bes die Stadt op die mir all he ston, Du häs et uns als Pänz schon anjedon Du häs e herrlich Laache em Jeseech Du bes die Frau die Rotz un Wasser kriesch Sprecherin Köln, am 11.11. ein paar Minuten nach 11 Uhr – Reporter Jochen Hilgers steht als Karnevals-Reporter live fürs WDR-Radioprogramm mitten auf dem Heumarkt: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 2 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 10 Schalte Jochen Hilgers – WDR_WDR 5_MIC_2253_TRK001 – ab 1:13 Hier ist Köln, hier ist der Heumarkt und die Session ist lange eröffnet obwohl wir noch gar keine 11:11 Uhr haben. Denn um 11:09 und 34 Sekunden war es, da fingen sie auf der Bühne glaube ich schon an das Zählkommando herunterzuzählen von 11 bis 0. Wahrscheinlich konnte es keiner abwarten. Henriette Reker […] (Jubel im Hintergrund). Sprecherin Dass die Session auf dem Heumarkt fast eineinhalb Minuten zu früh gestartet ist, fällt nur den Menschen hinter den Kulissen auf. Die Jecken schunkeln glücksselig, obwohl das Wetter so gar keine Lust auf Karneval macht: Es ist nicht nur bitterkalt, sondern Geparden, Narren, Marienkäfer und Clownsnasen bekommen direkt eine Dusche aus feinem Sprühregen. Der guten Laune tut das keinen Abbruch. Auf dem Heumarkt, dem angrenzenden Alter Markt, in der Altstadt feiern zehntausende Jecken. Auch in Aachen, Düsseldorf, Bonn und vielen anderen Städten wird in diesen Minuten wieder der Karneval eingeläutet, schunkeln zigtausende Kostümierte. Atmo vom Heumarkt – Musik Kölle Alaaf O-Ton 11 Hilgers – was wäre Köln ohne den Karneval Dieser volkstümliche Karneval, wie er gefeiert wird, der ist natürlich für die Bevölkerung, für die Kölner enorm wichtig: Was in den Vereinen da auch unter dem Jahr passiert, was vorbereitet wird für die Session und welcher Freude die Menschen dann tatsächlich in den Karnevals starten, das ist schon unvorstellbar. Also da macht man sich, glaube ich, außerhalb von Köln gar keinen Eindruck von. Musik: Drink doch ene met: – Bläck Fööss Sprecherin Karnevals-Reporter Jochen Hilgers. Bis zum Aschermittwoch herrscht im Rheinland und vielen anderen Teilen Nordrhein-Westfalens wieder der Ausnahmezustand. Der fünften Jahreszeit wird viel Zeit gewidmet: Überall Menschen, die sich verkleidet haben, die schunkeln, tanzen und trinken wollen. Sie füllen in diesen Wochen © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 3 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Kneipen und Partyzelte. Übernachten in Hotels, nutzen den öffentlichen Nahverkehr, gönnen sich ein Taxi, haben Hunger und vor allem ganz viel Durst. Kurz: An dem ausgelassenen Treiben im Karneval haben nicht nur zig tausende Menschen Freude, sondern verdienen auch viele mit. Karneval ist ein Wirtschaftsfaktor. Musik: Drink doch ene met – hochziehen O-Ton 12 Hüther Saisongeschäft + O-Ton 13 Hüther Arbeitsplätze ganzjährig Es ist ein Saisongeschäft, was in der Gastronomie und im Hotelgewerbe ankommt, (hier schneiden) etwa 3000 Unternehmen, 40.000 Beschäftigte, bei denen man sagen kann, dass die in irgendeiner Weise ganzjährig vom Karneval leben, weil die Dinge natürlich genauso wie die Osterhasen nicht nur zu Ostern produziert werden. Sprecherin sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Wenn es um die Wirtschaftskraft des Karnevals geht, wird gerne eine inzwischen schon etwas angestaubte Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2009 zitiert: Allein in Köln werden auf Zügen, Sitzungen und im Kneipenkarneval 460 Millionen Euro umgesetzt, rechneten die Wirtschaftsprüfer damals aus. Der wirtschaftliche Sog ist ungebremst: Keine zehn Jahre nach der Studie, werden in dieser Session neue Daten in Köln erhoben. Das Bonner Festkomitee gab 2014 eine ähnliche Studie in Auftrag: Demnach generiert der Karneval jährlich in Bonn 15 Millionen Euro an Einnahmen – ein Drittel davon wird durch Veranstaltungen eingespielt. Allerdings wurde anders gerechnet. Exakte Bilanzen zum Karneval gibt es nicht. Die Wirtschaftskraft des Karnevals ist weitgehend unerforscht. Aber es gibt sie – mit Frohsinn wird viel Geld verdient. Musik: Drink doch ene met – noch mal hochziehen © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 4 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Historiensprecher Spätestens ab dem 11. im 11. geht das Geschäft los. Die größten Umsätze werden in der Hochzeit des Karnevals gemacht – zwischen Donnerstag, regional als „Altweiber“ oder „Weiberfastnacht“ bekannt und dem darauffolgenden Aschermittwoch. Zum Abschluss – auch das ist regional unterschiedlich – wird in Düsseldorf der „Hoppeditz“ zu Grabe getragen, die Kölner verbrennen den „Nubbel“. Eine fiktive Figur, die Schuld an allem trägt, was in den vergangenen fünf Tagen geschehen ist – am ausschweifenden Feiern genauso wie am leeren Portemonnaie: Musik: Drink doch ene met: – Bläck Fööss ENDE O-Ton 14 Priester Nubbel ist Schuld Et letzte Mal ston mer he noch zusamme, und schmießen de Nubbel in de Flamme. Denn der is schuld an unserer Misere, und an unserer akuten Geldbeutelleere. (Publikum johlt) Atmo – Loss mer singe Sprecherin Wohin aber fließt das Geld im Karneval außer in die löchrigen Taschen des Nubbels wirklich? Wer verdient am Frohsinn? Wer danach fragt, bekommt nur selten eine Antwort. Über Geld, so scheint die ungeschriebene Regel, redet man im Karneval eigentlich nicht. Eigentlich. Aber einige Karnevalisten haben doch erzählt: Auf den Spuren des Geschäfts hinter dem Frohsinn. O-Ton 15 Hinz Lied wird schneller zum Hit Wenn ein Lied im Herbst rauskommt, dann kann es sein, dass es an Karneval, an Weiberfastnacht auch das meist gewünschte Lied in dieser Karnevalszeit wird. Das hat eben damit zu tun, dass es verschiedene Mechanismen gibt, die das sofort an die Öffentlichkeit spülen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 5 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Sagt Georg Hinz. Er ist Initiator der Kneipentour „Loss Mer Singe“. Eine Veranstaltung, die quer durch Kölner Kneipen tourt und bei der sich Karnevalsjecke treffen, einzig aus dem Bedürfnis heraus, erstmals aus vollem Herzen die neuen Karnevalslieder zu singen. Unter 20 Titeln küren sie den Hit der Session. Mit einem Liederabend in der Küche fing vor vielen Jahren alles an: Um sich für die Session zu rüsten verteilte Hinz Liederzettel, suchte eine Auswahl neuer Karnevalshits zusammen. O-Ton 16 Hinz von der Küche in die Kneipe Aus der Küche ging’s in die Kneipe und dann kamen viele Anfragen und mittlerweile ist es ja in der Region zu so einem festen Ritual für viele Menschen geworden, dass man sich vor Karneval einsingt und mit den neuen Liedern versorgt. Sprecherin Inzwischen gibt es Loss Mer Singe-Abende in über 60 Kneipen, davon 40 allein in Köln. Ein immenser Organisations-Aufwand. Dabei hat Georg Hinz eigentlich einen anderen Job – er arbeitet im Domforum, dem Besucherzentrum des Kölner Doms. Hinz Arbeitgeber nimmt viel Rücksicht auf sein Hobby: O-Ton 17 Hinz Arbeitsaufwand Ab Ende September, wenn man das wirklich ganz streng zusammenrechnen würde, mit Abendveranstaltungen und so weiter, kommt schon häufig auf fünfzehn, zwanzig und mehr Stunden, die man sich irgendwie gedanklich oder auch intensiv damit beschäftigt. Sprecherin Georg Hinz und seine 32 Mitstreiter machen das immer noch komplett ehrenamtlich – nur eine Bürokraft auf 450-Euro-Basis beschäftigen sie. Von dem Geld, das bei den Veranstaltungen eingespielt wird, gönnen sie sich lediglich einen Ausflug nach Berlin und eine Vereinsfahrt nach Belgien. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 6 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Anfang Atmo Loss Mer singe O-Ton 18 Hinz Geld von Wirten Wir nehmen ja auch von den Wirten etwas Geld ein, weil wir natürlich denen die Hütte vollmachen. Das wäre ungerecht, wenn es nicht so ein bisschen ein Teilen dieses Gewinns gibt. Sprecherin Nicht nur die Gastwirte profitieren von den vollen Loss-mer-singe-Abenden – auch die Kölner Bands: ihre Lieder setzen sich in den Kneipen schnell als Ohrwürmer fest. Und sorgen für steigende Verkaufszahlen und Einnahmen aus der Vermarktung, Gema- und Lizenzgebühren. Atmo Busfahrt (Türen schließen, Motor startet) Sprecherin Auf dem Weg mit der Kölner Nachwuchsband Miljö ins Schützenzelt nach Holweide, einem Stadtteil von Köln. Auch sie sind vor allem durch die Loss-Mer-Singe-Reihe bekannt geworden. In der Karnevalszeit tingeln sie am Wochenende von Veranstaltung zu Veranstaltung: Mehr als 100 Auftritte spielen die Musiker in der Session, weitere 100 über das Jahr verteilt. Miljö hat an diesem Novemberabend in der noch jungen Karnevalssession ein Heimspiel – sie kommen selber aus Holweide, haben hier ihre ersten Gehversuche als Musiker gemacht. Entspannt blicken sie dem Abend entgegen. Atmo Band im Bus: Max: Wir spielen einfach fünfmal den Lommi, das merken die wahrscheinlich gar nicht mehr Mike: Die dritte Nummer war jot! Max: ich fand den zweiten besser. (lachen) © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 7 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Seit der letzten Session hat Miljö mit dem „Lommi“ den Durchbruch geschafft, einem Lied über eine urige Gaststätte mit einem legendär knorrigen Wirt in Köln. Musik: Su lang de Lichter noch brenne – Miljö O-Ton 20 Mike mit Hit läuft es wie von selbst Man merkt halt immer den Unterschied, wenn dem Publikum ein Titel schon bekannt ist, oder nicht. Du kannst vorher im Prinzip machen, was du willst, alles probieren und alles reinlegen, aber der Effekt wie jetzt mit dem Lommi, wo die Menschen dieses Lied schon kennen, das ist halt ein ganz anderer, da stehen sie alle auf und haben Lust drauf. O-Ton 21 Nils angekommen im Geschäft Weil wir gemerkt haben, dass der Song extrem gut ankommt, die Nachfrage nach dem Song extrem riesig ist und die Leute den total feiern und deswegen haben wir das Gefühl, dass wir so langsam irgendwie angekommen sind in dem Geschäft. Sprecherin Geschäft heißt dabei auch: Mit der Musik lässt sich gutes Geld verdienen. O-Ton 22 Mike jedes Jahr mehr Geld Die Tarife richten sich immer danach, wie lang man im Prinzip schon im Karneval aktiv ist. Und man nimmt dann jedes Jahr wieder ein bisschen mehr. Sprecherin Bei Miljö sind das pro Aufritt zwischen 800 und 1200 Euro. Zwanzig bis dreißig Minuten spielen sie dafür, dann geht’s weiter zum nächsten Auftritt – in der Session sind das manchmal acht oder zehn pro Abend. Zum Leben reichen die Gagen bislang trotzdem nicht. Alle Bandmitglieder haben noch einen Hauptberuf, arbeiten als Lehrer oder Grafikdesigner. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 8 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 23 Nils für Nudeln mit Ketchup reichts schon Wenn man sich jetzt jeden Tag von Nudeln mit Ketchup ernähren würde könnten wir wahrscheinlich auch jetzt schon davon leben, aber jeder hat natürlich auch einen anderen Lebensstil deswegen (Zwischenruf Mike: Parmesan muss schon sein) Parmesan müsste zum Beispiel beim Nils schon sein – deswegen könnte er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht davon leben. Bei Nils wäre das dann vielleicht ab dem nächsten Jahr oder so (lacht). Musik: Su lang de Lichter noch brenne – Miljö ENDE Sprecherin Gut möglich, denn auch in dieser Session läuft es prima für die Band Miljö: Ihr neues Lied „Wolkeplatz“ kommt in den Kneipen richtig gut an. Song „Wolkeplatz“ - Miljö anspielen Sprecherin Im Vorzelt der Schützenhalle wird die Band von Mario Anastasi begrüßt. Der Kölner ist Sitzungspräsident auf vielen Veranstaltungen, nicht nur bei den ganz Großen in der Kölner Innenstadt sondern auch in den Stadteilen weiter draußen. Anastasi weiß, was ein Karnevalsabend kostet. O-Ton 24 Mario Anastasi (Hintergrund: Dat is geil/Brings) Im Veedel brauchst du immer so zwischen fünf und fünfzehn Tausend, und wenn du Richtung Gürzenich gehst, Sartory und so weiter, Tanzbrunnen, dann brauchst du schon 20, 25 Tausend Euro um überhaupt zu Rande zu kommen. Und du musst auch zwischen 30 und 50 Euro pro Karte nehmen, um überhaupt in der Lage zu sein, das zu machen. Das ist hier im Veedel anders. Hier im Veedel kommst du mit fünfzehn bis zwanzig Euro pro Karte hin. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 9 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Denn im Veedel, in der kölschen Sprache das Stadtviertel, lassen sich die Karten auch gut verkaufen, wenn nicht die ganz Großen der Kölner Musikszene auftreten. O-Ton 25 Mario Anastasi (Hintergrund: Dat is geil/Brings) Wenn du Brings, Höhner, Pavaier, Cat Ballou, Kasalla und so weiter, Räuber, verpflichten willst, zahlst du mal eben zweieinhalb Tausend aufwärts, an so nem Vorabend im November, und ich sag mal mit Miljö und Lupo, die wir heute Abend hier hatten, kommst du halt ein bisschen günstiger weg. Und dann bist du in der Lage so einen ganzen Abend mit fünftausend Euro zu gestalten. Und den Gästen wird jetzt nichts Schlechteres geboten, das muss man auch sagen. Sprecherin So offen wie der Sitzungspräsident an diesem Abend im Stadtteil Holweide spricht kaum jemand in Köln über Geld. O-Ton 26 Anastasi Zahlen schwierig Es ist ja auch ein empfindliches Thema. Man macht das ja immer im Rahmen eines Vereins oder, ich sag mal, mit Bezug auf irgendeine Benefizgeschichte und dann sind Zahlen mitunter schwierig. Gerade was das Thema Vereinsarbeit angeht, kann man ja auch nicht immer über Zahlen sprechen. Sprecherin Anastasi selbst hat kein Problem damit. O-Ton 27 Anastasi Championsleague und Kreisliga Das, was im Veedel passiert, ist mitunter kein Vergleich zu dem, was in den großen Gesellschaften passiert, gerade bei den Chorgesellschaften. Wenn man die blauen Funken nimmt, die haben bestimmt einen Jahresumsatz von über zwei Millionen Euro. So‘n kleiner Verein im Veedel hat vielleicht dreißigtausend Euro und macht damit drei, vier, fünf, sechs Veranstaltungen plus das gesamte Vereinsleben – das © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 10 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval sind ganz unterschiedliche Dimensionen. Das ist der Vergleich Champions League und Kreisliga im Fußball. Atmo: Sitzung rote Funken Sprecherin Ebenfalls in der Champions League des Kölner Karnevals: Die Roten Funken. Ton 28 – Hunold eröffnet Sitzung Hochverehrte Freunde des kölschen Frohsinns, liebe Fründe. Meine Herren ich begrüße euch auf das herzlichste zum Exerzierabend. Der kölsche Funke rut-wieß von1823 in der Ülepooz, mit dreimal Kölle (Männer im Hintergrund: Alaaf), Funken (Alaaf), Kölle (Männer im Hintergrund: Alaaf! Sehr zum Wohl). Sprecherin Rund 100 Männer von jung bis alt sitzen bei Wasser oder Kölsch an langen Tischen in den alten Gemäuern der Stadtmauer. Das Quartier der Roten Funken ist die historische Ulrepforte. Während der Session trifft sich die Karnevalsgesellschaft einmal wöchentlich zur Besprechung. Ihr Präsident Heinz-Günther Hunold fasst die Woche zusammen: Ton 29 – Hunold spricht über Woche Wie fangen wir an? Fangen wir an – führige Woch – was ist gewesen? Führige Woch‘ … hab ich jetzt eigentlich den Pokal … (Gelächter) Was wir gemacht haben am Freitag – wir waren bei einem ortsansässigen Möbelhaus und haben denen unsere Aufwartung gemacht. Leider waren die Autobahnen gesperrt und ußer uns war keiner da. (Gelächter im Hintergrund) Sprecherin Die Karnevalsgesellschaft ist nicht nur ein gemeinnütziger Verein sondern auch Arbeitgeber von drei hauptamtlichen Mitarbeitern. In der Karnevalszeit arbeiten außerdem noch 12 Aushilfen für die Roten Funken. Die mehr als 500 Mitglieder der © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 11 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Gesellschaft bekleiden ihre Ämter dagegen alle ehrenamtlich. Trotzdem hat die Karnevalsgesellschaft nicht nur Vereinscharakter sondern auch Züge eines Wirtschaftsunternehmens, erklärt Präsident und Kommandant Hunold: O-Ton 30 Heinz-Günther Hunold – Rote Funken auch Unternehmen Wenn Sie heute professionell ein Programm anbieten, wie wir das tun, mit über 20.000 Gästen, die jedes Jahr zu uns zu den Veranstaltungen kommen, dann muss man schon auch, ja ich sage mal, wettbewerbsfähig sein. Es ist da kein Unterschied zu einem Unternehmen: Kreativität, Ideenreichtum, Zielgruppen – wer feiert Karneval. Heute kommt keiner mehr so einfach um die Ecke und nimmt daran teil. Das Angebot muss stimmen. Und von daher muss man sich auch Gedanken machen, wie man dieses Angebot zusammenbringt. Und das unterscheidet sich überhaupt nicht von einem Unternehmen. Atmo Rosenmontagsumzug, WDR vom 11.11.2016 Sprecherin Nicht nur Kommunikation, Marketing und Werbung erinnern an eine Firma – auch die Jahreszahlen: Als Schatzmeister verwaltet Peter Pfeil einen Umsatz von rund 1,6 Millionen Euro pro Geschäftsjahr. Rosenmontagsumzug und Karnevalssitzungen kosten nicht nur viel, sie bringen auch Geld in die Vereinskasse: O-Ton 31 Peter Pfeil – mittelständisches Unternehmen Sagen wir mal so: 20.000 Karten verkaufen wir. Jetzt rechnen Sie mal ungefähr 40 Euro kostet die Karte, dann sind sie schon mal bei 800.000 Euro Kartenumsatz. So, dann kommen noch Spenden dazu und und, und …, dann sind sie schon bei einem guten mittelständischen Unternehmen, was sie hier verwalten. Sprecherin Peter Pfeil ist gelernter Kaufmann. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 12 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 32 Peter Pfeil – Kaufmannserfahrung Man sollte schon ein kaufmännisches Verständnis haben, bisschen Zahlenverständnis haben – Kosten und Erträge differenzieren können – und ja, auch ein Gefühl haben eine Planung zu erstellen und das muss man schon mal irgendwo gesehen oder gemacht haben. Das schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel. Sprecherin Auch wenn im Karneval viel Geld fließt – darüber reden tun Karnevalisten nur selten: Fragen zu Einnahmen oder Ausgaben wollen weder das Bonner oder Aachener noch das Kölner Festkomitee beantworten, auch die Antwort aus Düsseldorf ist kurz und deutlich: Faktensprecher Welche Einnahmen werden über Tribünenkarten und die Vermarktung des Zugwegs generiert? Sprecherin Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft. Faktensprecher Wie hoch war die Summe der Ausgaben des Karnevalkomitees 2015? Sprecherin Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft. Faktensprecher Wie hoch waren die Einnahmen in der Session 2015? Sprecherin Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft. Faktensprecher Wie groß war das Vereinsvermögen 2015? Sprecherin Zu finanziellen Fragen geben wir generell keine Auskunft. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. 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Musik: Einmol Prinz zo sin – Wicky Junggeburth Sprecherin Ein noch heikleres Thema: Egal ob Prinz im Aachener oder Kölner Dreigestirn, oder als Prinzenpaar in Bonn oder Düsseldorf – wie viel Geld die Repräsentanten für das hohe Ehrenamt aufbringen müssen, gehört zu den ganz großen Geheimnissen des Karnevals. Sprecherin Holger Kirsch, 42 Jahre alt, war in der Karnevalssession 2014/ 2015 als Holger der Erste Prinz im Kölner Dreigestirn. Sein Markenzeichen – eine Mundharmonika. Für den selbständigen Architekten war das Prinzenamt die Erfüllung eines Kindheitstraums: O-Ton 35 Kirsch Karnevalsprinz Kindheitstraum Also ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich mit meiner Mutter als ich sechs Jahre alt war das erste Mal zum Rosenmontagszug gegangen bin und es war bis dato damals das prächtigste, was je an mir vorbeigefahren ist. Der damalige Prinz war Peter Ganser von der Prinzengarde Köln und ich glaube mir sind Kaubonbon© Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 14 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sabberfäden aus dem Mund gelaufen als er an mir vorbeigefahren ist. Und diesen Traum habe ich mir dann irgendwann versucht zu verwirklichen. Sprecherin Als der Kölner an Weiberfastnacht seine heutige Frau kennenlernt, eine gebürtige Sauerländerin, stellt er sich ihr mit den Worten vor, dass er irgendwann einmal Karnevalsprinz von Köln sein werde. Bevor der Traum aber endlich Wirklichkeit wird, wartet auf Holger Kirsch und zwei gute Freunde viel Arbeit: Die Bewerbung für ein Kölner Dreigestirn ist umfangreich, auch wenn alle Beteiligen über Anzahl und Auswahl der Bewerber absolutes Stillschweigen bewahren. Fest steht aber, dass das hohe repräsentative Amt in Köln nur jemand bekleiden darf, der einen einwandfreien Leumund hat, ein sauberes Führungszeugnis und eben auch genug Geld, um seinen Anteil an der Session zu bezahlen. O-Ton 36 Holger Kirsch – Unterstützung durch Gesellschaft und Familie Ich hatte immer große Unterstützung in meiner Frau dafür, dass sie mir zum einen den Rücken zu Hause frei hielt. Also meine drei Mädchen, die haben mich auch vermisst in der Zeit, das hat meine Frau wunderbar abgefangen zu Hause. Musik: Einmol Prinz zo sin – Wicky Junggeburth ENDE Atmo Rosenmontagszug Faktensprecher: „Kamelle im Wert eines Kleinwagens“ – so beschreibt Holger Kirsch selbst die Menge an Süßigkeiten, die allein er, Bauer und Jungfrau an diesem Tag vom Wagen warfen. Und nicht nur der Prinz verteilt Kamelle: 300 Tonnen Süßigkeiten werden auf dem Kölner Rosenmontagszug verteilt, in Bonn Kamelle im Wert von 1,14 Millionen Euro. Bezahlt wird das von den Zugteilnehmern selbst: In Bonn geben die Gesellschaften pro Person zwischen 400 und 800 Euro für Wurfmaterial aus – manche Karnevalsgesellschaften sogar bis zu 1.000 Euro pro Person. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 15 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Ende Atmo Rosenmontagszug Sprecherin Während am Anfang vor allem der Gedanke an pompöse Festwagen, große Bühnen und volle Sitzungssäle ein Lächeln ins Gesicht zaubert, sind dem Prinzen nach der Session die Besuche im Hospiz, auf der Kinderkrebsstation, den Seniorenheimen im Herzen geblieben. Atmo Mundharmonika Holger Kirsch O-Ton 37 Kirsch – Karneval ist lebenswichtig Wir drei hatten diese wunderbare Begegnung mit der damals ältesten Kölnerin. Die war 104 Jahre alt, dement. Außer, wenn sie Karnevalsmusik hört. Und als ich ihr dann auf der Mundharmonika ein Lied vorgespielt habe, liefen ihr die Tränen runter und das unterstreicht einfach, dass dieses Fest, diese Freude die man empfindet ein Stück weit lebenswichtig sein kann. Sprecherin Egal ob im Zeitplan eines Dreigestirns oder im Terminkalender der Karnevalsgesellschaften: Eigentlich haben alle Ehrenamtler den Anspruch, nicht nur zu feiern und zu repräsentieren sondern sich auch sozial zu engagieren, anderen Menschen Gutes zu tun. Mit ihrer Zeit genauso wie mit Geld. Auch das gehört zum Karneval. Das Dreigestirn mit Holger Kirsch gründete zum Beispiel den bis heute aktiven Verein „Lachende Hätze“, der sich für benachteiligte Kinder einsetzt. Rund 280.000 Euro kamen so allein während der Session zusammen. Musik: Ach wär ich nur ein einzig Mal, ein schmucker Prinz im Karneval – Fritz Weber Sprecherin Ein bürgerliches Leben lässt sich in Handschuhen, Strumpfhosen und Ornat nur schwerlich weiterführen. Wenn man sich die Prinzen der vergangenen Sessionen © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 16 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval anschaut, dann waren Immobilienunternehmer, viele waren beruflich selbstständig: Geschäftsführer eines Sie arbeiteten als Familienunternehmens Gastronom – oder Architekt wie Holger Kirsch. Musik: Ach wär ich nur ein einzig Mal, ein schmucker Prinz im Karneval – Fritz Weber ENDE O-Ton 38 Kirsch – wie lange nicht gearbeitet Also wirklich gar nicht gearbeitet habe ich natürlich ab dem Einzug in die Hofburg. Das waren in unserem Falle gute siebenhalb Wochen. Vorher versucht man der Arbeit noch irgendwie nachzugehen, und stellt dann aber immer mehr fest, dass es eigentlich schon fast gar nicht mehr geht. Ich glaube drei, vier Monate können Sie komplett streichen in ihrem Arbeitsleben. Sprecherin Wenn Kirsch über seine Zeit als Prinz erzählt, dann leuchten seine Augen und er erzählt mit Begeisterung – spricht man ihn allerdings auf die Kosten seiner Regentschaft an, wird seine Ex-Tollität mit einem Mal einsilbig: O-Ton 39 Kirsch über Kosten für Dreigestirn wird nicht gesprochen Da möchte ich nicht drauf reagieren, weil genau über das Geld im Karneval zu sprechen, gerade was verbunden ist mit dem Dreigestirn – also das ist eigentlich so – überhaupt der Mythos Dreigestirn und die finanziellen Verbindungen, die da – oder die finanziellen Verpflichtungen, die damit zusammenhängen, da spricht man eigentlich nicht drüber. Aber was ich sagen kann, ist: Jeder der diesen Traum hegt, einmal im Kölner Dreigestirn zu sein und der es so gemacht hat wie ich, sich jährlich immer mal ein bisschen was zur Seite gelegt hat, der kann sich diesen Traum erfüllen. Also, diese skurrilen Summen, die da im Volksmund kursieren, die sind völlig daher geholt. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 17 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Musik: Fink „Pretty little thing“ Sprecherin Während der ehemalige Kölner Karnevalsprinz Holger Kirsch lieber keine konkreten Zahlen nennen will, gab sich sein Vorgänger Walter Passmann im Handelsblatt 2005 offener: Faktensprecher 15.000 Euro kostete damals das maßgeschneiderte Kostüm, 15.000 Euro der Prunkwagen auf dem Rosenmontagszug. Dazu musste der Prinz zahlreiche Honoratioren des Karnevals verköstigen – allein das sogenannte Prinzenessen kostete den Karnevalsprinzen der Session 2004/2005 rund 10.000 Euro. Sprecherin Zahlen, die auch Sitzungspräsident Mario Anastasi bestätigt: O-Ton 40 Anastasi 30.000 Euro Prinz Also ich würd mal sagen: Unter 30.000 Euro – bin ich mir sicher – wird man das nicht finanziert bekommen. Ich sag mal, bereit sein da 30 bis 60.000 Euro dafür auszugeben, das sollte man und die sollte man auch haben. Sprecherin Auch in Düsseldorf gibt es einen Karnevalsprinzen, der das Amt aber nicht im Dreigestirn bekleidet, sondern mit einer Frau an seiner Seite: seiner Venetia. Die BILD-Zeitung zitierte im November 2016 aus den „geheimen Verträgen“ des Comitee Düsseldorfer Carneval und verriet: Zitatsprecher Das Komitee verlangt vom Prinzen eine Bankbürgschaft. Denn der Vorstand will nach der Session nicht auf den rund 80 bis 100.000 Euro sitzen bleiben, die die Prinzenrolle kostet. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 18 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Informationen, die das Comitee Düsseldorfer Carneval nicht kommentieren will. Finanzielle Fragen zum Prinzenpaar beantworte man aus Prinzip nicht, heißt es dort. Musik: Fink „Pretty little thing“ ENDE Atmo – Tanztraining – Musik – Kommandos Trainern: „Hepp. Und noch mal und hepp hepp hepp. Sehr gut. (Geräusch Handeklatschen). Achte auf den Rücken – gerade! Sehr schön. Und jetzt noch mal Gas geben. Hoch! Luft holen. Füße, Füße. Sehr schön. Ruhig, ruhig […]“ Sprecherin Ein Samstagmittag in Aachen – Trainingsstunde für Julia Plötz. Sie tanzt seit ihrem fünften Lebensjahr und investiert viel Zeit. Die 18-jährige liebt den Karneval. O-Ton 41 Julia Zeitaufwand Also ich habe eigentlich nahezu jeden Tag Training. Oft gehe ich auch sonntags trainieren oder gehe ins Fitnessstudio zusätzlich. Sprecherin Dazu kommen zig Auftritte in der Session. Die angehende Abiturientin lebt für den Applaus. Als Einzelmariechen ist sie der Stolz der KG Eulenspiegel Aachen – verdienen tut sie nichts. Ganz im Gegenteil: O-Ton 42 Julia Kosten für Hobby Mein Hobby kostet mich ziemlich viel (hier schneiden). Ich bezahle beim Training um die 75 € im Monat beim Solotraining, dann gehe ich aber noch zu einer AkroTrainerin, die pro Training 15 € kostet. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 19 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Die Akro-Trainerin ist eine Trainerin für Akrobatik. Durch die Luft fliegen im Spagat, im Takt zur Musik die Beine senkrecht in den Himmel schwingen, immer ein Lächeln auf den Lippen – was mühelos aussieht, ist ein riesiger Kraftakt. Julia tanzt nicht einfach nur, sondern führt quasi nebenbei auch noch eine Akrobatiknummer auf, für die sie extra Trainingsstunden nimmt. Atmo – Tanztraining – Musik – Kommandos Trainerin: „Sehr schön. Du musst am Ende den Kopf noch ein bisschen mehr zur Seite legen.“ O-Ton 43 Julia Kosten für Hobby + O-Ton Julia Kosten Uniform Da gehe ich eigentlich mindestens viermal im Monat hin. Dann bezahle ich noch Uniform und bezahle für die Showtänze noch die Uniform also die Kostüme –, also es ist schon ziemlich viel. Sprecherin Damit Julia ihren Traum auf der Karnevalsbühne leben kann, gibt sie selber Tanztraining. O-Ton 44 Kira tanzt zum zweiten Mal und wird von Julia korrigiert – ca. ab 00:30 Julia: Und Spring!, Hoch und lauf!, Spannung, hoch – streck den Fuß... Faktensprecher Egal ob in der Garde als Tanzmariechen die Beine in die Luft schwingen, Wagen für den Zug bauen, den Saal für die Sitzungen schmücken, oder als Sanitäter den Zugweg begleiten: Für die fünfte Jahreszeit engagieren sich viele Menschen rein ehrenamtlich. Auch hier gibt es keine zusammenfassenden Statistiken – nur einzelne Zahlen. Zum Beispiel: Allein für den Sanitätsdienst sind in Nordrhein-Westfalen landesweit zwischen Altweiber-Donnerstag und Veilchen-Dienstag über 10.000 Helfer im Einsatz. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 20 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 47 Jochen Hilgers Ehrenamt im Karneval Ohne das Ehrenamt würde gar nichts funktionieren und da verbringen viele Menschen sehr, sehr viel Zeit und vernachlässigen teilweise sogar ihren Beruf, um für ihren Karneval etwas zu tun. Ohne Ehrenamt ist der Karneval völlig undenkbar. Sprecherin Sagt WDR-Karnevals-Fachmann Jochen Hilgers. Auch der Kölner Brauchtumsexperte Hans-Georg Bögner betont die Bedeutung des Ehrenamts im Karneval: O-Ton 48 Bögner Ehrenamt gibt Prestige Vereine würden ja überhaupt nicht existieren können, wenn es das Ehrenamt nicht gäbe. Aber auch in diesem Ehrenamt gibt es ja Hierarchien, nich. Also wer in Köln Präsident einer großen Gesellschaft ist, ist in der Gesellschaft dieser Stadt angekommen. Hinter dem Kardinal und der Oberbürgermeisterin ist der Präsident einer jroßen Jesellschaft – dat is schon wat! (verfällt ironisch ins Rheinische) Musik: "m'r brauche keiner, der uns säät, wie m'r Fastelovend fiere...machen dat sit 2000 Joor“ – Bläck Fööss Faktensprecher Im offiziellen Kölner Karneval engagieren sich rund 20.000 Personen; weitere 10.000 Menschen im alternativen Karneval. 55 Prozent der Mitglieder sind über 50 Jahre alt. Die Boston Consulting Studie bescheinigt der fünften Jahreszeit schon 2009 eine „hervorgehobene Netzwerkfunktion“. Zitatesprecher „Der Karneval ist eine große Kontaktbörse auch für wirtschaftliche Belange“. Sprecherin Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther findet das nicht verwerflich: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 21 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 49 Hüther Netzwerke gibt es überall + Hüther Netzwerken ist nichts Schlechtes Das gibt’s ja in jeder Stadt oder in jeder regionalen Verdichtung, dass Menschen in Netzwerken zusammenarbeiten. Und Netzwerke, die jetzt nicht was per se mit dem reinen Geschäft zu tun haben, aber irgendwie auch ne Bedeutung dafür haben. O-Ton 50 Bögner Karneval und Wirtschaft Wenn Sie sich die Historie des Kölner Karnevals anschauen, dann sehen Sie immer die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Karneval. Festkomiteepräsidenten früherer Jahre waren immer Getränkegroßhändler, die dann die Säle bespielten oder halt auch Menschen, die ne Künstleragentur hatten oder so was. Also das ist ein schleichender Prozess, der sich die letzten zwanzig, dreißig Jahre einfach manifestiert hat. Sprecherin Sagt der Brauchtumsexperte Hans-Georg Bögner. Zitatsprecher „Der Karneval bietet eine ideale Kontaktbörse, die vielfach gerade von Einzelunternehmern und Mittelständlern zum Knüpfen von Geschäftskontakten genutzt wird“. Musik: "m'r brauche keiner, der uns säät, wie m'r Fastelovend fiere...machen dat sit 2000 Joor“ – Bläck Fööss ENDE Sprecherin stellt auch die Boston Consulting Studie fest. Musik: Marie Luise Nikuta – Klüngellied © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 22 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 51 Boegner wir kennen uns wir helfen uns Es ist schon so: Wenn ich weiß in meiner Gesellschaft gibt’s nen Busunternehmer, dass ich dann auch mit dem Busunternehmer die Geschäfte mache um die Garde durch die Gegend zu fahren und der Bauunternehmer kriegt dann den Auftrag, der Statiker kriegt den Auftrag aus der Gesellschaft und so – das ist alles legitim. Also wir reden jetzt nicht von Korruption oder so gar nicht. Sondern, der wirtschaftliche Aspekt des: Wir kennen uns, wir helfen uns. Musik: Marie Luise Nikuta – Klüngellied ENDE Atmo Foyer Männerchor – unter nachfolgendem Sprechertext: Sprecherin: Die Herrensitzung der Lyskirchener Junge im Kölner Gürzenich, der altehrwürdigen guten Stube der Stadt. Während sich im Foyer ein Spielmannszug aufbaut, singen sich die ersten Gäste schon warm. Sprecherin Im Saal sitzen die Herren dann an langen Tischen, trinken Kölsch und vereinzelt Wein. Die meisten tragen schwarze Anzüge und das Krätzche, eine Narrenkappe in den Vereinsfarben, nur wenige haben sich auch verkleidet. 1500 Gäste fasst der Saal – heute sind die Tische nur zur Hälfte eingedeckt: 800 Karten haben die Lyskirchener Junge für ihre Herrensitzung verkaufen können. Auf dem Programm steht unter anderem ein Aufritt von Redner Mark Metzger: O-Ton 52 Metzger das ist der schönste Saal den ich je gesehen hab Das ist der schönste Saal, den ich je gesehen hab. (Publikum lacht) © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 23 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Metzger gehört zu den gefragtesten Rednern im Karneval. Eine trinkfreudige Gruppe aus dem Sauerland reicht Metzger einen Schnaps auf die Bühne. Menge grölt, Kapelle spielt „Schnaps, das war sein letztes Wort“ Sprecherin Metzger gibt den Schnaps an den Sitzungspräsidenten weiter. Atmo Büro Müller Sprecherin Während im Gürzenich an diesem Tag gefeiert wird, sitzt Horst Müller noch an seinem Rechner – wie so oft in der Session. Der Geschäftsführer der Kölner Eventagentur Alaaaf.de spielt Feuerwehr für den Fall, dass ein Künstler ausfällt – dann muss er schnell für Ersatz sorgen. O-Ton 56 Müller Orga auf Sitzungen Wir haben alleine an Sitzungstagen, so nem normalen Samstag, wenn wir zwanzig, dreißig Sitzungen haben, haben wir auf jeder Sitzung einen Mitarbeiter, der die komplette Regie hat, der abwickelt, der alle Probleme löst, der aber dann auch bei mir anruft und sagt: Pass mal auf, da steht grad ein Künstler im Stau, der kommt nicht durch – ist jemand anderes in der Nähe, kann der einspringen? Musik: Flanger „Tiny Tina“ Sprecherin Ursprünglich gehörte Müller in Köln eine allgemeine Eventagentur, die alle möglichen Veranstaltungen managte. Inzwischen ist der Karneval sein Hauptgeschäft. Sieben Mitarbeiter kümmern sich das ganze Jahr über nur um die fünfte Jahreszeit, planen Sitzungen und Konzerte. Über Geld spricht man auch hier nur ungern und ausweichend. Doch es ist ein lohnendes Geschäft, glaubt Sitzungspräsident Mario Anastasi. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 24 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 57 Anastasi zu Alaaaf Ich glaube eine Agentur Alaaaf, da können schon einige Familien von ernährt werden. Bei 10-20 Prozent Handlingsfee für eine komplette Gestaltung, da sind schon Gelder dahinter. Sprecherin „Handlingsfee“ ist der Teil, den die Agentur von der Gage der Künstler abbekommt. Dabei betreut die Agentur manche Künstler komplett, für andere übernimmt sie nur die Terminbuchungen. O-Ton 58 Müller 4000 Verträge Wir vertreten circa 35 Künstler, für die wir das Büro machen, also wo wir die komplette Anlaufstelle sind, wo wir alle werblichen Interessen abwickeln für diese Künstler. Das ist also ein Teil unserer Tätigkeit. Und das andere ist: Wir sind Programmgestalter im organisierten Karneval, das heißt wir machen für große Gesellschaften die kompletten Sitzungsprogramme und verwalten auf dieser Linie etwa 4000 Einzelverträge. Sprecherin Eine perfekte Karnevalssitzung hat einen festen Ablauf: Musikgruppen wechseln sich mit Redner und Tanzgruppen ab – in der Theorie. Früher bestimmte das bei jeder Gesellschaft ein eigener so genannter Literat. Er war Programmgestalter und entschied, wer es auf die Bühne schaffte und wer nicht. Das hat sich heute geändert, sagt Mario Anastasi: Musik: Flanger „Tiny Tina“ ENDE O-Ton 60 Anastasi Animositäten Manchmal sind es in dem Geschäft Karneval nicht immer, sagen wir mal, nur die musikalische oder künstlerische Qualität. Sondern es ist dann auch der Nasenfaktor, © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 25 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Emotion, persönliche Einschätzung, Animositäten, die darüber entscheiden, ob Erfolg oder Misserfolg dann das Ergebnis des künstlerischen Schaffens dann sind. Sprecherin: Eine entscheidende Rolle spielen neben Literaten und Agenturen aber auch die zahlenden Gäste. In der Praxis muss sich die Dramaturgie oft der Prominenz beugen, sagt Agenturchef Müller – schließlich will der Veranstalter seinen Saal gefüllt bekommen. O-Ton 61 Müller Plakat schlägt Dramaturgie Er braucht die Namen von namenhaften Künstlern auf dem Plakat um seine Karten zu verkaufen. Und dann teilweise kriegen sie die Künstler nicht zu ihren Wunschzeiten, dann habe ich auf einmal Bläck Föös und Höhner hintereinander. Das ist dramaturgisch eigentlich total schlecht, aber der Kunde ist froh, dass er beide Gruppen hat. Sprecherin Denn in den Sitzungskarneval schleicht sich eine gewisse Besuchermüdigkeit und so investieren die Veranstalter ihr Geld am liebsten in Musikgruppen, denn die bringen die meiste Stimmung in den Saal. O-Ton 63 Hilgers Redner werden unwichtiger Also die Redner sind stark in der Defensive momentan. Es läuft fast nur noch Musik. Insofern werden die Bands immer wichtiger. Leider, das bedauern viele, ich eigentlich auch, werden die Redner immer unwichtiger. Sprecherin Beobachtet Karnevalsreporter Hilgers. Auch hier zieht am Ende nur Prominenz. Und so stehen heute immer mehr Comedians auf den Karnevalsbühnen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 26 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 64 Stelter iPhone 1876 hat Alexander Graham Bell das Telefon erfunden, damit man sich unterhalten kann, selbst wenn man weit auseinander ist. Seit wir das iPhone haben, wissen wir, dass man sich nicht mehr unterhalten kann, selbst wenn man am gleichen Tisch sitzt. O-Ton 65 Bögner Kabarett statt Karneval Fangen wir an von Herrn Cantz über Herrn Stelter bis hin zu anderen auch Humoristen, wie sie früher hießen, oder auch Knacki Deuser oder so – ich mag die alle, die haben alle ihre Qualitäten. Aber: das was die da auf der Bühne tun, machen die am Abend drauf auf der Kabarettbühne. Das heißt, es hat eigentlich nichts mehr ursprünglich mit Karneval zu tun. Sprecherin Kritisiert Brauchtumsforscher Bögner. Atmo Musik aus dem Saal, darüber Sprecher-Collage Weibertanz, Die Halle, Köln Kölschfest, Südstadion, Köln Lachender Königpalast, Krefeld Die lachende Kölnarena, Köln Die große Kölsche Nacht, Höxter Lachende Philippshalle, Düsseldorf Sprecherin Neben den klassischen Sitzungen der Karnevalsvereine gibt es inzwischen auch immer mehr private Anbieter, die im Karneval Party versprechen. Eine große Konkurrenz für die eh schon kämpfenden Gesellschaften. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 27 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 66 Anastasi private Konkurrenz Ich kenne Künstler und Bands die weite Wege auf sich nehmen, um Auftritte wahrzunehmen, die teilweise an so nem Abend nach Aachen ins Kongresszentrum fahren, um aufzutreten, die haben drei Stunden später einen Auftritt in Oberhausen und weitere zwei Stunden später einen Auftritt in Köln dann wahrnehmen. Sprecherin Beispiel Gagen: Anastasi vermutet: O-Ton 67 Anastasi private zahlen besser Wenn sich so ne Band wie Brings zum Beispiel auf den Weg nach Oberhausen macht, dann bin ich mir sicher, dass die da nicht für zweieinhalb Tausend Euro hinfahren. Da bin ich mir relativ sicher, dass wir da bei ner doppelt so hohen Summe, wenn nicht bei ner drei, viermal so hohen Summe sind. Musik: Poppe, Kaate, Danze – Brings (Remix) Faktensprecher Auch die Boston Consulting-Studie stellte fest: Karneval erlebt einen Trend zur "Eventisierung". 45 Prozent der Veranstaltungen sind heute kommerzielle Events, dazu zählt etwa die lachende Kölnarena. Die Studie beobachtet eine Zitatesprecher „veränderte Konsumhaltung“ ... „mit einem Wunsch nach Interaktion und Party“. Musik: Poppe, Kaate, Danze – Brings (Remix) ENDE Atmo Kneipe Ballermann 6 Sprecherin Auf der Bolker Straße in Düsseldorf reiht sich Kneipe an Kneipe. Es ist Freitag, der 6. Februar 2016, Hochzeit des Straßenkarnevals, ein Tag nach Altweiber. Im © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 28 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Ballermann 6 feiern die Gäste ausgelassen Karneval, wenn auch nicht unbedingt zu Karnevalsmusik. O-Ton 68 Atmo LS 110458 – ab 11:52 DJ: So Freunde, seid ihr schon gut drauf? Wir sind ja in Düsseldorf, wir feiern Karneval, da sagt man zickezacke zickezacke, Hoi hoi hoi – das sagt mal: Auf den Düsseldorfer ein dreifach kräftiges Ballermann 6 – Helau! Düsseldorf, Helau! Ballermann 6 Helau! Ah, das klappt nicht so gut, deswegen machen wir es weiter mit: zickezacke zickezacke Gäste: Hoi hoi hoi. DJ: Scha na na na na. Gäste: heeeheeeeheee... weiter mit Atmo Location Sprecherin Im Stimmungslokal Ballermann 6 gibt der Manager des Lokals selbst den DJ. Hier laufen nicht nur die Hits vom Ballermann sondern auch Schlager und dazwischen mal ein Karnevalssong aus Köln. Die Hassliebe zwischen Köln und Düsseldorf scheint hier vergessen. Von den Gästen können viele nicht einschätzen, wie ungewöhnlich das ist. Hier trinkt, singt und schunkelt kaum ein Rheinländer – stattdessen Österreicher, Schwaben, Bayern. Peter Erhardt kommt aus SchwäbischHall. Seit 12 Jahren fährt der Karnevalsfan nach Düsseldorf und lässt sich das einiges kosten. O-Ton 69 Peter Erhardt Kosten Karneval 1 Also rund 1000 Euro sind es schon. Biste das Hotel hast, Sprit und bissle was trinken will man ja auch. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 29 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Sprecherin Die gut Tausend Euro sind ihm die fünf Tage Karneval wert. Beim ersten Mal war auch seine Frau mit dabei, der haben die tollen Tage in Düsseldorf aber gar nicht gefallen. Deswegen fährt Peter Erhardt alleine. Seit elf Jahren. Damit geht es beiden gut. O-Ton 70 Peter Erhardt Kosten Karneval 2 So lange es noch irgendwie geht werde ich das immer machen. Faktensprecher Knapp 320.000 Pensions- und Hotelübernachtungen gab es in Düsseldorf im Februar 2016, 3,7 Prozent mehr als im Februar davor. Und das obwohl Rosenmontag im vergangenen Jahr acht Tage früher gefeiert wurde. Auch der Kölner Karneval zieht viele Besucher an. Köln-Tourismus, das Touristenbüro der Stadt Köln, schätzt, Zitat: Zitatesprecher An den fünf tollen Tagen werden unserer Schätzung nach mehr als 100.000 Hotelübernachtungen getätigt. Damit gestaltet sich der Karnevalsmonat (Februar oder März, je nachdem) wie ein guter Messemonat. Sprecherin Und durchaus eine Gelegenheit, für diese Zeit die Preise zu erhöhen. Wer zum Beispiel im Internet auf dem HRS-Portal auf Zimmersuche geht, findet für das Wochenende vor Rosenmontag ein Drei-Sterne-Hotel im Kölner Zentrum, da kostet das Doppelzimmer ohne Frühstück pro Nacht 135,-Euro – zwei Wochen nach Karneval dagegen nur 79,50. Beim privaten Zimmervermittler Airbnb kostet das Appartement am zentralen Barbarossaplatz für 2 Personen an dem begehrten Karnevalswochenende 145 Euro pro Nacht – statt 75,- Euro zwei Wochen später. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 30 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Aufschläge für Karneval um 60, 70 fast 100 Prozent. Auch ein Gläschen Bier kostet während der tollen Tage viel Geld: Für ein 0,2er Glas Kölsch legt man bei einer Karnevalssitzung schnell 2,50 Euro hin. In der Eckkneipe außerhalb der Karnevalstage kommt man mit 1,50 Euro hin. Dabei darf Bier gar nicht bei allen Sitzungen getrunken werden: Traditionell herrscht oft Weinzwang. Wer den nicht trinken mag für den gibt es alternativ „Kalte Ente“: Ein Gemisch aus einer Flasche Weißwein und einer Flasche Sekt – serviert mit Eis und Zitrone. Die Kosten pro Karaffe um auf Kölschen Sitzungen: um 50,-. O-Ton 72 DJ/ Wirt – WDR_TRACK_TRK021 – ab 0:30 Es ist Karneval in Düsseldorf. Sprecherin Das sieht man bei Manager Mario Linssen nicht. Sein Kostüm besteht aus quietschgrünen Socken – versteckt unter einer schwarzen Hose, obenrum ein schwarzes Hemd. Die Nacht wird lang. O-Ton 73 Manager Mario Linssen Knochenjob Normalerweise ist das Alltagsgeschäft ein Geschäft, welches zehn Stunden in der Nacht dauert und am Karneval ist es so, dass wir fünf Tage fast rund um die Uhr da sind. Sprecherin Ein Knochenjob. Während des Karnevals-Finales arbeiten doppelt so viele Mitarbeiter in der Kneipe. O-Ton 76 Mario Linssen Geld Die Zahlungsfreudigkeit endet immer da, wo das Portemonnaie endet. Letztendlich ist es aber so, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die anreisen, die wirklich für dieses Event sparen und sich dann fünf Tage amüsieren, ohne darüber nachzudenken, ob der eine oder andere Euro wirklich über den Tresen geht. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 31 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Uns ist es sehr wichtig – natürlich möchten wir Umsatz machen und wir möchten ein Geschäft machen – uns ist es sehr wichtig, dass wir lachende Gesichter haben, und Leute einfach glücklich und entspannt sind. Sprecherin In Köln findet der Karneval inzwischen nicht mehr nur im Winter statt – auch davon profitieren die Wirte: Atmo Vogelgezwitscher, Sommeratmosphäre darunter langsam aufdrehen Atmo Aachener Weiher „Jeck im Sunnesching“ Sprecherin Ein Samstagvormittag im August 2016 am Aachener Weiher in Köln – die Karnevalszeit ist da eigentlich noch ein paar Monate weit weg: Während am Wasser einige Jogger ihre Runden drehen, sammeln sich am Biergarten aber immer mehr bunt verkleidete Menschen. Es ist kurz vor elf, in wenigen Minuten startet hier „Jeck im Sunnesching“ – ein Karnevalsevent mitten im Hochsommer. Atmo Musik Aachener Weiher (im Hintergrund „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ – Höhner) Sprecherin Unter den Verkleideten sind auch Uschi und Michael aus Aachen. Während er sich ein FC Köln-Trikot angezogen hat, ist seine Frau als Marienkäfer verkleidet. Angestoßen wird mit dem ersten Kölsch für diesen Morgen. O-Ton 77 Michael brasilianisches Gefühl Man hat so ein brasilianisches Gefühl, Sonne scheint. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 32 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 78 Uschi Spaß haben Nicht dick angezogen zu sein um draußen zu feiern – das macht das aus. Einfach Spaß haben, bisschen nett was trinken, mit netten Leuten feiern und das ist einfach traumhaft. O-Ton 79 Bögner der Kölner singt gerne Der Kölner singt gerne und er ist gern fröhlich und wenn man irgendwo in nem Biergarten sitzt oder zu nem Grillfest eingeladen wird, dann dauerts es nicht lange und irgendwer fängt an ein kölsches Lied zu gröhlen – dann ist ne Spur von Karneval auch wieder da. Sprecherin Sagt Brauchtumsforscher Bögner. Faktensprecher Erfunden wurde der Sommerkarneval eigentlich schon vor zehn Jahren in einer Kölner Gastwirtschaft, dem Traditions-Brauhaus „Unkelbach“, wo etwa hundert Jecke auch außerhalb der Session schunkelten. Als sich 2015 die Brauerei Gaffel der Sache annahm, wurde Jeck im Sunnesching stadtweit bekannt: Über hundert Gaststätten beteiligen sich inzwischen am Sommerkarneval. 10.000 Kostümierte lockte die Veranstaltung zuletzt allein in den Kölner Jugendpark – in diesem Jahr soll auch in Bonn im Sonnenschein gefeiert werden. Sprecherin Vom Kölner Karnevalskomitee kam Kritik. Karneval habe etwas mit Tradition zu tun, erklärte der scheidende Festkommitee-Präsident Markus Ritterbach dem Kölner Stadt-Anzeiger, dabei gehe es nicht nur um Party und Trinken. Es feiere ja auch keiner Weihnachten im Sommer. Für den Aachener Karnevalisten Michael ist der Sommerkarneval eine gute neue Institution: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 33 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 80 Michael Kostümparty Ich empfinde, dass Karneval ist ja … Brauchtum, gehört in den Winter. Das ist für mich ne Kostümparty – aber ist geil. O-Ton 81 Hüther Jeck im Sunnesching Wenn dann angefangen wird wie in Köln auch noch Karneval im Sunnesching zu feiern und dann die Kölschversorgung in der Kölner Südstadt zusammenbricht, dann haben Sie natürlich noch eine Ausuferung von ökonomischen Effekten. Sprecherin Sagt Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther. Er glaubt aber nicht, dass der Sommerkarneval Zukunft hat: O-Ton 82 Hüther Karneval darf nicht Alltag werden Wenn Karneval so zum Alltag wird, kann er nicht wirklich überleben. Also insofern bleibt es ein begrenztes Geschäft. Musik: „Wer soll das bezahlen?“ – Jupp Schmitz Sprecherin Spätestens zwischen Weiberfastnacht und Rosenmontag steuert die fünfte Jahreszeit mit dem Straßenkarneval auf das laute und feierliche Finale der Session zu: Millionen Jecken sorgen für volle Kneipen und Säle – und für ausgebuchte Hotels und Sonderschichten in der Gastronomie. Agenturen bezahlen vom Karneval ein ganzes Büro. Gut beschäftigte Musiker und Redner eilen von Auftritt zu Auftritt, um in dieser Zeit einen Großteil ihres Jahreseinkommens einzuspielen. Nachwuchsredner und -Musiker bringen sich in Stellung, ihre Zeit kommt vielleicht schon in der nächsten Session. Die Zeit ist aber auch glanzvoller Höhepunkt für alle Ehrenamtlichen, ohne die es den Karneval gar nicht gäbe. Sie bringen für den Karneval ihre gesamte Freizeit auf: Tanzmariechen Julia aus Aachen und der Kölner Georg Hinz, mit seinen Mitsingkonzerten. Nicht nur die beiden, auch tausende andere, schufteten monatelang ohne etwas daran zu verdienen. Ein Prinz, der © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 34 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval Zehntausende Euro für seinen Traum investiert, die Jecken in den Vereinen und Gesellschaften. Die Band Miljö, die versucht, aus ihrem Hobby den Lebensunterhalt zu bestreiten – oder Peter Erhardt, der mit einem Koffer voller Kostüme zum 13. Mal nach Düsseldorf fahren wird – für fünf Tage Partyurlaub. Aus dem Brauchtum ist auch ein gewaltiges Geschäft geworden, in dem sich viel verändert hat: Die Tradition darf nicht dem Kommerz weichen, warnen Karnevalisten. Auch Eventmanager Müller hat solche Bedenken: Musik: „Wer soll das bezahlen?“ – Jupp Schmitz ENDE Atmo Nubbelverbrennung, Menge ruft: Tod dem Nubbel O-Ton 83 Müller Kommerz und Ehrenamt Es gibt sicher einen Trend zur Kommerzialisierung des Karnevals, alle wichtigen Entscheidungsträger müssen auch sehr vorsichtig die Ehrenamtlichkeit im Auge behalten und die ist im Prinzip der Nährboden des Karnevals. Historiensprecher In Bonn waschen die Karnevalisten am Aschermittwoch ihr Portemonnaie im Rhein aus, als Zeichen, dass der Karneval auch den letzten Cent aus der Tasche gezogen hat. Wenn sie dann Kassensturz machen, dann ist der Schuldige für die hohen Ausgaben längst gefunden. Regie: Atmo Nubbelverbrennung wieder hochziehen, darüber: Historiensprecher In Düsseldorf wird der Hoppeditz eingeäschert, in Essen, Dortmund oder Recklinghausen der Bacchus verbrannt. In Köln und Leverkusen wird mit dem Sessionsende der Nubbel verbrannt. Die Strohpuppe, büßt als Sündenbock für alles im Karneval. Und weiß wohl als einzige ganz genau Bescheid darüber, was für Geschäfte im Zeichen von Alaaf und Helau gemacht werden. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. 35 Dok 5 – Das Feature, 12.02.2017 Einmol Prinz zo sin: Das Geschäft mit dem Karneval O-Ton 84 Priester bei Nubbelverbrennung Und wer is dat Schuld, dat in unserem Portmonee keine Cent mi drin ist (Menge: Dat wor der Nubbel!) Und wer ist dat Schuld, dat wir morje alle wieder Fisch esse müsse? (Menge: Dat wor der Nubbel!) O-Ton 85 Holger Kirsch Karneval lässt Alltag vergessen Karneval verbindet die Menschen – unabhängig der Herkunft, des Standesdünkels. Man ist kostümiert, man hat das gemeinsame Interesse ausgelassen zu feiern, zu schunkeln und jeder trägt ja für sich die Sorgen des Alltags mit sich und das vereint glaube ich alle, dass man diese Sorgen des Alltags für diese Zeit gemeinsam vergessen kann. Absage-Musik: „Am Aschermittwoch“ (CD: “Karneval einmal klassisch“) Sprecher-Absage: Einmol Prinz zo sin - Das Geschäft mit dem Karneval. Ein Feature von Alexandra Rank und Maike von Galen. Es sprachen: Edda Fischer, Andreas Laurenz Maier, Henning Freiberg und Detlef Dickmann. Technische Realisation: Steffen Jahn und Werner Jäger. Regieassistenz: Sophie Garke, Regie: Michael Wehrhan. Redaktion: Frank Christian Starke. Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2017. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. 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