Manuskript Beitrag: Süchtig nach Computerspielen – Wenn Gaming zur Falle wird Sendung vom 14. Februar 2017 von Daniela Schmidt-Langels Anmoderation: Eltern kennen das, vor allem, wenn sie Jungs haben. Ständig Streit im Kinderzimmer wegen der Computerspiele. Schluss jetzt, Du versagst noch in der Schule. Du bist ja süchtig! Mach gefälligst mal was anderes, sagen die Eltern. Langweilig! Ich hör doch nicht auf, bloß weil ich zum Abendessen kommen soll. Und die Schule schaff ich schon, irgendwie, sagt das Kind. Beide Seiten haben - das mag überraschen - recht und unrecht zugleich. Denn auch stundenlanges Spielen muss noch keine Sucht sein. Aber der Grat vom Spiel zur Sucht ist schmal. Unsere Autorin Daniela Schmidt-Langels lässt Betroffene sprechen. Text: O-Ton Konradin: Also, ich bin zu dem Spiel gekommen, weil zwei Freunde von mir das gespielt haben und die haben mir gesagt, das ist ein cooles Spiel, probier‘s doch mal aus. Konradin, 17 Jahre, spielt circa 4 Stunden täglich, hauptsächlich „League of Legends“. O-Ton Konradin: Das längste war, glaube ich, an einem Wochenende, da habe ich mit zwei Freunden, ich glaube, 17 Stunden gespielt und danach ging es mir sehr, sehr schlecht. Also, dann konnte ich den ganzen nächsten Tag nichts mehr machen, war komplett fertig und lag nur im Bett rum und habe nichts mehr gemacht. Das war echt sehr schlimm. Meine Eltern finden, dass ich zu viel spiele, weshalb sie halt immer meckern sozusagen. Ich persönlich sehe das halt so, dass, wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe und ich nichts anderes mehr zu tun habe, dann kann ich für mich auch spielen – sozusagen als Freizeitbeschäftigung. Es sind bei mir vor allem Termine oder ähnliches, die mich davon abhalten, zu viel zu spielen, wie zum Beispiel ins Fitness-Studio zu gehen, Bass-Unterricht oder auch dann das Abendessen. Also, wenn ich weiß, dass es um acht Abendessen gibt, dann fange ich um sieben kein Spiel mehr an, das sind, denke ich, so Dinge, die einen davon auch abhalten, da rein zu rutschen. Tobias, 28 Jahre, internetsüchtig, seit 2013 spielfrei, heute arbeitslos, möchte Schüler aufklären. O-Ton Tobias: Am Gymnasium war es so, dass ich den Anschluss an meine Freunde verloren hatte. Ich habe dann geguckt, dass ich innerhalb der Klasse jemanden finde, mit dem ich mich gut verstehe, wo ich quasi neue Freunde finden kann. Aber das war sehr einseitig, weil die mir dann relativ schnell auch zu verstehen gegeben haben, dass ich für die eher störend und nervend war. Und so hat es dann auch angefangen, dass ich immer weiter auch ausgegrenzt wurde innerhalb der Klasse. Dann bin ich über einen Freund zu „World of Warcraft“ gekommen, der hat mir das immer mehr schmackhaft gemacht, der hat gemeint, oh, das wäre voll das tolle Spiel. Und dann habe ich mir auch „World of Warcraft“ geholt und habe mich immer weiter ins Spiel zurückgezogen. Ich habe mich damals wie in einer ganz anderen Welt gefühlt, einfach. Es hat mir einfach total gut getan, auch im Spiel positive Erfahrungen zu machen. Ich hatte unglaublich schöne Erlebnisse, ich habe Herausforderungen gemeistert, ja, hab da so ein bisschen den Ersatz gefunden, den ich gesucht habe. Die Umwelt habe ich nicht mehr wirklich wahrgenommen – also, eigentlich gar nicht. Für mich gab es nur das Spiel und alles andere war egal. O-Ton Schüler: Woher wussten Sie, dass Sie komplett süchtig sind, dass Sie richtig nicht mehr weiter wussten? O-Ton Tobias: Von alleine kriegt man das nicht mit. Also, ich habe nicht mit 13 Jahren oder was 13 Stunden am Tag gezockt. Ja, ich habe damals zwei, drei, dann drei, vier, fünf, sechs, sieben, 13. Jaj und so hat sich das letztendlich auch entwickelt über die Jahre hinweg. Und das schleicht sich einfach so ein, dass man das gar nicht selbst mitkriegt. Zuletzt ist das wie so ein Automatismus abgelaufen. O-Ton Prof. Rainer Thomasius, Suchtexperte Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): Das wichtigste Kriterium der Internetsucht ist der Kontrollverlust, die Betroffenen können einen angemessenen Gebrauch nicht mehr kontrollieren. Spielzeiten von acht, zehn, zwölf Stunden sind dann die Regel. Und das Ganze geht soweit, dass Tag-Nacht-Struktur sich umkehrt und ein normales, sozial integriertes Leben nicht mehr stattfindet. Nick, 19 Jahre, internetsüchtig, ging in der achten und neunten Klasse nicht mehr zur Schule. O-Ton Nick: Ich hatte einen verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus. Mein Tagesablauf war aufstehen, direkt vors Gerät setzen, zwischendurch was essen, schlafen gehen, aufstehen. Ja, ich war früher schon 16 bis 18 Stunden online. Körperhygiene war halt irgendwie nicht mehr wichtig und die Zeit, in der ich hätte duschen müssen oder so, habe ich dann lieber vorm PC verbracht, so. Ja, ich habe sozusagen alles verdrängt durch Spielen, dass ich mich nicht mehr mit der Realität auseinandersetzen musste. Nach einer Zeit wurde es mir dann irgendwie bewusst, dass es viel zu viel wird. Aber ich konnte mich nicht davon befreien, also ich konnte nicht da rauskommen, es ging einfach nicht so, ich war darin gefangen. Dann bin ich Anfang des Jahres ins UKE gekommen, in die Tagesklinik, und das hat mir dann irgendwie sehr geholfen. Also, ich sag mal, dass es wichtig ist, sich professionelle Hilfe zu holen. Klar, das mag niemand hören so, aber es ist echt ziemlich wichtig, um den ersten Schritt sozusagen zu machen, sich einzugestehen, dass es zu viel wird und dass man was verändern muss. O-Ton Prof. Rainer Thomasius, Suchtexperte Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): Internetsucht ist sehr gut heilbar, ist deutlich besser heilbar als die stoffgebundenen Abhängigkeiten im Jugendalter also beispielsweise die Cannabisabhängigkeit, die Stimulantienabhängigkeit, weil die im Hintergrund einer Internetsucht stehenden Störungen sehr gut auf Psychotherapie, auf Familientherapie, auf pädagogische Förderung ansprechen. O-Ton Tobias: Die Therapie hat mir dabei geholfen, überhaupt erstmal von dem Spiel loszukommen, ja. Warum es letztendlich zur Sucht gekommen ist, das kann man in neun Wochen nicht behandeln, das geht nicht. Die Sucht ist über mehrere Jahre hinweg entstanden, das geht in neun Wochen nicht weg. O-Ton Nick: Ich habe mir ziemlich viel verbaut. Wäre ich weiter zur Schule gegangen, hätte ich bestimmt ein Abitur machen können. Ich habe meine ganzen Freunde damals aus der Schule verloren, weil ich einfach keinen Kontakt mehr pflegen konnte beziehungsweise wollte. Ich bin jetzt dabei, mir was aufzubauen, es wird zwar immer ein Thema in meinem Leben bleiben, aber ich weiß jetzt, wie ich damit umgehen kann und was wichtig ist, dagegen zu tun. O-Ton Konradin: Ich habe zwar selbst gesagt, dass ich Sperren umgangen bin, aber es ist nie ausgeartet. Und da haben die Eltern große Rolle gespielt, wenn die wirklich merken, dass ich wirklich viel spiele, dann kommen sie auch in mein Zimmer und sagen: Du hörst jetzt auf, das reicht jetzt auch. Und dann höre ich auch auf, weil es eigentlich ganz gut ist, manchmal nochmal so einen Weckruf zu haben, dass man merkt, dass man wirklich schon lange dran sitzt. Ja, weil man beim Spielen oft auch das Zeitgefühl verliert. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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