Manuskript Beitrag: “America first“ – Wie Trump die Demokratie angreift Sendung vom 14. Februar 2017 von Johannes Hano Anmoderation: Was kommt als nächstes? Alle, die dachten, Trump würde im Amt vernünftig, belehrt er eines Schlechteren. Er macht das per Tweet, per Dekret, per Draufhauen. Und immer mit viel Lärm und möglichst provozierend. Dass die freiheitlich-liberale Welt dabei zusammenzuckt, gehört zur Strategie. Hauptsache, seine Wähler hören den Rumms, mit dem der ach-so-tatkräftige US-Präsident auf den Status Quo einschlägt. Von Gesetzen und Gewaltenteilung will er sich dabei nicht aufhalten lassen. Johannes Hano analysiert, was das für die Demokratie bedeutet. Text: Es war eine Abrechnung mit dem Amerika, wie wir es kennen, eine öffentliche Demütigung all derer, die vor ihm die Geschicke des Landes gelenkt haben - voller Verachtung für die demokratischen Eliten und ihre Institutionen. Als Donald Trump bei seiner Amtseinführung am 20. Januar ans Rednerpult tritt, wird klar, dass er die alte Ordnung zerschlagen will. O-Ton Donald Trump, US-Präsident: Der 20. Januar 2017 wird als Tag in die Geschichte eingehen - als der Tag, an dem das Volk die Herrschaft des Landes wieder übernommen hat. Dass sich seine Botschaft bei so vielen Amerikanern derzeit verfange, habe einen Grund, erklärt uns Robert Reich, den wir in Berkeley, Kalifornien, erreichen. Reich war Arbeitsminister unter Bill Clinton, ist heute Professor und einer der scharfsinnigsten Kritiker von Trump. Der aber habe einen Punkt , so Reich: O-Ton Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister unter USPräsident Clinton: Die großen Wall Street-Banken wurden gerettet und gleichzeitig haben viele Amerikaner ihr Einkommen, ihr Erspartes und ihre Jobs während der Bankenkrise 2008 verloren. Viele Amerikaner sind zu dem Schluss gekommen, dass das System manipuliert ist, um die Reichen und Mächtigen zu bevorzugen. Wenn Donald Trump den Amerikanern sagt, dass er das System erschüttern wird und den Sumpf in Washington trocken legen und die Korruption beenden will, dann sehen viele darin eine Wahrheit. Und es steckt tatsächlich auch einige Wahrheit drinnen. Und Trump legt los. Wie kein Präsident vor ihm unterzeichnet er vor laufenden Kameras präsidiale Verordnungen - fast 30 in den ersten drei Wochen. Trump, der Macher, so die Botschaft. Doch schnell wird klar, dass er keinen Respekt hat vor den Institutionen der amerikanischen Demokratie. Als ein Richter an der Verfassungsmäßigkeit seines sogenannten „Muslim-Bans“ zweifelt und das Einreiseverbot für Menschen aus sieben vorwiegend muslimischen Staaten bis zur Klärung aufhebt, zieht er sich den Zorn des Präsidenten zu. Der attackiert via Twitter: „Die Entscheidung dieses „sogenannten Richters“ nimmt unserem Land den Gesetzesvollzug aus der Hand. Das ist lächerlich – das wird gekippt!“ „Wie verkommen ist unser Land, wenn ein Richter einen Einreisestopp zum Heimatschutz kippen und jeder mit bösen Absichten zu uns in die USA kommen kann?“ „Ich kann nicht glauben, dass ein Richter uns in eine solche Gefahr bringt. Wenn etwas passiert, macht Ihn verantwortlich und unsere Gerichte.“ Was auf den ersten Blick aussieht wie die Reaktion eines beleidigten Kindes, hat es aber in sich. Dahinter steht das autoritäre Staatsverständnis, dass ein richtiger Richter nur der sein kann, der im Sinne Trumps entscheidet. Ein Präsident, der sich über die Unabhängigkeit der Justiz stellt. Doch es ist noch etwas anders, dass diese Attacke so gefährlich macht. Washington DC, das Watergate Building. Hier residiert eines der führenden Magazine Amerikas: The Atlantic. Wir sind verabredet mit David Frum. Sein Artikel über die Gefahr, dass sich Amerika in eine Autokratie verwandeln könnte, gehört derzeit zu den meistgelesenen Analysen in Washington. Denn Frum hat im Weißen Haus für George W. Bush gearbeitet – ein Konservativer, also, der jetzt einen republikanischen Präsidenten kritisiert. O-Ton David Frum, Journalist, The Atlantic: Wir erleben die gefährlichste Herausforderung für unsere Demokratie, der die meisten bislang begegnet sind. Denn Trump macht aus seiner Verachtung für die Institutionen keinen Hehl. Als sich vergangene Woche bei einem Treffen mit Scheriffs einer von ihnen darüber beschwert, dass ein Senator nicht das Gesetz verabschieden will, das er möchte, fragt der Präsident der Vereinigten Staaten: O-Ton Donald Trump, US-Präsident: Wie heißt der Senator? Sag mir seinen Namen, wir zerstören dann seine Karriere. Aber nicht nur Justiz, Abgeordnete und Senatoren – auch die unabhängigen Medien sind einem Dauerfeuer des Präsidenten ausgesetzt. Bizarrer Höhepunkt bislang: Vor Soldaten des Central Comands wirft er der Presse vor, über Terroranschläge kaum oder gar nicht zu berichten. O-Ton Donald Trump, US-Präsident: Ihr habt gesehen, was in Paris oder Nizza passiert ist, überall in Europa passiert. Und es ist an einem Punkt angekommen, wo noch nicht mal mehr darüber berichtet wird. Und in vielen Fällen will die sehr, sehr unehrliche Presse darüber nicht berichten - sie hat dafür ihre Gründe und das wisst ihr. Welche lässt er offen. Verdächtigungen, Beschimpfungen, Drohungen - fast kein Tag vergeht, an dem sich der Präsident der Vereinigten Staaten nicht mit jemandem anlegt, der ihn einer Lüge überführt, kritisiert oder einfach nicht seiner Meinung ist - egal ob Richter, Gewerkschaftsbosse, Journalisten. Meist über Twitter greift er an und er weiß wohl sehr genau, warum er das tut. O-Ton David Frum, Journalist, The Atlantic: Der Präsident kann mit einem Tweet einen seiner Follower mit einer Waffe losschicken, zum Beispiel zum Haus eines Journalisten, und es gab solche Fälle schon. Donald Trump hat zum Beispiel den Namen eines Kritikers getweetet. Das Resultat war, dass der aus seinem Haus vertrieben wurde nicht vom FBI oder einer braunen Schlägertruppe, sondern durch Drohungen von Leuten, die er niemals kennen wird. Das sind irgendwelche Leute, nicht von der Regierung, die die Einschüchterung übernehmen. Das ist eine Ressource, die Möchtegern- Autokraten nutzen können. Und sie entdecken gerade diese neue Macht. Was treibt den Präsidenten, Kritiker einzuschüchtern, zu lügen und seine Macht zu missbrauchen? Für David Frum gibt es dafür ein ganz einfache Erklärung: O-Ton David Frum, Journalist, The Atlantic: Er will der reichste Mann der Welt werden. Er baut eine Kleptokratie auf. Um die zu schützen, muss er ein autoritäres Regime etablieren. Fest steht: Die Trump-Organisation ist weltweit an Hunderten Unternehmen beteiligt - ein schier undurchdringliches Geflecht, auch weil der Präsident den Bürgern seine Steuererklärung vorenthält. Wie unverfroren Geschäft und Politik im Weißen Haus mittlerweile vermischt werden, wurde vergangene Woche deutlich. Als eine Kaufhauskette die Mode seiner Tochter Ivanka wegen schlechtem Absatz aus dem Sortiment nimmt, schickt der Präsident seine PRChefin vor. Vor dem offiziellen Logo des Weißen Hauses verkündet die: O-TON Kellyanne Conway, PR-Beraterin Weißes Haus: Kauft Ivankas Sachen, wenn ihr Zeit habt. Ich hasse Shopping, aber ich kauf mir auch etwas. Das wäre zumindest eine klare und recht offensichtliche Erklärung für Trumps Vorgehen, doch es gibt noch eine dunklere Version. Trump hat sich im Weißen Haus mit Beratern umgeben, die das christliche Abendland vor dem Untergang sehen. Sein Chefstratege Steve Bannon versteht die amerikanische Geschichte als Ablauf immer gleicher Zyklen, an deren Ende eine Krise steht, oft ein großer Krieg. Auf einer Veranstaltung im Vatikan 2014, zu der Bannon via Skype zugeschaltet wird, wird seine Weltsicht deutlich: O-Ton Stephen K. Bannon, Chefberater Weißes Haus: Wir stehen am Anfang eines sehr brutalen und blutigen Konfliktes, denn wenn die Leute hier im Raum und die Menschen in der Kirche nicht zusammenstehen und etwas formen, das ein Aspekt des kämpferischen Christen ist, und dafür zu stehen und kämpfen, woran wir glauben, gegen diese neue Form der Barbarei, dann werden wir unser Vermächtnis der vergangenen 2.000 Jahre auslöschen. Wir befinden uns in einem totalen Krieg gegen einen dschihadistischen, islamischen Faschismus. Bannon hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die seiner Meinung nach korrupten und schwachen Institutionen zerschlagen werden müssten, um Amerikas Zukunft zu gewinnen. Wie sehr er das Handeln des Präsidenten beeinflusst, ist noch unklar. Aber immerhin hat der ihn in seinen Nationalen Sicherheitsrat berufen. Fest steht - Die neue US-Regierung hat damit begonnen, ein Wahlversprechen einzulösen - die alte politische Ordnung zu zerschlagen. O-Ton Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister unter USPräsident Clinton: Donald Trump hat bislang nicht das Militär genutzt, um die Strukturen der amerikanischen Demokratie zu verändern. Aber wenn der Trend, die Tendenz, die wir derzeit im Weißen Haus sehen, nicht kontrolliert wird, dann könnte dabei etwas herauskommen, das einem Staatstreich gleicht. Donald Trump könnte sich dann eher zu einem autoritären Diktator entwickeln als zu einem Präsidenten einer verfassungsmäßigen Demokratie. Noch aber ist nichts entschieden. Doch klar ist: Die große amerikanische Demokratie steht vor einer ebenso großen Bewährungsprobe. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. 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