Lenín liegt in Front Streiken verboten Bei den Wahlen in Ecuador steht die »Bürgerrevolution« auf dem Spiel. Seite 2 Türkische Gewerkschaften kämpfen gegen ihre Auflösung. Seite 10 Soldaten auf Medaillenjagd Wenn Biathleten stramm stehen, hat die Bundeswehr sie gefördert. Die Kritik daran wird immer größer, zumal die Effizienz des Systems höchst umstritten ist. Seite 19 Foto: Reuters/Henry Romero Freitag, 17. Februar 2017 STANDPUNKT Verteidigung als Vorwand 72. Jahrgang/Nr. 41 Bundesausgabe 1,70 € www.neues-deutschland.de Aushorchen, das geht gar nicht! EU künftig härter gegen Islamisten Untersuchungsausschüsse im Bundestag vernahmen Regierungsmitglieder Europaparlament verabschiedete neue Richtlinie zum Extremismus Aert van Riel über die Aufrüstungspläne der NATO Vertreter der NATO wollen den Anschein erwecken, als seien die Verteidigungsausgaben der meisten Mitgliedstaaten lediglich Peanuts. Die USA drängen auf höhere Investitionen ihrer Partner. Das Bundesverteidigungsministerium will dem gerne nachkommen, um künftig unabhängiger agieren zu können. Das Ziel der NATO-Staaten, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben, wirkt auf den ersten Blick nicht sonderlich ehrgeizig. In Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch um Hunderte Milliarden Euro. Russland und China, die für westliche Staaten als globale Konkurrenten gelten, liegen trotz immenser Aufstockungen weit hinter dem nordatlantischen Militärbündnis zurück. Entscheidend ist die Frage, aus welchem Grund neues Kriegsgerät angeschafft werden soll. Aus dem Bundesverteidigungsministerium hieß es, dass man sich neben Kriseneinsätzen wieder stärker mit der »Landes- und Bündnisverteidigung« auseinandersetzen müsse. Damit ist die Ostflanke in Europa gemeint. Potenzieller Aggressor soll Russland sein, obwohl der Kreml bisher keinerlei Anstalten gemacht hat, einen wahnwitzigen Konflikt direkt mit einem NATO-Staat zu suchen. Die Truppenverlegungen ins Baltikum dienen Staaten wie Deutschland vielmehr dazu, die dortigen Bündnispartner eng an sich zu binden. Ernster dürfte es in den wirklichen Krisenregionen werden, in denen die Bundeswehr agiert. Zu Frieden und Entspannung hat deren Präsenz noch nirgendwo beigetragen. UNTEN LINKS Kein Grund zur Beunruhigung! Politikerinnen und Politiker diverser Parteien werden weiter Reformen fordern und betonen, dass diese alternativlos sind. In den daraufhin unvermeidlich entstehenden Leitartikeln und Kommentaren wird dann zu lesen sein, dass die Demokratie ein wichtiges Gut ist und wir alle den Gürtel enger schnallen müssen. Tilo Jung oder Frank Plasberg oder irgendwer anderes wird dazu dann ein unfassbar nichtiges Papperlapappgespräch mit Richard David Precht oder Peter Sloterdijk oder einem anderen Heißluftfön führen und dieses live irgendwohin übertragen lassen. Auch sonst wird der hiesige Medienbetrieb bevorzugt Leute, die keine Ahnung haben, sich aber selbst leidenschaftlich gern im Fernsehen zusehen, Leute befragen lassen, die nichts wissen, sich aber gern selbstverliebt beim Sprechen zuhören. Und demnächst sollen sogar wieder neue Bücher von Eckart von Hirschhausen und Juli Zeh erscheinen. Es geht also alles seinen Gang. tbl ISSN 0323-3375 Foto: dpa/Martin Schutt Straßburg. Als Konsequenz aus den Anschlägen von Paris, Nizza, Brüssel und Berlin will die Europäische Union härter gegen mutmaßliche islamistische Kämpfer und deren Drahtzieher vorgehen. Darauf zielt eine neue Richtlinie ab, die das Europaparlament am Donnerstag verabschiedete. Ein Ziel ist es, die Straftatbestände in den 28 EU-Staaten zu erweitern und zu harmonisieren. Außerdem werden die EU-Staaten erstmals verpflichtet, Informationen über mutmaßliche Extremisten oder geplante Anschläge auszutauschen. Künftig soll die Vorbereitung von Anschlägen EU-weit unter Strafe gestellt werden. Darunter fallen nicht nur Auslandsreisen für terroristische Zwecke, sondern schon die Vorbereitung solcher Reisen. Auch die Anwerbung und Ausbildung von potenziellen Attentätern soll strafrechtlich verfolgt werden, die Bestrafung der Finanzierung von Anschlägen soll angeglichen werden. Bestraft werden sollen zudem die öffentliche Anstiftung zu terroristischen Angriffen oder deren Verherrlichung. AFP/nd Seite 7 Schwund im Weißen Haus Trumps Kandidat als Arbeitsminister gab auf / Neue Ordnung in Nahost? Foto: AFP/John MacDougall Berlin. »Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.« Mit ihrer Reaktion auf die NSA-Bespitzelungen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 vielen Menschen in Deutschland aus dem Herzen gesprochen. Am Donnerstag tagten im Bundestag in Berlin sage und schreibe vier Untersuchungsausschüsse – darunter der zum NSA-Skandal. Und die Kanzlerin war als Zeugin geladen. Dort bekannte sie sich zu ihrem Satz. Der sei noch heute nicht falsch, sagte sie, ohne sonst etwas zu sagen. Auf die Frage, wieso sie sich nicht für eine Zeugenaussage des Whistleblowers Edward Snowden vor dem Ausschuss eingesetzt habe, ant- wortete sie unwillig ausweichend: Snowden habe andere Möglichkeiten der Zeugenvernehmung selbst abgelehnt. Aushorchen unter Abgeordneten, das geht gar nicht? Auch in weiteren Untersuchungsausschüssen konnte man am Donnerstag den Eindruck gewinnen, dass die anwesenden Regierungsmitglieder dieser Meinung sind. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich von allen Vorwürfen im Cum-Ex-Ausschuss frei, der windigen Geschäften von Finanzunternehmen nachgeht, mit denen diese den Staat um Steuern betrogen. Er habe alles getan, um das zu unterbinden, sagte Schäuble, und dass es nicht schneller ging, habe an den »außergewöhnlich anspruchsvollen« Verfahren gelegen. Vorwürfe mangelnder Aufklärung im Abgasskandal von VW wies Verkehrsminister Alexander Dobrindt im zuständigen Ausschuss zurück. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bestritt dort, vor 2015 etwas von den Manipulationen erfahren zu haben. Im Ausschuss zu den NSU-Morden hatten am Donnerstag zwei Chefs des Verfassungsschutzes das Wort, der jetzige und sein Vorgänger. Auch von ihnen war nichts Neues zu erfahren; was Wunder, sind sie doch selbst fürs Aushorchen zuständig. uka Seiten 6 und 9 Opfer bringen für die NATO Sicherheit als Thema in München, Bonn und Brüssel / Lawrow und Tillerson für engere Zusammenarbeit Mehr Klarheit in turbulenten Zeiten erhoffen sich Teilnehmer und Beobachter hochrangiger Treffen zur Sicherheitspolitik. München. Im Zeichen zahlreicher Krisen und Konflikte und einer bislang kaum berechenbaren neuen US-Regierung beginnt an diesem Freitag die Münchner Sicherheitskonferenz. Allein rund 80 Außen- und Verteidigungsminister und 30 Staats- und Regierungschefs werden im Hotel Bayerischer Hof erwartet. Im Fokus der dreitägigen Veranstaltung steht die neue Regierung von USPräsident Donald Trump. Sein Stellvertreter Mike Pence wird am Samstag erstmals die Sicherheitspolitik des Weißen Hauses auf großer Bühne vorstellen – und wahrscheinlich Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Unter dem Motto »Gestaltung globaler Ordnung – Außenpolitik jenseits des Krisenmanagements« begann am Donnerstag eine Kon- ferenz der G20-Außenminister in Bonn. Vor Beginn trafen die Außenamtschefs Russlands und der USA, Sergej Lawrow und Rex Tillerson, erstmals zusammen. Sie verwiesen auf eine gemeinsame Basis für engere Zusammenarbeit. »Es ist klar, dass wir nicht alle Probleme lösen konnten, aber wir haben ein gemeinsames Verständnis, dass wir dort, wo unsere Interessen übereinstimmen, vorankommen müssen«, sagte Lawrow. Von Tillerson sei bekräftigt worden, dass US-Präsident Donald Trump zur Überwindung der bilateralen Schwierigkeiten bereit sei. Vor allem im Kampf gegen den Terrorismus gebe es gemeinsame Interessen. Ein Treffen von Kremlchef Wladimir Putin und Trump werde es geben, sobald die beiden Präsidenten es für möglich halten, sagte Lawrow. Zuletzt hatte Putin den EU-Staat Slowenien für eine erste Begegnung mit Trump nicht ausgeschlossen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel appellierte an Moskau, auf die Separatisten in der Ost-Ukraine einzuwirken, um den in der Minsker Kontaktgruppe vereinbarten Rückzug der Waffen vollständig umzusetzen. Dies sei notwendig, um die viel zu brüchige Waffenruhe zu stärken, sagte er nach Angaben aus deutschen Delegationskreisen bei einem Treffen mit Lawrow. Bei einem am Donnerstag beendeten Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel forderte der Generalsekretär des Nordatlantischen Bündnisses, Jens Stoltenberg, die Europäer und Kanada auf, den Forderungen der USA nach einem stärkeren Einsatz für die Allianz nachzukommen. »Wenn das nicht passiert, dann werden wir ein Problem haben«, sagte er. Der US-Verteidigungsminister James Mattis zeigte sich optimistisch, dass die Bündnispartner noch dieses Jahr einen Plan zur Erhöhung von Militärausgaben vorlegen würden. Die Bündnispartner hätten seine Botschaft, für die »beste Verteidigung der Welt« einen fairen Beitrag zu zahlen, gut aufgenommen. »Es gab keinen Streit.« Mattis lobte Länder wie Estland oder Großbritannien, die das Zwei-ProzentZiel bereits erreicht hätten. »Diese Länder sind beispielhaft, sie bringen echte Opfer.« Agenturen/nd Seiten 3, 5 und 16 } Lesen Sie morgen im wochen-nd Hamburg rüstet zum G20-Gipfel Das Phantom des Populismus »Gender Studies« unter Druck Washington. US-Präsident Donald Trump muss einen weiteren Rückschlag hinnehmen: Sein Kandidat für den Posten des Arbeitsministers hat den Verzicht erklärt. Der Fast-Food-Unternehmer Andrew Puzder gab diese Entscheidung ohne Angaben von Gründen bekannt. Hintergrund war offensichtlich sein mangelnder Rückhalt auch unter Trumps Republikanern im Senat, der die Nominierungen zu bewilligen hat. Der 66-jährige Puzder war einer der umstrittensten Kabinettskandidaten. Ihm wird vorgeworfen, für eine Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte zu stehen. Zuvor war bereits Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn wegen Falschbehauptungen über Kontakte zum russischen Botschafter zurückgetreten. Unterdessen will Trump laut Medienberichten mit arabischen Staaten eine neue geopolitische Ordnung im Nahen Osten schmieden. Dazu sollen ein Militärpakt gegen Iran und Nahost-Friedensverhandlungen unter Einbeziehung mehrerer arabischer Staaten gehören. Agenturen/nd Seiten 4 und 7 Oft mehr Schaden als Nutzen IGeL-Monitor: Keine Zusatzleistung erhält positive Bewertung Berlin. Viele individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) bringen nach Ansicht von Experten den Patienten eher Schaden als Nutzen. In dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten IGeL-Monitor vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbands der Krankenkassen (MDS) werden vier von 45 Leistungen als negativ bewertet. 17 Angebote bekamen die Beurteilung tendenziell negativ. Bei 15 IGeL war die Schaden-Nutzen-Bilanz unklar. Keine Leistung erhielt die Wertung »positiv«. Der Geschäftsführer des MDS, Peter Pick, kritisierte, dass in vielen Arztpraxen die Patienten weder ausreichend über die Leistung noch über die Kosten informiert würden. Immer wieder würden Patienten bereits vor einer Behandlung unter Druck gesetzt, damit sie zusätzliche Leistungen in Anspruch nehmen. Je nach Angebot können die IGeL mehrere Hundert Euro kosten. Für die Bewertung von Nutzen und Schaden eines IGeL-Angebots haben die Mediziner und Methodiker des MDS medizinische Datenbanken ausgewertet. epd/nd Seiten 4 und 6
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