DOK – DDR – Umsonst 180 Filme aus 44 Jahren – Eintritt frei Das größte DOK DDR Filmfestival Allgemeine Infos Jürgen Böttcher & seine Filme Volker Koepp & seine Filme Winfried Junge & seine Filme Studio H&S & Filme Helke Misselwitz & ihre Filme Gitta Nickel & ihre Filme Petra Tschörtner & ihr Film Annelie und Andrew Thorndike & ihr Film Richard Cohn-Vossen & seine Filme Roland Steiner & seine Filme Dieter Schumann & sein Film Günter Jordan & seine Filme Eduard Schreiber & sein Film Karl Gass & seine Filme Gunther Scholz & sein Film Peter Rocha & seine Filme Ernst Cantzler & sein Film Karlheinz Mund & sein Film Andreas Voigt & seine Filme Kurt Maetzig & sein Film Kurt Tetzlaff & sein Film Uwe Belz & seine Filme Jörg Foth & sein Film Jochen Kraußer & sein Film Leonija Wuss-Mundeciema & ihr Film Heinz Brinkmann & sein Film S. 2+3 S.4-14 S. 15-21 S. 22-30 S. 31-48 S. 49/50 S. 51/52 S. 53 S. 54 S. 55 S. 56/57 S. 57 S. 58 S. 59 S. 60/61 S. 62 S. 62/63 S. 63 S. 64 S. 64/65 S. 65 S. 66 S. 66 S. 67 S. 67 S. 68 S. 68 1 09.02.-09.03. „DOK DDR umsonst“ umfassende Retro mit 180 Filmen & Eintritt frei „Sie sehen selbst – Sie hören selbst – urteilen Sie selbst“ – Einen Monat lang vom 09.02. bis 09.03. bietet das Babylon mit der Reihe „DOK DDR umsonst“ die einmalige Gelegenheit, sich knapp drei Jahrzehnte nach Mauerfall mit 180 DDR-Dokumentarfilmen aus 44 Jahren ein umfassendes Bild von der Innensicht der DDR und dem Blick der DDR auf die Welt zu machen. Das hat es in dieser filmischen Breite bisher noch nicht gegeben. Der damals hohe künstlerische Anspruch an das Genre wird ein hohes Seherlebnis bieten. Um einem möglichst großen Zuschauerkreis den Zugang zu ermöglichen, ist der Eintritt frei. Vier Regisseurstile sind, soweit nach Materiallage möglich, im Gesamtwerk zu sehen: Jürgen Böttcher, Volker Koepp, Winfried Junge sowie Walter Heynowski und Gerhard Scheumann als Studio H&S. Zudem zeigen Filme von Annelie Thorndike (zusammen mit ihrem Mann Andrew Thorndike), Gitta Nickel, Helke Misselwitz und Petra Tschörtner beispielhafte Filme von wichtigen DDR-Regisseurinnen. Entwicklungslinien lassen sich verfolgen, z.B. mit Karl Gass, bei dem Winfried Junge und Gitta Nickel gelernt haben. Mit Richard Cohn-Vossen, der als Regieassistent von Annelie und Andrew Throndike begann, ist auch ein Regisseur vertreten, dessen Karriere nach seiner Unterschrift unter dem Protestbrief gegen die Biermann-Ausbürgerung beendet war. Knapp drei Jahrzehnte nach Mauerfall ist im Jahr 2017 mit Distanz ein anderer Blick auf das DDRDokumentarfilmschaffen möglich. Dies wird und soll zu Diskussionen führen, ganz nach dem Motto von Regisseur und DEFA-Mitbegründer Kurt Maetzig, der die Wochenschau „Der Augenzeuge“ mit dem Motto „Sie sehen selbst – Sie hören selbst – urteilen Sie selbst“ startete. Jürgen Böttcher alias Strawalde (geb. 08.07.1931 in Frankenberg/Sachsen) ist einer der wegweisenden DEFA-Dokumentarfilmer und bekannter Künstler. Von der bildenden Kunst kommend hat er mit der Kamera die Arbeits- und Alltagswelt quasi gemalt. Als einziger Dokumentarfilmemacher überhaupt drehte er auch Experimentalfilme („Verwandlungen Teil 1-3“, 1981). Jürgen Böttcher ist zur Eröffnung am 09.02. um 19.30 Uhr zu Gast, wo u.a. „Rangierer“ läuft. Anlässlich der Berlinale findet am 09.02. zudem der AG DOK Empfang im Babylon statt. Außerdem kommt Böttcher zum Gespräch am 21.02. um 20 Uhr. Innerhalb seines häufig mit englischen Untertiteln versehenen Gesamtwerks zu sehen sind auch seine zwei Studentenfilme „Dresden, wenige Jahre danach“ (1958/59) sowie „Notwendige Lehrjahre“ (1960). Letzterer ist sein Diplomfilm über einen Jugendwerkhof in Thüringen. Interessant wird ein Vergleich mit „Jugendwerkhof“ (1982) von Roland Steiner sein. Dokumentarfilmer sein bedeutet unterwegs sein. So verwundert es kaum, dass KoeppFilme oft mit einer langen Kamerafahrt beginnen. Volker Koepp (geb. 22.06.1944 in Stettin), der filmische Alltagsforscher, nimmt seine Zuschauer mit auf die Reise, mit an den Ort des Geschehens, im Zug, Auto, Boot oder Pferdefuhrwerk – eine langsame Annäherung an den Alltag. Koepp, Meister des ruhigen Beobachtens, lässt seine porträtierten Menschen und deren Heimat sprechen. Insgesamt 25 Koepp-Filme sind Teil von „DOK DDR“, neben seiner Wittstock-Langzeitbeobachtung u.a. auch seine zwei Studentenfilme „Wir haben schon eine ganze Stadt gebaut“ (1968) und „Sommergäste bei Majakowski“ (1967). Winfried Junge (geb. 19.07.1935 in Berlin) ist berühmt wegen seiner längsten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte (1961-2007) „Die Kinder von Golzow“, ab 1978 drehte er zusammen mit seiner Frau Barbara Junge. Die DOK DDR-Reihe bietet dem Zuschauer die Gelegenheit, darüber hinaus zu blicken: Portraits über Jugendliche wie „Wenn jeder tanzen würde, wie er wollte, na!“ oder „Studentinnen - Eindrücke von einer Technischen Hochschule“, über technische Erfolge wie „Mit beiden Beinen im Himmel - Begegnung mit einem Flugkapitän“ oder „Termin Spirale I“ sowie seine Auslandsfilme über Syrien, Somalia und Libyen. Interessant ist besonders der verbotene Kurzfilm „Studentenfasching“ über Robert Havemanns letzten öffentlichen Auftritt. H&S – ein internationales, seinerzeit berühmtes Markenzeichen für politisches Filmschaffen. Fast drei Jahrzehnte (1965-1991) gingen Walter Heynowski (geb. am 20. 2 November 1927 in Ingolstadt) und Gerhard Scheumann (1930-1998) eine „künstlerische Ehe“ ein. Ihr ökonomisch von der DEFA unabhängiges Studio H&S in der Kronenstraße in Berlin-Mitte wurde zum Markenartikel im Ausland. Der Blick auf das eigene Land interessierte H&S nur am Rande. Heynowski & Scheumann gehören zu den bekanntesten wie umstrittensten Dokumentarfilmregisseuren der DDR. Sie zeigten ihre Sicht der Wirklichkeit in einer moralischen Dimension, bezogen Stellung zu den großen politischen Fragen des Jahrhunderts, wie Vietnam, Chile und der Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Ein Plakatmotiv von „DOK DDR“ ist ein aktualisierter Nachdruck des polnischen Grafikers Andrzej Pągowski. In den 1980er Jahren entwarf er das Plakat der ersten H&S-Retrospektive in Warschau. Mehr Infos & Programm: www.babylonberlin.de/dokddrumsonst.htm Eröffnung: 09.02. 19:30 Jürgen Böttcher zu Gast - „Berlin im Aufbau“ (1946, Kurt Maetzig), , Mädchen in Wittstock (Volker Koepp), Kommando 52 (Studio H&S), Rangierer (Jürgen Böttcher) 21.02. 20:00 Gesprächsgast Jürgen Böttcher mit „Barfuß und ohne Hut“, „Wäscherinnen“, „Rangierer“ Barbara & Winfried Junge zu mehreren Terminen zu Gast: 11.02. 15.45 Der Kinder wegen - Flucht ins Vaterland, DDR 1963, R: Winfried Junge, Vom lernenden Menschen, DDR 1964, R: Winfried Junge, Einberufen, DDR 1971, R: Winfried Junge, Sagen wird man über unsere Tage - Erkundungen auf einer großen Baustelle, DDR 1974, R: Winfried Junge, Termin Spirale I, DDR 1977, R: Winfried Junge, insg.:121 min 12.02. 14.30 Lebensläufe, DDR 1980, R.: Winfried Junge - vorher und in der Pause zwischen beiden Hälften (nach 5. Porträt - Dieter) 13.02. 15.15 Ferientage, DDR 1963, Winfried Junge, 24 min, Mit beiden Beinen im Himmel Begegnung mit einem Flugkapitän, DDR 1968, Winfried Junge, 33 min, Ich bin ein Junger Pionier, DDR 1973, Winfried Junge, 38 min, Hummelflug, DDR 1978, Winfried Junge, 18 min 16. 02. 17:00 Das Pflugwesen – es entwickelt sich, DDR 1987, R: Winfried Junge, 28 min, Diese Briten, diese Deutschen, DDR 1988, R: Winfried Junge, 60 min – im Anschluss zu Gast! 17. 02. 17:30 Anmut sparet nicht noch Mühe, DDR 1979, R: Winfried Junge, 105 min 19. 02. 14:30 Der Affenschreck, DDR 1961, R: Winfried Junge, 9 min, Wenn ich erst zur Schule geh, DDR 1961, R: Winfried Junge, 13 min, Nach einem Jahr - Beobachtungen in einer ersten Klasse, DDR 1962, R: Winfried Junge, 15 min, Elf Jahre alt, DDR 1966, R: Winfried Junge, 29 min, Wenn man vierzehn ist, DDR 1969, R: Winfried Junge, 36 min, Wenn jeder tanzen würde wie er wollte, na!, DDR 1972, R: Winfried Junge, 25 min - im Anschluss zu Gast! 25. 02. 14:00 u.a. „Studentenfasching“ – stummes Material, da verboten. Winfried Junge über den letzten öffentlichen Auftritt von Robert Havemann. - im Anschluss zu Gast! UND: 28.02. 17:15 Filmauswahl folgt! Weitere Gäste folgen! Pressekontakt: Barbara Löblein Presse/ Assistenz des Geschäftsführers Timothy Grossman Babylon Neue Babylon GmbH Rosa-Luxemburg-Platz 10178 Berlin Tel. 030/278 919 19 [email protected] www.babylonberlin.de 3 Jürgen Böttcher Jürgen Böttcher (geb. 08.07.1931 in Frankenberg/Sachsen) ist einer der bekanntesten und wegweisenden DEFA-Dokumentarfilmer und anerkannter Künstler. Von der bildenden Kunst kommend hat er mit der Kamera die Arbeits- und Alltagswelt quasi gemalt. Es entstehen Porträts und genaue Beobachtungen von Menschen und Landschaften. Dabei löst er sich von vorgegebenen Mustern und produziert meistens kürzere Dokumentarfilme als auch, als einziger Dokumentarfilmemacher überhaupt, Experimentalfilme. Sein erster und einziger Spielfilm „Jahrgang 45“, ein Plädoyer für individuelles Glück einer jungen Generation, wird infolge des 11. Plenums des ZK 1966 verboten. Andere Filme wie „Ofenbauer“, „Wäscherinnen“ oder „Rangierer“, die das Leben einfacher Menschen zeigen, werden gelobt und sogar ausgezeichnet. Für sein Experimentalfilm-Triptychon „Verwandlungen“ erntet er harsche Kritik. International dagegen erfährt er Anerkennung von namhaften Künstlern wie Chris Marker, Joris Ivens, Ken Loach und inspiriert junge Künstler. Einer seiner meist beachteten Filme ist „Die Mauer“, eine filmische Beobachtung des Jahreswechsels 1989/90, als die Grenzen zwischen Ost- und West-Berlin bereits geöffnet waren, die Mauer aber noch stand. Für ihn erhält er den „Felix“, den Europäischen Filmpreis, für den besten Dokumentarfilm. Nach der Wiedervereinigung widmet er sich fast ausschließlich der Malerei, wird Mitglied der Berliner Akademie der Künste und ist in zahlreichen Ausstellungen vertreten. Sein malerisches Schaffen wird mehrfach geehrt: 1992 wird er mit dem Darmstädter Kunstpreis, 1997 mit dem Kunstpreis der Stadt Dresden und 1998 mit dem Kunstpreis des Sprengel-Museums Hannover ausgezeichnet, 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz. Jürgen Böttcher alias Strawalde lebt und arbeitet in Berlin. 1990 Die Mauer, 99 Min, OmeU 1987 In Georgien, 106 Min, OmeU 1987 Die Küche, 43 Min, OmeU 1985 Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner, OmeU 1984 Rangierer, 22 Min, OmeU 1981 Verwandlungen, Teil 1: Potters Stier, 16 Min, OmeU 1981 Verwandlungen, Teil 2: Venus nach Giorgione, 21 Min, OmeU 1981 Verwandlungen, Teil 3: Frau am Klavichord, 17 Min, OmeU 1978 Martha, 56 Min, OmeU 1977 Murieta, 18 Min 1976 Ein Weimarfilm, 69 Min, OmeU 1976 Großkochberg - Garten der öffentlichen Landschaft, 16 Min, OmeU 1976 Im Lohmgrund, 27 Min, OmeU 1974 Die Mamais, 19 Min 1974 Erinnere Dich mit Liebe und Haß, 40 Min 1973 Wer die Erde liebt, 72 Min, zusammen mit anderen 1972 Wäscherinnen, 23 Min, OmeU 1971 Song international, 45 Min 1970 Dialog mit Lenin, 32 Min 1970 Der Oktober kam..., 70 Min 1969 Arbeiterfamilie, 30 Min 1968 Ein Vertrauensmann, 19 Min, OmeU 1967 Der Sekretär, 29 Min, OmeU 1967 Tierparkfilm, 18 Min, OmeU 1967 Wir waren in Karl-Marx-Stadt, 34 Min 1965 Kindertheater, 27 Min 1964 Barfuß und ohne Hut, 26 Min, OmeU 1963 Charlie und Co, 14 Min 1963 Silvester, 10 Min 1963 Stars, 20 Min, OmeU 1962 Im Pergamon-Museum, 19 Min, OmeU 1962 Ofenbauer, 15 Min, OmeU 1961 Drei von vielen, 34 Min, OmeU 1960 Notwendige Lehrjahre, 18 Min, OmeU (HFF) 1958/59 Dresden, wenige Jahre danach, 24 Min (HFF) 4 Die Mauer DDR 1990, R: Jürgen Böttcher, 99 Min, OmeU Die Demontage der Berliner Mauer, als Erlösung von einem Alptraum. Filmische Beobachtungen gegen Jahresende 1989/90, als die Grenzen zwischen Berlin-Ost und BerlinWest bereits geöffnet waren, die Mauer aber noch stand. Mauerspechte, Spaziergänger auf ihrem Weg von Ost nach West und umgekehrt, Touristen aus aller Welt, neugierige, geschäftstüchtige Kinder und Grenzer, die plötzlich ihre Aufgabe verloren haben. Der Dokumentarist Jürgen Böttcher, als Maler bekannt unter seinem Pseudonym „Strawalde“, fängt das historisch belastete Bauwerk in intuitiven Beobachtungen und kalkulierten Tafelbildern ein: Metaphorische Impressionen vom Auseinanderbrechen des "antifaschistischen Schutzwalls". Weitere Hinterlassenschaften der ehemals geteilten Stadt gelingen: Die Unterwelt der stillgelegten Bahnhöfe, auf denen 30 Jahre lang kein Zug halten durfte. Mittels Filmprojektionen auf dem rissigen Beton der letzten Mauersegmente wird auch die ältere Vergangenheit wieder lebendig. Da reitet Kaiser Wilhelm durch das Brandenburger Tor, ist ein Aufmarsch der Nazis zu sehen und auch der berühmte Sprung eines ostdeutschen Polizisten über die gerade errichtete Mauer. U. a. mit dem „Felix“ (Europäischer Filmpreis für den besten Dokumentarfilm) prämiertes Zeitdokument aus den letzten Tagen der Berliner Mauer. Historische Momente werden unkommentiert, aber mit der Bilderkraft des Malers Strawalde festgehalten. In Georgien DDR 1987, R: Jürgen Böttcher, 106 Min, OmeU Eine Ausstellung über den georgischen, naiven Maler Niko Pirosmani (1862-1918) weckte in Jürgen Böttcher den Wunsch, einen Film über dieses vorderasiatische Land zu drehen. Erst zwei Jahrzehnte später, in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre erhält der Regisseur das erste Mal die Genehmigung, im Ausland zu drehen. Es soll ein subjektiver und sinnlicher Erlebnisbericht mit den Augen des Künstlers und Regisseurs Jürgen Böttcher werden, der assoziativ Impressionen und Originaltöne miteinander verwebt und fasziniert eintaucht in das Unbekannte. So stimmt Böttcher den Zuschauer gleich zu Beginn ein: „Gäste für kurze Zeit - fanden und genossen wir als Kostbarstes überall in den Dörfern den ersten Blick der Begegnung, die Melodie der fremden Sprache - ohne alles verstehen zu wollen“. Ausgehend von der mittelalterlichen Hauptstadt und dem religiösen Zentrum Mzcheta fährt das Filmteam in das pulsierende Tiflis zu den Bildern von Niko Pirosmanaschwili. In Kachetien, der Heimat Pirosmanis, begegnen die Reisenden aserbaidschanischen Hirten bei der Schafschur, einem Bauern mit Eselskarre samt Weinpresse und immer wieder der georgischen Gastfreundschaft. So führt ihr Interesse an einem prächtigen Granatapfelbaum zu einem spontanen Picknick mit viel Wein und Gesang. Am Schwarzen Meer in Batumi (Adsharien), der Legende nach das Land des Goldenen Vlies und der Argonauten, zeigt Böttcher die Welt eines Vergnügungsparks. Die letzten Stationen führen in den hohen Kaukasus Swanetiens nach Mestia und Uschguli, deren Wehrtürme inzwischen zum Unesco-Welterbe gehören. 1988 erhielt „In Georgien“ ganz im Zeichen der Glasnost-Politik eine Einladung des Forums der Berlinale, für Böttcher war dies die zweite Berlinale-Präsenz. 2006 wurde der Künstler mit einer Berlinale Kamera für sein Lebenswerk geehrt. 5 Die Küche DDR 1987, R: Jürgen Böttcher, 43 Min, OmeU Die Beobachtungen in der Hauptküche der Neptun-Werft Rostock kommen ohne direkte Kommentare der Protagonistinnen aus. Keine der Frauen spricht in die Kamera, keine erzählt etwas über sich oder ihre Arbeit. Böttcher und Plenert zeigen die geschickten Handgriffe an den schweren Kesseln, ein Lächeln im Vorübergehen, die Hitze, den Küchengeruch und Wortfetzen. So entsteht ein allgemeingültiges Bild von Frauen, die einer schweren, oft monotonen Arbeit nachgehen. Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner DDR 1985, R: Jürgen Böttcher, 32 Min, OmeU Zwei Maler treffen sich: Der alte, konstruktivistische Maler Hermann Glöckner (1889-1987) vor der Kamera zeigt dem jungen Jürgen Böttcher hinter der Kamera seine Arbeiten. Der Regisseur sitzt im Atelier macht eine kurze Bemerkung zu einer Plastik oder einem Blatt. Es scheint fast so, als habe der 96jährige Glöckner die Anwesenheit des Kollegen vergessen. Er zeichnet mit weit ausholender Geste seine Linien aufs Papier, betrachtet das Blatt, verwirft das eine, akzeptiert die Qualität der meisten, sein Selbstbewusstsein kennt keine Koketterie. Rangierer DDR 1984, R: Jürgen Böttcher, 22 Min, OmeU Als eine Version des Cinéma Verité gibt dieser Film in großartigen Schwarzweißbildern Einblicke in das physisch anstrengende und Präzision erfordernde Arbeitsleben erfahrener Rangierer. Bei jedem Wetter, Tag und Nacht koppeln sie die Waggons an und ab in den Eisenbahnanlagen des Güterbahnhofs Dresden-Friedrichstadt, einem der wenigen Gefällsbahnhöfe, in denen zum Rangieren die Schwerkraft benützt wird. Geräusche erfüllen die Luft: Hämmern, die knarzenden Schritte der Arbeiter auf dem Kies, Pfiffe und Rangiergeräusche. Museum of Modern Art New York 2005 - DEFA-Retrospektive "Rebels with a cause": “Impressive images of the dignity of the working man.” Verwandlungen, Teil 1: Potters Stier DDR 1981, R: Jürgen Böttcher, 16 Min, OmeU Seit Jahren hatte Jürgen Böttcher zu seinem Vergnügen Kunstpostkarten übermalt, fast immer trug er eine Auswahl dieser kleinen Werke bei sich. Nun tut er das vor der Kamera. Aus den Karten, aus der Arbeit an ihnen entsteht ein lebendiges Bild, eine neue Dimension. Wie ein Zauberer tritt er selbst vor die Kamera, zeigt spielerisch seine Karten, dann sehen wir nur noch den Pinsel, der mit schnellen Strichen die vertrauten Bilder verwandelt. Er hebt Details hervor, lässt anderes unter schwarzen Strichen verschwinden, immer neue Bilder entstehen aus den alten. Ein lustvolles Spiel mit der Kunst, ein Spiel mit der Wirklichkeit, die sich plötzlich als wandelbares, flüchtiges Element erweist. Postkartenreproduktionen der bekannten Tiergruppe von Paulus Potter "Der junge Stier" erleben durch vielfache Übermalungsvariationen des Malers Strawalde groteske Metamorphosen. Aus dem Experimentalfilm-Triptychon „Verwandlungen“. 6 Verwandlungen, Teil 2: Venus nach Giorgione DDR 1981, R: Jürgen Böttcher, 21 Min, OmeU Strawalde übermalt und variiert Postkartenreproduktionen des berühmten Gemäldes von Giorgiones "Schlummernde Venus". Aus dem Experimentalfilm-Triptychon „Verwandlungen“. In Venus nach Giorgione wird die schlafende Frau aus der Zeit der Renaissance – „Die schlummernde Venus“ des italienischen Malers Giorgione (1478–1510), Gemäldegalerie Dresden – von Böttcher in Beziehung gesetzt mit den Plattenbauten von Berlin-Marzahn. Sie ist den Projektionen des Künstlers ausgesetzt. Vorhänge, Spiegel, sich verdunkelnde Hintergründe, sich ständig verändernde Ein- und Ausblicke, begleitet von Musik und Gesang, und, unter anderem, ergänzt durch das Sujet „Ländliches Konzert“, zeigen die möglichen Assoziationen zur „Schlummernden Venus“. (Quelle: Viennale) Verwandlungen, Teil 3: Frau am Klavichord DDR 1981, R: Jürgen Böttcher, 17 Min, OmeU Der Regisseur und Maler Böttcher verfilmt 1981 seine alte Leidenschaft, die Kunstpostkarten mit Farben zu übermalen. Der Zuschauer wird zum Zeugen eines Spiels mit der Wirklichkeit, indem die neuen Farben die bestehenden Elemente verwandeln oder in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Künstler als Herr der Dinge. Die Postkartenreproduktionen des Gemäldes "Frau am Klavichord" von Samuel de Witte erfahren im Verlauf des Films durch Übermalungsvariationen des Malers Strawalde vielfache grotesk-spielerische Veränderungen, die, ergänzt durch bewegte Projektionen, zu einer Reihe mitunter verschlüsselter bis gruseliger Metamorphosen werden. Aus dem Experimentalfilm-Triptychon „Verwandlungen“. Martha DDR 1978, R: Jürgen Böttcher, 56 Min, OmeU Martha ist 68 Jahre alt und arbeitet noch immer auf dem Bau. Böttcher zeigt ihre letzten Arbeitstage auf der Baustelle, wo sie Schutt sortiert. In langen ruhigen Einstellungen zeigt er die tägliche Arbeit der Berlinerin, die Schuttberge in winterlicher Landschaft, das endlos laufende Band, an dem sie den ankommenden Schutt sortiert, frierend, geduldig. Ungeschönt ist die Atmosphäre der Baubude: Martha im Umgang mit den jungen Kollegen, rauh sind die, fast rücksichtlos, mit einer nur schwer erschließenden Freundlichkeit. Nach ihrer Abschiedslage, als sie allein in der Baubude zurückbleibt, erzählt sie von ihrem Leben, vom zerbombten Berlin, von den tapferen Kindern, von ihrer Arbeit als Trümmerfrau. Murieta DDR 1977, R: Jürgen Böttcher, 18 Min Bericht über eine besondere, experimentelle Aufführung des poetischen Stückes "Glanz und Tod des Joaquin Murieta" von Pablo Neruda in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Theater Berlin und der Schauspielschule "Ernst Busch" unter Mitwirkung eines italienischen Bühnenbildners und eines kolumbianischen Literaturwissenschaftlers. 7 Ein Weimarfilm DDR 1976, R: Jürgen Böttcher, 69 Min, OmeU Zum 1000jährigen Jubiläum der Stadt Weimar erhielt Jürgen Böttcher den Auftrag, die schöngeistige Hauptstadt von einst und ihre wechselvolle Geschichte vom Klassiker-Mekka über das KZ Buchenwald bis zur aktuellen Gegenwart zu porträtieren. Durch den romantisch verschneiten Wald führt Böttcher in die Stadt hinein. Plätze, Räume, zunächst vielleicht unbekannt, werden im Laufe des Films entschlüsselt. Bei der Romantik belässt es der Regisseur nicht. Berühmte Persönlichkeiten und ihre auch kritischen Einschätzungen über Weimar schärfen den Blick für die Stadt, ihre Künstler und die zentrale Figur Johann Wolfgang von Goethe. Mit dem Gestus des Malers montiert Böttcher Bildsequenzen und schafft so neben dem intellektuellen Zugang eine dichte, emotionale Atmosphäre. Als Kommentar zu den assoziativen Bildern von Winterlandschaften, sommerlichen Parkanlagen, Details aus den Cranachgemälden, dem Haus Goethes montiert er die Musik aus dem "Wohltemperierten Klavier" von Bach und die exotischen Klänge der Gruppe "Bayon". Jürgen Böttcher zeigt Weimar so, wie die Stadtväter ihre Stadt nicht dargestellt wissen sollten. Die Auftraggeber forderten Veränderungen und verhinderten schließlich die Aufführung des Films. Großkochberg - Garten der öffentlichen Landschaft DDR 1976, R: Jürgen Böttcher, 16 Min, OmeU Schloss Kochberg war einst im Besitz der Familie von Stein und Goethe war dort mehrmals zu Besuch bei Charlotte von Stein. Aus Anlass der Feierlichkeiten “1000 Jahre Weimar“ wird das zur Gedenkstätte umgestaltete Schloss der Öffentlichkeit übergeben. Auf der Einweihungsfeier geben Studenten der Musikhochschule Weimar ein großes Festkonzert. Anhand von alten Stichen und persönlichen Briefen und Bildern erfährt der Zuschauer mehr über die Beziehung zwischen Goethe und Charlotte. Im Lohmgrund DDR 1976, R: Jürgen Böttcher, 27 Min, OmeU Dem Geheimnis, wie aus täglicher Arbeit Kunst entsteht, auf der Spur: Einen Sommer lang arbeiten im Steinbruch „Lohmgrund I“ Bildhauer und Steinbrucharbeiter nebeneinander. Die Künstler sind Teilnehmer eines Symposiums ihres Verbands, trotzdem reden sie fast nie über Kunst. Böttcher zeigt die alltäglichen Handgriffe, die Anstrengungen, die die Bearbeitung des Steins kostet. Der Zuschauer beobachtet die Entstehung einer Plastik von Peter Makolies, der neben seinem Freund Hartmut Bonk arbeitet. Die gewaltige Dimension des Steinbruchs und die ihn umgebende Natur werden in Beziehung gesetzt zu den Menschen, die dort leben und arbeiten. 8 Die Mamais DDR 1974, R: Jürgen Böttcher, 19 Min Dieser Farb-Dokumentarfilm berichtet über die "Mamais". 1960 stellte sich eine Gruppe von Arbeitern der Bitterfelder Chemiewerke die Aufgabe, als erste “sozialistische Brigade“ der DDR gemäß der Losung “Sozialistisch arbeiten, lernen und leben“ zu handeln. Namensgeber der Brigade war der sowjetische Bergarbeiter Nikolai Jakowlewitsch Mamai, der 1958 in der Sowjetunion die Wettbewerbsbewegung zur täglichen Übererfüllung der Schichtnorm und des aufgeschlüsselten Planes an jedem Arbeitsplatz ins Leben gerufen hatte. 15 Jahre später besucht Regisseur Jürgen Böttcher die Arbeiter, um sie rückblickend zu ihrer damaligen Situation und zur aktuellen Situation zu befragen. Der Zuschauer wird Zeuge der harten Arbeitsbedingungen in der Halle mit den Elektrolyse-Öfen zur Gewinnung von Aluminium. Erinnere Dich mit Liebe und Hass DDR 1974, R: Jürgen Böttcher, 40 Min Musik ist Revolution, die Revolution braucht Musik. Die chilenische Bewegung des neuen Liedes, „La Nueva Cancion Chilena“, reflektiert enthusiastisch die Visionen, sozialen Umwälzungen und politischen Ereignisse zu Zeiten Salvador Allendes und der Unidad Popular. 1971 auf dem Berliner Festival des politischen Liedes begegnen die Filmemacher zum ersten Mal den bis heute noch bekannten chilenischen Musikern wie der Familie Violeta, Isabel und Angel Parra, den Gruppen Inti Illimani und Quillapayún. Damals entsteht das hoffnungsvolle Porträt „Song international“ von Jürgen Böttcher. Nur drei Jahre später, kurz nach den Geschehnissen im Palacio de la Moneda, suchen die Regisseure ernüchtert und voller Sorge erneut die Begegnung mit einigen der Musiker, mit denen, die sich ins Exil retten konnten. Montiert mit ausdrucksstarken Fotos und Szenen aus dem Film des chilenischen Regisseurs Patricio Guzmán „Das erste Jahr“ erzählen Böttcher und Liebmann von der Musik und ihrem Bezug zur Realität und jüngsten Vergangenheit. Am Schluss setzen die beiden ein Zeichen: Den Revolutionsklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ und die rote Fahne von Eisenstein zitierend, endet der Schwarz-Weiß-Film ganz in Rot – „Venceremos“, wir werden siegen. Wer die Erde liebt DDR 1973, R: Joachim Hellwig, Uwe Belz, Jürgen Böttcher, Harry Hornig, 72 Min Sommer 1973. Neun Tage und neun Nächte ist die Jugend der Welt in Berlin zu Gast. Für kurze Zeit zeigt sich die geteilte Stadt weltoffen, ist die Abschottung der Hauptstadt der DDR vergessen. Auf den Straßen und Plätzen der Stadt werden Frieden und Freundschaft gerufen und intensiv darüber diskutiert. Auf den Wiesen rund um den Fernsehturm genießen die jungen Leute die Flower Power Atmosphäre; die Weltzeituhr, klassischer Berlin-Treffpunkt, ist gespickt mit kleinen Nachrichtenzetteln. Erich Honecker, seit 1971 an der Macht, will mit dem Festival sein Land in einem neuen Gewand präsentieren. „Entsprechung jenes kurzen Traums von Offenheit, der diesem 'FDJ-Woodstock' bis heute ostalgischen Glanz gibt.“ (zitty, 2006) 9 Wäscherinnen DDR 1972, R: Jürgen Böttcher, 23 Min, OmeU Wahrhaftige, einprägsame Bilder von der harten Arbeit der Mädchen in einer Wäscherei. Dampfschwaden, rotierende, lärmende Trommeln, überlaufendes Wasser und immense Wäscheberge – die Arbeit in der Berliner Wäscherei Rewatex gehört nicht zu den Traumberufen. Ganz offen äußern das die Mädchen, die in dem Jugendobjekt zur Textilreinigungsfacharbeiterin ausgebildet werden, oft weil sie nichts anderes gefunden hatten. Trotzdem streben die Lehrausbilderinnen danach, in ihren Zöglingen Interesse für die Arbeit und sogar Schönheitssinn zu wecken, ein nur im ersten Moment erstaunliches Ziel. Jürgen Böttcher gibt sensibel Einblick in eine unbekannte Welt, nicht nur in den Kräfte zehrenden Arbeitsalltag einer Wäscherei. Als die Mädchen über die Liebe und den Traummann sprechen, flackern ihr Selbstbewusstsein und der Glanz ihrer Jugend auf. „Durch Böttchers Film bekommt der Zuschauer Zugang zu einer fremden Welt, die er sonst nur von außen kennt. Nun ist er mitten im Alltag einer Wäscherei, mitten unter den arbeitenden Mädchen. Und merkt, wie vertraut ihm das Fremde ist. Da zeigt einer, wie genau man hinschauen muss, wie einfach es ist, Schönheit in den Gesichtern, in den Gesten, den Körpern, den profanen Vorgängen zu erkennen.“ (Helke Misselwitz, 1991) Song international DDR 1971, R: Jürgen Böttcher, 45 Min Bericht vom zweiten Festival des politischen Liedes, das der Oktober-Klub Berlin vom 7. bis 13. Februar 1971 organisierte. Einheimische Musikgruppen treffen auf politisch engagierte Musiker aus dem Ausland: aus den osteuropäischen Ländern ebenso wie aus den westlichen Industriestaaten und aus Afrika wie Lateinamerika. Zu sehen sind der Lyrik-Song-Club, die Lutschina-Gruppe (UdSSR), Il Contemporaneo (Italien), Cynthia-NokweGruppe (Südafrika), Agit-Prop (Finnland), Thanh-Nien HoChi Minh (Vietnam), Quila Payun und Isabel Parra (Chile). Das vorgetragene Liedgut vereint die Gruppenmitglieder in dem Bestreben alle Kräfte zu bündeln, um so zum Widerstand gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg beizutragen. Viel Raum nehmen Aufnahmen der Auftritte der Künstler ein, ergänzt durch Gespräche und Dokumentaraufnahmen, die den Hintergrund der Musiker und ihrer Lieder näher bringen sollen. Ein Musikportrait von Jürgen Böttcher. Dialog mit Lenin DDR 1970, R: Jürgen Böttcher, 32 Min Dieser dokumentarische schwarz-weißKompilationsfilm mit historischen Foto- und Filmeinblendungen berichtet über die Verwirklichung der Leninschen Ideen und Praktiken in der DDR. Den vorgetragenen Zitate aus Reden und Aufsätzen Lenins sind Porträt- und Gruppenaufnahmen unterlegt. Der so entstandene Dokumentarfilm zeigt die Anstrengungen und Leistungen beim Aufbau eines neuen Deutschlands. 10 Der Oktober kam DDR 1970, R: Karl Gass, Jürgen Böttcher, Volker Koepp, Gitta Nickel, Peter Rocha, Peter Ulbrich, Alexander Ziebel, 70 Min Bericht über Veranstaltungen und Delegationen anlässlich des 20. Jahrestags der DDR. - Der Arbeitstitel lautete: Wir sind 20. Arbeiterfamilie DDR 1969, R: Jürgen Böttcher, 30 Min Ein sehenswerter Film über Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Kernbau des VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden. "Die Arbeiter sind Herren ihres Betriebes, in dem sie arbeiten. Sie bestimmen über die Stadt, in der sie wohnen. Sie regieren den Staat, in dem sie leben." Jeden Monat legt der Meister vor der Brigade Rechenschaft ab über den Erfüllungsstand des Produktionsplanes. Selbstzufriedenheit ist nicht angesagt. Mit 54 Jahren hat sich eine Arbeiterin noch weiterqualifiziert. Die Kernbauer sind seit der Einschulung Patenbrigade der jetzigen 10. Klasse. Die Kernbauer sind auch kulturell sehr interessiert und haben einen Kontakt zu Künstlern des Staatstheaters Dresden. "Beide lernen voneinander: die Arbeiter von den Künstlern und die Künstler von den Arbeitern." Der Film gibt immer wieder auch kurze Einblicke in das Leben der Familien. Wie läuft es ab? Mann und Frau arbeiten. Die Kinder gehen in den Kindergarten, in die Schule und den Schulhort. In der Freizeit gehen die Familien ins Theater, besuchen Ausstellungen in den Museen und spazieren durch die landschaftlich schöne Umgebung Dresdens. Ein von einem Kernbauer selbst gedrehter Schmalfilm mit dem Titel. "Das sind wir" zeigt Szenen aus dem Brigadeleben. Das die Brigade mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, bleibt nicht verborgen. Ein Vertrauensmann DDR 1968, R: Jürgen Böttcher, 19 Min, OmeU Der Film porträtiert Hans Schmidt, einen jungen Gewerkschaftsvertrauensmann, und seine Kollegen vom VEB Wohnungsbaukombinat Rostock bei der Arbeit und mit den Problemen auf einer Baustelle im Rostocker Neubaugebiet Lütten Klein im Juni 1968. „erst Jürgen Böttcher setzte in seinen ‚Produktionsfilmen‘ (der) symbolischen Darstellung ein Ende und stellte die Abbildung aus der Arbeitswelt vom Kopf auf die Füße. … so fällt eine beharrliche Dekonstruktion dieses eigentlich originär-parteipolitisch besetzten Genres auf. … Parallel dazu gewinnt das beharrliche Beobachten an Gewicht. Hier wusste sich der Regisseur in geistiger Verwandtschaft mit … ‚Cinéma vérité oder ‚Direct cinema‘“ (Edition Filmmuseum) Der Sekretär DDR 1967, R: Jürgen Böttcher, 29 Min, OmeU Im Chemiekombinat Buna arbeiten viele Frauen, und auch der Parteifunktionär Gerhard Grimmer, "Der Sekretär". Der ehemalige Bergarbeiter, Bauer und Abstichmann ist ein Arbeiter wie sie, einer, der ihre Sprache spricht, wenn er in seiner alten Joppe durchs Werk geht, hier zu einem Gespräch stehenbleibt und dort mit den Frauen lacht. Er kümmert sich um das Arbeitsklima und um die Weiterbildung der Frauen. Der Kamera gelingen sehr authentische und spontane Beobachtungen über den Umgang miteinander und das Werksgeschehen. 11 Tierparkfilm DDR 1967, R: Jürgen Böttcher, 18 Min, OmeU Der Berliner Tierpark liegt im Ortsteil Friedrichsfelde des Bezirks Lichtenberg, wurde 1955 eröffnet und ist mit 160 Hektar Fläche der größte Landschaftstiergarten Europas. Mit sehenswerten Aufnahmen erlebt man die Tiere in ihren Gehegen und großzügigen Freilaufflächen. Der Film kommt völlig ohne Kommentare aus und lenkt den konzentrierten Blick auf Nilpferde, Papageien, Kamele, Rotwild, Wisente, Lamas, Kängurus, Nashörner; Luchse, Vögel, Leoparden, Tiger, Löwen, Eisbären und Krokodile. Der Auftragsfilm lotet seine eng gesteckten Grenzen subversiv aus. Wir waren in Karl-Marx-Stadt DDR 1967, R: Jürgen Böttcher, 34 Min Filmreportage über das Pfingsttreffen 1967 und das 8. Parlament der FDJ in Karl-Marx-Stadt. Kindertheater DDR 1965, R: Jürgen Böttcher, 27 Min Ein Film über das "Theater der Freundschaft" in Berlin und sein junges Publikum. Die Kamera zeigt, wozu das engagierte Theaterensemble in Zusammenarbeit mit den Kindern fähig ist. Barfuß und ohne Hut DDR 1964, R: Jürgen Böttcher, 26 Min, OmeU „Summertime“ in Prerow an der Ostsee, 1964. Eine Gruppe von jungen Leuten verbringt den Sommer am Meer. Verliebt und hübsch sind sie, die Jungen und Mädchen, barfuß in Jeans und lässigen Pullovern. Sie lieben das Gitarrespielen am Strand und den Tanz in den Morgen. Unzählige Tage sind erfüllt von Faulsein, Balgen im Sand, Nachdenklichkeit und Glück. Einer spricht über seine Liebe zur Musik, einer über seinen Freund, viele über ihre beruflichen Pläne, Träume und Abenteuerlust. Ein heiterer und atmosphärischer Film, erfüllt vom Lebensgefühl der sechziger Jahre, das entfernt an Woodstock erinnert. Charlie und Co DDR 1963, R: Jürgen Böttcher, 14 Min Arbeiter, Techniker, Angestellte und Ingenieure aus dem "Karl Marx-Werk" in Magdeburg haben sich zu einem Laienzirkus zusammen gefunden. Wir werden Zeuge der Generalprobe, die vor dem öffentlichen Auftritt im Werk stattfindet. Clowns, Akrobaten, Zauberer und Musiker üben intensiv und voller Hingabe ihren Part. Die Kommentierung ist sehr knapp gehalten, allein die Kameraführung und die flotte Musik der "Karl-Marx-Band" sowie der gute Schnitt bringen dem Zuschauer lebhaft die konzentriert ablaufenden Übungen der profihaft wirkenden Laienkünstler näher. 12 Silvester DDR 1963, R: Jürgen Böttcher, 10 Min Die Belegschaft des Eisenhüttenkombinats Ost feiert im Haus der Gewerkschaften Silvester. Die Kamera beobachtet die abgelöste Schicht, gleichzeitig wird am Hochofen schwer gearbeitet. Kurz zuvor drehte Regisseur Jürgen Böttcher den Kurzfilm "Ofenbauer" über das Kombinat. Stars DDR 1963, R: Jürgen Böttcher, 20 Min, OmeU Die heiteren und schlagfertigen Frauen einer Brigade des Berliner Glühlampenwerks leisten täglich eine monotone, von der Öffentlichkeit unbeachtete Arbeit. An ihnen entdeckt der Regisseur Jürgen Böttcher Schönheit, Besonderes und den Glanz von Sternen. Ein ehrlicher Film, in dem die Frauen mit Offenheit über ihre Arbeit und persönlichen Probleme sprechen. Im Pergamon-Museum DDR 1962, R: Jürgen Böttcher, 19 Min, OmeU Die Kamera beobachtet im Pergamonmuseum in Berlin meist die Besucher und malt deren Blicke auf Szenen des Figurenensembles. In den Gesichtern der Betrachter spiegelt sich das Erstaunen über die Schönheit und Anmut der antiken Skulpturen, ist Ergriffenheit spürbar. Die Besucher kommen aus der ganzen Welt - man sieht Inder, Asiaten, Schwarze. Alle Altersgruppen sind vertreten vom Kind bis zum Greis. Sie kommen einzeln oder in Gruppen, verständigen sich über das zu Sehende. Der Film kommt ohne jeden Kommentar aus. Man sieht mehr Bilder von den Besuchern als vom Altar. Das heißt, dem Film ist es wichtig, das kulturelle Interesse der Menschen zu zeigen. Gerhard Rosenfeld schafft dazu stimmungsvolle Musik mit klassischer Anmutung. Ein frühes und äußerst interessantes Werk des großen Dokumentarfilmers Jürgen Böttcher. Ofenbauer DDR 1962, R: Jürgen Böttcher, 15 Min, OmeU Eisenhüttenstadt an der Oder im August 1962. Im Eisenhüttenkombinat Ost gibt es sechs Hochöfen, die jeweils eine Lebensdauer von sieben Jahren haben. Danach muss der von sengender Glut ausgebrannte Ofen durch einen vollständig neuen ausgetauscht werden. Das bedeutet eine 18-m-Verschiebung eines 65 Meter hohen und 2000 Tonnen schweren Hochofens. Normalerweise benötigen Arbeiter und Ingenieure für die Generalreparatur 80 Tage, nun wollen sie mit der Hälfte der Zeit auskommen, um die Stillstandzeit zu verringern. Während der alte Hochofen 3 noch in Betrieb ist, wird ein neuer daneben gesetzt. Als der ausgediente Ofen abgerissen wird, muss der neue Koloss von 2000 Tonnen und 56 Metern Höhe mittels Stahlseilen und Stahlrollen um 18 Meter auf das alte Hochofenfundament verschoben werden. Regisseur Jürgen Böttcher filmt nur am Rande die neue Technologie, ihn interessiert die Darstellung schwerer körperlicher Arbeit. In beeindruckenden Bildern zeigt er die Gesichter der Arbeiter, Konzentration, Anstrengung und die Präzision, mit der sie jeden Handgriff verrichten. Nachdem sein erster Dokumentarfilm „Drei von vielen“ verboten wurde, dreht Böttcher nun, wie Arbeitern eine Bestleistung gelingt. Der Kommentar in Wir-Form unterstreicht das enge Zusammengehörigkeitsgefühl. Ausgezeichnet mit der Silbernen Taube auf den Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1962. 13 Drei von vielen DDR 1961, R: Jürgen Böttcher, 34 Min, OmeU „Drei von vielen“ war einer der ersten Dokumentarfilme der DEFA, die nicht aufgeführt wurden. Drei Freunde stellt Jürgen Böttcher vor; junge Arbeiter, die bei ihm Kunstunterricht nehmen und in ihrer Freizeit malen, zeichnen, Skulpturen aus Stein hauen. Obwohl sie in unterschiedlichen Berufen tätig sind, Peter Hermann ist Chemigraph, Peter Graf Kraftfahrer und Peter Makolies Steinbildhauer, finden sie immer wieder zusammen, um über ihre Malereien, Eindrücke und Gedanken zu diskutieren. Der Arbeiter, der zugleich Künstler wird, war ein altes marxistisches Ideal und entsprach ganz den Forderungen der Bitterfelder Konferenz. Wenn der Film trotzdem Misstrauen erregte, war das nicht nur der allgemeinen Verunsicherung dieser Zeit geschuldet. Ein eigener, neuer Ton liegt über diesem Film. In einer Zeit der pathetischen Erklärungen fällt seine Sachlichkeit und subtile Einfachheit auf, Jazz statt Beethoven, eine Ahnung von Künstlerleben anstelle hehrer Arbeitergestalten. Und Böttchers Freunde sind Individualisten, junge Künstler, die fröhlich und unabhängig von offiziellen Vorstellungen nach ihren eigenen Normen leben. Was die Abnahmekommission misstrauisch werden ließ, macht den Film noch heute zu einem Erlebnis. Und was sie übersah, die Hoffnung auf das Neue einer sozialistischen Welt, macht ihn zu einem wichtigen Zeitdokument. Notwendige Lehrjahre DDR 1960, R: Jürgen Böttcher, 18 Min, OmeU An der Deutschen Hochschule für Filmkunst (heute Filmuniversität Konrad Wolf) entstandener Diplomfilm über einen Jugendwerkhof in Thüringen über straffällig gewordene Jugendliche. Jürgen Böttcher gibt seinen Protagonisten viel Raum; er nähert sich vorurteilsfrei, einfühlsam und vorsichtig. Außerdem ist seine Neugierde an den Lebenssituationen und -geschichten seiner Figuren zu spüren. „Seine Beobachtungen künden bereits vom Blick des späteren Meisters“ (Edition Filmmuseum) „‘Natürlich wollten wir beweisen, daß wir genauso tolle Filme wie Fellini und Antonioni machen konnten‘, sagt Jürgen Böttcher über sein Studium an der Babelsberger Deutschen Hochschule für Filmkunst. Der Dokumentarfilm war für ihn auf dem Weg zu diesem Ziel nur eine Zwischenstation. ‚Notwendige Lehrjahre‘, sein Diplomfilm, macht das anschaulich. … Der didaktische Zug, der den die Bilder überwuchernden Kommentar durchtränkt, entsprach, so Jürgen Böttcher, seiner damaligen Haltung. Wichtiger allerdings war ihm, sich mit dem Gegenstand überhaupt befassen zu können, in einen Jugendwerkhof zu gelangen und dort zu drehen. Und ebenso wichtig war ihm der Teil des Films, der heute irritiert, wenn man nicht weiß, welchen Wert der Regisseur ihm beimaß: die inszenierten Sequenzen. Diese Jungs auf die Leinwand zu bringen und sie ihre Erlebnisse auch noch spielen zu lassen, hatte für ihn programmatische Bedeutung.“ Zum ersten Mal zu sehen ist auch Sanije Torka (geb. 1944), das Vorbild für „Solo Sunny“ (R: Konrad Wolf, Wolfgang Kohlhaase) zu sehen ist: „Inmitten einer Gruppe junger Menschen fallen einem die wachen schwarzen Augen eines Mädchens auf, das lebhaft wirkt und durchsetzungsfähig. Und gleichzeitig sehr allein, fast so, als wäre es von einem Ballon umgeben. Aber erst später fügen sich diese Bilder mit anderen zu einem größeren Bild.“ (Berliner Zeitung, 2009) Dresden, wenige Jahre danach DDR 1958/59, R: Jürgen Böttcher, 24 Min Während seiner Studienzeit lernt Kameramann Christian Lehmann den späteren Regisseur Jürgen Böttcher kennen. An seinem Hochschulfilm „Dresden, wenige Jahre danach“ arbeitet er mit. Dabei entwickelt sich sein spezielles Interesse für den Dokumentarfilm. Auch später wird zwischen den beiden Künstlern eine enge Arbeitsbeziehung bestehen. 14 Volker Koepp Dokumentarfilmer sein bedeutet unterwegs sein. So verwundert es kaum, dass Koepp-Filme oft mit einer langen Kamerafahrt beginnen. Volker Koepp (geb. 22.06.1944 in Stettin), der filmische Alltagsforscher, nimmt seine Zuschauer mit auf die Reise, mit an den Ort des Geschehens, im Zug, Auto, Boot oder Pferdefuhrwerk – eine langsame Annäherung an den Alltag. Einen kurzen, erklärenden Kommentar aus dem Off, eine Einführung in Geschichte und Gegenwart der Landschaft gibt es in der Regel nur am Anfang. Koepp, Meister des ruhigen Beobachtens, lässt seine porträtierten Menschen und deren Heimat sprechen. Seine Fragen aus dem Off sind respektvoll und niemals indiskret, manchmal erstaunt ihre Einfachheit, denn im Kern sprechen sie das Naheliegende an. Koepps Kameramänner Christian Lehmann und später Thomas Plenert setzen diese filmische Haltung kongenial ins Bild. 1989 1987 1985 1985 1984 1982 1981 1980 1979 1978 1978 1977 1977 1976 1976 1975 1975 1974 1973 1973 1972 1970 1970 1968 1967 Märkische Ziegel, 34 Min, OmeU Feuerland, 30 Min Afghanistan 1362. Erinnerung an eine Reise, 55 Min An der Unstrut, 28 Min Leben in Wittstock, 85 Min In Rheinsberg, 30 Min Leben und Weben, 29 Min Haus und Hof, 31 Min Tag für Tag, 32 Min Wittstock III, 32 Min Am Fluss, 34 Min Hütes-Film, 35 Min Ich erinnere mich noch, 17 Min Das weite Feld, 34 Min Wieder in Wittstock, 22 Min Er könnte ja heute nicht schweigen, 34 Min Mädchen in Wittstock, 20 Min Slatan Dudow - Ein Filmessay über einen marxistischen Künstler, 30 Min Gustav J., 19 Min Teddy, 25 Min Grüße aus Sarmatien für den Dichter Johannes Bobrowski, 14 Min Der Oktober kam (mit Karl Gass, Jürgen Böttcher, Gitta Nickel, Peter Roch u.a.) Junge Leute, 15 Min Wir haben schon eine ganze Stadt gebaut, 5 Min Sommergäste bei Majakowski, 30 Min Märkische Ziegel DDR 1989, R: Volker Koepp, 34 Min, OmeU Frühjahr 1988, märkische Kleinstadt Zehdenick an der Havel. Seit genau 100 Jahren bestimmen Ziegeleien den Lebensrhythmus der Zehdenicker. Gestandene Ziegler und junge Facharbeiter äußern sich freimütig über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Ein realistisches Zeitdokument und Gegenbild zur offiziellen Version der Arbeiterklasse, zugleich auch ein kleiner historischer Abriss anhand von Archivmaterial aus „Der Augenzeuge“ von 1952. Ein Stück filmischer Chronik der märkischen Kleinstadt Zehdenick an der Havel. 15 Feuerland DDR 1987, R: Volker Koepp, 30 Min Nein, mit Feuerland ist nicht die Insel in Südamerika nahe dem Ende der Welt gemeint, sondern die Dorotheenstadt in Berlin-Mitte, die im 19. Jahrhundert diesen Namen trug wegen der vielen Eisengießereien und Maschinenfabriken, die die Gegend prägten. An die Zeit, als die Borsig-Schmieden noch lärmten, erinnern heute nur noch die Straßennamen wie Schwartzkopff-, Wöhlert- oder Borsigstraße. Ein richtiges Kommunikationszentrum ist die Gaststätte Borsig-Eck, dort trifft sich ein bunter Querschnitt der Bevölkerung, jung und alt. Ein 75jähriger Schachmeister, der in frühen Jahren mit seinem Spiel begann, Bauarbeiter aus Neubrandenburg, die zu Hause keine Arbeit finden, Fußballfans und ein junges Hochzeitspaar, das zu Udo Lindenbergs „Unterm Horizont geht’s weiter“ tanzt. Zu sehen sind auch die Rekonstruktionsarbeiten des Stadtbad Mitte, eine der ältesten Berliner Schwimmhallen. Im "Stadion der Weltjugend" findet ein Fußballspiel statt, die Fans laufen lärmend die Chausseestraße entlang. Vom Charité-Hochhaus hat man alles im Blick: Die Ackerhalle (1888 erbaut) und das Altdeutsche Ballhaus. Der Film zeigt ein Stück Alltags- und Straßenleben auf sehr unmittelbare, authentische Weise. Afghanistan 1362. Erinnerungen an eine Reise DDR 1985, R: Volker Koepp, 55 Min Im Dezember 1979 überschreiten Sowjet-Truppen die afghanische Grenze und erobern die Hauptstadt Kabul. Vier Jahre später, nach der islamischen Zeitrechnung im Jahr 1362, kann Regisseur Volker Koepp mit einem Filmteam Kabul und einige benachbarte Provinzen bereisen. Sein Ziel ist es, Menschen in deren Alltag zu begegnen, jenseits von ideologischen Rastern, fern von den Wirren des „unerklärten Krieges“, wie Koepp es bezeichnet. T agebuchartig aufgebaut, ermöglicht die Reportage dem Zuschauer eine langsame Annäherung an das unbekannte Land, an Arbeiter und Intellektuelle, Soldaten, Nomaden, Erwachsene und Kinder. Aus heutiger Sicht besonders interessant ist die damalige Situation der Frauen und Mädchen. Damals noch sind sie Nutznießerinnen der Alphabetisierungskampagnen, gehen in die Schule und erzählen von ihren Berufswünschen – Dinge, die Jahre später verboten wurden. Filmisches Tagebuch, das zu seiner Zeit eine gewagte Stellungnahme bezüglich der sowjetischen Invasion war und aufgrund der neueren politischen Entwicklungen im Land am Hindukusch weiterhin von Interesse ist. An der Unstrut DDR 1985, R: Volker Koepp, 28 Min Memleben im Unstruttal (heute Sachsen-Anhalt) war vor mehr als 1000 Jahren Mittelpunkt Europas, Lieblingspfalz und Sterbeort des ersten deutschen Königs Heinrich I. (um 875-936) und seines Sohns Otto I. (912-973). Die Klosterruine, die Burgruine Wendelstein erinnern an Vergangenes. Der Schauspieler Rolf Hoppe liest Texte von den Schriftstellern Willibald Alexis, Friedrich Hölderlin, Johannes Bobrowski und Wladimir Majakowski, in Korrespondenz zu den Kameraaufnahmen lassen sie die Charakteristik der Landschaft plastisch werden. In den 1980er Jahren prägen auch das Zementwerk, die Abraumpyramide des Kalischachts "Heinrich Rau" und das volkseigene Gut mit seinem Getreide- und Weinanbau das Gesicht der Landschaft und die Lebensweise der Menschen. Volker Koepp gibt Arbeitern aus dem Kalischacht, einem Schäfer und einer Mitarbeiterin für Umweltschutz im Kulturbund, jungen wie älteren Menschen das Wort. Auf poetische Weise mit Metaphern wirft der Regisseur allgemeingültige Fragen menschlicher Lebensbeziehungen anhand eines konkreten Orts auf und regt zum Nachdenken über das Verhältnis von Gesellschaft und Natur an. 16 Leben in Wittstock DDR 1984, R: Volker Koepp, 85 Min Abendfüllender Kompilationsfilm über einen Zeitraum von zehn Jahren (1974-1984), der als Abschluss der Wittstock-Kurzfilmreihe gedacht war: Nur 90 km nördlich von Berlin, in der märkischen Kleinstadt Wittstock an der Dosse kommt das 20. Jahrhundert langsamer an als anderswo in Deutschland. In einer ländlichen Sozialstruktur entsteht Anfang der 1970er Jahre außerhalb der Stadtmauern auf einer grünen Wiese ein Textilgroßbetrieb: Mit dem Obertrikotagenbetrieb (OTB) „Ernst Lück“ kommen große Veränderungen auf das märkische Land zu, das bis dahin nur den Reichtum an Sand kennt. Viele Mädchen und Frauen aus der Umgebung zieht es nach Wittstock, denn im OTB arbeiten vor allem Frauen. Volker Koepp beobachtet und begleitet sie über die Jahre, allen voran die erfahrene ältere Renate, Edith, die Mutige und Zupackende, und Elsbeth, die „Mona Lisa in der Endkontrolle“ (Stefan Reinicke). Fern von jeglicher Ideologie und offen erzählen sie von den Anlaufschwierigkeiten des Betriebs, der hohen Fluktuation, den Mängel in der Führungsebene und nicht zuletzt von ihren Träumen und Wünschen. Über die lange gemeinsame Zeit entwickelt Volker Koepp einen liebevollen Blick für seine Protagonistinnen, der noch in Anstrengung, Lärm und Schmutz die Schönheit der Menschen entdeckt. Ein Film aus der Wittstock-Langzeitbeobachtung von Volker Koepp. 27. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1984: Silberne Taube, Preis des Filmkritikerverbandes der DDR 1984, Internationale Filmfestspiele Berlin 1985: Forum In Rheinsberg DDR 1982, R: Volker Koepp, 30 Min Rheinsberg, die Stadt und das Schloss mit seinem Park, frühere und heutige Bewohner, Historisches und Gegenwärtiges sind Themen des Films. Das Schloss war Sommersitz und "heiteres Refugium" des Kronprinzen Friedrich, nach dessen Krönung zum Preußen-König Friedrich II. erhielt Prinz Heinrich das Schloss. Dieser ließ u.a. den Park anlegen. Heinrich gelangte infolge permanenter Meinungsverschiedenheiten mit dem Bruder und König nie zu Ansehen und politischer Bedeutung, die Geschichte hat ihn heute so gut wie vergessen. Im Schloss befand sich zu DDR-Zeiten ein DiabetikerSanatorium, der Park verwilderte und viele Gebäude verfielen - so auch der 200jährige Ratskeller, in dem einst Fontane und Tucholsky wohnten und der 1982 abgerissen werden musste. Koepp spricht mit Arbeitern und Patienten vom Sanatorium, mit Bauarbeitern, die ein 1000-Betten-Haus für den FDGB in der Landschaft errichten sollen. Trotz enormer Schwierigkeiten, die nicht verschwiegen werden, unternehmen die Rheinsberger große Anstrengungen um ihre historischen Kulturdenkmäler zu erhalten bzw. zu erneuern. Der Park soll nach der ursprünglichen Landschaftskonzeption wieder erneuert werden. 13. Internationales Kurzfilmfestival in Tampere 1983: Preis für den besten Dokumentarfilm Leben und Weben DDR 1981, R: Volker Koepp, 29 Min Vierter Wittstock-Film – über die Situation im Lehrlingswohnheim. Zehn Jahre des Trikotagenwerks rückblickend zusammengefasst. Im Mittelpunkt steht erneut Edith Rupp, die mittlerweile Obermeisterin ist und sich verlobt hat. Trotzdem ist sie skeptisch, was die Zukunft bringen wird. Ein Film aus der Wittstock-Langzeitbeobachtung von Volker Koepp. 17 Haus und Hof DDR 1980, R: Volker Koepp, 31 Min Portrait der jungen Frau Isolde, die in Berlin Landwirtschaft studierte und nun mit ihrem Mann, einem Musiker, und dem gemeinsamen Sohn in Hennickendorf im Kreis Luckenwalde lebt. Dort ist sie Abteilungsleiterin für Beregnung und Melioration in der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) und darüber hinaus Abgeordnete im Kreistag. Dass sie in ihrer beruflichen Tätigkeit statt für Bodenverbesserung zu sorgen, aber eher unökologisch handeln muss, ist nur ein Beispiel für die Paradoxie und die realsozialistische Misere des Arbeitsalltags, die ihr sichtlich zu schaffen machen. Das Portrait zeigt eine junge und selbstbewusste Frau, die versucht, den geringen Spielraum zu nutzen, um zwischen ihren persönlichen Überzeugungen und den politischen Realitäten zu vermitteln und bei allen Widrigkeiten vielleicht doch etwas zu verändern. Tag für Tag DDR 1979, R: Volker Koepp, 32 Min Während einer Diskussion bei einem "Filmfrühling" in Mecklenburg wurde Volker Koepp auf eine Frau aufmerksam, die offen auf ihre Direktion schimpfte. So entdeckte Koepp schließlich die Protagonistin seines neuen Films: Karin Reier, eine 36jährige Schweißerin, die in einem Kreisbetrieb für Landtechnik in Schwaan/ Mecklenburg arbeitet. Tag für Tag fügt sie Kartoffelhorden im Akkord zusammen. Mit einer heiteren Entschlossenheit sagt sie, was sie denkt. „… da imponierte mir die unheimliche Intensität, mit der sie alles tat. Lehrlinge betreuen, angeln gehen, den Trabant reparieren, mit Kollegen feiern.“ (Volker Koepp in einem Interview mit Irma Zimm in BZ am Abend, 25. Okt. 1980) Wittstock III DDR 1978, R: Volker Koepp, 32 Min Der dritte Wittstock-Film dreht sich vor allem um Edith Rupp, die Bandleiterin im VEB Obertrikotagenbetrieb (OTB) "Ernst Lück" in Wittstock an der Dosse ist. Ein Film aus der Wittstock-Langzeitbeobachtung von Volker Koepp. Am Fluss DDR 1978, R: Volker Koepp, 34 Min Ein Film über das Oderbruch im Land Brandenburg. Die Bilder halten den Reiz dieser Landschaft mit ihren wechselnden Naturstimmungen fest und stellen Menschen wie Bauer Fritz und Fährmeister Albert vor, die vom Oderbruch geprägt wurden und dieses selbst prägen. Der Film greift auch Fragen auf, die das Leben der Jugend auf dem Lande berühren, Themen wie Berufswahl und Wechsel des Wohnorts. Historisches wird eingebracht, denn im Januar 1945 errichteten Soldaten der Roten Armee in Kienitz den ersten Brückenkopf über die Oder. Bis April 1945 starben hier mehr als 30.000 sowjetische Soldaten. Zugleich beleuchtet Regisseur Volker Koepp auch das gegenwärtige Verhältnis zum Nachbarn Polen. Volker Koepp portraitiert in seinem dritten Landschaftsfilm Menschen und Landschaften in Kienitz im Oderbruch. 18 Hütes-Film DDR 1977, R: Volker Koepp, 35 Min Meiningen im Rhön-Gebirge – mit diesem Ort sind Namen wie Jean Paul, Tilmann Riemenschneider, Goethe und Thomas Müntzer, aber auch Kriege und Teilung verbunden. Hier trifft Volker Koepp auf die Schwestern Berte und Lene, die ganz ihrer Heimat in Thüringen und dem Henneberger Land verbunden sind und ihren Berg lieben. Er erfährt von den NS-Arbeitsdienstlagern in der Rhön, von der Flurneuordnung und Industrialisierung der Landwirtschaft nach dem Krieg und er begegnet dem Adeligen Georg Freiherr von Türcke, obwohl der „von“-Titel in der DDR offiziell nicht existiert. Der Regisseur lässt die Menschen über sich selbst erzählen, über ihre Arbeit, ihre Vorstellungen, Gefühle und Träume. So werden Kulturgeschichtliches, Vergangenes, Gegenwärtiges wie Zukünftiges transparent, aber auch die Beziehungen der Bewohner zueinander und ihr Verhältnis zur Umwelt. Und dass auch Geschichte durch den Magen geht, zeigt das alte Kloss-Rezept „Hütes“ der beiden Schwestern. Denn hinter dem so fremd anmutenden Titel dieses Dokumentarfilms "Hütes“, was so viel heißt wie "Hüte es!“ oder auch "Bewahre es!“, verbirgt sich das Rezept für die berühmten Thüringer Klöße, deren Zubereitung dem Zuschauer unter anderem vorgeführt wird. Ein bayrischer Mönch soll das Rezept verraten und jenen Ausspruch getan haben, wodurch sich das Geheimnis der Herstellung bis heute gehalten hat. Ich erinnere mich noch DDR 1977, R: Volker Koepp, 17 Min Der Film zeichnet ein Portrait des Kommunisten und Widerstandskämpfers Walter Hähnel, der über den opferreichen Kampf gegen das NS-Regime in der Illegalität berichtet. Die unpathetischen, vorwiegend zutiefst persönlichen Äußerungen Walter Hähnels lassen den Kampf deutlich und seine Haltungen emotional und rational erlebbar werden. Interessantes, wenig bekanntes Archivmaterial, das einen großen Teil der optischen Komponente des Films bildet, ergänzt die Aussagen und den Kommentar. Das weite Feld DDR 1976, R: Volker Koepp, 34 Min Im Zentrum des Films stehen die Landschaft zwischen Löwenberg und Gransee und die dort ansässigen Menschen. Rückblenden in die Vergangenheit machen die gesellschaftlichen und kulturellen Umwälzungen der märkischen Gegend deutlich. 19. Internationalen Leipziger Dokumentar-und Kurzfilmwoche 1976: Silberne Taube Wieder in Wittstock DDR 1976, R: Volker Koepp, 22 Min Ein Jahr nach seinem ersten Film ist Volker Koepp „Wieder in Wittstock“. Dort arbeiten jetzt 2000 Mädchen und Frauen. Im Mittelpunkt des Kurzfilms stehen nun die zwei Mädchen Edith und Elsbeth, genannt „Stupsy“ – beide werden den Wittstock-Zyklus bis in die 1990er Jahre begleiten. Ein Film aus der Wittstock-Langzeitbeobachtung von Volker Koepp. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1976: Diplom für Einzelleistung an Kameramann Christian Lehmann 19 Er könnte ja heute nicht schweigen DDR 1975, R: Volker Koepp, 34 Min Dieser Film ist dem Dichter Erich Weinert gewidmet. Autobiographische Aufzeichnungen und Gedichte in Verbindung mit Archivmaterial, Dokumenten und Interviews zeigen Leben Haltung und Werk des Dichters. Der Film berichtet über Weinerts Schaffen in der Weimarer Republik, unter dem NS-Regime, in Emigration und Krieg. Interviews mit Li Weinert und anderen Zeitgenossen, Interpretationen Weinertscher Gedichte durch Ernst Busch und schließlich Weinerts autobiografische Bekenntnisse sollen Notwendigkeit und Bedeutung politischer Dichtung dokumentieren. Mädchen in Wittstock DDR 1975, R: Volker Koepp, 20 Min Erste Begegnung mit der Kleinstadt Wittstock an der Dosse: Eine landwirtschaftlich geprägte Gegend im Norden Brandenburgs befindet sich im Umbruch. Auf einer grünen Wiese außerhalb der Stadtmauern entsteht ein ehrgeiziges Großprojekt, das Obertrikotagenwerk Ernst Lück. Die Riesenausmaße der Textilindustrie bedeuten für Landschaft und Menschen, deren Denken und Leben, einschneidende Veränderungen. Die porträtierten Mädchen der Jugendschicht nehmen kein Blatt vor den Mund, sprechen von Anlaufschwierigkeiten, niedriger Produktivität und hoher Fluktuation. Ein Film aus der Wittstock-Langzeitbeobachtung von Volker Koepp. - Museum of Modern Art New York 2005: DEFA-Retrospektive "Rebels with a cause" „… Koepp verstand es, seine Charaktere – ganz gewöhnliche Menschen – strahlen zu lassen.“ (freedom film festival/ America Cinema Fondation) „Ein außergewöhnliche Aufnahme vergangener Zeit” (Variety) Slatan Dudow - Ein Filmessay über einen marxistischen Künstler DDR 1974, R: Volker Koepp, 30 Min Die Entwicklung und das Wesen des Künstlers Dudow wird über verschiedene Stationen seines Lebens nachgezeichnet. Gustav J. DDR 1973, R: Volker Koepp, 19 Min Gustav Jurkschat, Vater eines Freundes und Filmkollegen von Volker Koepp war zur Zeit der Dreharbeiten 80 Jahre alt. Aufgewachsen ist er im früheren deutsch-litauischen Grenzgebiet in Ostpreußen. Ein Hütejunge und Schmied, der sich selbst das Lesen und Schreiben beibrachte, denn „die Liebe hat alles gemacht“, die Liebe zu der Schwester des Buchbinders. Er spricht deutsch, russisch und litauisch. Aus seiner Heimat hat er nichts anderes als seine Erinnerungen und Lieder mitgebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Gustav fliehen und ließ sich schließlich an der Ostsee in Bad Doberan nieder. Sein Leben war bewegt, den Zuschauer zieht er in den Bann mit seinen Erzählungen vom Grenzland im Osten, von der Geschichte des 20. Jahrhunderts mit seinen zwei Weltkriegen. Internationales Kurzfilmfestival Krakow 1975, Silberner Drachen „Seine Frau, die hat nie etwas vor der Kamera gesagt. Das war für sie Teufelszeug. Sie hat nur immer mal aus dem Nebenzimmer gerufen, er spinnt, oder so“ (Volker Koepp in einem Interview, BZ am Abend, 1980) Als Gustav starb rief der Sohn an „und fragte, ob wir nicht zur Beerdigung kommen und den Film mitbringen könnten, die Verwandten würden ihn gern noch einmal sehen.“ (Volker Koepp in einem Interview, Sonntag, 1983) 20 Teddy DDR 1973, R: Volker Koepp, 25 Min Mit interessanten historischen Foto- und Filmeinblendungen berichtet Volker Koepp in neun Kapiteln über den Lebensweg Ernst (Teddy) Thälmanns von seiner Geburt am 16.4.1886 an bis hin zu den letzten Wahlkämpfen vor der Machtübernahme der Nazis im Jahre 1933. Mit Zitaten aus Thälmanns autobiographischen Notizen und überleitenden Kommentierungen wird ein sehenswerter Bogen gespannt von den unmenschlichen Arbeits- und Wohnbedingungen der Arbeiter um 1900 und der Großmannssucht während der Kaiserzeit von Wilhelm II. bis hin zu den KPD-Anhängern aus Hamburg, die gegen das Berufsverbot (Radikalenerlass) demonstrieren. Grüße aus Sarmatien für den Dichter Johannes Bobrowski DDR 1972, R: Volker Koepp, 14 Min "Sarmatien“ meint nach spätantiker Geschichtsschreibung den Siedlungsraum der Slawen zwischen Weichsel und Don. Das "sarmatische Land“ ist für den 1917 in Tilsit geborenen Dichter Johannes Bobrowski prägende Heimat seiner Kindheit, einer Zeit, als "Deutsche mit ihren Nachbarn miteinander und durcheinander gelebt haben“. Von den literarischen Landschaftsbeschreibungen Bobrowskis tief beeindruckt, hegt Regisseur Volker Koepp schon in jungen Jahren den Wunsch, diese Gegend selbst zu bereisen. Gleich nach dem Filmhochschulstudium Anfang der 1970er Jahre reicht Koepp beim DEFA-Studio für Dokumentarfilme seine Projektidee zu dem 1965 in Ostberlin verstorbenen Schriftsteller ein. Der mit poetisch-suggestiven Texten von Justinas Marcinkevičius versehene Kurzfilm spannt einen geschichtlichen Bogen: Zu sehen sind Originalaufnahmen aus der NS-Zeit mit einem Besuch Hitlers und aktuelle Landschaftsimpressionen. In Vilnius trifft Koepp den litauischen Lyriker Marcinkevičius, der den Erfolg Bobrowskis in Litauen auf dessen unmittelbares und herzliches Verhältnis zu den Menschen und der Natur zurückführt. Diese emotionale Rührung kann der Zuschauer selbst nachvollziehen durch die Begegnung mit einem 73jährigen Fischer und Geschichtenerzähler aus dem Grenzdorf Rusne. Manches von dem, was der Filmemacher in den folgenden Jahren schuf und prägte, ist in diesem frühen Film bereits zu erkennen: Sein zurückhaltender Umgang mit dem Kommentar, seine Interviewtechnik, die Wertigkeit des Bildes. Der Oktober kam DDR 1970, R: Karl Gass, Jürgen Böttcher, Volker Koepp, Gitta Nickel, Peter Rocha, Peter Ulbrich, Alexander Ziebel, 70 Min Bericht über Veranstaltungen und Delegationen anlässlich des 20. Jahrestags der DDR. - Der Arbeitstitel lautete: Wir sind 20. Junge Leute DDR 1970, R: Volker Koepp, 15 Min Der Film stellt in drei Geschichten Jugendliche vor: Eine junge Frau, Lehrling im Chemiekombinat Bitterfeld, einen Baggerführer und eine Reparaturbrigade in einem Braunkohletagebau bei Bitterfeld und eine junge Wissenschaftlerin an der TU Dresden. 1968 1967 Wir haben schon eine ganze Stadt gebaut, 5 Min Sommergäste bei Majakowski, 30 Min 21 Winfried Junge Geboren 1935 in Berlin, Studium der Germanistik an der Pädagogischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität, 1954 Wechsel zur Deutschen Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Seit 1958 Diplom-Filmdramaturg, arbeitet er als Dramaturgie- und Regieassistent, vornehmlich bei Filmen von Karl Gass, daneben als Filmkritiker der DDR-Studentenzeitung „Forum“ und anderer Zeitungen. 1961 wechselt er zum DEFA-Studio für Dokumentarfilme und beginnt hier die Golzower Chronik mit „Wenn ich erst zur Schule geh’“. Insgesamt entstanden mehr als 50 Dokumentarfilme für Kino und Fernsehen, davon 19 über die „Kinder von Golzow“, die längste Langzeitdokumentation der Filmgeschichte. Einziger Ausflug ins Spielfilmgenre ist der Kinderfilm „Der tapfere Schulschwänzer“ von 1967. 1966 lernt Winfried Junge während des Leipziger Dokfilmfestival seine spätere Frau Barbara kennen, die dort dolmetscht. Nach ihrem Studium beginnt Barbara Junge im DEFA-Studio für Dokumentarfilme als Synchronregisseurin bei der Auslandsinformation. Ab 1978 arbeitet sie an einer Übersicht über die gedrehten Materialien der Golzower Chronik. Ab 1983 schneidet Barbara Junge die Filme ihres Mannes, seit 1992 ist sie seine Ko-Autorin und –Regisseurin. Denn auch nach dem Ende der DEFA kann Winfried Junge mit seiner Frau das Golzow-Projekt bis 2007 fortsetzen. Winfried Junge ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg. „Inzwischen ist Junge beinah selbst der interessanteste Protagonist der Golzow-Filme geworden: Ein Dokumentarist, der seinem Material hinterhereilt, es korrigiert und sich selbst immer wieder offen kritisiert: ‚Warum frage ich das überhaupt?’“ (Berliner Zeitung, 1999) 1988 1988 1987 1984 1980 1979 1978 1977 1976 1976 1975 1974 1974 1973 1972 1971 1971 1971 1970 1969 1969 1968 1968 1966 1965 1964 1964 1963 1963 1962 1961 1961 1961 Diese Briten, diese Deutschen, 60 Min Gruß aus Libyen oder Grün ist eine schöne Farbe, 22 Min Das Pflugwesen – es entwickelt sich, 28 Min Diese Golzower - Umstandsbestimmung eines Ortes Lebensläufe - Die Geschichte der Kinder von Golzow in einzelnen Porträts Anmut sparet nicht noch Mühe, 105 Min Hummelflug, 18 Min Termin Spirale I, 30 Min Somalia - Die große Anstrengung, 20 Min Somalia - Nicht länger arm sein, 36 Min Ich sprach mit einem Mädchen, 30 Min Keine Pause für Löffler - Ein Lehrer und seine 6c, 71 Min Sagen wird man über unsere Tage - Erkundungen auf einer großen Baustelle, 44 Min Ich bin ein Junger Pionier, 38 Min Wenn jeder tanzen würde, wie er wollte, na!, 25 Min Die Prüfung / Chronik einer Schulklasse, 20 Min Einberufen, 19 Min Syrien auf den zweiten Blick, Teil 2, 33 Min In Syrien auf Montage, 19 Min Auf der Oder, 29 Min Wenn man vierzehn ist, 36 Min Jubiläum einer Stadt - 750 Jahre Rostock, 24 Min Mit beiden Beinen im Himmel - Begegnung mit einem Flugkapitän, 33 Min Elf Jahre alt, 29 Min Studentinnen - Eindrücke von einer Technischen Hochschule, 25 Min Vom lernenden Menschen, 12 Min Studentenfasching, 8 Min Der Kinder wegen - Flucht ins Vaterland, 16 Min Ferientage, 24 Min Nach einem Jahr - Beobachtungen in einer ersten Klasse, 15 Min Bis der Mensch kam, 15 Min Wenn ich erst zur Schule geh‘, 13 Min Der Affenschreck, 9 Min 22 Diese Briten, diese Deutschen DDR 1988, R: Winfried Junge, 60 Min Diese erste Koproduktion zwischen der DDR und Großbritannien soll zu Verständnis über Lage und Haltungen Millionen arbeitender Menschen in gegensätzlichen Gesellschaftsordnungen beitragen. Werftarbeiter, Fischer, eine Brigade und die Familie einer gewerkschaftlich aktiven Köchin sowie Arbeitslosen verschiedenen Alters und Berufs in Newcastle werden Kranführerinnen der Warnowwerft und Fischern der Warnemünder Genossenschaft gegenübergestellt. Teil I "Von Marx und Engels zu Marks & Spencer“ von Winfried Junge ("Die Kinder von Golzow“). Gruß aus Libyen oder Grün ist eine schöne Farbe DDR 1988, R: Winfried Junge, 22 Min Der Kurzfilm unternimmt einen kurzen Streifzug durch die sozialistisch libysch-arabische Volksjamahiriya - den Staat aller. Winfried Junge gibt reportagenartig Einblicke in ein wenig bekanntes Land und dessen fortschreitende gesellschaftliche Entwicklung. Er informiert über die "Grüne Revolution", den Kampf um Wasser, das großangelegte nationale Programm der Landwirtschaftsreform. Für diese Entwicklung typisch sind die Neusiedlerfamilien im Küstenstreifen zwischen Benghazi und Dorna. Von Regisseur Winfried Junge ("Die Kinder von Golzow"). Eines seiner "Kinder von Golzow" war auch der Anlass, nach Libyen zu reisen: Dieter ("Ein Mensch wie Dieter. Golzower") errichtete von 1987 bis 1988 mit anderen DDR-Arbeitern ein Großsilo für Getreide in dem nordafrikanischen Staat. Es war der weiteste Weg, den Winfried Junge auf sich nahm, um einen seiner Protagonisten für die Langzeitdokumentation zu filmen. Das Pflugwesen – es entwickelt sich DDR 1987, R: Winfried Junge, 28 Min Ein Bericht über die Meisterschaft im Leistungspflügen der RGW-Länder (RGW: Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) im Jahr 1986 in Ungarn. Zunächst zeigt der gezielt in Landgemeinden eingesetzte Kurzfilm, wie sich die DDR-Mannschaft vorbereitet: Probepflügen auf heimischen Äckern, Wartung der Maschinen, Testen von effektiven Fahrtechniken. Vorgestellt werden auch Pflüger anderer Länder. Mit der Preisverleihung endet diese Episode. Wieder daheim: Noch einmal sucht Winfried Junge die Bauern und Bäuerinnen auf, befragt sie nach ihren Erinnerungen an den Wettbewerb und erkundet vor allem das Verhältnis der Menschen zu ihrer anstrengenden Arbeit. Der locker formulierte Anspruch des Films, "Wie man hineinpflügt, so wächst es heraus", wird gerade in diesen Sequenzen in seiner ganzen Vielschichtigkeit erfasst. Eine andere Werbezeile lautete: "Der flinkste Pflüger pflügt die fescheste Furche". Diese Golzower - Umstandsbestimmung eines Ortes DDR 1984, R: Winfried Junge, 103 Min Rund um die Festwoche zum 675jährigen Bestehen Golzows entstand für das DDR-Fernsehen ein Portrait des Dorfes, seiner Landschaft und Landwirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Zum ersten Mal wird auch die Elterngeneration skizziert und die neuesten Veränderungen im Leben einiger "Kinder von Golzow“. So feiert Vater Artur Klitzke 1984 das 25. Jahr als LPG-Vorsitzender, seine Tochter Gudrun wiederum startet 1984 als Bürgermeisterin der Nachbargemeinde. Junge war mit seinem Filmteam fast immer bei den Golzower Höhepunkten der 1980er Jahre dabei, u.a. als Kim Il Sung mit Erich Honecker am 31. Mai 1984 die LPG Golzow besuchte. - Der neunte Teil der Langzeitchronik von Winfried Junge. 23 Lebensläufe - Die Geschichte der Kinder von Golzow in einzelnen Porträts DDR 1980, R: Winfried Junge, 256 Min 1961, 14 Tage nach Beginn des Mauerbaus, startet Regisseur Winfried Junge die älteste Langzeitchronik der Filmgeschichte über eine Schulklasse im Dorf Golzow, 80 km östlich von Berlin. "Lebensläufe“ ist nach fast 20 Jahren eine erste Bilanz. Neun "Kinder von Golzow“ werden in einzelnen Porträts vorgestellt, vom Sandkasten bis zur Berufswahl. Viele der Protagonisten haben schon eine Familie gegründet. Als erstes wird die lebenslustige, aber herzkranke Brigitte mit 17 ½ Jahren Mutter, ihr folgen Ilona und Elke mit 18 Jahren. Letztere verhalten sich vor der Kamera vollkommen gegensätzlich: Ilona, die schon früh Verantwortung übernehmen musste, gibt immer bereitwillig Auskunft, während Elke, die geschiedene Bauzeichnerin, sich nicht gern offenbart. Durch die frühe Elternschaft der anderen fühlt sich Marieluise, die hübsche und sensible Chemielaborantin aus christlichem Elternhaus, anfänglich unter Druck. Nach ihrer Hochzeit mit dem Offizier Steffen wird auch sie Mutter. Jürgen, der allererste Protagonist des Startfilms, inzwischen Maler und Tapezierer, beharrt trotz Kind auf seinem Freiraum als Mann. Bernd lebt mit Frau und kleiner Tochter in Schwedt und hat es inzwischen zum stellvertretenden Schichtleiter im Petrolchemischen Kombinat gebracht. Die Berufe der Golzower sind vielfältig, Ilona und Gudrun betätigen sich nach ihrer Lehre politisch. Die alleinstehende Gudrun folgt damit den Fußstapfen ihres Vaters, dem LPG-Vorsitzenden. Winfried, schon als Kind neugieriger Tüftler, studiert inzwischen Informationselektronik. Der längste DEFA-Film gilt laut Deutscher Kinemathek als einer der 100 wichtigsten deutschen Filme. Mit ihm war Winfried Junge 1982 das erste Mal auf der Berlinale vertreten, insgesamt brachte er es mit seinem Projekt auf elf Mal. Anmut sparet nicht noch Mühe DDR 1979, R: Winfried Junge, 105 Min Nach viel beachteten Arbeiten, die die "Kinder von Golzow“ zwischen Einschulung und Abschlussprüfung zeigten, vermittelt "Anmut sparet nicht noch Mühe“ eine erste Gesamtsicht auf 18 Jahre Leben im Oderbruch. Das Portrait einer Generation. Alltag, Entwicklungen und Schicksale in einem DDR-Dorf. Aus der ältesten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte – “Die Kinder von Golzow” von 1961 bis 2007. Hummelflug DDR 1978, R: Winfried Junge, 18 Min Ein Kurzfilm über die Bedeutung der Agrarflieger in der Landwirtschaft. Termin Spirale I DDR 1977, R: Winfried Junge, 30 Min Der Dokumentarfilm ist, nach „Sagen wird man über unsere Tage - Erkundungen auf einer großen Baustelle“, der zweite Teil, der vom Aufbau eines der größten Pumpspeicherwerke Europas in Markersbach berichtet. Im Mittelpunkt stehen die Ankunft und der Aufbau sowie der erste Probelauf der ersten Turbine. Neben der Erfassung der komplexen Arbeitsabläufe, die oft in wechselseitige Beziehungen treten, stehen die menschlichen Leistungen im Vordergrund. Somalia - Die große Anstrengung DDR 1976, R: Winfried Junge, 20 Min Dokumentation über die Entwicklung des mit dem sozialistischen Lager verbündeten Somalia. Beginnende Industrialisierung, Neuland wird gewonnen, das ganze Land ergrünt - das ist Somalia 1976, Somalia nach der Revolution. Schwerpunkt des Films ist der Ausbau des Bildungswesens. 24 Somalia - Nicht länger arm sein DDR 1976, R: Winfried Junge, 36 Min “Hier leben? – Wie kann man das…?“, so fragt der Film zu Beginn. Aus dem Hubschrauber sehen wir auf ein Land, das auch ohne Bürgerkrieg schon zu den ärmsten der Welt zählte. Nur ein Achtel des Bodens ist kultivierbar, nennenswerte Vorkommen von Bodenschätzen gibt es nicht. In den 1970er Jahren verkündete die somalische Regierung, ihr Ziel sei der “wissenschaftliche Sozialismus“ und nahm mit Unterstützung des sozialistischen Lagers eine Reihe von Reformvorhaben in Angriff. Einige dieser Projekte stehen im Mittelpunkt von Winfried Junges zweitem Film aus Somalia (nach “Somalia – die große Anstrengung“). In den Dürregebieten im Norden Somalias sollen die Nomaden fest angesiedelt werden, um ihnen als Ackerbauern und Fischer eine sichere Lebensgrundlage und Zugang zu Bildung zu geben. In einem Jugendzentrum nahe Mogadischu werden Waisen und Straßenkinder untergebracht und erhalten eine Schul- und Berufsausbildung. Als Ausbilder tätig sind dort auch junge Menschen aus der DDR und anderen Ländern des Ostblocks, über deren Leben in dem fremden Land berichtet wird. Ich sprach mit einem Mädchen DDR 1975, R: Winfried Junge, 30 Min Ein Klassentreffen der etwa Zwanzigjährigen in der alten Schule in Golzow. Erinnerungen werden ausgetauscht, Neues berichtet. Eine von ihnen, Marieluise, erzählt von ihrer Liebe, ihrer Arbeit, ihren Ansprüchen an sich. Aus der ältesten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte – “Die Kinder von Golzow” von 1961 bis 2007. Keine Pause für Löffler - Ein Lehrer und seine 6c DDR 1974, R: Winfried Junge, 71 Min Gerd Löffler, Lehrer, jung, bärtig, engagiert, muss seiner lebhaften wie intelligenten Klasse 6c nicht nur die Fächer Biologie und Sport beibringen. Löffler ist auch zuständig für die Disziplin der Kinder und deren Bereitschaft, ihre Hausaufgaben zuverlässig zu erledigen. Auch nach dem Unterricht gönnt er sich keine Pause und engagiert sich - im Elternbeirat, im Pionier-Gruppenrat, mit seiner Gitarre in der Musikgruppe und als Mutmacher in der Sporthalle. Regisseur Winfried Junge zeigt die Schüler in unterschiedlichen Situationen - lebhaft und munter im Gespräch, diszipliniert im Unterricht, ausgelassen beim Tanznachmittag, eifrig bei Fahnenappell und Elternversammlung. So beschreibt er die Schwierigkeiten, die sich aus dem Entwicklungsprozess der Kinder ergeben. Probleme wie Disziplin und Lernhaltung werden untersucht. Sagen wird man über unsere Tage - Erkundungen auf einer großen Baustelle DDR 1974, R: Winfried Junge, 44 Min Eine ungewöhnliche Perspektive wählte Regisseur Winfried Junge für seinen Film über den Bau des Pumpspeicherwerks Markersbach. Das Pumpspeicherwerk, bis heute eines der größten in Europa, war ein Prestigeprojekt der DDR. Doch der Film zeigt weniger emsige Arbeiter auf der Baustelle, als vielmehr einen Stuhl im Rathaus von Markersbach, auf den sich alle die setzen, die auf der Baustelle arbeiten wollen. So entstehen Portraits von Arbeitern mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Erwartungen. Gesucht werden qualifizierte Kräfte, die Bezahlung ist gut, aber das Leben in provisorischen Unterkünften bei der Baustelle, die lange Trennung von Freunden und Familie, verlangen den Arbeitern auch vieles ab. 25 Ich bin ein Junger Pionier DDR 1973, R: Winfried Junge, 38 Min Es ist der erste Film, der die Entwicklung der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" in ihren wichtigsten Stationen bis zum Jahre 1973, dem 25. Bestehen der DDR Kinderorganisation, vollständig nachzeichnet. Nach einem Text von Gisela Karau erzählen Jenny Gröllmann und Jaecki Schwarz (ohne dass sie selbst zu sehen sind) von dem historischen Verlauf. Lieder aus dem Pionierleben seit 1945 ergänzen die Dokumentation. Wenn jeder tanzen würde, wie er wollte, na! DDR 1972, R: Winfried Junge, 25 Min Formübungen junger Tanzschüler und heißer Disko-Beat. Gerade erst den Kinderschuhen entwachsen, werden die jungen, "erwartungsfrohen“ Tanzschüler von ihrem Lehrer Karl Glöckner in Form gebracht. Ein ganz anderer Rhythmus herrscht dagegen in der Diskothek bei Beatklängen. Die Prüfung / Chronik einer Schulklasse DDR 1971, R: Winfried Junge, 20 Min Zehn Jahre sind vergangen, noch 14 Tage werden die 16jährigen Jugendlichen in die Oberschule von Golzow gehen. Inzwischen betreten sie das Gebäude durch den Lehrereingang. Doch eine Kraftanstrengung müssen sie noch bestehen, die 15minütige, mündliche Abschlussprüfung. Jeder Einzelne soll zeigen, was er kann und wer er ist. Ein Lehrer der Prüfungskommission gibt freimütig zu: "Manchmal haben sie uns mehr geprüft als wir sie“. Ein Schüler sieht die Examenssituation auch als Probe aufs Exempel für die Lehrerschaft und deren Unterricht, schonungslos resümiert er, dass es "manchmal ein ziemlicher Tiefschlag“ sei. Auf einem letzten Klassenfest feiert und tanzt die Gruppe zu Beatmusik – ganz unter sich. - Aus der ältesten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte – “Die Kinder von Golzow” von 1961 bis 2007. Einberufen DDR 1971, R: Winfried Junge, 19 Min Die ersten Wochen der jungen einberufenen NVA-Soldaten, die für 18 Monate in einer Rostocker Garnison ihre Pflicht erfüllen müssen. Thematisiert und gezeigt werden die Trennung von ihren Partnern und Familien, die Ausbildung durch die Vorgesetzten sowie Kommentare der Einberufenen und der Ausbilder. Angesprochen werden die Unterordnung in der Armee, Disziplinfragen und Probleme rund um die Einberufung. Syrien auf den zweiten Blick, Teil 2, DDR 1971, R: W. Junge, 33 Min Der Film versucht einen Eindruck von der Geschichte und der gegenwärtigen Entwicklung Syriens zu geben: Seine antike Kultur, die Rückständigkeit auf dem Land, die Baumaßnahmen an Großprojekten und die Zukunftsvorstellungen syrischer Jugendlicher. Bilder von Syrien, die zeigen, wie in diesem Lande alle Anstrengungen unternommen werden, den Aufbau zu beschleunigen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass das syrische Volk in Frieden leben kann. Off-Sprecher: „Ach, wir hatten viele Herren, hatten Tiger und Hyänen, hatten Adler, hatten Schweine. Doch wir nährten den und jenen. Ob sie besser waren oder schlimmer? Ach, der Stiefel glich dem Stiefel immer. Und uns trat er. Ihr versteht: Ich meine, dass wir keine anderen Herren brauchen, sondern keine.“ 26 In Syrien auf Montage DDR 1970, R: Winfried Junge, 19 Min Eine Reportage über den gemeinsamen Aufbau der Baumwollspinnerei in Homs (Syrien) als Ausdruck der Hilfe der sozialistischen Länder für die jungen Nationalstaaten. Kurz nach Ende der Dreharbeiten putschte sich Hafez alAssad zum Diktator. Auf der Oder DDR 1969, R: Winfried Junge, 29 Min Dieser Farb-Dokumentarfilm berichtet über die jährlich auftretende Vereisung der Oder im 160 Kilometer langen Grenzbereich zwischen der DDR und Polen. Die deutsch-polnische Eisbrecherflotte versuchen gemeinsam die internationale Wasserstraße zwischen Frankfurt und Szczecin wieder fahrbar zu machen. Schwerstarbeit wird von allen in Teamarbeit geleistet und auch ein defektes Schiff kann das angestrebte Ziel nicht stoppen. Ein Rückblick auf den Winter 1947 mit seinen Überschwemmungen zeigt, was eine Vereisung des Flusses und das folgende Tauwetter anrichten können, wenn nicht frühzeitig für den Abfluss der Eisschollen über den Dammscher See in die Ostsee gesorgt wird. Die Schiffer beider Staaten kennen sich seit Jahren und vertrauen einander. Sie beherrschen im Winter den Strom, zum gemeinsamen Nutzen aller. Wenn man vierzehn ist DDR 1969, R: Winfried Junge, 36 Min Sie sind nun keine Kinder mehr. Junge Staatsbürger profilieren sich. Die Zeit vor der Jugendweihe und ihrer Feier. Sie besuchen Weimar und das ehemalige KZ Sachsenhausen. Manche entscheiden sich, nach der 8. Klasse in den Beruf zu gehen, andere möchten in der Kreisstadt das Abitur ablegen. Aus der ältesten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte – “Die Kinder von Golzow” von 1961 bis 2007. Jubiläum einer Stadt - 750 Jahre Rostock DDR 1968, R: Winfried Junge, 24 Min Regisseur Winfried Junge lässt sein knapp halbstündiges „Jubiläum einer Stadt – 750 Jahre Rostock“ (1968) ausschließlich von der Musik, einer Suite von Günter Kochan, verbinden und tragen. Zum Stadtjubiläum gelingt ihm – und seiner Schnittmeisterin Charlotte Beck - ein besonderes Portrait, das auch Krieg und Aufbau, das Meer und den Hafen sowie die Bewohner und Urlauber zeigt. Wechselseitige Bildsequenzen des Alten und Neuen Rostock fügen sich harmonisch in die Musik ein und zeigen so eine stolze, aber auch geschundene Hansestadt, bis hin zum 750. Jubiläum mit seinen nationalen und internationalen Gästen. Mit beiden Beinen im Himmel - Begegnung mit einem Flugkapitän DDR 1968, R: Winfried Junge, 33 Min Der Dokumentarfilm zeigt den Arbeitsalltag des Interflug-Kapitäns Günter Schneider und seiner Flugmannschaft bei einem Flug von Berlin nach Moskau. Der gelernte Lokomotivschlosser und ehemalige Armeepilot Schneider ist der Älteste von sieben Geschwistern einer Arbeiterfamilie aus Möhlau bei Reichenbach im Vogtland. Eigentlich wollte er Lokomotivführer werden. Bei der „Interflug“ half er beim Aufbau des Liniennetzes der Fluggesellschaft. Der Zuschauer erlebt den erfahrenen Flugkommandant bei seiner Arbeit, mit seiner Mannschaft und im privaten Kreise seiner Familie. Die Dokumentation sollte über diesen persönlichen Zugang auch das Vertrauen zur Interflug stärken. Interessant für heutige Zuschauer: 1968 wurde sogar im Cockpit geraucht, damit man für „die entscheidenden Momente fit“ war. 27 Elf Jahre alt DDR 1966, R: Winfried Junge, 29 Min Der dritte Golzow-Film zeigt die Elfjährigen so aufgeschlossen, schön und fröhlich, wie sie sich später nie wieder zeigen werden. In der 5. Klasse sind sie längst eine verschworene Gemeinschaft. Der Regisseur überrascht die Kinder von Golzow mit der Frage, was sie denn selbst vorschlagen zu filmen. Die Kinder und auch die Lehrer werden zu begeisterten Mitspielern. Die Prometheus-Sage und Heraklits Ausspruch "Alles fließt" werden behandelt und auch das Eisler-Lied "Anmut sparet nicht noch Mühe" üben die Kinder vor der Kamera ein. Das Schulspiel zweier Freundinnen zu Hause und auch der, wie zufällig angeschaltete Fernsehapparat, der Kriegsszenen aus Vietnam überträgt, werden gezeigt. Schule und Dorf vermitteln einen lebendige Eindruck. So unkonventionell sollte es bei keinen Dreharbeiten in Golzow mehr zugehen, so ungezwungen weder gefragt noch geantwortet werden. Aus der ältesten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte – “Die Kinder von Golzow” von 1961 bis 2007. Studentinnen - Eindrücke von einer Technischen Hochschule DDR 1965, R: Winfried Junge, 25 Min Unter den 535 künftigen Diplomingenieuren, die an der Technischen Hochschule Ilmenau die Hälfte ihres Studiums hinter sich haben und "Bergfest" feiern, sind auch Monika Kahl, Elke Voigt und Marianne Bethke. Sie gehören zu den wenigen Frauen, die sich auf das Gebiet der technischen Wissenschaften - traditionelle Domäne der Männer - vorgewagt haben. Nur rund fünf Prozent sind in Ilmenau Studentinnen. Monika Kahl will das Begonnene durchstehen. Sie wird sich nicht "exen" lassen. Auf die Frage ihrer Kommilitonen in einer heiteren Runde während des Bergfests, wovon das abhängen würde, antwortet sie: "Von meinem Willen!" Regisseur Winfried Junge: "Der größte Teil bleibt ungesagt, denn die Problematik des Frauenstudiums im allgemeinen und im technischen Bereich insbesondere ist so umfangreich, so vielschichtig, so sozial und psychologisch diffizil, dass sie sich der Darstellung in einem – noch dazu kurzen – Dokumentarfilm letzten Endes doch verschließt. Ein eigentliches Fazit kann und will unsere Reportage darum auch nicht geben. Sie will aber aufmerksam machen und zu Diskussionen anregen.“ Vom lernenden Menschen DDR 1964, R: Winfried Junge, 12 Min Poem über lernende Menschen in der ganzen Welt: In allen Sprachen ein wissender Mensch. Lernen heißt Veränderung. Winfried Junge zeigt, wo in der ganzen Welt gelernt wird, z.B. im jungen Kuba, wo im Wald die erste Universität stattfand. Oder in den Universitäten im neuen Deutschland. Auch ein paar Golzow-Impressionen vom ersten Lernen der neuen Generation hat er eingeflochten und mit jungen Schülern weltweit verbunden. Die Hoffnung ist, „in einem kommunistischen Jahrtausend die Welt zu einem blühenden Garten zu machen“. Studentenfasching DDR 1964, R: Winfried Junge, 8 Min – STUMM! Robert Havemanns letzter öffentlicher Auftritt in der DDR am 7. Februar 1964. Winfried Junge wollte seinen Kurzfilm über den Alltag von Studenten des Instituts für physikalische Chemie an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer gut besuchten Vorlesung beginnen. Ausgerechnet Havemann hielt die Vorlesung im Robert-Bunsen-Hörsaal zum Thema "Naturwissenschaftliche Aspekte philosophischer Probleme". Was Junge damals nicht wusste: Der Chemiker war zur Persona non grata erklärt worden. Der Kurzfilm wurde deshalb verboten. „eine unterhaltsame Etüde … Weil Schnappschüsse von den Dreharbeiten in Westzeitungen auftauchten, kassierte die Stasi das Material, und bei der DEFA läuteten alle Alarmglocken.“ (Berliner Zeitung, 2015) 28 Der Kinder wegen - Flucht ins Vaterland DDR 1963, R: Winfried Junge, 16 Min Dieser Dokumentarfilm schildert die Beweggründe von drei westdeutschen Familien, die zur Flucht aus der Bundesrepublik Deutschland bzw. zur Übersiedlung in die DDR führten. Ihren Kindern eine sichere Zukunft zu bieten - das ist das Hauptmotiv bei ihrer Flucht. Hervorgehoben wird die soziale Absicherung der DDR-Bürger und die Bereitschaft die Bürger aus der Bundesrepublik willkommen zu heißen. Originaltöne der befragten Übersiedler, aber auch der Kommentar, sind im Stil des Kalten Krieges. Typisch ist der Schlusssatz: "Seit 1949 gibt es auf deutschem Boden einen Staat der arbeitenden Menschen. Hier sind die Lehren aus der Vergangenheit gezogen, hier ist das friedliche, bessere Deutschland. Das Deutschland, das den Kindern, dem die Zukunft gehört". Ferientage DDR 1963, R: Winfried Junge, 24 Min Zehn Altenburger Kinder betreuen eine Kinderbibliothek und lernen die Kinderbuchautorin Alex Wedding (eigentlich Grete Weiskopf, u.a. „Ede und Unku“) während ihrer Reise nach Berlin kennen. Am Tag der Republik nehmen die kleinen Bibliothekare in Berlin an den Festlichkeiten teil, besichtigen die Karl-Marx-Allee, treffen die Autorin, fahren mit der Pioniereisenbahn in Wuhlheide und besichtigen den Berliner Tierpark. Nach ihrer Rückkehr treffen sie die Autorin Wedding bei ihrem Gegenbesuch in der Maxim-Gorki-Bibliothek in Altenburg wieder. Nach einem Jahr - Beobachtungen in einer ersten Klasse DDR 1962, R: Winfried Junge, 15 Min "Tempo, Tempo“ - in der Turnhalle üben sich die 24 Kinder der ersten Klasse im Staffellauf, später überprüft die Lehrerin in einem Schnellrechentest an der Tafel, welche Bankseite mit dem besten Rechner aufwarten kann. Dem Zuschauer werden erste Entwicklungsschritte feinfühlig vermittelt, er erlebt kindliche Freude, Begeisterung und auch Kummer. Das Filmteam begleitet die Mädchen und Jungen auf Exkursionen, raus auf ein Feld zu einem Flugzeug mit Unkrautvernichtungsmitteln, zu einem Bauernhof und dessen Brutstation. Als das Schuljahr sich zu Ende neigt, haben die Kinder viel dazu gelernt. Am Zeugnis-Tag schmücken sie für ihre Eltern das Klassenzimmer, eine Schülerin schreibt an die Tafel "Lernen macht Spaß“. Aus der ältesten Langzeitdokumentation der Filmgeschichte – “Die Kinder von Golzow” von 1961 bis 2007. 5. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1962: Silberne Taube, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 1963: Ehrendiplom Bis der Mensch kam DDR 1961, R: Winfried Junge, 15 Min Die Natur brauchte Jahrmillionen, um ihre Formen und Lebeweisen zu entwickeln. Der Mensch schuf in wenigen Jahrtausenden seine Weltkultur, in einem Jahrhundert die moderne Technik und in einem Jahrzehnt die Möglichkeiten, die ihn befähigen, den Erdenbereich zu verlassen. Wenn ich erst zur Schule geh‘ DDR 1961, R: Winfried Junge, 13 Min 1961 begegnen sie sich zum ersten Mal, Winfried Junge und die "Kinder von Golzow“. Mit bewegter Kamera fängt das Team Impressionen aus den letzten Tagen im Kindergarten und der ersten Zeit in der Schule ein. Der erste Schultag: Die Jungen mit kurzer Lederhose und die Mädchen im Kleid, feierlich werden sie von der Schulgemeinschaft empfangen. "Lernen macht Spaß“ steht auf dem Schulgebäude. Die Lehrerin übt mit ihren Schützlingen den ersten Buchstaben. Der Regisseur beobachtet, wie sich die Kinder allmählich und nicht ohne Mühen in den neuen Alltag einfinden: Jürgen, der seinen Blick schweifen lässt und eine Katze am Fenster beobachtet, Jochen, der müde seinen Kopf auf die Schulbank legt und Marieluise, die ihre Tränen nicht unterdrücken kann. Wunderschöne Studien vom Beginn der berühmten Golzow-Reihe, die mit Liebe und Respekt die Entwicklung der Kinder verfolgt. 29 Der Affenschreck DDR 1961, R: Winfried Junge, 9 Min Die Tiere des Zoos wollen nicht von den Besuchern gefüttert und geneckt werden, und damit es alle Kinder und auch die Erwachsenen wissen, erzählt das DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme die Geschichte vom Affenschreck. Es waren einmal drei ungezogene Kinder: Neck-Nina, Radau-Rolf und Fütter-Fritzchen. Sie hatten einen ganzen Schulranzen voll Futter mitgebracht und liefen damit zu den Affen im Berliner Tierpark. Aber die Tiere waren schon beim Frühstück. Und überhaupt - Wurst, Vogelfutter und Sauerkraut fraßen sie doch gar nicht. Da begann Fütter-Fritzchen, den Affen die Tomaten an den Kopf zu werfen. Dazu blendete Nina sie mit dem Spiegel, und Rolf sorgte mit seiner Tute für eine fürchterliche Tischmusik. Aber was war das? Saßen unsere drei nicht plötzlich selbst im Käfig und waren die Gefoppten? Wie lachten die Affen, als die Kinder einen großen Schreck bekamen und schnell Reißaus nahmen. Die Botschaft des Kinderfilms am Ende: "Quäle nie ein Tier zum Scherz, auch ein Affe hat ein Herz. Wer die Affen liebt, der spricht: Ich lärme nicht, ich füttre nicht, ich necke nicht". Der Debütfilm von Dokumentarfilmer Winfried Junge mit Texten im Wilhelm-Busch-Stil. 30 Walter Heynowski & Gerhard Scheumann (Studio H&S) H&S – ein internationales, seinerzeit berühmtes Markenzeichen für politisches Filmschaffen. Fast drei Jahrzehnte (1965-1991) gingen Walter Heynowski und Gerhard Scheumann eine „künstlerische Ehe“ ein. Ihr ökonomisch von der DEFA unabhängiges Studio H&S in der Kronenstraße in Berlin-Mitte wurde zum Markenartikel im Ausland. Der Blick auf das eigene Land interessierte H&S nur am Rande. Heynowski & Scheumann gehören zu den bekanntesten wie umstrittensten Dokumentarfilmregisseuren der DDR. Die H&S-Dokumentarfilme hatten eine für ihr Genre außerordentliche Verbreitung, sie wurden in mehr als 75 Ländern aufgeführt und mit zahllosen internationalen Preisen geehrt. Heynowski & Scheumann sahen sich in der Tradition des russischen Dokumentarfilmpioniers Dziga Vertov (1896-1954) und waren der Ansicht, dass es kein unpolitisches Kino gibt, sondern dass Filmemacher sich einmischen müssen. Das Generalthema fanden die beiden in den Umwälzungen des 20. Jahrhunderts. Sie zeigten ihre Sicht der Wirklichkeit in einer moralischen Dimension, bezogen Stellung zu den großen politischen Fragen des Jahrhunderts, wie Vietnam, Chile und der Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Es fällt die „für die DDR ungewöhnliche… Virtuosität von H&S, sich selbst zu vermarkten“ auf. (Tilo Prase in Ostsee Zeitung, Juli 2003) Norbert Jochum sprach von der „Werkstatt für politischen Dokumentarfilm“ und der „Qualität des 'Studios H&S'…: die politische Wut.“ (Tagesspiegel, 1978 anlässlich der Westberliner Retrospektive im Kino Bali) „Selbst wenn man im Widerspruch stand zu den Meinungen und Thesen, die sie in ihren Filmen artikulierten, und auch wenn ihre ästhetischen Strategien viele Fragen aufwarfen – an der gestalterischen Virtuosität der bekennenden Vertovianer zweifelte niemand.“ (Filmmuseum Wien, 2013) Walter Heynowski - von der Satire des Eulenspiegels zum Dokumentarfilm geb. am 20. November 1927 in Ingolstadt; Ende 1945 Beginn eines Studiums der katholischen Theologie, dann Wechsel zum Studium der Volkswirtschaft an der Universität Tübingen; ab 1946 journalistische Tätigkeit: zunächst Redakteur bei der westdeutschen Jugendzeitschrift „Die Zukunft“; 1948 Wechsel zu „Start“; 1949 Chefredakteur der Satire-Zeitschrift „Frischer Wind“ (später „Eulenspiegel“); 1950 Gründung des EulenspiegelBuchverlages; 1956 Deutscher Fernsehfunk, Sendereihe „Zeitgezeichnet“; 1959-1963 stellvertretender Intendant und Programmdirektor: Nach Heynowskis Idee bekam jeder mit dem „Fernsehlorbeer“ Ausgezeichnete eine Widmung auf der Rückseite des Porzellan-Medaillons mit auf den Weg: „Sei stolz auf mich – doch denke dran, dass Lorbeer auch verwelken kann“ 1963-1969 Autor und Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilme; 1965 Beginn der Arbeit mit Gerhard Scheumann („Der lachende Mann“); Nach dem großen Erfolg von „Piloten im Pyjama“ am 1. Mai 1969 offizielle Gründung des Studios H&S; Das Studio H&S - benannt nach den Filmdokumentaristen Walter Heynowski und Gerhard Scheumann - war eine vom Staat finanzierte gesellschaftsrechtliche Einrichtung (OHG); 1982 Auflösung des Studios aufgrund Scheumanns kritischer Äußerungen über die Medienpolitik der SED, das H&S-Studio geht in dem DEFA-Studio für Dokumentarfilme auf; ab 1986 Signet H&S wieder erlaubt; 1983-1991 Autor und Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilme 1990 nach 25jähriger Partnerschaft gehen Heynowski und Scheumann nun getrennte Wege. Die ehemalige Werkstatt H&S firmiert als Werkstatt Kronenstraße. Scheumann: „Unsere Auffassungen von Maß und Wert haben sich in den letzten Monaten weit 31 voneinander entfernt. Mehr und mehr wurde mir bewusst, dass wir den Kreis unserer gemeinsamen Möglichkeiten ausgeschritten haben“ (Filmspiegel 6/1990). 2001 Retrospektive des Chile-Zyklus auf dem Festival de Cine de Valparaíso (Chile) mit hoher Besucherresonanz, insbesondere bei den jungen Zuschauern (1500 pro Vorstellung). Nach 25 Jahren war Walter Heynowski das erste Mal wieder in Chile und traf mit dem Präsidenten Ricardo Lagos an demselben Ort zusammen, wie Jahrzehnte vorher mit Salvador Allende. Heynowski meinte über das Festival, dass es für ihn „bewegend und großartig war, und ich selbst merkte dass es nicht vergebens war diese Filme gedreht zu haben“. 2003 Auszeichnung durch den chilenischen Staat 2007 Erster Teil seiner Memoiren „Der Film meines Lebens. Zerschossene Jugend“ Gerhard Scheumann - vom Hörfunk und Fernsehen zum Dokumentarfilm geb. am 25. Dezember 1930 in Ortelsburg/ Ostpreußen; gest. 30. Mai 1998; nach seinem Abitur wird er von Karl Gass nach Berlin geholt, wo er beim Rundfunk das Ressort Innen- und Wirtschaftspolitik innehat; 1953-1955 Dozent für Rundfunkjournalistik in Weimar; Seit 1957 Doppelleben als IM „Gerhard“; 1960-1961 wöchentliche TV-Sendung und Autor zahlreicher Drehbücher; 1965 erste Zusammenarbeit mit Heynowski; Gründer, erster Leiter und Moderator des innenpolitischen Magazins „Prisma“; 1965 beim Ausscheiden hinterlässt er das so genannte „Prisma-Testament“, in dem er die Tabus im DDR-Journalismus kritisierte. 1982 auf dem IV. Kongress des Verbands der Film- und Fernsehschaffenden der DDR 10-Thesen-Rede über Medienpolitik der SED: „In dem Maße wie sich eine Gesellschaft über ihre Probleme öffentlich verständigt, bekundet sie entweder ihre Reife oder Unreife… Wenn der Dokumentarfilm nur als Vehikel der täglichen Medienpolitik benutzt werden soll, muss er verkommen." Film und Begleitpublikation zu dem Film „Die Angkar“ gaben für Scheumann den Anlass für seine Stellungnahme; Die Zerschlagung der Künstlergemeinschaft von Heynowski & Scheumann wurde verhindert durch die Intervention von Manfred Wekwerth, dem Präsidenten der Akademie der Künste. H&S wurden „wieder eingegliedert“ in das DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Scheumann wurde der Reisepass entzogen, durfte nicht zum Festival nach Leipzig fahren und dort seinen Juryplatz einnehmen. Scheumann legte einen dreiseitigen Widerruf vor der zentralen Parteileitung im DEFA-Studio für Dokumentarfilme ab. März 1983 Verbot des Signets „Heynowski und Scheumann“ auf Briefköpfen und Filmen 1988 1988 1987 1986 1986 1986 1985 1984 1984 1983 1983 1983 1981 1981 1980 1980 1979 1979 1979 1978 1978 1978 1977 1977 Kamerad Krüger, R: Heynowski, Scheumann, Goldene Taube Leipzig, 94 Min Der Mann an der Rampe, R: Heynowski, Scheumann, 13 Min Teufelszeug, R: Heynowski, Scheumann, 12 Min Der springende Punkt, R: Heynowski, Scheumann, 8 Min Die Generale, Teil 1, R: Heynowski, Scheumann, 77 Min Die Generale, Teil 2, R: Heynowski, Scheumann, 98 Min Schnappschüsse aus Chile, R: Heynowski, Scheumann, 4 Min Amok, R: Heynowski, Scheumann, 14 Min Das lustige Spiel, R: Heynowski, Scheumann, 12 min Aparte Bilder, R: Heynowski, Scheumann, 10 Min Ein Pfeiler im Strom, R: Heynowski, Scheumann, 46 Min Zum Beispiel: Regensburg, R: Heynowski, Scheumann, 7 Min Exercises, Studio H&S, 10 Min Die Angkar, Studio H&S, 98 Min Kampuchea - Sterben und Auferstehn, Studio H&S, 90 Min Fliege, roter Schmetterling, Studio H&S, 16 Min Phoenix, Studio H&S, Silberne Taube Leipzig, 65 Min Ein Vietnamflüchtling, Studio H&S, 4 Min Die fernen Freunde nah, Studio H&S, 44 Min Am Wassergraben, Studio H&S, 16 Min Im Feuer bestanden, Studio H&S, 75 Min Die Toten schweigen nicht, Studio H&S, 76 Min Vietnam 2 - Der erste Reis danach, Studio H&S, Oberhausen FIPRESCI, 58 Min Vietnam 3 - Ich bereue aufrichtig, Studio H&S, 53 Min 32 1977 1976 1976 1976 1976 1975 1975 1975 1974 1974 1974 1974 1972 1971 1971 1970 1969 1968 1968 1968 1968 1967 1967 1966 1966 1965 1965 1965 1965 1964 1963 1963 Vietnam 4 - Die eiserne Festung, Studio H&S, Goldene Taube Leipzig, 60 Min Vietnam 1 - Die Teufelsinsel, Studio H&S, 65 Min Eintritt kostenlos, Studio H& S (mit Peter Hellmich), 11 Min Eine Minute Dunkel macht uns nicht blind, Studio H& S (mit Peter Hellmich), 66 Min Immer wenn der Steiner kam, Studio H&S, 62 Min Meiers Nachlaß, Studio H&S, 21 Min Geldsorgen, Studio H&S, Preise Leipzig & Oberhausen, 6 Min El Golpe Blanco. Der weiße Putsch, Studio H&S, 68 Min Psalm 18, Studio H&S, Hauptpreis Oberhausen 1975, 5 Min Mitbürger, Studio H&S, Hauptpreis VHS Oberhausen + Fipresci 1974, 7 Min Ich war, ich bin, ich werde sein, Studio H&S, Leipzig Jury-Sonderpreis, 76 Min Der Krieg der Mumien, Studio H&S, Oberhausen + Fipresci 1974, 96 Min Remington Cal. 12, Studio H&S, 14 Min Bye-bye Wheelus, Studio H&S, 77 Min 100, Studio H&S (R: Heynowski), 6 Min Der Mann ohne Vergangenheit, Studio H&S, 62 Min Der Präsident im Exil, Studio H&S, Goldene Tauibe 1969, 93 Min Piloten im Pyjama, Teil 1, Yes Sir, 68 Min Piloten im Pyjama, Teil 2, Hilton-Hanoi, 62 Min Piloten im Pyjama, Teil 3, Der Job, 82 Min Piloten im Pyjama, Teil 4, Die Donnergötter, 80 Min Mit vorzüglicher Hochachtung, R: Walter Heynowski, Peter Voigt, 6 Min Geisterstunde, 76 Min Der lachende Mann, 65 Min 400 cm³, R: Walter Heynowski, DB: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 6 Min O.K., R: Walter Heynowski, Sprecher: Scheumann, 32 Min Liebesbriefe 66, R: Walter Heynowski, Peter Voigt, 33 Min Kommando 52, R: Walter Heynowski, Leipzig (1965): Goldene Taube, 34 Min Ehrenmänner, R: Walter Heynowski, DB: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 9 Min Hüben und drüben, R: Walter Heynowski, 41 Min Globke heute, R: Walter Heynowski, 29 Min Brüder und Schwestern, R: Walter Heynowski, 40 Min Chile-Zyklus Schnappschüsse aus Chile DDR 1985, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 4 Min Chile 1985, Fotos von der Repression der Diktatur gegen das chilenische Volk und vom Widerstand, begleitet von der Musik von Angel Parra, einem der namhaftesten Komponisten Chiles im Exil. Im Feuer bestanden, DDR 1978, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 75 Min Spannungsreiche Rekonstruktion der letzten Stunden im und um den Präsidentenpalast La Moneda während des Putschs in Santiago de Chile 1973. Am 11. September betritt Salvador Allende gegen 7.30 Uhr seinen Amtssitz La Moneda. Am frühen Nachmittag verlässt er ihn wieder, in eine Decke gehüllt, tot. Die Regisseure zeigen zum Teil bis dahin Unveröffentlichtes vom Tag des Putsches: Film- und Tondokumenten von Peter Hellmich und Tonmeister Manfred Berger, Interviews mit Putschisten (wie z. B. General Leigh), Fernseh- und Rundfunkmitschnitte, zudem einige Interviewsequenzen mit der Witwe Allendes – der „Tencha“, Frau Hortensia Bussi de Allende. Außerdem gelang es Heynowski und Scheumann in Mexiko-Stadt Allendes Sekretär Dr. Danilo Bartulin vor die Kamera zu holen. Bis zur letzten Stunde harrte er an der Seite des Präsidenten aus. In dem Film „Ich war, ich bin, ich werde sein“, eine erschütternde Dokumentation über das Konzentrationslager Chacabuco, begegneten die Filmemacher dem Mann zum ersten Mal. Damals half er als Arzt seinen Mitgefangenen. Der tragische Ablauf der Geschehnisse wird durch die Fülle der Materialquellen nachvollziehbar. Der neunte Chile-Film lief fünf Jahre nach dem historischen Tag des 11. September im Jahr 1978 in den Kinos an; die Premiere fand anlässlich der Woche der Solidarität mit dem chilenischen Volk im Berliner Kino Kosmos statt. 33 Die Toten schweigen nicht DDR 1978, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 76 Min Zwei Frauen erzählen ihre Geschichte – in Würde, ohne Hast – und ihr persönliches Schicksal verflicht sich immer mehr mit dem nationalen Geschick Chiles. Moy de Tohá und Isabel Letelier sind die Gattinnen zweier Verteidigungsminister der Unidad Popular. Sie sind Witwen geworden in später Folge des faschistischen Putsches, weil das Wissen ihrer Männer zu mächtig war. Augusto Pinochet war über Jahre in ihren Häusern aus- und eingegangen, und so ersteht aus den Erinnerungen der Frauen das Charakterbild eines Charakterlosen: Pinochet, der Schmeichler und Intrigant, der Prototyp des falschen Freund. Leben und Tod von Tohá und Letelier – viele unschätzbare Dokumente konnten geborgen werden - geben tieferen Einblick in die politische Lage in Chile nach dem Putsch. Aus den Erlösen von „Die Toten schweigen nicht“ wurde für drei Jahre die Witwe des Au-ßenministers von Salvador Allende unterstützt. 20. Internationales Dokumentarfilmfestival Bilbao 1978: Großer Preis, Filmfest Lille 1978: Besondere Anerkennung Eine Minute Dunkel macht uns nicht blind DDR 1976, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, Peter Hellmich, 66 Min Beobachtungen und Interviews, zwei Jahre nach dem Putsch in Chile: Um die Kamera sammeln sich Menschen an, hergeführt vom Zufall und zuerst nur neugierig, was da weiter wird. Ein belebter Platz in Santiago, die Reporter kenntlich als Ausländer. „Hier kann man nicht sprechen!“ ruft einer. Andere stimmen zu: „Die Angst. Alle haben Angst.“ Doch keiner bleibt mehr still. Sie rufen, reden gegen jedes Risiko. Vieles kommt zur Sprache: der Hunger, die Preise, keine Arbeit, der Zwang, außer Landes zu gehen… Und mit Nachdruck die Forderung: „Sagt das nach draußen!“ 18. Internationales Dokumentarfilmfestival Bilbao 1976: Sonderpreis der Internationalen Jury, Internationales Dokumentarfilmfestival Grenoble 1976: Preis der Internationalen Jury Geldsorgen DDR 1975, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 6 Min Vorgeführt vom Bankdirektor General Eduardo Cano: Geldscheine als Flugblätter des Widerstands. General Cano wurde am 11. September 1973 zum Präsidenten der Zentralbank berufen, und hat seine Sorgen damit. Gegen die Inflation rekrutiert er neue Scheine, andere wiederum zieht er aus dem Verkehr. Als er einige der zurückgezogenen Scheine persönlich vorführt, kommt Komik ins Spiel: „Hier zum Beispiel wird die Junta als Junta von Dieben bezeichnet, was, wie Sie begreifen, nicht der Wahrheit entspricht.“ Schriftzeilen, von Unbekannt in kleinen, kräftigen Zeichen auf die Ornamente des Wertpapiers gesetzt. Trotzige Botschaften des Widerstands – es gibt viele davon. „Allende vive – Allende lebt“. Da stehen Bilder auf und mit ihnen die unverlierbaren tausend Tage der Unidad Popular. Spott tut sich kund zwischen Nullen und Schnörkeln und ein Anspruch, der die derzeit Herrschenden noch zittern machen wird: „Wir haben eine Schlacht verloren. Aber nicht den Krieg.“ 18. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1975: Ehrendiplom der Jury und FIPRESCIPreis, 18. Internationales Dokumentarfilmfestival Bilbao 1976: Jury-Sonderpreis, 22. Westdeutsche Kurzfilmtage Oberhausen 1976: Hauptpreis und Ehrende Empfehlung der Jury des Internationalen Evangelischen Filmzentrums Interfilm 34 El Golpe Blanco. Der weiße Putsch DDR 1975, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 68 Min Mit einem Aufschrei reagierten Menschen in der ganzen Welt, als die vom Volk gewählte Regierung Salvador Allendes am 11. September 1973 gestürzt wurde. Präsident Allende galt zu Beginn der 1970er Jahre mit seinem eingeschlagenen Weg zu einer sozial gerechten Gesellschaft als Symbolfigur des Aufbruchs. Die Filmemacher des Studios H&S analysieren die Ereignisse um den Putsch in ihrer Gesamtheit. So richtet der Film den Blick zurück zu den Parlamentswahlen vom 04. März dieses entscheidenden Jahres. Schon damals gibt es Umsturzbestrebungen gegen Salvador Allende und seine Unidad-Popular-Regierung. Durch einen weißen, vermeintlich sauberen Putsch suchen die rechtsgerichteten Kräfte Chiles eine Zweidrittelmehrheit im Nationalkongress zu gewinnen und die Amtsenthebung des Präsidenten zu erreichen, was jedoch misslingt. Demonstrationen „der leeren Kochtöpfe“ werden organisiert, um den vermeintlichen Unmut des Volkswillen zu beweisen. Monate später folgt der bewaffnete, blutige Umsturz. Die Regisseure Walter Heynowski und Gerhard Scheumann decken Versuche politischer Einflussnahme und Infiltration auf, wie sie Chiles politische Rechte mit Unterstützung des USGeheimdienstes CIA unternimmt. Das Studio H&S beobachtete in zahlreichen Dokumentarfilmen die demokratische Entwicklung Chiles und später die Hintergründe, den Ablauf und die Auswirkungen des Putsches. Fünf Drehreisen zwischen Februar 1973 und Februar 1974 lieferten dazu das Material. Nach „Krieg der Mumien“ und „Ich war, ich bin, ich werde sein“ war „El golpe blanco“ der dritte Langfilm über Chile aus dem Studio H&S. „Analytische Untersuchung, die soziale und politische Hintergründe penibel ausforscht und mit erregendem, teils illegal aufgenommenem Dokumentarmaterial belegt. Eine der herausragenden, auch international erfolgreichsten Produktionen des Studios Heynowski und Scheumann.“ (KIM-Filmdienst) Psalm 18 DDR 1974, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 5 Min Geistlicher Chorgesang aus hallendem Raum. Ein Gebäude wird kriegsmäßig besetzt. Nun Blick in das Kirchenschiff, dazu Rolltitel: „Anno Domini 1973, den 18. September, befahlen die Generäle den Kardinal-Erzbischof und die Oberhäupter aller in Chile wirkenden Konfessionen in die Iglesia de la Gratitud Nacional – die Kirche des National Dankes – zu Santiago.“ Ein „Gottesdienst: Auf Befehl der Junta zum Lobe der Junta“. Der Kardinal, genötigt in das Amt des Segnenden, spricht Worte von tiefem Sinn: „ Für alle die, die leiden und beten, oder die sich in Konfliktsituationen befinden, oder die in angstvoller Einsamkeit leben. Damit sie befreit, getröstet und befriedet werden. Flehen wir den Herrn an!“ Sein Gesicht in würdevollem Ernst; in Bildern der Verfolgten und Gepeinigten nimmt sein Sinnen Gestalt an. Die Schänder verlassen das Gotteshaus, in ihrem Rücken das Bibelwort: „Sie rufen zum Herrn; aber er antwortet ihnen nicht. Ich will sie zerstoßen wie Staub vor dem Winde; Ich will sie wegräumen wie den Kot auf der Gasse.“ Psalm 18, 42 und 43 Krakau Filmfestival 1974: Ehrende Anerkennung, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 1975: Hauptpreis der Jury 35 Mitbürger DDR 1974, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 7 Min Flugzeugdröhnen, Bombenbersten. Rauch und Flammen über dem Gebäude. Ein Rolltitel zeigt die Situation: "Als Flugzeuge und Panzer der Faschisten in Santiago am 11. September 1973 den Präsidentenpalast La Moneda beschießen, wendet sich Salvador Allende von seinem rechtmäßigen Platz aus noch einmal an das Volk von Chile" Salvador Allendes letzte Radiorede wird in diesem Film-Memorial vollständig wiedergegeben, der deutsche Wortlaut der Ansprache erscheint in den Untertiteln. Einzelne Aussagen sind zentral als Inserts ins Bild gesetzt. Filmszenen und Fotos untermauern Allendes letzten Aufruf an seine Mitbürger. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 1974: Hauptpreis der Volkshochschul-Jury und FIPRESCI-Preis Ich war, ich bin, ich werde sein DDR 1974, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 76 Min Im Frühjahr 1974 gelingt der Filmgruppe des Studios H&S Unglaubliches in der Pinochet-Diktatur. Gegen das ausdrückliche Verbot der chilenischen Juntakanzlei erhält sie Zugang zu zwei großen, im Norden gelegenen Konzentrationslagern. Von Chacabuco und Pisanga bringt sie Bild- und Tonaufnahmen heraus. Die Befragten in den Lagern wissen von diesen Hintergründen nichts, da alle Aufnahmen unter militärischer Eskorte geschehen. Doch die Blicke und Stimmen lassen beklemmend die Willkür, Ungewissheit und den Terror der Isolation spüren. 1974 mehrfach ausgezeichnet: Sonderpreis der Jury (Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche), Silberner Sesterz (Internationales Dokumentarfilmfestival Nyon) und Preis der Jury (Internationales Dokumentarfilmfestival Grenoble). „Ich war, ich bin, ich werde sein“ war international der wirtschaftlich erfolgreichste Film. Erst 2001 – zum 30. Jahrestag des Militärputschs – konnte der gesamte Chile-Zyklus des Studios H&S in Chile auf dem Film Festival Valparaíso gezeigt werden. Der Krieg der Mumien DDR 1974, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 96 Min Chile, 11. September 1973: Der Oberbefehlshaber des Heeres Augusto Pinochet stürzt die Regierung der Unidad Popular. Präsident Salvador Allende kommt beim Sturm des Militärs auf das Regierungsgebäude „La Moneda“ unter ungeklärten Umständen ums Leben. Heynowski und Scheumann porträtieren das Land vor und nach diesem historischen Ereignis. Dabei arbeiten sie die Verwicklungen US-amerikanischer Firmen heraus, die durch Verstaatlichungen in Chile entmachtet wurden. In diesem Zusammenhang zeigen sie auch die landesweiten Proteste und Betriebsbesetzungen im Jahr nach der Amtsübernahme Allendes. Eine zeitnahe und historische politische Analyse eines Landes und jenes Politikers, dessen Tod im gesamten Europa einen großen Kult auslöste. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 1974: FIPRESCI-Preis 36 Vietnam-Zyklus (1966-84) Amok DDR 1984, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 14 Min Über die routinierte TV-Vermarktung eines Verbrechens Mitte der 1980er Jahre in den USA: Das US-amerikanische Fernsehen berichtet live über den Amoklauf des 41-jährigen US-Army Veteranen James Huberty am 18. Juli 1984 im Stadtteil San Ysidro von San Diego. Huberty erschießt in einer McDonald’s-Filiale 21 Menschen und verletzt 19 weitere, ehe er von der Polizei gestoppt und erschossen wird. Der bis dahin größte Amoklauf in der nordamerikanischen Geschichte wird zu Dokumentarmaterial aus dem Vietnamkrieg in Beziehung gesetzt. Das Verbrechen eines einzelnen erweist sich als geistigmoralisches Resultat des Krieges, in dem der ehemalige Soldat zu dem wurde, was er jetzt ist. Im Dokumentarfilm werden TV-Ausschnitte eingeschnitten, die häufig durch Werbeböcke unterbrochen werden. Die deutsche Kommentierung wird mit Artikeln aus der bundesdeutschen Boulevardpresse unterlegt. Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Ein Vietnamflüchtling DDR 1979, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 4 Min Der ehemalige General und Chef der südvietnamesischen Polizei Nguyen Ngoc Loan lebt nach seiner weltweit geächteten Bluttat als Restaurantbesitzer in der Nähe von Washington. Ein Verfahren zur Ausweisung aus den USA wurde Presseberichten zufolge auf direkte Intervention durch Präsident Jimmy Carter und Justizminister Griffin Bell verhindert. Der Film ist ohne Kommentar und Musik. Zu sehen sind auch die Bilder des NBC-Kameramanns Vo Suu, der die öffentliche Ermordung von Nguyen Văn Lém, Mitglied der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams, am 1. Februar 1968 auf den Straßen von Saigon durch den dortigen Polizeichef Nguyen Ngoc Loan zeigen. 21. Internationales Dokumentar- und Kurzfilmfestival Bilbao 1979: Bronze-Mikeldi, Filmfest HoChi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Phoenix DDR 1979, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 65 Min US-Armeeangehörigen erhielten eine spezielle Ausbildung für den Einsatz im Vietnam-Krieg. Mit der verdeckten Operation "Phoenix“ des US-Auslandsgeheimdiensts CIA wollten die USA in Vietnam die Basen des Befreiungskampfes zerschlagen. K. Barton Osborn, "Phoenix“-Offizier und General Bui Van Nhu, damals Chef der südvietnamesischen Polizei, offenbaren die Allianz zwischen Polizei und CIA. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche Leipzig 1979: Silberne Taube, Internationales Dokumentarfilmfestival Bilbao 1979: Bronze-Mikeldi, Film Festival Ho-Chi-Minh-City 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme 37 Die fernen Freunde nah DDR 1979, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 44 Min Zur Premiere des H&S-Filmes "Die eiserne Festung“ kommen vietnamesische Gäste nach Berlin. Die wenigen Tage des Aufenthalts sind ausgefüllt mit Besuchen, Empfängen, Exkursionen ins Land. Eindrücke von ihrer Reise durch die DDR werden verbunden mit Erinnerungen an den Krieg in Vietnam. Über weitere Strecken, in der Reflexion der Autoren, ist dies ein Kompilationsfilm; Anlass zu besinnlicher Rückschau und Angebot beziehungsreicher Wiederentdeckungen: Der sechzehnte Film des Vietnam-Themas bei H&S. Am Wassergraben DDR 1978, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 16 Min Das Massaker von My Lai (Son My) vom 16. März 1968, betrachtet aus dem Abstand von zehn Jahren. Truppenführer William Calley befehligte das US-Kriegsverbrechen, der Armeefotograf Ronald Haeberle dokumentierte die ganze Grausamkeit dieser Aktion, ohne dabei seine Landsleute abzulichten. Der Freiheitskampf der Vietnamesen in diesem langen Krieg wird in dieser Rekonstruktion noch einmal sichtbar, die Verfolgung der Spuren und die Erlebnisberichte von Totgeglaubten werfen neue Fragen zum Tun des Truppenführers auf. Der in den USA umstrittene Leutnant William Calley wird nach seiner Verurteilung schrittweise freigesprochen und berichtet in TV-Sendungen und vor Universitätsstudenten seine Beweggründe zum Töten von Kommunisten. 20. Internationales Dokumentarfilmfestival Bilbao 1978: Sonderpreis, Filmfest Lille 1978: Besondere Anerkennung, Krakau Filmfestival 1978: Ehrendiplom, Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Vietnam 4 - Die eiserne Festung DDR 1977, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 60 Min Begegnungen mit Revolutionshelden im Mekong-Delta. Wenige Wochen nach dem Sieg gibt es die ersten Bilder neuer Menschlichkeit: Alte und Kranke, die sich auf ihre Zukunft vorbereiten, Kinder, die in die Schule gehen. Die eiserne Festung, das ist im ganzen Sinn des Wortes die Partei der Kommunisten. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche Leipzig 1977: Goldene Taube, Filmfest Tampere 1978: Preis für den besten Dokumentarfilm, Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Vietnam 3 - Ich bereue aufrichtig DDR 1977, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 53 Min Drei Generale und ein Oberst, Insassen eines Umerziehungslagers bei der Neubewertung ihres Lebens. Die Botschaft des Le Minh Dao, 42, Generalmajor, Kommandeur der 18. Division, Träger höchster amerikanischer Auszeichnungen: "Liebe Amerikaner! Sie haben mich zehn Jahre lang beraten. Nun will ich Ihnen einen guten Rat geben. Er lautet: Lassen Sie die Finger von anderen Ländern! Denn das ist weder gut für sie nach für diese Länder.“ Die Kamera trifft ihn Juli 1975 auf der Schulbank, im Umerziehungslager Quang Trung, unter einem Dach mit 23 anderen "Ehemaligen“ – alles Generale, nun mit dem "Ex-" vor den Ämtern und Rängen. Sie stehen noch unter dem Schock des Zusammenbruchs und verbringen viel Zeit mit dem Ordnen ihrer Biografie. Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme 38 Vietnam 2 - Der erste Reis danach DDR 1977, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 58 Min In und um Saigon im Sommer 1975 – Geschichten vom Umbruch während einer Drehreise durch den befreiten Süden im ersten Sommer danach. Geschichten mit Vorgeschichten, rückgreifend bis 1967. Merkwürdige Entdeckungen an Plätzen der Zeitgeschichte, freudige und schmerzvolle Erlebnisse: Pilot Trung und sein signalsetzender Handstreich, das verwunderliche Fundstück vom Trubel des Marktes und die Stichprobe aus dem Kulturmüll der Besatzer, Monologe zwischen Gräbern und Mühe mit den neuen Liedern. Bambus für das neue Haus und Minensuche im jungen Reis. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 1977: Spezialpreis der FIPRESCI, Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Vietnam 1 - Die Teufelsinsel DDR 1976, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 65 Min Spurensicherung auf Con Son, landschaftlich ein grünes, tropisches Paradies, eine Insel, die jedoch eine Hölle war: Deren unmenschliche "Tigerkäfige“ und die darin angewendeten Foltermethoden erlangten traurige Berühmtheit. Wieder eingeflogen mit der ersten ausländischen Filmgruppe Le Quang Vinh. Im August 1961 wurde der damals 25-jährige Studentenführer in Saigon als politischer Gegner verhaftet. Der Schauprozess endete mit dem Todesurteil. Nach weltweitem Protest wurde daraus "lebenslänglich“ auf Con Son, der Teufelsinsel. Le Quang Vinh zeigt die Stätten des Grauens, wo er 13 Jahre inhaftiert war, davon sechs Jahre im so genannten Tigerkäfig. Con Son, auch Con Dao: die Berginsel. Im Sommer 1975 steht vor dem Kameraauge ein unübersehbares Areal von Zellen, Bunkern, Grüften unter Gittern. Zu Haufen geworfen die Ketten, Stangen, Fesseln. Der erste Film des Vietnamzyklus von Heynowski und Scheumann; ein Erlebnisbericht und eine historische Beweisaufnahme. Internationale Filmfestspiele Berlin Berlinale (Forum) 1976, Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und KampucheaFilme Eintritt kostenlos DDR 1976, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 11 Min Ein Gang durch die Museen von Hanoi, Blick auf die Exponate, die Zeugnis ablegen von den Erfahrungen der Vietnamesen mit Invasoren und der Invasoren mit Vietnam. Rustikale Waffen, jahrhundertealt, erfindungsreiche Fallen; neuzeitliche Kriegsmaschinen und als Modell das Schlachtfeld von Dien Bien Puh. Wrackteile von US-Fernbombern, eine Kugelweste: "Durchschossen von unseren Gewehren, von vorn bis hinten“. Eine einzigartige Ausstellung, ihre mahnende Botschaft: "Der verabsäumte kostenlose Besuch der Museen von Hanoi kostete das amerikanische Volk 56 369 Tote und 146 Milliarden Dollar.“ Krakau Filmfestival 1977: Ehrendiplom, Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme 39 Remington Cal. 12 DDR 1972, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 14 Min Erfahrene Jäger identifizieren sie als eine Schrotpatrone. Das Geschoss ist gezeichnet mit „Remington Peters 12“, wird in den Verkaufslisten jedoch nicht geführt. Die detailliert vorgeführte Laboranalyse legt 20 kleine Stahlpfeile frei. Schussversuche aus unterschiedlichster Entfernung auf Steckkasten, Kürbis und Kanister weisen aus: Die Zielobjekte werden durch die potenzierte Aufprallenergie von innen zerrissen; viele der Pfeile zerlegen sich im getroffenen Organismus. Die Patrone erweist sich als „Für die Jagd ungeeignet“. Ein US-Kommandotrupp im Einsatz, unweit von Da Nang, Südvietnam. Der Anführer erklärt die Waffe, die er persönlich führt: „Oh ja, das ist eine Schrotflinte Kaliber 12. Für Patronen wie diese hier. Wenn sie abgeschossen werden, fliegen kleine Pfeile heraus. Sie reißen einem das Bein aus 50 Metern Entfernung ab, ja. Sie fasst sechs Schuss, einen in der Kammer. Sie ist sicher, schießt immer. Eine gute Waffe im Nahkampf. ES IST EINE SEHR FEINE WAFFE.“ Den Film schließt ein Zitat aus der Washingtoner Zeitschrift „Armed Forces Management“: „Vietnam ist das Übungsgelände, wo wir unsere neuen Waffen endgültig testen und störfrei machen.“ 100 DDR 1971, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 6 Min Filmische Rekonstruktion eines Brauchs in der US-Army. Ein Mann, durchtrainierte Figur, macht Liegestütze. Das eingeblendete Zählwerk steht auf 100, läuft von da an rückwärts. Harter Schlag des Metronoms. Über die Szene, sie aber nicht völlig verdeckend, legen sich Fotostudien – schöne, stolze Gesichter von Vietnamesen. Drei Worte werden geschrieen, wieder und wieder; man erkennt: "dog – pig – monkey“. Erschöpfung, Zusammenbruch bei den Takten 43 und 8. Ende der Prozedur – ein harter, langaushallender Gitarrenschlag. Das Zählwerk eilt zurück auf 100. Die Zahl wird Bestandteil dieser Schrifttafel: "Mark Lane in seinem Buch 'Gespräche mit Amerikanern’. New York 1970: 100 Liegestütze müssen Soldaten in Einheiten der US-Marine absolvieren, die einen Vietnamesen als Vietnamesen bezeichnet haben und nicht als Hund, Schwein oder Affe.“ Schlussbilder drastischer Realität: brüllende, bajonettstoßende USMarineinfanteristen. 8. Internationales Kurzfilmfestival Krakau 1971: Silberner Drache, Filmfest Ho-Chi-Minh-Stadt 1983: Spezialpreis für die Vietnam-Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Piloten im Pyjama, Teil 1, Yes Sir, DDR 1968, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 68 Min Sieben Wochen verbrachten Walter Heynowski und Gerhard Scheumann mit ihrem Team im Sommer 1967 in Vietnam. Von ihren Dreharbeiten berichtete wenig später die Weltpresse: Erstmalig hatte ein Filmteam ein Haftlager für abgeschossene USamerikanische Piloten betreten, erstmalig hatte eine größere Anzahl gefangener, US-amerikanischer Offiziere vor der Kamera ausgesagt. Der entstandene vierteilige Film erregte weltweit Aufsehen, wurde von großen Illustrierten abgedruckt und in Ausschnitten im USFernsehen ausgestrahlt. Zehn US-Militärpiloten stellen sich vor und schildern ihren letzten Flug nach Vietnam, bevor sie abgeschossen wurden. Sie erklären, was sie bei ihrer Ankunft auf vietnamesischen Boden erwarteten und vergleichen diese Vorstellungen mit dem, was sie erlebten. Auch berichten sie über ihren Kampfauftrag und ihre Einstellung zu dem Beruf. “Die Antworten gewähren tiefe Einblicke in den Mechanismus dieses Krieges und in die Verfassung derer, die ihm dienen. Es war erregend zu sehen, wie vor der Kamera allmählich Wahrheit entstand - nicht herauskam, sondern tatsächlich entstand.” (Tagesspiegel, 1968) 40 Piloten im Pyjama, Teil 2, Hilton-Hanoi, DDR 1968, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 62 Min Die abgeschossenen, US-amerikanischen Piloten berichten über ihre Haftbedingungen. Diese werden verglichen mit denen von nordvietnamesischen Kämpfern in südvietnamesischen Lagern. Piloten im Pyjama, Teil 3, Der Job, DDR 1968, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 82 Min Die US-Piloten sprechen über die Methoden und Ziele der Luftangriffe in Vietnam. Die Interviews gehen auch der Frage nach, wie ihr Verhältnis zu den Opfern ist, was sie über Verantwortung und Schuld denken. Piloten im Pyjama, Teil 4, Die Donnergötter, DDR 1968, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 80 Min Heynowski und Scheumann hinterfragen in ihren Interviews die Einstellungen und persönliche Haltungen der US-Piloten, befragen sie auch zur Politik, zu ihrem Weltbild, zum Kommunismus und wie sie ihren Einsatz in Vietnam legitimiert sehen. 400 cm³ DDR 1966, R: Walter Heynowski, DB: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 6 Min Eine Hymne auf die Blutspender für Vietnam. Der schlichte Vorgang, die Blutspende für Vietnam, vieltausendfach vollzogen, erfährt eine filmische Erhöhung. In der Montage von Bildern und Klängen wird eine Brücke geschlagen zwischen den Spendern und Empfängern des kostbaren Gutes. Das Ballen der Faust ist einerseits eine medizinische Erfordernis, auf der anderen Seite aber auch das Signal zum Kampf. Tragender Bestandteil des Films ist eine A-capellaKomposition für einen großen Chor von Paul Dessau. 9. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1966: Ehrende Anerkennung 41 Kampuchea/ Kambodscha-Zyklus (1980/81) Die Angkar DDR 1981, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 98 Min Das Khmer-Wort "Angkar" bedeutet "Organisation". Die Angkar des Pol-PotRegimes regierte nach eigenen, ungeschriebenen Gesetzen. Die im zentralen Verhör- und Vernichtungslager S21, der ehemaligen Oberschule Tuol Sleng in Phnom Penh, entdeckten Akten und Fotokarteien dokumentieren 20.000 Tote. Heute ist dort das "Genuzid-Museum" untergebracht. Sieben Überlebenden berichten von bestialischen Foltermethoden, die erschütternden Aussagen werden mit eingeblendete Erkennungsfotos von Frauen, Kindern und Männern belegt. Gefundene Personalakten, Verhörniederschriften und Bewertungsprotokolle entlarven die zutiefst verachtende Behandlung der Wachmannschaften und des Verhörpersonals gegenüber den Inhaftierten. Gegenübergestellte Fotos von menschlichen Experimenten und Ermordeten in der NS-Zeit Deutschlands und dem Pol Pot-Regime zeigen die ganze Grausamkeit von Diktatoren. Allein die ängstlichen und verzweifelten Augen der immer wieder eingeblendeten Erkennungsfotos sprechen für sich und lassen die unendlichen Qualen der 20.000 Opfer dieses Vernichtungslagers erahnen. Das Interview mit dem "Bruder Nummer 2 der Angkar", Leng Sary, lässt erkennen, wie gleichgültig und uneinsichtig er gegenüber seiner Verantwortung ist. In Rückblicken gehen Heynowski und Scheumann auf die Geschichte Kampucheas und seiner direkten Nachbarn sowie deren Interessen ein, auch auf die Befreiung Phnom Penhs im Januar 1979 durch die Armee Vietnams und die Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages. Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Exercises DDR 1981, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 10 Min Unter Pol Pot sollte das Erbe der über 2000 Jahre alten Kultur Kambodschas ausgelöscht werden. Schulen wurden vernichtet, Lehrer und Schüler verschleppt, gequält und getötet. Von April 1975 bis Januar 1979 ermordete das Regime nicht nur Personen, es richtete sich auch gegen Traditionen, um "die Geschichte neu (zu) schreiben". Verboten waren beispielsweise die klassischen Tänze der Khmer. Im September 1980 eröffnet die Schule der Schönen Künste in Phnom Penh wieder, im März 1981 studieren in der Tanzklasse bereits 110 Eleven, darunter viele Waisen. Kampuchea - Sterben und Auferstehn DDR 1980, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 90 Min Die im Frühjahr 1979 entstandenen Bilder berichten aus einem zerstörten Land von Überlebenden und deren ungebrochenen Überlebenswillen nach dem versuchten Völkermord der Pol Pot- und Yeng Sary-Clique zwischen den Jahren 1975 bis 1979. Die Hauptstadt wird der wild wuchernden Natur überlassen, unübersehbare Schädelstätten, zerstörte Gesichter und Landschaften. In Berichten Überlebender heißt es immer wieder: samlap – getötet... Überlebende Deportierte schildern den Weg ihrer Verschleppung, den Verfall der Hauptstadt Phnom Penh und des Landes sowie die Brutalität der militärischen Gruppen um Pol Pot. Der Nachbarstaat Vietnam entschloss sich am 22.12.1978 zu einer militärischen Lösung. Nach einem nur 17 Tage dauernden Blitzkrieg fiel Phnom Penh am 7. Januar 1979 in die Hände der Vietnamesen. Internationales Dokumentarfilmfestival Bilbao 1980: Besondere Erwähnung, Filmfest Huesca 1981: Preis für einen neuen Stil des Kurzfilms, DDR-Filmwoche in Athen (Griechenland) mit 17 Dokumentarfilmen des Studios H & S Filme, Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme 42 Fliege, roter Schmetterling DDR 1980, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 16 Min Zwiegespräch durch Filmmontagen zwischen Kindern aus Kambodscha, die über ihre schrecklichen Erfahrungen unter dem Pol Pot Regime berichten und Schülern aus Erfurt, Arnstadt und Plaue, die sich der Solidaritäts- und Spendenaktion "Fliege, roter Schmetterling“ angeschlossen haben. Sie erzählen von ihrem Beitrag zu den in der DDR insgesamt gesammelten 3.307.585,90 Mark für die Kinder der Volksrepublik Kambodscha. Heynowski und Scheumann berichten über die Folgen der Schreckensherrschaft der Roten Khmer unter Pol Pot in Kampuchea. Besonders den Kindern Kampucheas ist dieser Film gewidmet, sie mussten Furchtbares erleiden und wurden sehr häufig Vollwaisen. In einer beispiellosen Solidaritätsaktion erarbeiteten, sammelten und spendeten Schüler aus Erfurt, Arnstadt und Plaue über 3 Millionen Mark. Sie haben sich der Solidaritäts- und Spendenaktion "Fliege, roter Schmetterling“ angeschlossen. Das Geld soll den Kindern im Waisenhaus von Phnom Penh helfen, um Medikamente, Kleidung und Nahrung anzuschaffen. Ein Zwiegespräch durch Filmmontagen zwischen Kindern aus Kambodscha und der DDR. Filmfest Hanoi 1988: Preis für alle Vietnam- und Kampuchea-Filme Weitere Filme Kamerad Krüger DDR 1988, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 94 Min "Wir waren und sind die Elite“, sagt Walter Krüger, ehemaliger SSSturmbannführer unter Hitler und nun Geschäftsführer des "Kameradschaftsverbandes I-Panzerkorps der ehemaligen Waffen-SS e.V.“. Ein bekennender Nazi zieht vor die Kamera penibel und stolz Bilanz. Anlass des Interviews ist ein Jahrestreffen von SS-Veteranen im bayrischen Nesselwang im Jahr 1988, organisiert von Walter Krüger. Eingeschnittene Wochenschau-Ausschnitte mit Originalkommentar von Reichsparteitagen, Aufmärschen, Kriegshandlungen und von der Befreiung des KZ Mauthausen werden Walter Krügers Erinnerungen gegenübergestellt. 31. Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche Leipzig 1988: Goldene Taube Der Mann an der Rampe DDR 1988, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 13 Min Die Verbrechen in Auschwitz und ihr absonderliches Gedenken: Der Mann, der den Zugverkehr in Auschwitz organisierte, ein Beamter der Bundeswehrverwaltung und ein Militaria-Handel, lebt in der Bundesrepublik vollkommen unbehelligt. Die Tötungstechnologie von Auschwitz taxiert er rein nach ihrem Rentabilitätsprinzip. Militaria-Handel bieten von der kompletten Uniform eines Hauptsturmführers, inklusive Mütze und Stiefel, auch die eindeutigen Accessoires: „Auschwitz“-Aufnäher, Hakenkreuze, Judensterne. Die einzelnen Filmepisoden zeigen, dass die so genannte Ausschwitzlüge nicht der Vergangenheit angehört. 43 Teufelszeug DDR 1987, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 12 Min Die Friedensbewegung protestiert in Hasselbach im Hunsrück gegen die Stationierung von 96 Cruise Missiles im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses. Mit Sitzblockaden und dem Aufstellen von 96 riesigen Holzkreuzen verleiht die Bevölkerung ihrer ablehnenden Haltung Nachdruck. Der springende Punkt DDR 1986, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 8 Min Archivaufnahmen von Bombendetonationen im Zweiten Weltkrieg kombiniert mit graphischen Abstraktionen von der Vernichtungskraft moderner Atomraketen verdichten sich zu einer stummen Warnung vor Aufrüstung und Krieg. Der Film verweist auf den Anfangspunkt der Entwicklung mit der Atombombe von Hiroshima und klagt Ronald Reagans "Strategic Defense Initiative" (SDI) Politik an, die sogar Waffen im Weltraum stationieren will. Dagegen setzen die Filmemacher die Abrüstungsvorschläge von Michail Gorbatschow aus dem Jahre 1986 in Reykjavík, die sie als reale Utopie einschätzen. Sein Ziel war es, bis zur Jahrtausendwende eine Erde ohne Kernwaffen zu schaffen. Die Generale, Teil 1 DDR 1986, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 77 Min Vom Truppenführer über den Oberkommandierenden bis zum früheren Staatsoberhaupt: Lebensbilanzen für eine Koalition der Vernunft. Acht Männer aus acht europäischen NATO-Ländern erinnern sich, warum sie sich entschieden, Berufssoldaten zu werden. Lebenswege, die zum Generalsrang führten, ihre Kämpfe und Entscheidungen. Es stellen sich vor: Generalmajor a. D. Gert Bastian (Kommandeur der 12. Panzerdivision der Bundeswehr), Admiral a. D. Antoine Sanguinetti (auch Stabschef der französischen Marine), Generalmajor a. D. Johan Christie (ehemals Chef der Logistik der norwegischen Luftwaffe), General a. D. Nino Pasti (Italien, zeitweise Stellvertreter für Nuklearfragen des NATO-Oberbefehlshaber in Europa), Brigadegeneral a. D. Michael Harbottle (Großbritannien, auch Stabschef der UN-Friedensstreitkräfte in Zypern), Marschall a. D. Francisco da Costa Gomes (portugiesischer Präsident von 1974 bis 1976, davor Generalstabschef der Armee), Generalleutnant a. D. Georgios Koumanakos (stellvertretender Generalstabschef der griechischen Armee) und Generalmajor a. D. Hermann von Meyenfeldt (Gouverneur der niederländischen Königlichen Militärakademie). Die Generale, Teil 2 DDR 1986, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 98 Min In höchsten Kommandofunktionen kennen die acht europäischen Generale die Pläne und Entwicklungen der NATO. Bohrende Fragen und entschiedene Antworten kompetenter Männer, die ihrem Leben eine Wende geben: Von traditionellen Militärs zu Strategen des Friedens, die sich für Abrüstung einsetzen. Das lustige Spiel DDR 1984, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 12 min Ein Kartenspiel aus den USA wirbt: "Atomkrieg - ein flottes, lustiges Kartenspiel für 2-6 Spieler jeden Alters“. Neun Polaris-Raketen, knapp zwanzig 10-MegatonnenSprengköpfe, hinzu kommen 200 Millionen Menschen auf 40 Karten verteilt. Jeder Spieler stellt eine Weltmacht dar und versucht, durch den Gebrauch von Nuklearwaffen die Weltherrschaft zu erringen. Eine Partie stellt der Film tricktechnisch vor. 44 Aparte Bilder DDR 1983, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 10 Min Bilder vom Alltag in Südafrika unter dem Apartheid-Regime, die auf eindringliche Weise den Rassismus in diesem Land erfahrbar machen. Szenen müßigen Lebens: ein Ferienparadies, Golfspieler, kühle Getränke am Strand, Hummeressen in fröhlicher Runde. Andere sorgen dafür, dass es an nichts fehlt. Eindringlich werden diese krassen Unterschiede zwischen der herrschenden, weißen Bevölkerungsschicht und der dienenden, schwarzen Bevölkerung aufgezeigt. Schwarze Minenarbeiter, Kellner und "Caddies" stehen im harten Kontrast zu den Golfspielern, Urlaubern und Gold scheffelnden Weißen. Abschließend sehen wir den Kampf der weißen Börsianer gegen den Verfall des Goldpreises im Gegenschnitt mit den ausgebeuteten Schwarzen. Internationale Filmfestspiele Berlin 1984 Ein Pfeiler im Strom DDR 1983, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 46 Min Der Kommunist Walter Zauner wird 1952 in der Bundesrepublik wegen der "Sabotage an amerikanischen Militäraktionen“ zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt: Er mauerte die Sprengkammer der Marienorter Brücke in Regensburg zu. Nach einer großen Solidaritätsaktion wird er freigelassen und setzt in der Gewerkschaft seinen Kampf für den Frieden fort. 30 Jahre später erinnert sich der Vorbestrafte und Friedensbekenner. Zum Beispiel: Regensburg DDR 1983, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 7 Min Der Film zeigt die Schönheiten traditionsreicher Stadtgeschichte. Im Countdown wandelt sich der Name Regensburg in Reagansburg, in einem Feuersturm verkohlen die eben geschauten Bilder - und entstehen dann neu aus der Asche: die Stadt steht. Regensburger Touristen auf ihrem Ausflugsdampfer winken. Immer wenn der Steiner kam DDR 1976, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 62 Min Ein Film über den deutschen Kriegssöldner Rolf Steiner (geb. 1933 in München), der in der französischen Fremdenlegion begann und weltweit kämpfte. Meiers Nachlaß DDR 1975, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 21 Min Kunst ist Kapitalanlage. Eine Versteigerung in München erscheint zunächst ganz harmlos, viele ältere Herren befinden sich im Saal, in dem Prunkgeschirr und Ziergerät auf einer langen Tafel feilgeboten wird. Eine Widmung kommt ins Bild: "Dem Ministerpräsidenten und General der Flieger Hermann Göring in Treue“. Der bayrische Freistaat als offizieller Erbe von Hermann Göring übergab die mit Görings Wappen und diversen NS-Symbolen versehenen Wertgegenstände einem Kunstauktionshaus und kassierte den Erlös von 641.590 DM. Internationales Filmfestival Moskau 1977: Goldener Preis Bye-bye Wheelus DDR 1971, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 77 Min "Wheelus Air Base" in Libyen - das war einmal der größte Luftstützpunkt der USA außerhalb ihres eigenen Territoriums. Der Dokumentarfilm von Walter Heynowski und Gerhard Scheumann erzählt deren Geschichte und die 1970 erzwungene Räumung. Heute befindet sich dort der Mitiga International Airport, der zweite wichtige Flughafen von Tripolis. 1923 im damaligen Italienisch-Libyen von der italienischen Luftwaffe erbaut, ging der nahe Tripolis gelegene Militärstützpunkt nach dem Zweiten Weltkrieg an die US-Amerikaner. Bis 1970 war die nach einem gefallenen US-Luftwaffen-Leutnant benannte "Wheelus Air Base" mit ihren 1.200 Hektar der größte ausländische Luftstützpunkt der USA. Aufgrund ihrer geographischen Lage war sie von immenser strategischer Bedeutung. "Wheelus" gehörte zur US Air Force Europe (USAFE) und diente u.a. den in Europa stationierten Nato-Piloten zum Schießtraining. Die Zentrale war über die sogenannte Red Line 11, ein Rotes Telefon, direkt mit dem Pentagon verbunden. Nach dem Putsch am 1. September 1969 kündigten Oberst Muammar al-Gaddafi und sein Revolutionärer Kommandorat den USA kurzfristig die Verträge zum 30. Juni 1970. Noch 19 Tage vorher räumte das US-Militär unter Ausschluss der medialen Öffentlichkeit die Basis. Bis heute wird der 11. Juni als Tag der Befreiung von der US-Armee gefeiert. Die Filmemacher Heynowski und Scheumann hielten mit der Kamera die Hinterlassenschaften der USA – riesige Müllplätze mit Bombenschutt, zerschossenen Zielen und abgestürzten Flugzeugen fest. Inmitten des Wheelus-Geländes fanden sie auch an der Wand einer Bushaltestelle die Titel gebende Inschrift "Bye-bye Wheelus". Das Film-Triptychon aus dem Studio H&S bietet bis heute zeithistorisch interessante Bilder über das Verhältnis der beiden Staaten USA und Libyen. 45 Der Mann ohne Vergangenheit DDR 1970, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 62 Min Ein junger Mann, studierter Jurist, am Anfang einer hoffnungsvollen Beamtenlaufbahn: Horst Rudolf Übelacker (geb. 1936 in Karlsbad). Als der Nationalsozialismus beendet war, war er gerade neun Jahre alt. Bemerkenswert: seine politische Regsamkeit. Was er schreibt und redet, lässt sich summieren mit "friedensgefährdende Hetze". Vor der Kamera offenbart er seine geistige Physiognomie. Heute lebt Übelacker in Linz und ist dort für die FPÖ im Gemeinderat. Übelacker und die einflussreichen Bünde, in denen er wirkt, wollen Grenzen verändern. Der Hinweis auf ihn kam von Dr. Walter Becher, dem "Präsidenten im Exil": Übelacker, das "junge politische Talent" an seiner Seite. Der Film wirft ein Licht auf den Generationswechsel von Altnazis zu Neonazis. Erster offiziell vom bundesdeutschen Fernsehen (WDR) gekaufter DDR-Dokumentarfilm. „‘Wenn ich mal die Hitler- und KZ-Bilder abziehe‘ so Übelacker zum SPIEGEL, ‚dann bin ich der Meinung, daß ich gar nicht so schlecht bin.‘“ (Der Spiegel, 1970) Internationales Fernsehfestival Prag (1970): Preis für die beste Regie & Preis der Jury der tschechoslowaksichen Fernsehzuschauer Der Präsident im Exil DDR 1969, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 93 Min Der Präsident Dr. Walter Becher (1912 in Karlsbad-2005 in Pullach), offiziell: Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, hat unter die alten Fahnen gerufen, wie jedes Jahr. Ein straff organisierter Betrieb und über allem kernige Sprüche wie dieser: "Eher wird die Tschechoslowakei ein zweites Mal zerschlagen, als dass Karlsbad ewig Karlovy Vary bliebe." Zitat Dr. Walter Becher, Spitzenpolitiker der CSU, Mitglied des Bundestages und seines Auswärtigen Ausschusses und, im Selbstverständnis, ein Präsident im Exil Mann mit Vergangenheit und viel Hintergrund. Geschäftiger Polit-Manager, versiert und routiniert, leutselig auch, wo es gebraucht wird - so präsentiert er sich im Interview, gibt Anlass für dokumentarische Vertiefungen in einen gefährlichen Anachronismus. Mit vorzüglicher Hochachtung DDR 1967, R: Walter Heynowski, Peter Voigt, 6 Min Zu einem Bachkonzert wird das Schreiben verlesen, mit dem der Legationsrat der Bundesrepublik die Musiker des Leipziger Gewandhausorchesters in Nicosia abzuwerben versucht. Zunächst darf man sich der Musik ungestört hingeben - 4. Brandenburgisches Konzert, 3. Satz, zum Klingen gebracht vom Bachorchester des Gewandhauses in der Thomaskirche zu Leipzig. Bis Worte und Satzfetzen das Bild mehr und mehr okkupieren: "Liebe Landsleute", "Schutz und Hilfe", "Sowjetische Besatzungszone", "nicht zurückkehren". Der Briefkopf wird einsehbar: "Botschaft der Bundesrepublik Deutschland - Nicosia". Abschwenk des ganzen Blattes, das den Musikern aus der DDR während ihres Gastspiels ins Hotelzimmer geschoben worden war. Unterschrieben von Richard Giesen, Legationsrat - "mit vorzüglicher Hochachtung". Geisterstunde DDR 1967, R: Walter Heynowski, DB: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 76 Min Ein Film über die Wahrsagerin Margarethe Goussanthier, genannt Buchela (1899-1986). Sie berictet über führende, bundesdeutsche Persönlichkeiten, die sich von ihr die Zukunft voraussagen lassen. 46 Der lachende Mann DDR 1966, R: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 65 Min Berühmtes Interview mit Major Siegfried Müller (1920-1983), bekannt und berüchtigt unter dem Namen "Kongo-Müller", als Söldner 1964 und 1965 beteiligt an der blutigen Niederschlagung des Simba-Aufstandes im Kongo. Am 10. November 1965 befragen Heynowski und Scheumann vier Stunden lang den im Kampfanzug samt Eisernem Kreuz 1. Klasse erschienenen 45jährigen Söldner in einem Münchner Filmstudio. Ein Killer auf Urlaub: Kommandoführer Major Müller steht auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn. Er ist getragen vom Hochgefühl jüngster Erfolgserlebnisse und gelockt von der Chance passabler Selbstdarstellung. In der Annahme zwei bundesdeutschen Journalisten gegenüber zu sitzen, gibt sich Müller in der ihm vertrauten Umgebung souverän und leutselig. Unter zunehmendem Alkoholeinfluss schwadroniert er wie unter Kumpanen. Er präsentiert sich als Stratege des modernen Krieges, als „Verteidiger des Westens, der christlichen oder westlichen Hemisphäre“. Müller: "Wir haben für Europa gekämpft im Kongo, für die Idee des Westens, und zwar, um es genau zu sagen, für Liberté, Fraternité und so weiter. Sie kennen diese Sprüche." Aber die zusätzlichen Bild- und Tondokumente, eingebracht auf Umwegen, tilgen seine Selbstretusche. Heynowski und Scheumann sind durch einen Stern-Artikel von Gerd Heidemann auf Müller aufmerksam geworden. Der große Filmerfolg beförderte die Studiogründung. Internationales Dokumentarfilmfest Leipzig 1966: Sonderpreis der Jury „ein seltenes psychologisches Porträt eines Mannes, der sich jenseits aller Grenzen der Moral befindet. Man kann sagen: das ist der gewöhnliche Faschismus heute“ (Michail Romm in: Wilhelm Roth, Der Dokumentarfilm seit 1960) O.K. DDR 1965, R: Walter Heynowski, Sprecher: Gerhard Scheumann, 32 Min In einem Aufnahmeheim für Übersiedler in Eisenach lernt der Regisseur Walter Heynowski das Mädchen Doris S. kennen, das 1961 legal in die Bundesrepublik ausgereist war und nach 18 Monaten zurückkehrt. Dieser Interview-Film bringt dem Zuschauer ihr individuelles Schicksal in einem zweigeteilten Deutschland näher. Als die Mutter gestorben war, zog Doris im Jahr 1961 - damals landwirtschaftlicher Lehrling in einer erzgebirgischen LPG - zu ihrem Vater in die Bundesrepublik. Getrieben von ihrem Wunsch, "die große weite Welt zu erleben", wurde sie schließlich für 18 Monate Animiermädchen in der Bar "Pa-pa-Club" des amerikanischen Truppenübungsplatzes Baumholder. Ihr detaillierter Bericht wird durch Originalaufnahmen ergänzt. Als sie nach Eisenach zurückkehrt, führt sie im Gepäck eine 6-mm-Gaspistole mit sich, die sie bisher benötigte, wenn sie sich nachts auf ihren Heimweg begab. Liebesbriefe 66 DDR 1965, R: Walter Heynowski, Peter Voigt, 33 Min Erwin Geschonneck und Gisela May lesen Briefe Unbekannter vor und erzählen damit von den Schicksalen einzelner Menschen, von ihrer Arbeit, ihrer Liebe, ihrem Leben. 20 Ehepaare aus der DDR, sie waren bei Drehbeginn zwischen 22 und 70 Jahre alt, können auf ein bewegtes Leben zurück blicken. Mit einfühlsamen Worten tragen die beiden Erzähler die Worte des jeweils einen Ehepartners zum Thema Kennenlernen, Hochzeit, Ausbildung und Eheverlauf in aller Offenheit vor. Freude und Leid wechseln sich ab, unterlegt und belegt mit Privatfotos, Zeitungsausschnitten und kleinen Filmeinblendungen. 47 Kommando 52 DDR 1965, R: Walter Heynowski, 34 Min Ein Film über das berüchtigte Söldnerkommando 52, das in den 1960er Jahren im Kongo wütete. Hauptsächlich bestand es aus bundesdeutschen Männern, die in Afrika zu Berufskillern wurden. Unter ihnen ist der Major Siegfried Müller, der so genannte KongoMüller, aus Frankfurt am Main mit großer militärischen Erfahrung. Basierend auf Selbstzeugnissen und Originalmaterial, entsteht ein erschütterndes Zeitdokument. Die unterlegten Tonbandaufnahmen von interviewten Söldnern und die Fotos von ermordeten Afrikanern zeigen ein schonungsloses Gesamtbild des "Söldnerkommandos 52". Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1965: Goldene Taube Ehrenmänner DDR 1965, R: Walter Heynowski, DB: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, 9 Min Der Film zeigt in zwei Kapiteln ausreisewillige Männer im geteilten Deutschland. Im ersten Kapitel verlassen Ostdeutsche ihre Frauen und Kinder, um in der Bundesrepublik zu leben. Im zweiten Kapitel versuchen alleinstehende Westdeutsche, in die DDR umzusiedeln. Hüben und drüben DDR 1964, R: Walter Heynowski, 41 Min In beiden deutschen Staaten stehen viele alte Wohnhäuser. Das Verhalten beider Gesellschaftsordnungen zu diesem Erbe nimmt der Film zum Anlass eines politischen, ökonomischen und moralischen Vergleichs. Der Regisseur beobachtet die Politik des bundesdeutschen Wohnungsbauministers Paul Lücke im Vergleich zum Wohnungsbau in der DDR. Er will nachweisen, wie raffiniert Mietwucher in der Bundesrepublik betrieben wird und benutzt neben Interviews und Reportageteilen auch grafische Elemente. Globke heute DDR 1963, R: Walter Heynowski, 29 Min Porträt des Hans Globke, Verwaltungsjurist im Reichsinnenministerium und Mitverfasser eines offiziellen Kommentars zu den Nürnberger Gesetzen von 1935. Adenauer ernannte ihn 1953 zum Staatssekretär, in der DDR wurde er 1963 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Globkes "Schattenkabinett" der 25 Staatssekretäre wird durch eindrucksvolle Enthüllungen als faschistisch entlarvt. Als Kronzeuge gegen Globke kommt die bundesdeutsche und westeuropäische Presse zu Wort. Brüder und Schwestern DDR 1963, R: Walter Heynowski, 40 Min Der Film zeigt ausgewählte Beispiele von Reden bundesdeutscher Politiker, in denen sie von den "lieben Brüdern und Schwestern“ in der Zone sprechen. Er entlarvt mit satirischer Schonungslosigkeit die Demagogie dieser Worte, auch mit Bildern von Klassenunterschieden und sozialen Auseinandersetzungen. 48 Helke Misselwitz Sie gehört zu den wichtigen Filmschaffenden der letzten DEFA-Generation. 1947 in Planitz nahe Zwickau geboren, Abitur und gleichzeitig Berufsabschluss als Möbeltischlerin, Ausbildung zur Physiotherapeutin in Erfurt. Neunjährige Tätigkeit beim Fernsehen der DDR als Regieassistentin und Regisseurin im Jugendfernsehen, 1978-1982 Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg. Danach Gelegenheitsarbeiten in der Galerie „Sophienstrasse 8“ und der Mitropa in Berlin-Lichtenberg. Ab Ende 1983 freischaffend im DEFA-Studio für Dokumentarfilme tätig. 1985-88 Meisterschülerin der Akademie der Künste der DDR bei Heiner Carow, 1988-91 Festanstellung im DEFA-Studio für Dokumentarfilme Berlin, danach freischaffend als Autorin und Regisseurin tätig, seit 1991 Mitglied der Akademie der Künste Berlin, seit 1997 Professorin für Regie an der HFF KONRAD WOLF, jetzt Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. 2014 erhält sie einen Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin. Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann DDR 1989, R: Helke Misselwitz, 52 Min Jahreswechsel 1988/1989. Eine Kohlenhandlung im tiefsten Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg nahe Schönhauser Allee. 1961, im Jahr des Mauerbaus, musste der anno 1922 gegründete Betrieb aus dem Grenzsperrbezirk umziehen. Im Mittelpunkt stehen die resolute Chefin, eine Berlinerin, die den Familienbetrieb umsichtig und klug, energisch und gewitzt führt und ihre sieben Kohlenmänner – Klaus, Manne, Kalle, Erwin, Pummel, Felix und Knöppchen. Helke Misselwitz begleitet die Truppe bei ihrer täglichen Arbeit: Die Männer hacken Holz, fahren Kohle aus, schleppen sie mehrere Stockwerke hoch und stapeln sie in den Wohnhäusern der Kunden. Die schwere Knochenarbeit wird in harten Schwarz-Weiß-Aufnahmen deutlich. Nach der Arbeit trinken sie oft gemeinsam ein Bier und erzählen. So gewährt die Regisseurin auch Einblicke in das private, oft nicht rosige Leben der Protagonisten. Wir erfahren von ihrer Vergangenheit, von Republikflucht und Gefängnisaufenthalten, erhalten aber auch einen Einblick in ihr aktuelles Familienleben. Fern von dem offiziellen Bild des Arbeiters ist ein offenes, nichts beschönigendes Portrait zu einer Zeit entstanden, als sich der politische Umbruch in der DDR allmählich anbahnte. Preis des französischen Kulturfernsehens La Sept 1990, ausgewählt vom Museum of Modern Art New York 2005: DEFA-Retrospektive "Rebels with a cause". 49 Winter adé DDR 1988, R: Helke Misselwitz, 116 Min „Winter adé“ steht als Symbol für eine Zeit in der DDR, die geprägt war von dem Wunsch nach Veränderung. Die Regisseurin Helke Misselwitz begibt sich auf eine Eisenbahnreise quer durch das Land: Ausgehend von ihrer im Süden gelegenen Geburtsstadt Zwickau bis in den Norden an das Meer, einem Ort der Sehnsucht. In verabredeten und zufälligen Begegnungen spricht sie mit Frauen verschiedener Generationen und unterschiedlicher sozialer Prägung über ihr Leben, ihre Hoffnungen und Sorgen. Brüche und Widersprüche, Traurigkeit und Poesie erfährt der Zuschauer in den offenen Gesprächen mit der Ökonomin Hillu, mit Christine, der Brikettfabrikarbeiterin im Dreischichtsystem und ihrer behinderten Tochter, den Punkmädchen Anja und Kerstin, der betagten Margarete Busse auf ihrer Diamantenen Hochzeit, den Frauen in der Fischfabrik Saßnitz und der Kinderheimleiterin Erika „Banni“ Banhardt. Die Sensation auf der Leipziger Dokumentarfilmwoche 1988 gewann eine Silberne Taube und war 1989 auf dem Berlinale Forum zu sehen. 2009 war das Werk sogar titelgebend für eine Berlinale Filmreihe. Helke Misselwitz: „nicht nur ein Film über Frauen, sondern über Menschen in dieser Gesellschaft. … Es ging darum, zu erfahren, wie Menschen geworden sind, und was sie hindert, wirklich sie selbst zu sein. Wie sehr ist der Mensch dem anderen Menschen zum Bedürfnis geworden. Das ist das eigentliche Thema.“ Tango-Traum DDR 1985, R: Helke Misselwitz, 20 Min Eine Frau sitzt an ihrer Schreibmaschine und denkt nach, sie raucht, erinnert sich, hört Musik, Tango natürlich, und weiß, "Buenos Aires und Montevideo sind weit weg". Doch dann nimmt sie uns mit auf ihre Reise ans andere Ende der Welt, in jene weit zurückliegende Zeit der Jahrhundertwende, als in den Hafenkneipen Argentiniens der Tango entstand. Was ist ein Tango? Helke Misselwitz befragt Bücher und alte Filme und sogar einen Argentinier. "Ein Tango passiert oder er passiert nicht, und auch wenn er nicht passiert, ist das ein Tango", lautet dessen rätselhafte Antwort. Der Zuschauer reist in die Welt und durch die Zeit. Und bleibt doch in dem kleinen Zimmer. Ein Blick auf das Leben hinter unübersteigbaren Mauern. Und zugleich ein Traum vom Versinken in Tanz und Musik, von Fremdheit und Vertrautem, vom Sich-fallen-lassen und Aufgefangen-werden - ein TangoTraum eben. Aktfotografie - z.B. Gundula Schulze DDR 1983, R: Helke Misselwitz, 12 Min Ein Porträt der Fotografin Gundula Schulze: Am Beispiel einiger ihrer Arbeiten setzt der Kurzfilm der konventionellen Auffassung zur Aktfotografie eine neue Konzeption entgegen. Gundula Schulze plädiert für eine sozial bezogene Fotografie, die den Abgebildeten als Persönlichkeit und Partner des Fotografen akzeptiert. Die Fotografin wendet sich gegen das von den Medien verbreitete Frauenbild, gegen Schönheit jenseits alltäglicher Realität. Für Schulze hat jede Frau ihre eigene, abbildenswerte Schönheit, wichtig ist ihr dabei auch die Individualität. Ruhe beim Fotografieren ist wichtig, um das Besondere im Bild herausholen zu können und Gesicht samt Körper als Einheit zu zeigen. Für sie ist fotografieren wie "eine Liebeserklärung". Die junge Frau ist 1954 in Erfurt geboren, hat in Berlin Werbeökonomie studiert und nun im Fernstudium Fotografie. Ihre Diplomarbeit widmet sich dem Thema "Die Frau in der Aktfotografie der DDR". 50 Gitta Nickel Gitta Nickel zählt in der DDR zu den Besten ihres Fachs. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die den Einstieg in den Regieberuf geschafft haben. 28. Mai 1936 in Briensdorf, Ostpreußen (heute Borzynowo, Polen) geboren. 1957 Staatsexamen Germanistik und Pädagogik, nach dem Studium Regieassistentin im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme. 1959 Regieassistentin im DEFA-Studio für Spielfilme, u.a. für Konrad Wolf, Ralf Kirsten, und Joachim Kunert. 1963 Wechsel zum DEFA-Studio für für Wochenschau und Dokumentarfilme; anfänglich für Karl Gass tätig, 1965 erster eigener Film; fünf Jahre Präsidentin des Nationalen Dokumentarfilmfestivals in Neubrandenburg, mehrmals Jurypräsidentin in Leipzig; insgesamt über 100 Filme, davon 30 nach der Wende. Gitta Nickel lebt in Werder. „Nah am Leben und nah an den Menschen – das war die Maxime der hochdekorierten Dokumentarfilmregisseurin“ (Märkische Allgemeine, 2016) Zwei Deutsche DDR 1988, R: Gitta Nickel, 94 Min Zwei Deutsche, Jahrgang 1928, Hitlers letztes Aufgebot. Zwei Fotos gehen um die Welt und zeigen die zwei Gesichter dieser deutschen Jugendgeneration: Ein blonder Junge, Hans-Georg, im offenen Militärmantel, verzweifelt weinend, aufgenommen nach einem desaströsen Rückzugsgefecht im April 1945. Der andere, Wilhelm, stolz lächelnd und strammstehend, von Hitler persönlich noch im März des Jahres als Held beglückwünscht. Schon im Zweiten Weltkrieg kommt der Pressefotografie eine große Rolle zu, Bilder gehen um die Welt und erhalten auch für spätere Generationen Symbolcharakter. Die Dokumentarfilmer Gitta Nickel und Wolfgang Schwarze versuchen darüber hinaus, das persönliche Schicksal, Vergangenheit und Gegenwart von HansGeorg Henke und Wilhelm Hübner zu entdecken. Bis heute unterscheiden sich die beiden Männer deutlich. Henke ist bewusst politisch, Hübner, desinteressiert an Politik, irritiert den Zuschauer mit seinem kleinen Privatmuseum, einer Sammlung von Kriegsdevotionalien. In einem Wunsch allerdings gleichen sich die beiden, „Es darf keinen Krieg mehr geben“ – die einzig logische Konsequenz nach ihren bewegenden Erzählungen und der erschütternden filmischakustischen Umsetzung vom totalen Krieg. Das Zünglein an der Wahrheit DDR 1987, R: Gitta Nickel, 24 Min Nicht Berge, sondern Häuser versetzt der Buchhändler und Kabarettist Rainer Schulze, eine ungewöhnliche, charismatische Persönlichkeit aus der alten Fachwerkstadt Wernigerode am Nordrand des Harzes. Als nicht umsetzbar schätzen die Handwerker seinen Plan ein, ein 300 Jahre altes, zum Abbruch freigegebenes Fachwerkhaus auf seinem Hof wiederaufzubauen. So realisiert Schulze 1984 innerhalb von drei Monaten das Projekt privat zusammen mit einem befreundeten Maschinenschlosser. Stolz und mit Visionen erzählt er davon, was auf dem Hof in Zukunft noch alles entstehen kann: Ein Theater, eine Galerie samt Druckerei sowie zwei Atelierwohnungen. Grafikausstellungen und Lesungen veranstaltet Schulze schon jetzt in seiner Traditionsbuchhandlung an der Westernstraße 10. Der Name der so genannten Jüttners Buchhandlung geht auf Paul Jüttner zurück, der 1876 das Unternehmen übernahm. 1908 kauften die Großeltern Paul und Elisabeth Schulze das Geschäft, seitdem ist es – auch in der DDR – ein privates Familienunternehmen. Neben seinem Beruf widmet sich Schulze dem Kabarett und singt mit schneller, spitzer Zunge Texte von Wolfgang Schaller. Seine Lieder beziehen Stellung gegen Schluderei und stromlinienförmige Angepasstheit. Diese Offenheit überrascht und erheitert – nicht nur – das Publikum vor Ort. Auch aus heutiger Sicht erstaunt dieser ehrliche Duktus am Vorabend der Friedlichen Revolution. Das PROGRESS Pressebulletin 12/1987 schreibt gar in diesem Zusammenhang „Für die Unbequemen, die der Sozialismus braucht“. Eine rundum gelungene, empfehlenswerte Dokumentation von Gitta Nickel über die vitale Ausnahmeerscheinung Rainer Schulze, der bis heute in Wernigerode wirkt. „Porträts erweisen sich für die Regisseurin als besonders geeignet, ihren Standpunkt zu verdeutlichen: die Dinge anzupacken.“ (Ines Walk, film-zeit.de, Stand 2010) 51 Heuwetter - Geschichten aus Hohenselchow 1972 und 1963 DDR 1972, R: Gitta Nickel, 45 Min Die LPG Hohenselchow zwischen 1963 und 1972. Was Karl Gass mit einem Stab von Regisseuren drehte, blieb neun Jahre im Archiv, bevor Gitta Nickel das Material für den Film nutzte. Diese zeitliche Distanz war nötig, um frühere Probleme heiter zu betrachten. Vergessen die morastigen Dorfstraßen und die wütenden Bauern aus der Anfangszeit der LPG, die inzwischen erfolgreich wirtschaftet. Unvergessen hingegen Frieda Franz, die eindringlich von ihrem Leben erzählt, der Kindheit in Armut, der ersten Liebe, dem Engagement der Frauen für die Genossenschaft. Die persönlichen Geschichten zeigen, welch dramatischen Wandlungen Menschen und Landschaften unterworfen sind. Über diesen Gegenwartsdokumentarfilm sagte die Regisseurin Gitta Nickel in einem Interview mit Richard Ritterbusch: "für mich ein 'Klassiker’ ..., an dem ich mich in mancher Hinsicht immer wieder gemessen habe. Mit diesem Film habe ich erste große internationale Preise gewonnen" (2006). Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1972: Silberne Taube, Preis der Association Internationale du Film Documentaire 1972, 19. Westdeutsche Kurzfilmtage Oberhausen 1973: Förderprämie Sie DDR 1970, R: Gitta Nickel, 30 Min Ärztin, Schichtleiterin, Arbeiterin – Sie sprechen über Familienplanung und Emanzipation. Im Berliner Textilkombinat "Treff-Modelle" äußern sich die Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Funktion, Entwicklung und unterschiedlicher sozialer Verhältnisse zu grundlegenden Problemen in ihrem Leben. Der Film behandelt Probleme der Gleichberechtigung der Frau, zeigt die Kompliziertheit dieses Prozesses und mögliche Lösungen. Internationale Dokumentarfilmwoche Leipzig 1970: Silberne Taube 52 Petra Tschörtner Ende der 1980er Jahre zählt Petra Tschörtner neben Helke Misselwitz, Thomas Heise und Sibylle Schönemann zu den großen Hoffnungen des DDR-Dokumentarfilms. 6. Mai 1958 in Potsdam-Babelsberg geboren, gestorben 25. Juli 2012 in Berlin. 1977/78 Volontariat im DEFA-Studio für Spielfilme, 1978 bis 1983 Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen Babelsberg, 1983 Diplomfilm „Hinter den Fenstern“ (Hauptpreis der Internationalen Jury, Westdeutsche Kurzfilmtage Oberhausen), 1983/84 Regieassistentin im DEFA-Studio für Spielfilme; 1984 bis 1991 Regisseurin im DEFA-Studio für Dokumentarfilme; seit 1991 freie Filmemacherin und Autorin; 1995/96 Gastprofessorin für Dokumentarfilm an der HFF Konrad Wolf; ab 1997 als Regieassistentin tätig kontinuierliche Zusammenarbeit mit Jürgen Brauer, Christian Stier, Peter Kahane; 2010/11 Lehrtätigkeit an der HFF Konrad Wolf. Berlin - Prenzlauer Berg - Begegnungen zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juli 1990 DDR 1990, R: Petra Tschörtner, 75 Min Der Mythos Prenzlauer Berg, hier ist er zu besichtigen, mit seinen kleinen Leuten und Intellektuellen, mit den Uralt-Eingesessenen und denen, die sich selbst als „die Szene“ bezeichnen, mit seinen Hinterhofwohnungen und Kneipen. „Berlin – Prenzlauer Berg“ zeigt eine Momentaufnahme aus dem letzten Sommer der DDR – das Jahr 1990 zwischen Mai und Juli. Ausverkauf - In den Geschäften werden die restlichen Waren aus vergangener Zeit verhökert, Euphorie mischt sich mit Wehmut und erster Zukunftsangst. Begegnungen – In den kleinen Läden und an der berühmten Currywurstbude unter dem Hochbahn-Bogen Ecke Schönhauser Allee. Wie eh und je wird in den Kneipen gefeiert und geschwoft, auch wenn die Veränderungen im Land bereits den alten Bezirk verändern. Nostalgie trifft Anarchie – Ein Fotograf beklagt die verlorene Intimität, in einem besetzten Haus erklärt ein Plakat das „Verhalten bei Fascho-Alarm“, die Polizei macht Razzien unter Sprayern. Und in der Nacht bevor das Westgeld kommt, feiern die jungen Leute ihre Parties, mit Spaß, Trauer und Wunderkerzen. Auf der nächtlichen Schönhauser Allee aber singt ein einsamer Mann ein altes Kinderlied über die Heimat. Ein Abschied, in dem das Leben so schön sein darf, wie es vielleicht nie war. 53 Annelie und Andrew Thorndike Annelie Thorndike (1925-2012) und Andrew Thorndike (1909-1979); 1950 lernen sich die beiden kennen, als Andrew Thorndike in Penzlin Aufnahmen für „Der Weg nach oben“ dreht. Ab 1952 arbeiten die beiden zusammen, im Jahr darauf heiraten sie. 1953 Andrew Thorndike wird in Westberlin verhaftet und nach internationalen Protesten wieder entlassen; 1954 Start der mehrjährigen Arbeit an „Du und mancher Kamerad“. 1963 Annelie Thorndike wird Abgeordnete der Volkskammer; 1967 gründet Andrew Thorndike den Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, Annelie wird Vorstands- und ab 1980 Präsidiumsmitglied des Verbands. Von 1973 bis 1989 ist Annelie Thorndike Präsidentin des Komitees der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche. „Die Thorndikes haben ohne Zweifel interessantes Material gefunden, sie mussten sich auch geschickt der Bilder bedienen, doch stets mussten sich die Bilder in Auswahl und Montage der Argumentation unterordnen, mussten sie Thesen beweisen. … Wie anders waren da etwa die Dokumentararbeiten von Jürgen Böttcher, Winfried Junge oder Volker Koepp … Immerhin sind Andrew und Annelie Thorndike Zeugen und Produkte der DEFA Dokumentarfilmproduktion, und als solche verdienen sie Beachtung in der historischen Auseinandersetzung.“ (Filmdienst, 2002) Du und mancher Kamerad DDR 1956, R: Annelie und Andrew Thorndike, 104 Min 50 Jahre deutsche Geschichte - eine Montage zeithistorischen, internationalen Filmmaterials über die Ursachen und die politischen Hintergründe der beiden Weltkriege und den Alltag im Nationalsozialismus. Zum Abschluss wird das unterschiedliche Leben in Ost- und Westdeutschland gezeigt. - Arbeitstitel: Krieg oder Frieden. Der Filmkomponist Paul Dessau im Progress Presseheft aus dem Jahr 1956: "In diesem Film spielen Volkslied und Soldatenlied eine große Rolle. Aber in gar keinem Falle kann es sich darum handeln, Stimmungen zu ’untermalen’, wie das in der Vergangenheit wohl viel praktiziert wurde. Die Musik hat vielmehr die Aufgabe, kritisch und wertend zu wirken. Ein Beispiel: Wenn wir in unserem Film vor dem ersten Weltkrieg, im Jahre 1910 eine Gruppe alter Herren in ihren Soldatenverbänden aufmarschieren sehen (Kriegervereine nannten sich diese Organisationen), dann glaube ich, wäre es falsch, einen zündenden Marsch zu spielen; es erklingt vielmehr an dieser Stelle zum ersten Mal das alte deutsche Volkslied ’Der Teufel als Schnitter’, welches in unserem Film noch an mehreren Stellen wiederkehrt.“ 54 Richard Cohn-Vossen Geboren 30. September 1934 in Zürich, Schweiz als Sohn deutscher Emigranten. 1958 Dolmetscher im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme, wird Regieassistent bei Annelie und Andrew Throndike. „Richard Cohn-Vossen zählt bis Mitte der 1970er Jahre zu den bekanntesten Dokumentaristen der DEFA. Aber dann unterschreibt er die Resolution gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Damit ist seine Karriere in der DDR beendet, seine Filme verschwinden aus den Kinos, sein Name taucht nirgends mehr auf. Dabei heben sich seine Dokumentarfilme von vielen anderen der Zeit ab: Sie zeigen einen entschiedenen Sinn für das Ästhetische.“ (DEFA-Stiftung, Ines Walk, 2015) In Sachen H. und acht anderer DDR 1972, R: Richard CohnVossen, 29 Min Neun Jugendliche stehen wegen Rowdytums und Körperverletzung vor Gericht. Sie sind angeklagt, am Berliner Kollwitzplatz Homosexuelle geschlagen, erpresst und beraubt zu haben. Das filmische Protokoll forscht angesichts hilfloser, öffentlich vorgetragener Erklärungsversuche nach den tieferen Motiven, die die jungen Männer vor Gericht brachten. Dabei geht es nicht um eine Schuldzuweisung, vielmehr wird nach der Verantwortung von Elternhaus, Schule, Gesellschaft und eigenem Fehlverhalten gefragt. Mit nüchternem Kommentar und einer distanzierten Kameraführung wird jede Sensationsgier vermieden. Arbeiterfamilie in Ilmenau DDR 1977, R: Richard CohnVossen, 20 Min Das Ehepaar Ilse und Kurt Rosenhöfer aus Ilmenau erzählt freimütig und mit einfachen Worten ihren Lebens- und Arbeitsweg. Geprägt von ihrer erlebten Jugend in der Vorund Nachkriegszeit berichten sie über ihre Erlebnisse in einem Privatbetrieb und über den Arbeitsplatzwechsel von einer alten Manufaktur zur "Neuen Porzellanfabrik Ilmenau". Der Dokumentarfilm thematisiert die Entfremdung von der Arbeit durch moderne Technik; er schaut still beobachtend auf ein lebenslanges Arbeiterleben eines Ehepaares. Richard Cohn-Vossen folgt nicht der Aufforderung, die Unterschrift unter die BiermannPetition zurück zu ziehen. Daraufhin wird sein fast fertig gestellter Film „Arbeiterfamilie in Ilmenau“ nicht zur Aufführung frei gegeben. Die Rohschnittfassung schmuggelt CohnVossen in die Bundesrepublik. Die DEFA-Stiftung restauriert die Kopie des Films 2011. 55 Roland Steiner Roland Steiner, geb. am 5. Oktober 1949 in Altenburg; 1968/69 Kameraassistent im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme; 1970-1974 Regie-Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg, anschließend zwei Jahre Meisterschüler, u. a. bei Heiner Carow; 1977-1991 Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilme; 1991-1993 Leiter der Fachrichtung Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg; 1995-2000 an der Oldenburger Universität „Carl von Ossietzky“ Leiter der Journalistischen Fortbildung Campus Radio Unsere Kinder DDR 1989, R: Roland Steiner, 88 Min 1986 beginnen die Dreharbeiten über Neonazis, Skinheads, AntiSkins, Punks und Grufties in der DDR. Das Filmteam um Roland Steiner widmet sich erstmals diesem Tabuthema: Denn insbesondere rechtsradikale Jugendsubkulturen durfte es offiziell nicht geben in einem Staat, der stolz auf seine antifaschistische Tradition war. Vergehen der rechten Szene wurden deshalb stets als Rowdy-Prozesse getarnt und hart bestraft. Steiner zeigt auch eines dieser Verfahren. Ein emotional besonders anrührender Moment entsteht durch den offenherzigen Brief von einem der Angeklagten an seine Mutter: „Alle haben mich verkannt. Keiner hat je verstanden, was ich wollte. … Weil ich anders sein wollte und nichts mit diesen ewigen Lügen, dem Neid zu tun haben wollte. … Ich war gebrandmarkt. Mich wollte keiner, und da wollte ich auch nicht.“ Steiner verurteilt nicht, spricht Stefan Heym und Christa Wolf zum Thema an und versucht zu ergründen, warum Jugendliche ihrem Land eine Kampfansage machen. Genannt werden die wiederholten Demütigungen, das herrschende Misstrauen und die ständige Kontrolle durch den Staat. Letztere erfährt Steiner unmittelbar, als ihn vor laufender Kamera ein Volkspolizist auf dem Berliner Alexanderplatz überprüft. 1989 auf der Leipziger Dokumentarfilmwoche mit der Silbernen Taube und dem FIPRESCI-Preis ausgezeichnet, 1990 Einladung zum Forum der Berlinale. Die Schriftstellerin Christa Wolf setzt sich mit zwei rechtsradikalen Jugendlichen auseinander und sagt im Gespräch: „Wissen Sie, ich bin ein komischer Mensch. Ich habe es mir mit den Feindbildern ganz abgewöhnt.“ „sehr mutiges Zeugnis der Staatsverdrossenheit und der niederdrückenden Gleichgültigkeit zwischen den Generationen“ (zweitausendeins.de, Stand 2009) Jugendwerkhof DDR 1982, R: Roland Steiner, 31 Min “Jugendwerkhof“ ist ein Film aus der Reihe “Jugend-Zeit“. Vorgestellt werden die 15-jährige Maiga und andere Insassen eines Jugendwerkhofs. Maiga wurde eingewiesen, nachdem sie geklaut und die Schule geschwänzt hatte. Der Film will beleuchten, wie es dazu und zur daraus folgenden Einweisung kam. Auch über die dortigen Erziehungsmaßnahmen berichtet Regisseur Roland Steiner, die “die Voraussetzungen schaffen sollen, gefährdeten Jugendlichen eine Entwicklung auf der Grundlage der gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen zu gewährleisten". Ein zeitgenössischer Dokumentarfilm über die stark kritisierten Erziehungseinrichtungen. 56 Jugend-Zeit zu zweit DDR 1981, R: Roland Steiner, 19 Min Junge Leute erzählen vor der Kamera über ihre Vorstellungen von der Ehe, über Pläne für ihr zukünftiges Leben. Die geäußerten Meinungen werfen Fragen auf, deuten Probleme an, für die dem Zuschauer keine Lösungen angeboten werden. Sie sind Anlass zum Nachdenken. Jugend-Zeit DDR 1978, R: Roland Steiner, 18 Min Der Dokumentarfilm berichtet von Anke, Birgit und Katrin, die eine Ausbildung zur Rinderzüchterin mit Abiturabschluss machen. Für diese Zeit leben sie in einem Internat. Die drei Mädchen aus Weimar erzählen von ihrem Alltag und stellen Überlegungen zu ihrer Zukunft an. Dieter Schumann 22. Juni 1953 in Ludwigslust/ Mecklenburg geboren. Von 1970 bis 1975 absolviert er eine Lehre und Fahrenszeit als Seemann bei der Deutschen Seereederei Rostock. Danach von 1976 bis 1978 als Regieassistent beim DDRFernsehen. Anschließend Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Von 1983 bis 1990 Regisseur von Kino- und Fernsehfilmen im DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Ab 1990 engagiert er sich beim Aufbau der kulturellen Filmförderung und des Landesfilmzentrums Mecklenburg-Vorpommern. 1991 Gründungsdirektor des Schweriner FilmKunstFestes. Von 1990 bis 2001 Leiter des Landesfilmzentrums Mecklenburg-Vorpommern. 2002 Gründung der Basthorster Filmmanufaktur. Ab 2002 Produzent wie auch als Autor und Regisseur von Dokumentarfilmen, u.a. 2010 „Wadans Welt“. flüstern & SCHREIEN DDR 1988, R: Dieter Schumann, 120 Min Ein unterhaltsames Roadmovie über die Rock- und Punkszene in der DDR. Ein Jahr lang haben Dieter Schumann und sein Team Bands wie „Silly“ mit Tamara Danz, „Feeling B“ mit Aljoscha Rompe, „Chicoree“ und „Sandow“ auf ihren Tourneen begleitet. Alle Underground-Gruppen sind im Konzert zu sehen, im Kontakt mit ihrem Publikum. Der Regisseur, der als Jugendlicher selbst leidenschaftlicher Musikfan war, wollte das Lebensgefühl und die Protesthaltung der Jugendlichen zeigen – entgegen den damals im Fernsehen üblichen FDJ-Darstellungen. Ihm ging es um die Kluft zwischen gesellschaftlichem Anspruch und realem Alltag. Über das Medium Musik haben sich Jugendliche gegen die verstaubten Zustände gewendet. Im Gespräch mit den Fans erfährt Schumann von ihren Sehnsüchten, sich ohne Einschränkungen kleiden und bewegen zu dürfen, zu widersprechen und nicht als staatsfeindlich abgestempelt zu werden, weil sie an die Stelle von Arbeit und politischer Organisation andere Interessen stellen. Harter Rock als Rebellion gegen ein eingeengtes Leben am Vorabend der Friedlichen Revolution. Das Genre Musikfilm war für Schumann die einzige Möglichkeit, die Produktion genehmigt zu bekommen. Die Premiere fand im Oktober 1988 im Berliner Colosseum statt, das Kino war wochenlang ausverkauft. Insgesamt konnte der „Rockreport“ fast eine Million Zuschauer und damit Kultstatus erlangen. Im Jahr des Mauerfalls zeigte die Berlinale den Film in ihrem Programm und die ARD kaufte die Dokumentation. Bis heute hat der Dokumentarfilm seine eigene Fangemeinde. „Ein lebhaftes Dokument einer lebendigen Szene und einer im Verborgenen blühenden Subkultur des ‚real existierenden Sozialismus’“ (Filmdienst) 57 Günter Jordan 17. Januar 1941 in Leipzig geboren. Studium der Slawistik, Geschichte und Pädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1966 Sonderstudium für Regie an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg. Ab 1969 Regie-Assistent im DEFAStudio für Dokumentarfilme, u.a. für Harry Hornig. Ab 1974 eigene Filme. Von 1976 bis 1986 Mitglied der Gruppe Dokumentarfilme für Kinder. Eines seiner wichtigen Themen ist die Selbsterfahrung Jugendlicher. Von 1982 bis 1988 Vorstandsmitglied des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR. Ab 1992 arbeitet Günter Jordan als freier Filmemacher und Filmhistoriker. Einmal in der Woche schrein DDR 1982, R: Günter Jordan, 17 Min Die Jugend trifft sich auf dem Helmholtzplatz und begrüßt sich mit Handschlag. Skateboarder zeigen ihre Künste. Mit einer simplen Sicherheitsnadel stechen sich die Mädchen modische Ohrlöcher. Oft sitzen oder stehen sie in Gruppen an der Ecke, auch wenn mal wieder nichts passiert. Nur einmal in der Woche da ist richtig etwas los. In einem ehemaligen Laden gibt es „Willis Disko“ mit Clubcola und Schmalzstulle. Sobald der Türrolladen heruntergelassen ist, da wird getanzt und gerockt, was das Zeug hält. – 1982 gedreht und erst im Oktober 1989 zugelassen. Gruppe Pankow: „Wer will an der Leine gehn? Ich will selber denken, selber sehn“ Drehorte: u.a. Helmholtzplatz, Berlin-Panorama (u.a. ehemaliges Gaswerk Danzigerstraße) Berlin – Auguststraße DDR 1979, R: Günter Jordan, 79 Min Spandauer Vorstadt, Arbeiterwohngegend – vier Monate beobachtet Regisseur Günter Jordan die Schule in der Auguststraße 22. Die Kinder kommen aus der Rosenthaler, Koppen- und Gipsstraße und kennen keinen Neubaukomfort, aber sie lieben ihre Straße mit dem unverwechselbaren Berliner Milieu. Im Fokus des Dokumentarfilms steht zum einen der junge, unkonventionelle Lehrer Bodo Jäger, der seine Schüler zu Diskussionen auffordert, Widerstand provoziert, aber zugleich Disziplin und Pflichtbewusstsein verlangt. Ihm geht es vornehmlich um demokratische Freiheiten und individuelle Selbstbestimmung. Auf der anderen Seite widmet sich der Filmemacher – ursprünglich selbst Lehrer – dem Mädchen Petra, jüngstes Kind einer elfköpfigen Familie. Ihre Mutter ist allein erziehend und berufstätig, einer ihrer Brüder sitzt im Gefängnis. Ein inhaltlich aufschlussreicher Film mit Bildern nicht nur von der alten Auguststraße. Auch die Große Hamburger Straße, der Hackesche Markt, die Oranienburger Straße und der Berliner Dom zeigen den Zustand von Berlin Mitte vor über 35 Jahren. Das Nachfolgeprojekt des Regisseurs, „Einmal in der Woche schrein“ (Arbeitstitel: Helmholtzplatz), wurde 1982 verboten und erst im Oktober 1989 zugelassen. 58 Eduard Schreiber 1939 in Obernitz/ Böhmen geboren, Publizistik- und Literatur-Studium in Leipzig; 1970 Autor im DEFA-Studio für Dokumentarfilme; ab 1972 Regisseur im Studio; ab 1991 freischaffender Regisseur und Autor. Ich war ein glücklicher Mensch DDR 1990, R: Eduard Schreiber, 60 Min Ein emotional tief berührendes Generationenportrait. Von außen schien es immer die idyllische Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter. Tilbert Eckertz, Jahrgang 1912, schafft es beim Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst ADN bis zum stellvertretenden Chefredakteur, als er im Oktober 1953 unter Spionagevorwurf verhaftet wird. In seinem Schlussplädoyer spricht er davon, dass die Nachkriegsjahre seine glücklichste Zeit waren, worauf der Gerichtsvorsitzende antwortet: „Sie bleiben als Dreck am Wege liegen und der Sozialismus schreitet vorwärts“. Trotz seiner knapp vier Jahre Haft im Gefängnis Luckau verliert er nicht den Glauben an das politische System - im Gegensatz zu seiner Frau. Mit einem Gefühl des Triumphs kehrt er zum ADN zurück. Die beiden Töchter erfahren in Gesprächen von den Zweifeln der Mutter, zunehmend reagieren auch sie mit Unverständnis auf den Vater. Die jüngere Tochter Susanne lebt die Gedanken der Mutter aus, das kulminiert in einem gescheiterten Fluchtversuch über Bulgarien. Nach 14 Monaten Untersuchungshaft kommt sie ins Frauengefängnis Hoheneck. Ihre größte Sorge ist, dass sie nicht die Kraft hat, stark zu bleiben. Der erste Brief des Vaters jedoch ist vorwurfsvoll, damals trifft ihn die Handlungsweise der Tochter hart. Jahre später bereut er seine Worte sehr. In der Familie wächst ein tiefer, schmerzhafter Konflikt aufgrund der unterschiedlichen politischen Haltungen. Man versucht ihn durch Schweigen zu lösen. Die beiden jugendlichen Enkel erfahren erst nach dem Mauerfall von der Inhaftierung ihres Großvaters und geben zu, dass ihr Weltbild zu sehr ins Wanken geraten wäre, hätten sie es vorher gewusst. Mit fester Überzeugung nennt sich Tilbert Eckertz selbst einen Optimisten und bezeichnet seine Haft als Unfall. Nur als er von seiner Vision von einer gerechten Welt spricht, wird seine Stimme brüchig. 59 Karl Gass Karl Gass, geboren am 2. Februar 1917 in Mannheim, gestorben 29. Januar 2009: Sein Lebenswerk besteht aus über 120 Dokumentarfilmen, Reportagen und Porträts. Ein Höhepunkt: Sein Dokumentarfilm „Das Jahr 1945“ brachte es 1985 auf zwei Millionen Zuschauer und wurde damit zum erfolgreichsten DEFA-Film des Jahres. Karl Gass, unbequemer Geist, produktiver, leidenschaftlicher und politischer Dokumentarist, Mentor von Dokumentarfilmregisseuren wie Winfried Junge, Volker Koepp und Gitta Nickel, prägte den Stil des DEFA-Dokumentarfilms maßgeblich. Er gilt als Wegbereiter und Meister des DEFA-Dokumentarfilms. 1917 in Mannheim geboren, in Köln und München aufgewachsen; ab 1931 aktiver Rudersportler; 1939 als Soldat eingezogen, 1945 in englischer Kriegsgefangenschaft; das 1936 begonnene Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft ohne Examen in Köln beendet; 1946 von Karl-Eduard von Schnitzler als Wirtschaftsredakteur beim NWDR engagiert; 1948 Übersiedlung nach Berlin/ sowjetischer Sektor wie etliche andere Journalisten (u. a. Karl-Eduard von Schnitzler); Arbeit als Reporter beim Berliner Rundfunk mit eigener Sendung „Wir schalten uns ein“, dort Begegnung mit Gerhard Scheumann; 1950 erster Filmtext für Andrew Thorndikes „Weg nach oben“; nach seiner fristlosen Entlassung vom Rundfunk ab 1951 Tätigkeit beim DEFA-Studio für Wochenschau, zunächst als Textautor; 1953 erster eigener Film „Im Paradies der Ruderer“ knüpft an seine frühere Sportbegeisterung an; 1954-60 künstlerischer Leiter des DEFA-Studios für populärwissenschaftliche Filme, Begegnung mit Winfried Junge, der bei Gass als Regieassistent lernt; die Idee zu der Langzeitbeobachtung “Kinder von Golzow“ trägt Gass an Junge heran; 1955 Gründung der Leipziger Kultur- und Dokumentarfilmwoche, Vorläufer des heutigen Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm; 1960 Gründung und für 12 Jahre Leitung der künstlerischen Arbeitsgruppe „Karl Gass“, später aufgrund interner Zwistigkeiten umbenannt in „Effekt“; zunächst in Babelsberg, ab 1971 in Kleinmachnow, die räumliche Distanz zum Berliner DEFA-Studio für Dokumentarfilme gewährleistet relative Unabhängigkeit; 1965-72 Fernseh-Quizmaster für die DFF-Sendung „Sind Sie sicher?“; 1965-68 Leitung der Dokumentarfilmklasse der HFF Hochschule für Film und Fernsehen, Potsdam; 1969-71 nicht-öffentliche Filme für das „Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung“ auf der Grundlage der Operationsforschung, im Gegenzug Experimente mit der 16mm-Filmtechnik ermöglicht; ab den 80er Jahren Beschäftigung mit historischen Sujets; 1990 letztes Filmopus „Nationalität: deutsch“; mit Ende der DEFA zieht er sich als Filmregisseur in den Ruhestand zurück. Das Jahr 1945 DDR 1984, R: Karl Gass, 90 Min Noch im Januar 1945 wird in Berlin die Parole ausgegeben: „Glauben, kämpfen, siegen“, doch bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 werden mehr Menschen sterben als in den fünf Jahren zuvor. Mit zum großen Teil bis dahin unveröffentlichtem oder auch in Vergessenheit geratenem, internationalem Archivmaterial dokumentiert Regisseur Karl Gass die letzten 128 Tage des Zweiten Weltkriegs. Der Kompilationsfilm zeigt in erschütternden und bis heute erhellenden Bildern die Zerstörung der Städte und die wesentlichen Kriegsschauplätze der Alliierten. Gleichzeitig korrigiert er damit das seinerzeit in der DDR übliche Bild der alleinigen Befreiung durch die Sowjetarmee. Auf Betreiben einiger Fernsehverantwortlicher wurde allerdings das offene Eingeständnis im Kommentar zensiert: „Auch wir Kommunisten tragen eine Teilschuld an der Entwicklung der Geschichte, weil wir die Machtergreifung nicht verhindern konnten“. Angeregt von den Recherchen zu diesem Film entstand das Porträt „Eine deutsche Karriere“ zu dem HitlerNachfolger und in den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher angeklagten Karl Dönitz. Zwei Millionen Zuschauer sahen den Dokumentarfilm 1985 im Kino und machten ihn damit zum erfolgreichsten DEFA-Film des Jahres. Im Startjahr erhielt „Das Jahr 1945“ auf der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche gleich drei Preise: Die Silberne Taube, den FIPRESCI- und Don-QuichottePreis. Die 40. Internationalen Filmfestspiele Berlin präsentierten 1990 Karl Gass’ Werk in der Retrospektive „Jahr 1945“. „Spannender, klug montierter und kommentierter, um Wahrhaftigkeit bemühter Dokumentarfilm, ... greift ... auch Tabuthemen wie Flucht und Vertreibung aus den ehemaligen Ostgebieten auf.“ (filmlexikon.de, Stand 2009) 60 Asse - Anno 74 DDR 1974, R: Karl Gass, 79 Min Wiederbegegnung mit guten alten Freunden: Manchen seiner Filmprotagonisten trifft Karl Gass nach über einem Vierteljahrhundert wieder, wie Werner Eigenwillig aus "Turbine I“. Außerdem besucht er auch den Bildhauer Axel Schulz aus "Asse“ und den Kapitän Heinz Adler aus "Vom Alex zum Eismeer“. Siegfried Graupner steht für 25 Jahre Aufbauarbeit: Er hat als Einsatzleiter u.a. während der Weltfestspiele in Berlin im Jahr 1950, in Eisenhüttenstadt und in Schwedt gewirkt. Nun arbeitet er am Industriekomplex Kernkraftwerk Nord. In frechem 1970er Jahre Design erzählt der Film von den Veränderungen und Visionen bis ins Jahr 2000 hinein und bietet dem heutigen Zuschauer zugleich historisch Interessantes, wie eine Begegnung mit Egon Krenz oder das legendäre Sparwasser-Tor. Asse DDR 1966, R: Karl Gass, 75 Min "Asse“ sind die Monteure und Schweißer um den Brigadier Herbert Habener, die als Retter in großer Not nach vielem Wenn und Aber nach Schwedt gekommen sind. Zu Beginn finden sie Chaos vor, das sie unter großem Zeitdruck und ungeheurem Engagement bewältigen. Der "Kapitän“ Habener koordiniert die Arbeit und schweißt alle zum Team zusammen. Doch wenn Versprechungen der Leitung sich als leer erweisen, dann erwacht Proteststimmung und Habener muss seine Mannschaft beruhigen und von der Arbeitsniederlegung abhalten. In neun Episoden porträtiert Karl Gass leidenschaftlich und fast in Westernmanier die 50 Männer, die auch den Beinamen "Die Habeners“ tragen. Von der ungestümen Stimmung her absolut mit den "Ballas“ aus "Spur der Steine“ (Regie: Frank Beyer) zu vergleichen. Portrait über die Mitglieder der Brigade "Habener" vom VEB Schwermaschinenbau "Karl Liebknecht" in Magdeburg beim Aufbau des Erdölverarbeitungswerks Schwedt. Schaut auf diese Stadt DDR 1962, R: Karl Gass, 85 Min Der Film beginnt mit einer polemischen Montage: Während in West-Berlin Militärfahrzeuge, Panzer und Soldaten der US-Armee und der anderen westlichen Alliierten patrouillieren, ist der Osten vom friedlichen Aufbau erfüllt: Die Zuschauer sehen Hörsäle, einen Staudamm, Felder, Braunkohlentagebaue und Arbeiter, die nach der Schicht ihre Fabrik verlassen. “Schaut auf diese Stadt” will beweisen, wie sehr dieser friedliche Aufbau von West-Berlin bedroht wird. Die Halbstadt, ein “Pfahl im Fleisch der DDR”, wird als Hort von Unkultur, Schiebern, Saboteuren und Agenten, Sexbars und moralischem Verfall dargestellt. Adenauer und Strauß, Ernst Reuter und Willy Brandt seien Helfershelfer der “Kriegstreiber” und Revanchisten. Ein perfekt montierter, aus einer Fülle selten gezeigter Szenen zusammengestellter Propagandafilm mitten aus dem Kalten Krieg, der sich am Ende zu einer uneingeschränkten Zustimmung zum Mauerbau emporschwingt. Gezeigt werden jubelnde DDR-Männer und -Frauen, die den Kampfgruppen zuwinken. Für die Tränen und das Leid, das die Mauer über die Menschen diesseits und jenseits des Stacheldrahtes brachte, blieb dabei keinerlei Raum. Den Text zu “Schaut auf diese Stadt” schrieb Karl-Eduard von Schnitzler. 61 Gunther Scholz Gunther Scholz ist Spielfilm- und Dokumentarfilmregisseur. Am 9. Oktober 1944 in Görlitz geboren. 1963 bis 1965 Berufsausbildung als Schriftsetzer; danach Start mit Studium der Theaterwissenschaften in Leipzig. 1967 bis 1971 Regie-Studium an der Filmhochschule Babelsberg, danach auf Empfehlung von Konrad Wolf arbeitet er für ein Jahr im Armeefilmstudio. 1973 bis 1977 Regie-Assistent, 1978 bis 1991 Regisseur im DEFA-Studio für Spielfilme, jedoch immer wieder Wechsel in den Dokumentarfilm-Bereich. Nach dem Ende der DDR freischaffender Regisseur und Autor, u.a. 2008 „Sag mir, wo die Schönen sind“ und 2010 „Heute war damals Zukunft“. Gunther Scholz lebt in Berlin. Hermann Henselmann, Architekt, Jahrgang 1905, DDR 1985, 22 Min Mit 18 Jahren kam er nach Berlin, am Alexanderplatz stieg er damals aus. Da konnte er sich noch nicht vorstellen, wie sehr er einmal die Architektur der Stadt prägen sollte. Heute sind mit seinem Namen Orte wie die Karl-MarxAllee, das Haus des Lehrers oder der Fernsehturm verbunden. Der 80-jährige Hermann Henselmann (1905-1995) erzählt unverblümt, zuweilen launigprovokativ bis beschwipst von seinen Bauten, Visionen und auch den nicht umgesetzten Entwürfen: So z.B. von dem nicht realisierten Fernsehturm mit roten, nachts wie Warnlichter leuchtenden Rubinen von 1959. Henselmann: „Asphalt und Beton sind mir lieber als die ollen nassen Wiesen!“ Drehorte: u.a. Wallstraße, Alexanderplatz, Strausberger Platz Peter Rocha Geboren am 1. September 1942 in Gotha; gestorben am 30. August 2014 in Potsdam. Sein Großvater war der niedersorbische Volksdichter Fryco Rocha. 1961 bis 1964 Studium an der Fachschule für Angewandte Kunst Berlin, Fachrichtung Malerei; danach Regieassistent bei der DEFA in BerlinJohannisthal. 1965 bis 1969 Regie-Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in PotsdamBabelsberg im Fachbereich Regie in der Spezialklasse für Dokumentarfilm bei Karl Gass. Danach freier Regisseur und Autor im DEFA-Studio, ab 1970 Festanstellung – in der Arbeitsgruppe "Effekt" unter Leitung von Karl Gass. 1982/1983 Sonderstudium am Institut für Literatur "Johannes R. Becher" in Leipzig. Ab 1985 Arbeit in der Gruppe "Kontakt" des DEFA-Dokumentarfilmstudios. Ende der 1980er Jahre großes Filmthema: die Braunkohlenwirtschaft in der DDR und deren Umweltzerstörung. Bis 1991 Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilme; danach freier Regisseur und Autor. „Peter Rocha war Dokumentarfilmer geworden, weil er viel dichter an die Wahrheit herankommen wollte. ‚Ich denke, wir kamen oft so nah dran, dass wir uns fast verbrannt haben‘, sagte Rocha später in dem Buch ‚Das Prinzip Neugier. Defa-Dokumentarfilmer erzählen‘.“ (Potsdamer Neueste Nachrichten, 2014) Die Schmerzen der Lausitz [Zalosci nam Luzyca] DDR 1990, R: Peter Rocha, 59 Min „Wir sind noch zu retten! Helft Bürger!“ – Mit diesen Appellen demonstrieren die Lausitzer. In eindrucksvollen Luftaufnahmen zeigt Peter Rocha im dritten Teil seines Filmzyklus über die Lausitz die erschreckenden Ausmaße der Landschaftsverwüstung. Zugleich ist dies eine Mahnung vor der Vernichtung der sorbischen Kultur. Gespenstisch erscheint die ausgehobene Landschaft, der vom Braunkohletagebau hinterlassene Kahlschlag: Abgetötete Natur, abgefahrene Zivilisation. Ein sorbisches Dorf nach dem anderen muss der Braunkohle weichen. Mit der Landschaft verschwinden Kultur, Lebensweise und Sprache. Die sind ihrer Heimat entfremdet und vereinzeln sich wurzellos in den Städten in anonymen Plattenbauten. Die Großstädte wiederum scheinen mit ihrem gigantischen Energieverbrauch am Beginn der Kausalkette zu stehen. In den Aufnahmen vom Oktober 1989 bis zum Frühling 1990 dokumentieren die Einwohner ihre Entschlossenheit, für den Fortbestand der Dörfer zu kämpfen. Mit ihren Erwartungshaltungen und Hoffnungen kommen zu Wort: Der Schriftsteller Jurij Koch, der Liedermacher und Baggerfahrer Gerhard Gundermann, der Landschaftsarchitekt Otto Rindt und Heinjak Strittmatter, der Bruder des Dichters Erwin Strittmatter. 62 Das Singen im Dom zu Magdeburg DDR 1988, R: Peter Rocha, 20 Min Jüdische und christliche Musik verschmelzen in diesem Film über einen der ältesten Chöre Deutschlands, den Chor im Magdeburger Dom, der seit 1980 gemeinsam mit dem Oberkantor der jüdischen Gemeinde Westberlins, Estrongo Nachama, auftritt. Sie singen gemeinsam auch chassidische Lieder in hebräischer Sprache. Den Chor gab es schon, als Walther von der Vogelweide hier Weihnachten feierte. Der Dom hat Verwüstungen und Kriege überlebt, zuletzt die Bombardierung Magdeburgs im Januar 1945. "Ach, wie liegt die Stadt so wüst, die voll Volks war", singt der Chor. Wieviel Hoffnung liegt darin, wenn dieser Chor nun gemeinsam mit Estrongo Nachama probt und singt. Ein Dokument der Versöhnung und des deutsch-deutschen kulturellen Austauschs fernab der offiziellen Politik. Regisseur Peter Rocha hatte zufällig von dieser ungewöhnlichen Konstellation erfahren. Schon in seinem Dokumentarfilm "Mutter" widmete sich Rocha seinen jüdischen Wurzeln. Mutter DDR 1981, R: Peter Rocha, 29 Min Der Autor und Regisseur des Films Peter Rocha porträtiert seine jüdische Mutter. Die 80jährige Frau berichtet über die Kriege des 20. Jahrhunderts, über Not, Elend, aber auch tägliche Freuden. Wie die Musik klang, die sie als junges Mädchen liebte, wie sie als alleinerziehende Mutter in den 1920er Jahren lebte, was das Kind in sein Schulheft schrieb über Erbtüchtige und Erbuntüchtige, wie das Kind schließlich umkommt und sie weiterleben muss für den kleinen Sohn. Ernst Cantzler Geboren am 27. Mai 1940 in Berlin; Kleindarsteller im DEFA-Studio für Spielfilme; 1962/63 Schauspieleleve in Staßfurt; 1968 Regieassistent im Armeefilmstudio; 1969 im DEFA-Studio für Dokumentarfilme; 1971 bis 1977 Regie-Externstudium an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) Potsdam-Babelsberg; 1977 bis 1991 Regisseur im DEFA-Dokumentarfilmstudio. Bis Mitte der 1980er Jahre zusammen mit Konrad Weiß, Jochen Kraußer und Roland Steiner Arbeit in der Kinder- und Jugendfilmgruppe des Studios. 1982 bis 1988 Vorstandsmitglied des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR. Ernst Cantzler lebt bei Potsdam. Und freitags in die "Grüne Hölle" DDR 1989, R: Ernst Cantzler, 49 Min Szenen wie die aus dem Fußballstadion und dem Hooliganlokal „Grüne Hölle“ hatte man bis dahin noch nicht gesehen: Gewaltverliebte jugendliche Fußballfans aus dem „ersten deutschen Friedensstaat“. Sensationell ist diese Dokumentation vor allem, weil die Porträtierten unauffällige Männer sind. Über ihre regelmäßigen Straßenkämpfe, sprechen sie, als seien sie ein selbstverständlicher Teil ihres Alltags. Gut ausgerüstete Jugendliche gegnerischer Klubs bekämpfen sich fast lustvoll und verbünden sich gegen die Polizei. Die Filmemacher sind mit Mikrophon und Kamera inmitten der explosiven Mischung aus Aggression, Frust und Langeweile. Der Sinn dieser kollektiven Gewalt liegt in der Lust an der Gewalt. 63 Karlheinz Mund Geboren am 11. September 1937 in Eberswalde. Nach einer Lehre als KFZ-Schlosser Abitur an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät Berlin (1955 bis 1958). Beleuchter im Dokumentarfilmstudio. Von 1959 bis 1963 Regie-Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg; 1963 Regieassistent, 1965 bis 1992 Regisseur im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme. Seitdem freischaffend. Von 1990 bis 1991 Vorstandsmitglied des Film- und Fernsehverbandes. Probleme am laufenden Band DDR 1989, R: Karlheinz Mund, 35 Min IFA-Motorenwerke Nordhausen im November 1987. Seit mehr als 20 Jahren werden hier vier- und sechszylindrische Dieselmotoren gebaut - für den W 50, für Traktoren und Mähdrescher. Motoren in über 200 Varianten, ein einziger Motor besteht aus 400 Einzelteilen. Zu häufig ist Handarbeit gefordert, eine Modernisierung tut not. Auf Grundlage einer Dissertation bestellt das Nordhausener Werk in Japan ein neues Transportband, das dort nach deutschen Ideen entwickelt wird. Doch bald zeigen sich in Thüringen große Unterschiede zwischen Theorie und Praxis. Die Theorie spricht von so genannter Nestmontage, in der der Mechaniker im „Nest“ den kompletten Motor zusammenbauen soll. Ziele sind Arbeitserleichterung und Steigerung der Effektivität. Die Arbeiter hingegen beklagen die über ihre Köpfe hinweg gefallene Entscheidung, die Schichtleiter versuchen zu beruhigen: „Das ist kein Dogma“. Ein Jahr lang beobachtet Regisseur Karlheinz Mund Diskussionen, Konfliktsituationen, Erkenntnisse und Weiterentwicklungen. Das Resümee: Es gibt Probleme am laufenden Band. Andreas Voigt Geboren am 25. August 1953 in Eisleben. Physikstudium in Kraków. 1973-78 Studium der Volkswirtschaft und Wirtschaftsgeschichte in Berlin. Ab 1978 Dramaturg und Autor im DEFA-Studio für Dokumentarfilme, von 1984-87 externes Regie-Studium an der HFF Potsdam-Babelsberg. Bis 1991 Regisseur und Autor im Dokumentarfilmstudio, seither freischaffender Regisseur, Autor und Produzent. Leipzig im Herbst DDR 1989, R: Andreas Voigt, 54 Min, OmeU Demonstrationen und Diskussionen in Leipzig zwischen dem 16. Oktober und 7. November 1989. Interviews mit Teilnehmern der Massendemonstrationen, Gespräche mit den Müllmännern, die Banner und Plakate entfernen müssen – und dann doch gestehen, dass sie die darauf geschriebenen Forderungen berechtigt finden. Die aufgezeichneten Debatten unter Kollegen in den Betrieben spiegeln das Denken und Fühlen in der Anfangsphase des gesellschaftlichen Umbruchs wider. Zur Einschätzung der Lage äußern sich Vertreter des Neuen Forums, Theologen, Volkspolizisten, ihre Vorgesetzten und Staatsfunktionäre. Damals festgenommene Demonstranten zeigen nach ihrer Freilassung die Pferdeställe, in denen sie mit zig anderen zusammengepfercht 20 Stunden und mehr auf nacktem Betonboden stehend warten mussten. Ein junger Wehrpflichtiger, der auf Seiten der Volkspolizei zum Einsatz kommt, bekennt: „Ich habe mich unheimlich geschämt, für diese Misspolitik, die hier gemacht wurde, meine Person herzugeben … als Polizist diese Politik zu verteidigen, obwohl das gar nicht in meinem Sinn war.“ Nicht mal ein Dutzend DEFA-Dokumentarfilmer klemmen sich in diesen entscheidenden Tagen die Kamera unter den Arm und sammeln Material von der Wende. Voigt, Kroske und Richter versehen ihre Kompilation dementsprechend mit dem Untertitel: „Ein Material“. Sie ist die erste und bis heute vermutlich umfassendste Dokumentation der Ereignisse um den 9. Oktober. Das Filmteam bleibt dicht am Geschehen – vielleicht könnte ihr Film noch einen Beitrag zum Wandel leisten. Doch die Wirklichkeit überholt sie. Der Film wird auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig 1989 als erster Rückblick gezeigt. 64 Alfred DDR 1986, R: Andreas Voigt, Gerd Kroske, 42 Min, OmeU In seinem Diplom-Abschlussfilm porträtiert Andreas Voigt den 76jährigen Leipziger Alt-Kommunisten Alfred Florstedt, der eine Woche nach dem dieser ihm sein Leben erzählte, im Februar 1985 verstarb. In einer sehr subjektiven Erzählweise rekonstruiert der Regisseur Florstedts Biografie mit Fotos und Tonbandaufzeichnungen. Alfred glaubte an einen Sozialismus, den es so nie gab. Sein Leben ist eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Voigts Spurensuche führt den Zuschauer auch in den Leipziger Westen nach Lindenau und in die Arbeiterviertel von Plagwitz. "Alfred" bildet den Auftakt von Voigts fünfteiliger "Leipzig-Reihe". Filmclubs der DDR: "Findling" - Bester Dokumentarfilm Kurt Maetzig Kurt Maetzig, geb. am 25. Januar 1911 in Berlin als Sohn des Inhabers der Filmkopierfabrik Robert Maetzig; Studium der Chemie, Ingenieur-, Volks- und Betriebswissenschaft an der TH München. An der Pariser Sorbonne hört er Vorlesungen zu Verfassungs-, Zivil- und internationalem Recht. 1933 Regieassistent; 1935 Gründung des Trickfilm-Ateliers „Radius“; 1937 Berufsverbot durch die Reichsfilmkammer aufgrund der jüdischen Abstammung seiner Mutter; 1946 Gründungsmitglied des Filmaktivs zur Vorbereitung der DEFA-Produktion und Gesamtleitung der ostdeutschen Wochenschau „Der Augenzeuge“ (Motto der Anfangszeit: „Sie sehen selbst – Sie hören selbst – urteilen Sie selbst“; 17. Mai 1946 Mitbegründer, Mitlizenzträger und Vorstandsmitglied der DEFA; 1947 Spielfilmdebüt; 1954 Gründungsrektor der Deutschen Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg, bis 1964 Leitung, ab 1955 Professor für Filmregie; bis 1975 Arbeit als Regisseur; ab 1979 Ehrenpräsident auf Lebenszeit der Internationalen Vereinigung der Filmklubs (FICC); 1987 Veröffentlichung seiner Biografie „Filmarbeit“. 2009 dreht Andreas Dresen „Whisky mit Wodka“: Der Plot geht auf eine wahre Begebenheit zurück, nämlich die Dreharbeiten zu Maetzigs „Schlösser und Katen“. Kurt Maetzig ist am 08. August 2012 in Wildkuhl in Mecklenburg-Vorpommern gestorben. Berlin im Aufbau DEFA 1946, R: Kurt Maetzig, 22 Min Ein Dokument aus der ersten Phase des Wiederaufbaus, das Mut machen will und die gesamte Stadt im Blick hat. Zu sehen sind u.a. die Frankfurter Allee mit der ersten Schnellverkehrsstraße nach dem Krieg, die U-Bahnstationen Nollendorfplatz und Gleisdreieck sowie die neuen Gemüsegärten im zerstörten Tiergarten. Die Reportage würdigt die Aufbauwilligen - politische und jüdische KZHäftlinge, Trümmerfrauen, Kriegsversehrte, Politiker. Auch der Blick in die Zukunft wird gewagt: Berlin soll sich nicht mehr um einen Stadtkern gruppieren, sondern sich in Form eines Bandes von Ost nach West erstrecken. „nüchtern im Berliner Sinne: lakonisch, das Unerhörte als Selbstverständliches ausstellend“ (Günter Jordan, Dokumentation der 42. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 1996) Drehorte: u.a. Alexanderplatz, Brandenburger Tor, Kurfürstendamm, Zoo, Funkturm 65 Kurt Tetzlaff Geboren am 22. Februar 1933 in Tempelburg/ Pommern. Nach dem Abitur dramaturgischer Assistent im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme Babelsberg. Von 1955 bis 1960 Regie-Studium an der Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg; von 1964 bis 1969 Lehrtätigkeit an der Hochschule für Filmkunst. Von 1960 bis 1991 Regisseur und Autor zunächst im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme, später im DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Ab 1977 Vorsitzender des Künstlerischen Rates. Erinnerung an eine Landschaft – für Manuela, DDR 1983, R: Kurt Tetzlaff, 54 Min Kurt Tetzlaff griff mit seinem Film ein „heißes Eisen“ auf: Den Abriss von Dörfern im mitteldeutschen Braunkohlegebiet, das Vordringen der Tagebaue in einstmals besiedelte Landschaften. Der Regisseur verfolgte diesen Prozess in einigen Gemeinden südlich von Leipzig über mehrere Jahre, und er interessierte sich für die ganz persönlichen Schicksale der betroffenen Menschen. Unpolemisch zeigt er die Vertrautheit besonders der älteren Generation mit ihrem Stückchen Erde. Zugleich beobachtet der Film, wie sich die Menschen in den Neubauwohnungen einrichten, wie junge Leute den bisher nicht gekannten Komfort im Plattenbau genießen. Dennoch bleiben Trauer und Melancholie. „Erinnerung an eine Landschaft - für Manuela“ weitete sich zu einem Gleichnis über den Verlust von Heimat, die Zerstörung der Natur im Namen von Fortschritt und von Wohlstand. Uwe Belz Geboren am 5. Oktober 1937 in Berlin. Nach einer Optiker-Lehre an die Fachschule für Fotografie und Optik in Berlin-Weißensee; danach Arbeit als Kamera-Assistent und später als Kameramann beim Deutschen Fernsehfunk. Anfang der 1960er Jahre Regie-Assistent bei der DEWAG Werbefilm, ab 1963 im DEFAStudio für populärwissenschaftliche Filme. 1963 bis 1968 externes Regie-Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg. Gehört der Künstlerischen DEFA-Arbeitsgruppe "document", u.a. mit Jürgen Böttcher, Volker Koepp, Winfried Junge und Karlheinz Mund. Ab 1991 freischaffender Regisseur und Szenarist, zeitweise auch Gastdozent für Regie und Montage an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg. „Der Dokumentarfilmer Uwe Belz ist einer der meistbeschäftigten ostdeutschen Filmemacher. An mehr als 150 Filmen, vorrangig Dokumentarfilmen, Reportagen und Reiseberichten ist er beteiligt. … Seinen vielen Filmporträts merkt der Zuschauer die Zuneigung des Regisseurs zu seinen Protagonisten an, oft überzeugen sie auch durch leisen Humor.“ (DEFA-Stiftung.de, Ines Walk, 2006) Essay über ein Fischweib oder Min Herzing DDR 1974, R: Uwe Belz, 15 Min „Essay über ein Fischweib oder Min Herzing“ ist ein besonderes Portrait über den letzten Arbeitstag der Rostocker Fischfrau Hedwig Anke. Mit ihren 72 Jahren hat sie über 50 Jahre als Fischverkäuferin gearbeitet und alle ihre Kunden „Min Herzing“ genannt. Heute steht dieser Begriff in Warnemünde symbolisch für die norddeutsche Schlagfertigkeit. Schon 1968 entwickelte die Ostsee-Zeitung mit „Min Herzing“ eine fiktive Figur, die Missstände kritisieren konnte. Lebensfroh, dynamisch und schlagfertig erzählt Hedwig Anke mit einfachen Worten ganz offen, so wie es die Symbolfigur "Min Herzing" auch machen würde, über ihre Erlebnisse eines langen Lebens als, wie sich selbst nannte, "Fischweib". Für die Einheimischen war Hedwig Anke immer eine „Min Herzing“, sie konnte sich unter den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR erlauben kritischer und direkter zu sein als andere Menschen. Mit beeindruckenden Bildern werden die Erzählungen von Hedwig Anke unterlegt, Privatfotos ergänzen die Jahrzehnte und zeigen das Leben der Fischer und "Fischweiber" in Warnemünde und Rostock auf. Mit 72 Jahren muß sie aus gesundheitlichen Gründen ihren geliebten Beruf aufgeben, das letzte Fischweib geht und hinterlässt eine große Lücke im norddeutschen Raum. Klemke DDR 1970, R: Uwe Belz, 26 Min Ein lebensfrohes Porträt des international anerkannten Künstlers, Buchgestalters, Illustrators, Gebrauchsgrafikers und Hochschullehrers Professor Werner Klemke (1917-1994) über sein Leben, seine Arbeitstechniken und seine Auftraggeber. XIII. Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche für Kino und Fernsehen, 1970: Ehrende Anerkennung 66 Jörg Foth Geboren am 31. Oktober 1949 in Berlin. 1971 Volontär beim Fernsehen der DDR, in der Redaktion Agrarpolitik. 1972 bis 1977 Regie-Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen. Ab 1978 Regie-Assistent u.a. bei Ulrich Weiß sowie Günther Rücker und Günter Reisch. 1983 erster eigener Film. 1984 Festanstellung als Nachwuchsregisseur im DEFA-Studio für Spielfilme, jedoch keine eigenen Filmprojekte. 1987/1988 einige Kurzfilme als Gast im DEFA-Studio für Dokumentarfilme. April 1988 gemeinsam mit anderen jungen Regisseuren "Manifest der Nachwuchsgruppe der Sektion Spielfilm" auf dem V. Kongress des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR. Im Frühjahr 1990 Festanstellung als Regisseur im DEFAStudio für Spielfilme, im Herbst 1990 Entlassung im Zuge der Abwicklung der DEFA. Ab 1991 Arbeit für Fernsehen und Theater. Tuba wa duo, DDR 1989, R: Jörg Foth, 12 Min Prenzlauer Berg, vis à vis der Gethsemanekirche, in Vorwendezeiten. Über die Dächer der alten, grauen Mietshäuser hinweg, spielen sich die beiden Tubisten Georg Schwark und Michael Vogt in clownesker Weise die Töne und Texte zu. Ihre musikalische Klangvielfalt hallt wider im engen Geviert eines Berliner Hinterhofs. Auch von den Bewohnern schallen absurde Botschaften in den Himmel über Berlin. Von fern, aus dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion, mischen sich die OléSchlachtrufe der Fußballfans dazu. Neue Zeiten brechen sich bahn, alte Häuser müssen weichen und werden gesprengt. Prenzlauer Berg, wie es einmal war. - Nach dem gleichnamigen Rüpeldrama von Hans-Eckardt Wenzel „Auch für die Tuba ist das neue Denken gefragt“ und „gilt es, Blasnost zu schaffen“ Drehorte: u.a. Hausdächer nähe Schönhauser Allee, Kino Colosseum Georg Schwark ist seit 1982 Solo-Tubist beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Michael Vogt ist seit 1986 Solo-Tubist des Berliner Sinfonie-Orchesters, dem heutigen Konzerthausorchester Berlin. Jochen Kraußer Geboren am 7. Februar 1943 in Hildburghausen. 1966 bis 1971 Studium der Filmwissenschaft an der Deutschen Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg; schon während der Studienzeit Arbeit als Regisseur. 1969 bis 1990 Anstellung beim DEFAStudio für Dokumentarfilme, zunächst im Bereich der Auslandsinformation, später Arbeitsgruppe Kinder- und Jugendfilm u.a. mit Konrad Weiß, Ernst Cantzler, Günter Jordan, Günter Meyer, Petra Tschörtner und Roland Steiner. Nach 1990 freier Regisseur. Leuchtkraft der Ziege - Eine Naturerscheinung DDR 1987, R: Jochen Kraußer, 19 Min Ein merkwürdig gebautes Mobil fährt durch eine Ackerlandschaft. Begegnung mit einer scheinbar unendlich wandernden Kindergartengruppe und einem Amateurfilmer, der sein Werk dem Publikum vorführt. Seine Zuschauer hatten nie zuvor eine leuchtende Ziege gesehen. Kraußer beobachtet Laienkünstler, u.a. eine Amateurfilmgruppe, und führt zugleich die offizielle Kunstdoktrin auf vergnügliche Weise ad absurdum. In Kraußers Arbeiten stößt man auf Individuen. Sein groteskes Opus Magnum ist bis heute ein Kultfilm in Filmclubs. „Ein surrealistischer Film mit einer tierischen Hauptdarstellerin, nämlich einer Ziege: Mit einer guten Portion Selbstironie erzählt dieser kurze Streifen die Geschichte eines Amateurfilmers, der wiederum eine Amateurfilmgruppe, die sich auf Dorfkrimis spezialisiert hat, auf Zelluloid bannt.“ (Planet TV) 67 Leonija Wuss-Mundeciema Regisseurin, Autorin Übersetzerin und Schauspielpädagogin. Geboren 1939 in Riga/ Lettland. Philologie-Studium in Riga. Von 1966 bis 1971 Regiestudium am Moskauer Filminstitut WGIK in der Meisterklasse von Sergej Gerassimow und Tamara Makarowa. Die lebt ab 1971 in Potsdam und Berlin. Die Älteste - Vermächtnis einer 108-jährigen, 1986, R: Leonija Wuss-Mundeciema, 13 Min Die damals älteste Bürgerin der DDR, die Gothaerin Emma Wagner schildert lebhaft und geistig auf der Höhe in Gleichnissen und beeindruckenden Erzählungen von ihrem harten Lebensweg, ihren Entbehrungen und Schicksalsschlägen. Durch Emma Wagners lebenslangen Verzicht konnte die musikalische Ausbildung der geliebten Tochter Hilda finanziert werden, so wurde ihr eigener Traum von Musik und Gesang bei der Tochter Wirklichkeit. Zu den Originaltönen von Emma Wagner über Moral, Erziehung und Liebe werden Szenen aus dem schönen Gotha unterlegt, denn auch im Jahre 1986 leben Mutter und Tochter noch in ihrer thüringischen Geburtsstadt zusammen. Heinz Brinkmann Geboren am 24. Juni 1948 in Heringsdorf/Usedom. 1969 bis 1972 Kamerastudium an der HFF Potsdam-Babelsberg. Freiberuflicher Regisseur, Autor und Kameramann, ab 1983 Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilme, ab 1991 freischaffend, Vorsitzender des Filmvereins Mecklenburg-Vorpommern e.V. Die Karbidfabrik DDR 1988, R: Heinz Brinkmann, 25 Min „Plaste und Elaste aus Schkopau“ – über die Grenzen bekannt war diese Leuchtreklame am weithin sichtbaren Autobahnturm an der A9 am Elbufer. Da die DDR ein rohstoffarmes Land war, sah sie sich gezwungen aufgrund steigender Rohölpreise in den 1970er und 1980er Jahren, ihre ineffektive und umweltbelastende Carbochemie weiter auszubauen. Beim Besuch der 50 Jahre alten Karbidfabrik VEB Chemische Werke Buna in Schkopau im Oktober 1987 tritt dieses Dilemma offen zu Tage. Bei 2000° C wird aus Kohle und Kalkstein Karbid geschmolzen, der Grundstoff für Plaste und Chemiefasern. Bei sengender Hitze schieben die Männer am Abstich und im Dreck der alten rußigen Anlagen ihre 12-Stunden-Schicht. Unter vorgehaltener Hand gesteht man sich: „Ich bin nicht zum Arbeiten gekommen, sondern zum Geld verdienen.“ Jeder ist froh, wenn er am Abend wieder gesund nach Hause kommt. Mit der Gesundheit ist das allerdings so eine Sache, denn die Filmsequenzen mit den giftigen Ableitungen in der Saale und der sich weit ausbreitenden Abgasglocke sprechen Bände. Die Devise von einst, aus Walter Ulbrichts 1958 verkündetem Chemieprogramm, „Chemie gibt Schönheit“, wird so ad absurdum geführt. 68
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