E MEDIEN Steuerpflicht ausländischer Online

MWST
STE U E R N
N I KLAUS HONAU E R
JEANNINE HAIBÖCK
E-MEDIEN
Steuerpflicht ausländischer Online-Händler,
reduzierter Steuersatz und E-Rechnungen
Elektronische Daten, Informationen, Bilder, Texte und dergleichen sind aus unserem
Alltag nicht mehr wegzudenken. Niemand kann sich heute mehr vorstellen, bei einer
Informationssuche auf die Suchmaschinen zu verzichten und in Bibliotheken und
auf Ämtern lange Abklärungen vorzunehmen. Die E-Informationstechnik und die dazugehörigen E-Medien haben unser Leben verändert.
1. EINLEITUNG
Die Entwicklung der Technik ist nirgends so schnell wie im
Bereich der elektronischen Dienstleistungen. Die Kundenbedürfnisse ändern sich rasant und die Unternehmen passen
ihre Dienstleistungen der geänderten Nachfrage an.
Damit ergeben sich im Bereich der elektronischen Dienstleistungen regelmässig neue Fragestellungen, auf die mit
den aktuellen Gesetzen und der geltenden Praxis keine klaren Antworten gefunden werden. Der Gesetzgeber und die
Praxis sind deshalb gefordert, neue Lösungen zu finden. Für
zwei Themen sieht die Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes
(MWSTG) – voraussichtlich in Kraft ab 1. 1. 2018 – Lösungen
vor. Zum einen geht es um die Steuerpflicht ausländischer
Online-Händler, zum anderen um den reduzierten Steuersatz für elektronische Medien. Die Regelung der Steuerpflicht ist eine echte Pionierleistung, so wie damals, als die
Schweizer Praxis zur Bestimmung des Ortes der elektronisch erbrachten Dienstleistung eine Grundlage für die spätere gesetzliche Ausgestaltung in der EU wurde.
2. STEUERPFLICHT AUSLÄNDISCHER
ONLINE-HÄNDLER
Die ausländischen Online-Händler werden neu der Schweizer Mehrwertsteuerpflicht unterliegen, sofern sie mit dem
einfuhrsteuerfreien Versand von Paketen an Kunden im Inland jährlich mindestens CHF 100 000 Umsatz erzielen. Wer
bestellt, spielt keine Rolle; dies können inländische steuerpflichtige und nicht-steuerpflichtige Kunden sein. Die Teilrevision des MWSTG sieht somit vor, dass bei Online-Bestel-
lungen von Waren bei einem ausländischen Online-Händler
dieser in der Schweiz MWST-pflichtig wird, sofern (i) der
Online-Bestellung eine Lieferung mit Warenbewegungen
vom Ausland in die Schweiz (d. h. physische Lieferung von
Waren über die Schweizer Grenze) zugrunde liegt, (ii) die
Einfuhr in die Schweiz steuerfrei ist, da der Steuerbetrag
der Gegenstände je Veranlagungsverfügung nicht mehr als
CHF 5 ausmacht und (iii) der Online-Händler damit im Inland jährlich mehr als CHF 100 000 Umsatz erzielt. Erfüllt
der Online-Händler die Voraussetzungen, muss er seine Lieferungen im Inland durch die Verlagerung des Leistungsortes ins Inland versteuern. Die Verlagerung des Leistungsortes vom Ausland ins Inland und die damit einhergehende
Mehrwertsteuerpflicht des ausländischen Online-Händlers
kommt nur zum Tragen, wenn es sich um die Beförderung
oder Versendung der Waren vom Ausland ins Inland handelt,
nicht aber, wenn es sich um Abhollieferungen handelt. Durch
die Unterstellung der ausländischen Online-Händler unter
die Mehrwertsteuerpflicht kommt der Schweiz eine Vorreiterrolle zu. Sollte sich die neue Regelung in der Praxis bewähren, könnte diese wiederum eine Grundlage für eine spätere
gesetzliche Ausgestaltung in anderen Ländern werden.
3. REDUZIERTER STEUERSATZ AUF
ELEKTRONISCHEN ZEITUNGEN, ZEITSCHRIFTEN
UND BÜCHERN OHNE REKLAMECHARAKTER
Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ohne Reklamecharakter, die auf elektronischem Weg gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden, werden den gedruckten Erzeugnissen
NIKLAUS HONAUER,
JEANNINE HAIBÖCK,
DR. IUR. HSG,
LIC. IUR., EIDG. DIPL.
RECHTSANWALT, PRÄSIDENT
STEUEREXPERTIN,
SUBKOMMISSION MWST
SENIOR MANAGER,
VON EXPERTSUISSE,
PWC, ZÜRICH
PARTNER, PWC,
ZÜRICH/BASEL,
NIKLAUS.HONAUER@CH.
PWC.COM
12 | 2016 E X P E R T F O C U S
987
STE U E R N
E-M E D I E N
Abbildung: ABGRENZUNGEN
Zeitungen und Zeitschriften
und Bücher ohne Reklamecharakter
Gedruckte
Erzeugnisse
2,5%
Elektronisch
zur Verfügung
gestellt
2,5%
gleichgestellt und somit dem gleichen reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegen wie die gedruckten Erzeugnisse.
Es ist damit ab 1. 1. 2018 Realität, ein und dasselbe Produkt,
unabhängig, in welchem Format und auf welche Art und
Weise das Produkt vertrieben wird, dem gleichen Mehrwertsteuersatz zu unterstellen. Nichtsdestotrotz handelt es sich
beim elektronischen Zurverfügungstellen von Zeitungen,
Zeitschriften und Büchern immer um eine Dienstleistung
« Obwohl Abgrenzungsschwierigkeiten
bestehen, ist es richtig, Zeitungen,
Zeitschriften und Bücher ohne Reklamecharakter, einem einheitlichen
Mehrwertsteuersatz zu unterstellen.»
im Sinne des MWSTG und nicht um eine Lieferung. Es ist
daher sorgfältig zu überlegen, wie die Kriterien ausgestaltet
werden müssen, um einerseits die elektronisch zur Verfügung gestellten Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ohne
Reklamecharakter ihren physischen Erzeugnissen gleichzustellen und andererseits diese von den physischen Erzeugnissen mit Reklamecharakter und von den zum Normalsatz besteuerten übrigen elektronischen Dienstleistungen abzugrenzen. Obwohl Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen, ist
es dennoch richtig, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher
ohne Reklamecharakter, unabhängig wie sie den Kunden zur
Verfügung gestellt werden, einem einheitlichen Mehrwertsteuersatz zu unterstellen; beide – ob physisch oder elektronisch zur Verfügung gestellt – haben denselben Inhalt. Für
die Printmedien ist es wichtig, dass sie ihre Leistungen den
Kunden mittels Online-Kommunikationsmittel zur Verfügung stellen können, ohne dass sie diese dem höheren Mehrwertsteuersatz zu unterstellen haben, damit sie ihre Preise
nicht anheben müssen oder die Differenz zwischen den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen tragen und einen
Margenverlust hinnehmen müssen. In der Abbildung sind die
Abgrenzungen dargestellt.
Die EU überlegt sich ebenfalls, die Mehrwertsteuersätze
für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher zu vereinheitlichen
und damit die elektronischen Publikationen den physischen
Publikationen gleichzustellen. Noch im Jahr 2016 soll zu
988
Elektronische Dienstleistungen ≠ Zeitungen
und Zeitschriften und Bücher ohne Reklamecharakter
Elektronisch
zur Verfügung
gestellt
8%
diesem Thema ein entsprechender Gesetzesvorschlag beigebracht werden. Sollte dieser Gesetzesvorschlag der EU tatsächlich noch im Jahr 2016 vorliegen, könnte er die Grundlage für die Ausarbeitung der Mehrwertsteuerverordnung
sein, die die Kriterien zur Gleichstellung der elektronisch
zur Verfügung gestellten Zeitungen, Zeitschriften und Bücher mit den physischen Erzeugnissen regelt.
4. E-RECHNUNGEN
Im Bereich der E-Rechnung zeigt sich besonders augenfällig,
wie die Praxis die gesetzliche Wirklichkeit überholen kann.
Viele Steuerpflichtige würden ihre Rechnungen gern als
PDF-Datei per E-Mail versenden. Jegliche Freiheit kann das
MWSTG aber nicht zulassen, weil auch auf der Ebene der
Gesetzgebung die Rechtssicherheit beachtet werden muss.
Diesem Gebot kommt das MWSTG insofern nach, als es die
Einzelheiten der Ausgestaltung der E-Rechnungen der Verwaltung delegiert. Die Verwaltung hatte von der Delegation
Gebrauch gemacht und die elektronischen Rechnungen als
zulässige Belege bezeichnet, wenn diese mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur versehen sind. In der
Praxis bedeutete dies, dass nicht nur beim Aussteller, sondern auch beim Empfänger der Rechnungen gewisse IT-technische Vorrichtungen vorhanden sein mussten, sofern die
fortgeschrittene elektronische Signatur verwendet wurde.
Die von der Verwaltung verlangte fortgeschrittene elektronische Signatur führte in der Praxis nicht selten zu Problemen.
Aus diesem Grund wurde nach Alternativen gesucht. Auf
«ausdrücklichen Wunsch der Steuerpflichtigen», wie es der
Bundesrat in seiner Botschaft zur Revision des MWSTG im
Jahr 2008 formulierte, wurde der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Gesetz verankert. Danach ist es unzulässig, Nachweise (zum Beispiel für steuermindernde Tatsachen) ausschliesslich vom Vorliegen bestimmter Beweismittel abhängig zu machen. Gestützt auf diesen Grundsatz hat
die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), Hauptabteilung Mehrwertsteuer, am 27. 9. 2016 publiziert, dass für die Frage des Nachweises des Ursprungs und der Unverändertheit von digitalen
Daten keine Pflicht zur digitalen Signatur bestehe. Der Nachweis des Ursprungs und der Unverändertheit von digitalen
Daten kann als erbracht angenommen werden, wenn die
Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung nach Art. 957a
des Obligationenrechts (OR) eingehalten sind. Sofern die
Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung eingehalten
E X P E R T F O C U S 2016 | 12
E-M E D I E N
sind und der Beleg – in elektronischer oder vergleichbarer
Form – als Buchungsbeleg gilt, wird dieser auch im Rahmen
der Mehrwertsteuer als Nachweis für steuermindernde Tatsachen von der ESTV akzeptiert. Nach wie vor vertritt die
ESTV aber die Meinung, dass eine digitale Signatur den besten Schutz vor nicht feststellbaren Veränderungen an digitalen Daten bietet.
STE U E R N
praxis zu berücksichtigen ist. Es ist sicherlich nicht das letzte
Mal, dass Leistungen neu definiert und neue Abgrenzungskriterien durchdacht und eingeführt werden müssen und
die Praxis neue Kriterien zu entwickeln und zu publizieren
hat. Es ist die Aufgabe der rechtsetzenden und rechtanwendenden Behörden, sich den Veränderungen zu stellen, welche die Digitalisierung auch im Bereich der Mehrwertsteuer
mit sich bringt.
„
5. FAZIT
Der Bereich der elektronischen Leistungen ist im stetigen
Wandel, was in der Rechtsetzung und in der Verwaltungs-
12 | 2016 E X P E R T F O C U S
989