MWST STE U E R N N I KLAUS HONAU E R DER BILLAG-ENTSCHEID UND DAS FEHLENDE VERSTÄNDNIS FÜR DIE SYSTEMATIK DER MWST Das Bundesgericht hat im Billag-Entscheid vom 13. April 2015 festgestellt, dass die Radio- und Fernsehempfangsgebühren nicht der Mehrwertsteuer (MWST) unterliegen. Die Billag hat darauf ihre Rechnungsstellung angepasst und fakturiert seither ohne MWST. Die Rückerstattung der MWST für die Vorjahre hat das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) abgelehnt. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) war nicht an den Verfahren beteiligt, ist aber trotzdem betroffen. Die Folgen des Urteils werden in der Presse immer wieder falsch dargestellt, wie ein am 20. Oktober 2015 in der NZZ erschienener Artikel mit dem Titel «Warum bezahlt die SRG Mehrwertsteuern?» zeigt. Die SRG hat Anfang Oktober kommuniziert, dass sie wegen des Bundesgerichtsurteils mit Mehrkosten von jährlich CHF 35 Mio. zu rechnen habe. Der Autor bezweifelt in der NZZ nun, dass zwischen SRG und Bund überhaupt ein steuerbarer Leistungsaustausch vorliege. Zudem wirft er die Frage auf, ob es richtig sei, dass die SRG mit von der MWST befreiten Gebühren MWST bezahle, und räumt der SRG gegen das Bakom Chancen ein, die Überwälzung der MWST erfolgreich zu bestreiten. Klarstellung. Der Artikel verlangt nach einer Klarstellung in drei Richtungen: Werden die Empfangsgebühren nicht mehr als Entgelt für eine steuerbare Leistung qualifiziert, so sind es Subventionen, die nach geltendem Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) zu einer Kürzung des Vorsteuerabzugs führen. Die Gebühr unterliegt dann zwar nicht mehr der MWST. Die MWST auf allen Aufwendungen und Investitionen kann aber auch nicht mehr als Vorsteuer geltend gemacht werden. Da die SRG aktuell auf den Empfangsgebühren nur 2,5% MWST abliefert, die bisher von den Konsumenten bezahlt worden ist, und auf ihren Aufwendungen 8% MWST geltend gemacht hat, hat sie vom Bund über die MWST mehr Geld bekommen, als sie abgeliefert hat. Diese Konsequenz tritt immer dann ein, wenn eine Leistung nur zu 2,5% besteuert NIKLAUS HONAUER, DR. IUR. HSG, RECHTSANWALT, PRÄSIDENT DES MWST-KOMPETENZZENTRUMS VON EXPERTSUISSE, PARTNER, PWC, ZÜRICH/BASEL, wird, im Gegenzug aber die meisten Auslagen des Steuerpflichtigen mit 8% MWST belastet sind. Deshalb wählt jedes neu gebaute Kino die freiwillige Versteuerung der Eintritte zu 2,5% und kann im Gegenzug sofort auf allen Investitionen die MWST geltend machen. Dies führt – insbesondere bei hohen Investitionen – immer zu einem Guthaben gegenüber der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV). Die Umqualifizierung der Empfangsgebühren zwischen SRG und Bund ist deshalb auch nicht im Interesse des Konsumenten. Es geht nicht nur um die Frage der Überwälzung der MWST, sondern um den Wegfall des Vorsteuerabzugs auf den gesamten Auslagen der SRG. Die finanziellen Konsequenzen wären dabei wohl noch um einiges höher als die CHF 35 Mio. Die SRG könnte ihren Leistungsauftrag nur dann im gleichen Ausmass erfüllen, wenn der Bund eine Erhöhung der Empfangsgebühren genehmigte. MWST bisher neutral. Bisher hat die SRG auf den Gebühren keine MWST bezahlen müssen. Die MWST auf den Gebühren konnte sie via Billag auf die Konsumenten überwälzen, und die MWST auf den Auslagen konnte vollumfänglich geltend gemacht werden. Die MWST war für die SRG bisher neutral. Wird nun an diesem System etwas geändert, dann wird die SRG die MWST aus den Gebühren finanzieren müssen. Dies ist im Übrigen auch bei der öffentlichen Hand so. Jede Gemeinde ist auf ihren Aufwendungen auch mit der MWST belastet und muss diese aus den Steuereinnahmen finanzieren. Dies führt zu der immer wieder kritisierten Umverteilung von kantonalen und kommunalen Steuern zum Bund. Die Mehrkosten von CHF 35 Mio. entstehen deshalb, weil die MWST nicht mehr auf die Konsumenten überwälzt werden kann. Auf die Billag kann die MWST auch nicht überwälzt werden. Die Billag ist nur eine Inkassostelle, welche die Empfangsgebühren bei den Konsumenten eintreibt. Sie verfügt gar nicht über die Mittel, um die MWST zu tragen, die bisher von den Konsumenten bezahlt worden ist. Billag-Urteil als Intermezzo. Mit der Revision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, die vom Volk – denkbar knapp – angenommen worden ist, soll wieder zum ursprünglichen Zustand zurückgekehrt werden. Die Gebühren würden wieder der MWST zu aktuell 2,5% unterliegen. Bis diese Revision in Kraft tritt, wird wohl auch über die Rückerstattung der vor dem Bundesgerichtsurteil bezahlten MWST endgültig entschieden sein, und das Billag-Urteil wird als vorübergehendes Intermezzo in die MWST-Geschichte eingehen. NIKLAUS.HONAUER@CH. PWC.COM 952 E X P E R T F O C U S 2015 | 12
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