Tatort: Borowski und das dunkle Netz

DasErste.de
Tatort: Borowski und
das dunkle Netz
19. MÄRZ 2017
20:15 UHR
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Inhalt
Inhalt4
Stab5
Thomas Wendrich (Drehbuch) Kurzbiografie6
David Wnendt (Drehbuch und Regie)
Kurzbiografie7
Gespräch mit David Wnendt 8
Axel Milberg ist Klaus Borowski
Kurzbiografie10
Gespräch mit Axel Milberg 11
Sibel Kekilli ist Sarah Brandt
Kurzbiografie13
Gespräch mit Sibel Kekilli 14
Maximilian Brauer ist Hagen Melzer
Kurzbiografie15
Gespräch mit Maximilian Brauer 16
Benedict Neuenfels
(Bildgestaltung/Kamera)
Kurzbiografie17
Gespräch mit Benedict Neuenfels 18
Gespräch mit Sven Uckermann (Fachberatung)
20
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Zum Inhalt
Jürgen Sternow, Leiter der Spezialabteilung
Cyber-Crime des Landeskriminalamtes Kiel,
wurde Opfer eines Mordanschlags. Die Vermutung liegt nahe, dass der Täter im Umfeld der
rasant wachsenden Internetkriminalität zu suchen ist. Die Kommissare Borowski und Brandt
werden vom zuständigen Staatsanwalt mit
den Ermittlungen betraut. Während Borowski
sich zunächst technische Spezialkenntnisse
aneignen muss, ist Sarah Brandt als ehemalige
Hackerin in ihrem Element. Aber wie jagt man
einen Täter, der in keinerlei Beziehung zum
­Opfer stand und es mit allen Tricks versteht,
sich im Darknet zu verbergen? Als es Brandt
gelingt, eine Lücke in der scheinbar perfekten
digitalen Tarnung des Auftragsmörders zu entdecken, kommen sie dem Killer auf die Spur.
4
Tatort: Borowski und
das dunkle Netz
Deutschland, 2017
Besetzung
Klaus Borowski
Sarah Brandt
Hagen Melzer
Staatsanwalt Tom Austerlitz
Cao
Dennis
Wolfgang Eisenberg
Julie Sternow
Rosi
sowie
Axel Milberg
Sibel Kekilli
Maximilian Brauer
Jochen Hägele
Yung Ngo
Mirco Kreibich
Michael Rastl
Philine Stappenbeck
Svenja Hermuth
Thomas Kügel, Pjotr Olev, Ole Hermann,
Kurt Glockzin, Elisabeth Schwarz, Ulf Nadrowski,
Björn Meyer u. v. a.
Stab
Regie
Buch
Kamera
Schnitt
Kostümbild
Maskenbild
Casting
Szenenbild
Musik
Ton
Produktionsleitung
Ausführender Produzent
Produzentin
Redaktion
Fachberatung
David Wnendt
Thomas Wendrich, David Wnendt
Benedict Neuenfels
Robert Rzesacz
Elke von Sivers
Ragna Jornitz, Natalie von Brunn
Ulrike Müller
Stefanie Kromrei
Enis Rotthoff
Philipp Kemptner
Patrick Brandt, Tim Carlberg (NDR)
Johannes Pollmann
Kerstin Ramcke
Sabine Holtgreve (NDR)
Petra & Stefan Jung, Toppoint e.V.
Produktionsangaben
Drehzeit: Drehort: Länge: 4. bis 27. Juli 2016
Kiel, Hamburg, Schwarzenbek und Reinbek
90 Minuten
Der „Tatort: Borowski und das dunkle Netz“ ist eine Produktion der
Nordfilm Kiel GmbH im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks.
.
5
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Thomas Wendrich
Drehbuch
Der Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Thomas Wendrich wurde 1971 in ­Dresden
geboren. Von 1990 bis 1994 studierte er Schauspiel an der Hochschule für Film und
Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Danach war er bis 1999 Mitglied des
Berliner Ensembles. Von 1999 bis 2001 studierte Wendrich an der Drehbuchakademie der
DFFB. Seit 2001 arbeitet er als freischaffender Autor und Regisseur sowie nach wie vor als
Schauspieler.
Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise, u. a. den Deutschen Drehbuchpreis für
„Nimm dir dein Leben“ (2005, Drehbuch; Regie: Sabine Michel). Weitere Werke sind ­
„Zur Zeit verstorben“ (2004, Drehbuch und Regie), „Maria am Wasser“ (2006, Drehbuch und Regie), „Freischwimmer“ (2007, Drehbuch; Regie: Andreas Kleinert), „Ich und
­Kaminski“ (2013, Drehbuch nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann;
Regie: Wolfgang Becker), „Tatort: Fünf Minuten Himmel“ (2016, Drehbuch; Regie: Katrin
Gebbe) und „Mitten in Deutschland: NSU – Die Täter – Heute ist nicht alle Tage“ (2016,
Drehbuch; Regie: Christian Schwochow). Hierfür bekam er den Fernsehfilmpreis der
Deutschen Akademie der Darstellenden Künste 2016.
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Tatort: Borowski und das dunkle Netz
David Wnendt
Drehbuch und Regie
David Wnendt, geboren 1977 in Gelsenkirchen, wuchs
als Sohn eines Diplomaten in Islamabad, Miami,
­Brüssel­und im rheinländischen Meckenheim auf. Nach
dem Abitur zog er 1997 nach Berlin. Es folgten diverse
Tätigkeiten u. a. als Beleuchter, Regie- und Produktions­
assistent bzw. Cutter bei Film-, Fernseh- und Theater­
produktionen sowie eine Hospitation am Odéon
Théâtre in Paris. Bis 2004 studierte David Wnendt
Betriebswirtschaftslehre und Publizistik an der Freien
Universität Berlin. Nachdem er bereits als 18-Jähriger einen ersten Kurzfilm realisiert hatte, studierte er parallel
für ein Jahr an der Prager Filmhochschule FAMU.
Nach seinem abgeschlossenen Magisterstudium
studierte er ab 2004 an der Hochschule für Film und
Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam. Dort ließ er sich
bis 2011 zum Film- und Fernsehregisseur ausbilden.
Während seines Studiums inszenierte er 2005 den
17-minütigen Kurzfilm „California Dreams“. 2007 folgte
der 60-minütige Spielfilm „Kleine Lichter“ (Drehbuch
und Regie), der 2008 auf ARTE lief.
David Wnendts Abschlussfilm an der Filmhochschule,
„Kriegerin“ (2011, Drehbuch und Regie), wurde vielfach
ausgezeichnet, u. a. in drei Kategorien beim Deutschen
Filmpreis 2012 (Bronze als bester Spielfilm, David
Wnendt – bestes Drehbuch, Alina Levshin als beste
Hauptdarstellerin), mit dem Bayerischen Filmpreis
(Nachwuchsregie: David Wnendt, Nachwuchsdar­
stellerin: Jella Haase) und dem Studio Hamburg
Nachwuchspreis 2012 (bestes Drehbuch: David Wnendt,
beste Produktion: Sophie Stäglich).
Anfang 2012 begannen die Arbeiten an David Wnendts
zweitem Kinofilm (Drehbuch und Regie), der Verfilmung des Bestsellers „Feuchtgebiete“ von Charlotte
Roche. Der Film lief nach der Weltpremiere 2013 im
Wettbewerb des Filmfestivals Locarno in den deutschen Kinos an. 2015 startete David Wnendts dritter
Kinofilm, die Hitler-Satire „Er ist wieder da. Der Film
wurde bei der 68. Verleihung des BAMBI in der Kategorie „Film National“ ausgezeichnet. Außerdem gewann
er den CIVIS Kinopreis 2016.
7
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Ich versuche, einen eigenen Zugang
zum Format des ‚Tatorts‘ zu finden“
Gespräch mit David Wnendt
Ihr Debüt „Kriegerin“, danach „Feuchtgebiete“ und
„Er ist wieder da“: kontrovers diskutierte, sehr erfolgreiche Kinofilme. Wer oder was hat Sie verlockt, ihren
erst vierten Film beim Kieler „Tatort“ zu machen?
Axel Milberg ist schuld. Bei den Dreharbeiten von
„Feuchtgebiete“, also schon vor einigen Jahren, hat er
mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einmal beim Kieler
„Tatort“ Regie zu führen. Da ich Krimis generell mag, war
das eine verlockende Option. Zunächst war ich aber
noch in andere Projekte involviert. Letztes Jahr war es
dann soweit, dann hieß es für mich: Jetzt oder nie.
Borowski und Brandt gehören zu den profiliertesten
Ermittlerteams beim „Tatort“. Axel Milberg hat seine
große treue Fangemeinde, einige Folgen der Reihe sind
Krimi-Klassiker geworden. Überwiegt da beim ersten
Stelldichein der Respekt oder die Neugier?
Beides. Ich hatte mir im Vorfeld viele Folgen von
­Kommissar Borowski angesehen. Die Figurenzeichnungen und –konstellationen fand ich sehr spannend.
Daraus entstand Vorfreude, mit und an diesen Figuren
zu arbeiten.
Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern auch beim
Drehbuch mitgewirkt. Dem fertigen Film merkt man
keine Berührungsängste eines Krimi-Neulings an:
Naturtalent oder hartes Training hinter verschlossenen
Türen?
Mich hat die Lust angetrieben, mich an diesem Genre zu
probieren. Dabei habe ich nie nachgedacht, ob ich das
kann oder nicht.
Wie sind sie auf das Thema „Darknet“ gestoßen?
Ich habe mich seit langem für das Thema interessiert.
Zunächst aus reiner Neugierde habe ich Artikel beispielsweise über die „Silkroad“ gelesen, mir selbst den
Tor-Browser runtergeladen und diese ganz neue Welt erforscht. Die Existenz eines rechtsfreien virtuellen Raums
war faszinierend. Auch Geschichten der Menschen, die
dahinterstecken, wie der Aufstieg und Fall des Dreadpirat Roberts, dem Betreiber der Silkroad, fand ich sehr
spannend. Viel Stoff, der sich auch für eine filmische
Umsetzung anbietet.
„Darknet“ – der Name ruft lauthals nach Krimi und
­Horror. Sie erweitern die Palette aber noch um Anleihen bei anderen Genres. Was ist Ihre Absicht dahinter?
„Borowski und das dunkle Netz“ sollte trotz des düsteren Klangs kein bierernster Sozialproblem-„Tatort“
werden. Ich wollte mit einer gewissen Leichtigkeit und
mit Humor erzählen. Das „Darknet“ soll nicht verteufelt
oder als magische Horror-Blackbox beschrieben werden.
Ebenso wichtig war mir, die veränderten Bedingungen
für die Polizeiarbeit zu beleuchten. Das Internet und
andere digitale Technologien ermöglichen neue Arten
von Verbrechen, bieten aber auch der Polizei neue
Strategien und Instrumentarien. Diese Instrumentarien,
wie die Auswertung von Handydaten, können bei allen
Verbrechen eingesetzt werden, vom Fahrraddiebstahl
bis zum Anschlag. Es ist ein Fortschritt, eine Umwälzung
der Polizeiarbeit, wie es vielleicht bei der Entdeckung
des Fingerabdrucks war.
In einem Interview vor den Dreharbeiten haben Sie
angekündigt, dass „Borowski und das dunkle Netz“ die
Zuschauer polarisieren wird. Sieht man den fertigen
Film, scheint sich die Prophezeiung zu bewahrheiten.
Wie fordern sie das Publikum heraus und warum?
Ich versuche, einen eigenen Zugang zum Format des
„Tatorts“ zu finden, ohne dabei besonders provokant auftreten zu wollen. Ich verweigere mich keineswegs dem
Krimi. „Borowski und das dunkle Netz“ ist ja auch ein
„Whodunnit?“, aber es gibt neben der Spannung eben
auch einen leichten Humor und einen freien Umgang
mit filmischen Mitteln. Es ist so eine eigene fiktive Welt
entstanden, die vielleicht nicht den Erwartungen von je9
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
dem einzelnen entspricht. Beim „Tatort“ gibt es viele Gewohnheitsseher, die womöglich enttäuscht sein ­werden.
Die einen wollen einen 0815-„Tatort“, den ­anderen wird
mein Film zusagen.
Am Ende des Nachspanns wird ein Krimi aber immer
nur an der alles entscheidenden Frage bemessen: War
er spannend? „Borowski und das dunkle Netz“ gibt da
eine klare Antwort: Ja. Haben sie filmische Vorbilder
eingebracht, die sie immer wieder an das Urgesetz
erinnert haben?
Vorbild ist ein zu großes Wort. Es gibt eine Reihe von
Polizeifilmen, die mir gefallen. Es wäre aber vermessen
zu sagen, ich habe versucht, da heranzukommen. Wenn,
war es „L.A. Confidental“, den ich irgendwo im Hinterkopf mit mir trug. Der Film zeigt auf großartige Weise,
wie komplex ein Figurengeflecht und die Geschichte
eines Verbrechens sein kann, ohne dass der Film an
Spannung oder Verständlichkeit verliert. „L.A. Confidental“ hat mich ermutigt, auch beim „Tatort“ mit einer
gewissen Komplexität zu erzählen.
Weil das „Darknet“ womöglich den meisten Zuschauern noch unbekannt ist, müssen Sie als Regisseur auch
einige Aufklärungsarbeit leisten. Sie haben einen originellen Weg gefunden, wie kam es dazu?
Durch die zahlreichen Berichterstattungen zum Thema haben bestimmt manche Zuschauer den Namen
„Darknet“ schon einmal gehört. Aber viele dürften nicht
genau wissen, was dahinter steckt. Meine Maßgabe war,
sich dem Erklärungsbedarf mit bunten erzählerischen
Mitteln zu stellen und nicht alles in infolastige Dialoge
zu stecken. Der Zuschauer soll unterhalten werden, aber
auch etwas mitnehmen aus diesem Tatort.
Satire ist eines Ihrer Stilmittel, das die Wirklichkeit
überspitzt, um sie zu entlarven. Gerade die Welt des
LKA, Abt. ‚Cybercrime‘, bekommt ihr Fett ab. Wieviel
Realität lugt hinter der Überzeichnung hervor?
Es stand nicht im Vordergrund, das LKA durch den Kakao
zu ziehen. Es sollte eher ein gutmütiger Humor sein,
bei dem man über die Figuren lachen oder schmunzeln
kann, ohne dass die Figuren verraten werden. Überzogen haben wir insofern, als die neue Cybercrime-Abteilung in einer riesigen Halle untergebracht ist, wo
nur zwei Menschen arbeiten, um deutlich zu machen,
wie sehr noch am Anfang und unterbesetzt die sind. In
der Realität – ich habe diese spezielle LKA-Stelle in Kiel
besucht – sitzen die jungen Beamten in normalen Büros,
sind von der Personalstärke aber ungefähr so, wie wir
es zeigen. Das heißt, die Beamten haben ein ähnliches
Problem wie im „Tatort“. Es gibt ein gewaltiges neues
Instrumentarium, aber gar nicht genug Personal, es
umfassend anzuwenden. Ein Problem ist die schiere
Masse an Daten und Fotos, die man beispielsweise von
einem einzelnen Handy herunterlesen kann. Es gibt in
Deutschland keine unbegrenzten Mittel wie in der amerikanischen NSA, um wie „Big Brother“ mit Tausenden
von Beamten zu arbeiten.
Das Darknet steckt voller Verrückter und bedrohlicher
Technikwaffen, zu guter Letzt setzt sich aber die alte
Polizistenschule durch. Liegt in dieser Rückbesinnung
Ihre Antwort auf eine zunehmend beängstigende, weil
undurchdringliche Gegenwart?
Weil die Gegenwehr so beschränkt und das Datenmeer
gleichzeitig so unübersichtlich ist, wird aber auch der
Ermittler immer wichtiger. Erst durch seine Intuition,
seine Erfahrung mit der Natur des Menschen, seine Erfahrung mit Verbrechen kann er Daten deuten und die
richtigen Schlüsse ziehen.
Dazu muss aber, wie in Ihrem Film, das Verbrechen
überhaupt erst heraustreten in die Realität.
So anonym das „Darknet“ auch ist: Es gibt bei Verbrechen im Netz immer eine Verbindung zur physischen
Wirklichkeit. Man kann Drogen virtuell bestellen.
Aber ihre Herstellung, ihre Verschickung, ihr Konsum
geschieht in der realen Welt. Genauso will man die
virtuellen „Bitcoins“ zu echtem Bargeld wechseln oder
sie zumindest als Euros auf dem normalen Bankkonto
haben. Diese Schnittstellen mit der physischen Realität
sind immer Chancen für die Polizei.
Nach all ihrer intensiven Beschäftigung mit den
Abgründen: Was ist das „Darknet“ für Sie?
Es ist mir ein Bedürfnis, die helle Seite des „Darknet“
hervorzuheben: Gerade in unserer heutigen Zeit muss
die Möglichkeit zur anonymen Kommunikation geschützt werden. Über das Tor-Netzwerk haben Journalisten oder Dissidenten die Chance zu kommunizieren,
ohne ihr Leben oder ihre Freiheit aufs Spiel zu setzen.
Diese Freiheit ist unbedingt schützenswert – und dafür
muss man auch einen Missbrauch in Kauf nehmen.
9
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Axel Milberg
ist Klaus Borowski
Axel Milberg ist in Kiel zur Welt gekommen und aufgewachsen. Seine
Mutter, in Rio de Janeiro geboren, war Ärztin, sein Vater, Sohn eines Landwirts aus der Nähe Kiels, Anwalt. Axel Milberg hat einen Bruder und eine
Schwester.
Früh war für ihn klar: Ich werde Schauspieler. Er schrieb mit 13 Jahren ein
Theaterstück über den wilden Westen, spielte in der Kieler Gelehrtenschule
Theater und studierte dennoch nach dem Abitur zunächst Literatur und
Philosophie. 1979 wurde er schließlich in München auf der legendären
Otto-Falckenberg-Schule aufgenommen. Es folgten viele Jahre an den
Münchner Kammerspielen (1981–1998), Lesungen und zum Teil preisgekrönte Hörbuchaufnahmen sowie Film- und Fernsehrollen. Beispiele seiner
umfangreichen Arbeit sind die Fernsehfilme „Es geschah am hellichten Tag“
(1997, Regie: Nico Hofmann), „Stauffenberg“ (2004, Regie: Jo Baier), „Das
Feuerschiff“ (2008, Regie: Florian Gärtner), „Die Hebamme“ (2013, Regie:
Hannu Salonen), der Zweiteiler „Pfeiler der Macht“ (2014, Regie: Christian
Schwochow), „Der Liebling des Himmels“ (2014, Regie: Dany Levy), „Nord,
Nord, Mord – Clüver und der tote Koch“ (2015, Regie: Anno Saul), „Mat Joubert“ (2015, Regie: Peter Ladkani), „Letzte Ausfahrt Gera“ (2015, Regie: Raymond Ley) und „Von Erholung war nie die Rede“ (2016, Regie: Vivian Naefe).
Darüber hinaus spielt Axel Milberg seit 2003 Kommissar Klaus Borowski im
Kieler NDR-„Tatort“.
Zu seinen Arbeiten fürs Kino zählen u. a. die zum Teil preisgekrönten Filme
„Rossini“ (1997, Regie: Helmut Dietl), „Der Campus“ (1998, Regie: Sönke
Wortmann), „The International“ (2009, Regie: Tom Tykwer), „Almanya –
Willkommen in Deutschland“ (2011, Regie: Yasemin Samdereli), „Hannah
Arendt“ (2012, Regie: Margarethe von Trotta), „Feuchtgebiete“ (2013, Regie:
David Wnendt) sowie „Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt“ (2013, Regie:
Bill Condon).
Axel Milberg wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. der
Kunstakademien in München und Berlin, mit dem Grimme-Preis, dem
­Bayerischen Fernsehpreis und dem Norddeutschen Filmpreis.
10
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Menschelt Borowski?
Wie uncool, ja“
Gespräch mit Axel Milberg
Spätestens für denjenigen, der selbst Kinder hat, bricht
beim Thema Internet irgendwann der unvermeidliche
Generationengraben auf: Was den Jungen selbstverständliches Spielzeug und Zukunftsverheißung ist,
lässt die Eltern ahnungslos, ratlos und sorgenvoll zurück. Kennen Sie diesen Konflikt, und wieviel Internet
bestimmt ihr eigenes Leben?
Der Graben ist auch bei uns da, wobei meine Frau viel
mehr und anderes macht als ich im Internet. Sie kauft
ein, hört Musik per Streaming und bezahlt online. Ich
nicht. Aber ich buche, buche um, recherchiere, maile
usw. Mein übermütiger Sohn August sagt auch nicht
Papa, sondern Paypal zu mir.
Was macht Ihnen grundsätzlich Angst am Internet, was
stimmt Sie positiv?
Angst? Doch ja, aggressive User sind enthemmt in der
Anonymität, es finden sich pöbelnde Frusties, die sich
dann auch auf der Straße zusammenrotten und eines
Tages die Herrschaft übernehmen und die Demokratie
war Geschichte. Der Begriff der Echokammer ist sehr
anschaulich und erklärt als Phänomen auch, warum wir
kultiviertes Streiten verlernen und das geduldige Zuhören und das neugierige Lernen.
War Ihnen das „dunkle Netz“ bekannt?
Ich wusste einiges darüber, aber die positiven Seiten
kannte ich nicht. Auch was Bitcoins sind, nein, ich hatte
keine relevanten Informationen.
Sind Internet und „Darknet“ nach ihrer Einschätzung
Ursache oder nur Bühne für das Übel, das über die Welt
gekommen ist?
Nur die Bühne, aber eine schlecht beleuchtete Bühne
mit großem Backstagebereich.
Bei „Feuchtgebiete“ haben Sie erstmals mit dem
Regisseur David Wnendt zusammengearbeitet und ihn
danach zur Regie beim Kieler „Tatort“ ermuntert.
Was haben Sie sich von ihm, einem Krimi-Novizen,
versprochen?
Das, was wir alle auch bekommen haben. Einen spektakulären Film, den ich immer noch nicht ganz checke­.
­Außerdem habe nicht ich allein ihn für den Kieler
„Tatort“ gewinnen können. Neben dem NDR hat auch
Johannes Pollmann von Studio Hamburg entscheidend
zu diesem Erfolg beigetragen.
Was hat Sie am Stoff überzeugt?
Darf ich ehrlich sein? Davids Umgang – mit welchem
Thema auch immer.
Gefallen Ihnen die ungewöhnlichen Farben des Films,
wenn Borowski beispielsweise erstmals als Comicfigur
in Erscheinung tritt?
Ich habe gedacht, aha, deswegen musste ich diese rote
Jacke tragen. Die Farben sind fantastisch, Benedict Neuenfels ein Geschenk. Eben kein Kameramann, aber ein
Bildgestalter. Ein Geschenk, Danke.
Wie hält es Borowski mit dem Internet und einem Fall,
der einer Welt entstammt, die nicht die seine ist?
Am liebsten hört er zu und lernt. Wer weiß, wo Borowski sonst noch unterwegs ist, im Netz und in der analogen Welt.
Erachtet Borowski das scharfe Schwert von Politik
und Gesetzgebung für nötig, damit solche modernen
Auftragskiller wie Hagen Melzer erst gar nicht aus dem
„Dark Net“ hervorgekrochen kommen?
Keine Ahnung. Die Gesetzgebung hoppelt den innovativen Verbrechen hinterher. Immer fehlt Geld und
Manpower.
12
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Nimmt man manch frühere Begegnungen Borowskis
mit dem Bösen zum Maßstab, kommt der Kommissar
diesmal körperlich und seelisch weitgehend intakt
davon. Was sorgt für seine gewisse Immunität?
Kollegin Brandt. Sie rennt, täuscht einen Epilepsie-Anfall vor, nimmt den einen fest, tötet den anderen Täter.
Selbstverteidigung. Bekommt einen Kaugummi, schläft
ein …
Wie lang werden Ermittler menschelnden Zuschnitts
wie Borowski noch dem Sturm digitaler Kreaturen
­Paroli bieten können? Immerhin sitzt schon eine mitten in seinem Auto und lässt ihn das Showdown mit
dem Bösewicht verpassen …
Menschelt Borowski? Wie uncool, ja. Ich glaube
ganz entschieden, wir sehen seine Irrtümer, Fehlein­
schätzungen, seine Ratlosigkeit. Das finde ich enorm
modern, dass die Drehbücher dem Zuschauer das
­zumuten. Dabei ist doch eigentlich Effizienz das
­Wichtigste. Ich hoffe, dass dieser eigenwillige und
­gescheite Mann uns noch lange überraschen wird!
12
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Sibel Kekilli
ist Sarah Brandt
Die Schauspielerin Sibel Kekilli wurde 1980 geboren.
Für ihr Spielfilmdebüt in Fatih Akins Film „Gegen die
Wand“ (2004) erhielt Sibel Kekilli zahlreiche nationale
und internationale Auszeichnungen (u. a. Deutscher
Filmpreis 2004 als beste Hauptdarstellerin; Bambi als
Shooting Star des Jahres 2004; beste Schauspielerin
beim Santa Barbara International Film Festival). 2006
spielte sie in Hans Steinbichlers „Winterreise“, der im
Wettbewerb in Karlovy Vary lief, und in „Eve Dönüs“,
für den sie als beste Schauspielerin auf dem Antalya
Filmfestival ausgezeichnet wurde. Weitere Produktionen wie „Gier“ unter der Regie von Dieter Wedel (2010)
folgten. Als beste Schauspielerin wurde Sibel Kekilli
2010 für ihre Rolle in dem Kinofilm „Die Fremde“ (Regie:
Feo Aladag) u. a. zum zweiten Mal mit dem Deutschen
Filmpreis sowie beim Tribeca Film Festival in New York
und beim 15. Festival Türkei/ Deutschland geehrt. „Die
Fremde“ ging auch als deutscher Beitrag für eine der
begehrten Oscar-Nominierungen in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“ ins Rennen.
2011 war sie in Matthias Schweighöfers Regiedebüt
„What a Man“ im Kino zu sehen. Einem internationalen
Fernsehpublikum wurde Sibel Kekilli mit der Erfolgs­
serie „Game of Thrones“ (2011–2014; Staffel 1-4) bekannt. 2012 wurde sie für ihre Darstellung im Kieler
NDR-„Tatort: Borowski und die Frau am Fenster“ als
beste Schauspielerin in der Kategorie „Serien und Reihen“ für den Bayerischen Fernsehpreis nominiert. 2013
erhielt Sibel Kekilli den Hollywood Reporter Award für
hervorragende Leistungen in der internationalen Filmund Fernsehbranche. Der „Tatort: Borowski und der
Engel“ mit Sibel Kekilli war für den Grimme-Preis 2014
in der Kategorie Fiktion nominiert.
Aktuelle Produktionen mit Sibel Kekilli sind „Im Feuer“
unter der Regie von Daphne Charizani und „Berlin ,
I love you“ unter der Regie von Dennis Gansel.
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Sarah Brandt muss
niemandem etwas beweisen“
Gespräch mit Sibel Kekilli
Fluch und Segen der digitalen „Brave New World“
rücken immer stärker, auch durch Film und Fernsehen,
ins gesellschaftliche Bewusstsein. Wie halten Sie es
persönlich mit dem Umgang mit dem Internet?
Es ist tatsächlich beides. Es hilft etwa, sich in Sekundenschnelle über ein bestimmtes Thema zu informieren,
sich verschiedene Positionen durchzulesen und für sich
zu bewerten. Auf der anderen Seite rückt jetzt ganz
aktuell der Begriff „Fake News“ in unser Bewusstsein,
und das Internet ist sicherlich auch ein Ort, welches das
Böseste im Menschen hervorbringt. Mobbing, Rassismus, Hass – die Leute halten sich vor dem Deckmantel
ihrer Anonymität mit nichts zurück. Deshalb versuche
ich mich auch in sozialen Netzwerken und Postings
eher defensiv zu verhalten, aber trotzdem Haltung zu
bewahren.
Im Gegensatz zu Borowski kennt sich Sarah Brandt in
der digitalen Welt gut aus. Sie ist es, die in Hagen den
paranoiden Hacker erkennt und ihn mit vollem Einsatz
zu Strecke bringt. Wodurch fühlt sich die Selfmade-­
Hackerin den selbstverliebten LKA-Computernerds
überlegen? Will sie ihnen zeigen, was eine Harke ist?
Nein, sie muss ja niemandem etwas beweisen. Sie ist,
wie immer, auf den Fall fixiert und möchte ihn einfach
schnell lösen. Dabei macht sie eigentlich nur ihren Job
mit ihren Mitteln so gut sie kann.
Sarah Brandt zeigt nicht nur in der digitalen Welt
Köpfchen, sie bringt den Täter auch mit vollem
­Körpereinsatz zur Strecke und gerät am Ende in Lebensgefahr. Obwohl sie letztlich Recht behält, scheint sie
unsicher, ob sie das Richtige getan hat. Worin bestehen
ihre Zweifel?
Ich glaube, dass sie unter Schock steht. Ja, sie tötet
einen Menschen, und das ist eine große Last. Das ist ihr
übrigens auch in ihrem ersten Fall schon passiert. Aber
hier reagiert sie jetzt noch emotionaler, weil sie zum
einen selbst in Gefahr schwebte und zum anderen sich
in diesem Menschen getäuscht hat.
Sarah Brandt wird gleich am Anfang von dem
LKA-Chef Kaffee holen geschickt, später macht ihr einer
der Cybernerds, der sie chronisch unterschätzt, ungeschickt den Hof. Man hat den Eindruck, dass Sarah hier
der chauvinistischen Polizeiwelt ein wenig den Kampf
angesagt hat - ist das richtig?
Sie versucht einfach, drüber zu stehen, bleibt bei sich
und beweist mit Taten, dass sie solche Sprüche nicht
ernst nimmt. Trotzdem ärgert sie sich über einen solchen alltäglichen Sexismus natürlich doch, vor allem
wenn man bedenkt, dass nicht alle Frauen sich dagegen
wehren können.
14
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Maximilian Brauer
ist Hagen Melzer
Maximilian Brauer wurde 1986 in Berlin geboren. Er studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater „Mendelssohn
Bartholdy“ in Leipzig. Von 2008 bis 2011 war
er unter der Intendanz von Sebastian Hartmann Ensemble-Mitglied am Centraltheater/
Schauspiel Leipzig. Seit 2012 ist Maximilian
Brauer Ensemblemitglied an der Volksbühne
am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin.
15
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Ich wollte schon immer einmal
eine große Sportveranstaltung stören“
Gespräch mit Maximilian Brauer
Sie spielen viel und erfolgreich Theater, Auftritte beim
Fernsehen scheinen die Ausnahme. „Borowski und das
dunkle Netz“ ist Ihr erstes Mitwirken beim „Tatort“.
Was hat Sie nach Kiel verschlagen?
Ich hatte gerade Zeit und mir hat die Rolle gefallen.
Außerdem kannte ich Kiel noch nicht, so habe ich mich
entschieden, die Aufgabe „Tatort“ auch einmal anzunehmen …
Was macht einen Bösewicht zu einem guten, sprich:
ergreifenden Bösewicht?
Totale Amoralität!
Haben Sie, als Sie das Drehbuch lasen, sofort das Potenzial erkannt, dass in Ihrer Rolle des Auftragskillers
steckt?
Ich wollte schon immer einmal eine große Sportveranstaltung stören und die entsprechende Szene aus dem
Drehbuch hat mir bei den Dreharbeiten dann auch
großen Spaß gemacht.
Was haben Sie in ihre Figur investiert?
Einen neuen Haarschnitt!
Sie spielen beängstigend intensiv mit Psyche und
Physis, letztere zwingt den Killer in ein verstörendes
Martyrium des Leidens. Soll seine Verletzbarkeit den
Zuschauer für ein Mitgefühl öffnen oder muss Hagen
die Hölle, die er anderen bereitet, als gerechten Ablasshandel selbst durchleben?
Darauf habe ich keine Antwort. Ich will es dem Zuschauer überlassen, sich mit Hagen in dieser Beziehung
auseinanderzusetzen.
Ist Hagen Melzer, bei all seiner Psychopathie, auch
Sprachrohr der Vernunft, wenn er davon redet, das
Internet brächte keinen Fortschritt, sondern immer nur
neue Instrumente der Unterdrückung?
Ich selbst habe immer noch kein Smartphone und beschäftige mich nur gelegentlich mit dem Internet …
Er sagt auch zu Kommissar Borowski: „Fragen Sie nicht:
Wen habe ich umgebracht?, sondern: Wer hat mich
umgebracht?“ Haben sie eine Antwort?
Ja. Nein. Vielleicht.
Hat „Borowski und das dunkle Netz“ Ihnen Lust gemacht, öfters den Weg zu Film und Fernsehen – und
vielleicht auch wieder zum „Tatort“ – einzuschlagen?
Das wissen nur die Sterne!
16
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Benedict Neuenfels
Bildgestaltung/Kamera
Benedict Neuenfels wurde 1966 in Bern/Schweiz als
Sohn der Schauspielerin Elisabeth Trissenaar und
des Regisseurs Hans Neuenfels geboren. Seine erste
Filmarbeit war 1982 als Produktionsassistent bei dem
Spielfilm „Penthesiliea“. Prägend war die mehrjährige Lehrzeit bei R.W. Fassbinders Bildgestalter Xaver
Schwarzenberger und bei Robby Müller, der für die
Bildgestaltung vieler Wim-Wenders-Filme verantwortlich ist.
Seit seinem Studium an der Deutschen Film und Fernsehakademie stand Benedict Neuenfels bei mehr als
60 Spiel -und Dokumentarfilmen hinter der Kamera.
Wichtige Kinoproduktionen sind u. a. „Europa und der
zweite Apfel“ (1988, Regie: Hans Neuenfels), „Bilder
von anderswo“ (1994, Regie: Ralf Zöller), „Bunte Hunde“
(1995, Regie: Lars Becker), „Lost Killers“ (2000, Regie:
Dito Tsintsadze), „Der Felsen“ (2002, Regie: Dominik
Graf), „Sie haben Knut“ (2003, Regie: Stefan Krohmer),
„Der Rote Kakadu“ (2006, Regie: Dominik Graf), „Der
Mann von der Botschaft“ (2006, Regie: Dito Tsintsadze),
„Liebesleben“ (2007, Regie: Maria Schrader), „Anonyma“
(2008, Regie: Max Färberböck), „Mahler auf der Couch“
(2010, Regie: Felix O. Adlon, Percy Adlon), „Das Wochenende“ (2012, Regie: Nina Grosse), „Das Radikal Böse“
(2013, Regie: Stefan Ruzowitzky), „Schönefeld Boulevard“ (2014, Regie: Sylke Enders) und „Der Fall Barschel“
(2015, Regie: Kilian Riedhof). Aktuelle Arbeiten sind die
Hollywood-Produktion „Patient Zero“ und der Thriller
„Die Hölle“ (beide 2017, Regie: Stefan Ruzowitzky).
Benedict Neuenfels’ Arbeit ist vielfach ausgezeichnet
worden. Unter anderem wurde er mehrfach mit dem
Grimme Preis gewürdigt; er erhielt den Bayerischen
und den Deutschen Filmpreis sowie 2011 einen Sonderpreis der Akademie der Darstellenden Künste. 2008
gewann er mit dem Film „Die Fälscher“ (2007, Regie:
Stefan Ruzowitzky) den Oscar als bester ausländischer
Film. 2013 wurde er für „Das Wochenende“ bereits zum
sechsten Mal mit dem Deutschen Kamerapreis geehrt.
Früh gründete Benedict Neuenfels seine eigene Firma
Giselafilms, für die er als Produzent und Lichtdesigner
für Oper und Theater arbeitet. Seit Ende der Neunzigerjahre ist er als Gastdozent an verschiedenen Filmhochschulen tätig. Zudem ist er Mitglied der deutschen,
österreichischen und europäischen Filmakademie.
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Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Cineastisch gesprochen sprengte
der Stoff anfänglich alle Vorgaben“
Gespräch mit Benedict Neuenfels
Sie haben eine lange und erfolgreiche Vita als Director
of Photography/Kameramann angesammelt, haben
zuletzt in den USA gearbeitet. Trotzdem zieht es sie immer wieder zum Fernsehen. Mit welcher Motivation?
Das Fernsehen ist ein schnelles Format in der Herstellung. Das fordert und schult die ästhetische und
produktionelle Bereitschaft, nach „billigeren“ Lösungen
zu suchen. Im „Industrie-Hollywood“ stellst Du lieber
noch einen Kran in die Ecke, um die Produzenten zu
beruhigen, dass sie das Gefühl haben, alle Winkel sind
„gecovered“ – egal, was das kostet. Da interessiert sich
niemand für meine deutsche „Kostenschulung“.
Sie hatten bereits 2013 an der hochgelobten Folge
„Borowski und der Engel“ mitgewirkt. Was hat sie zum
Kieler „Tatort“ zurückgeführt?
Milberg und Kekilli schätze ich als Team, und in dieser
Geschichte war Sarah Brandt nicht nur die „Kaffeetasse“
für ihren Kollegen. Starke Frauenfiguren im Film mag
ich. David Wnendt war der ausschlaggebende Faktor, als
Regisseur und Autor. Cineastisch gesprochen sprengte
der Stoff anfänglich alle Vorgaben – er war schlichtweg
im „Tatort“-TV-Rahmen unverfilmbar. Der Ehrgeiz, es
uns dennoch mit den gesetzten finanziellen Bedingungen zu ermöglichen, verlangte ungewöhnlich viel
Flexibilität von allen Seiten. Das alles schien mir Reiz
genug, nach „Der Fall Barschel“ wieder fürs Fernsehen
zu arbeiten.
Als Sie erstmals den Titel „Borowski und das dunkle
Netz“ hörten, hatten sie da spontan das Gefühl, ihre
Arbeit als Bild- und Lichtgestalter wird durch diesen
klingenden Titel beengt, weil in eine bestimmte Richtung geführt, oder im Gegenteil beflügelt?
Ich sehe keine Enge im Titel. Im Gegenteil ist eine mögliche Bilderwelt mit den Attributen „dunkel“ und „Netz“
wohl eher verheißend.
Welche Idee gab den Ausschlag, um an allen womöglich falschen Erwartungen vorbei die passenden Bilder
zu finden?
Eine zu komplexe Frage. Filme bestehen aus einer
Vielzahl von Ideen. Kurz gesagt: Die filmischen Mittel
sind bekannt – es kommt auf den Mix an. Dieser „Tatort“-Cocktail verlangte eine gewisse „Überhöhung“, um
den unterschiedlichen Genre-Elementen einen Teppich
zu bieten.
Wie gehen Sie in jene Tiefen, wo eigentlich kein Licht
hinfällt?
Licht zu setzen heißt, eine Entscheidung zu treffen, in
welcher Reihenfolge ich einen Raum und deren Personen erzählen will. Im Halbschatten „Dämmer-Figuren“
zu zeichnen ist schon immer eine lukrative Herausforderung gewesen.
Arbeiten Sie grundsätzlich lieber in Harmonie mit seelenverwandten Filmemachern oder im ideenfördernden Spannungsfeld? Wie waren ihre Erfahrungen bei
„Borowski und das dunkle Netz“?
Wir müssen nicht bei jeder Produktion Freunde fürs Leben gewinnen. Zugegeben: Wir haben einen Beruf, der
viel mit Berufung zu tun hat. Das gleiche Ziel zu haben,
hat zuerst mit Kommunikation zu tun, dann mit Respekt vor der anderen Meinung. Ich sehe mich zuallererst
dem Drehbuch verpflichtet, dann der Regie, dann der
Produktion, dann meinen Mitarbeitern und dann mir.
Filmemachen ist natürlich ein leidenschaftlicher Prozess
mit viel Herzblut, da mutieren Menschen schon mal
zu bellenden Hunden – das mag jedem verziehen sein.
Krieg ist woanders!
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Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Borowski und das dunkle Netz“ weiß sich, was die
stilistische Vielfalt angeht, wiederholt in einen Bilder­
rausch zu steigern. Wählten Sie diese Entfesselung
unter anderem auch deshalb, weil der Film selbst viele
verschiedene Genres anklingen lässt: Krimi, Horror,
Zeichentrick, Komödie, Groteske?
Entfesselung – tolles Wort! Aber simpler: Wir wollten
die Grenzen des Formates für uns neu abstecken und
verschiedenste Genreelemente miteinander kombinieren. These: Der jüngere Zuschauer ist im deutschen
Fernsehen formal tendenziell unterfordert.
Welche Idee steckte dahinter, gleich mit der Anfangs­
sequenz so furios in die Vollen zu gehen?
Zuallererst ist dies die Idee der Drehbuchautoren. Dahinter steckt natürlich ein uralter Ansatz: Eine überraschende Anfangssequenz macht auf den weiteren
Verlauf der Geschichte neugierig. Es bedurfte auch hier
schon einer ästhetischen Überhöhung, um die „Familienfreundlichkeit“ des Formates „Tatort“ nicht komplett
zu überdehnen.
Wie haben Sie den Spielort Kiel in seiner Innen- und
Außenwirkung bildnerisch in Szene gesetzt?
Die Schiffskörper, die vor Hausfassaden vorbeiziehen,
die Arena vom THW Kiel, das Rotlichtviertel und das
Olympiazentrum – das sind spannende Räume und
Architekturen.
Im Kern muss sich jeder Krimi seiner Hauptaufgabe
besinnen. „Borowski und das dunkle Netz“ tut das, er
ist ein klassischer, spannender „Whodunnit?“ auf der
Suche nach dem großen Bösewicht. Wie unterstützen Sie mit Kamera und Licht diese Suche, das stetige
­Einkreisen eines Täters?
In der Farbgebung habe ich mich an psychologischen
Farbwirkungen orientiert und gewisse Farbgruppen
in Kontrast zueinander gesetzt. Geschmack ist dabei
sekundär. Die Kamera bewegt sich teilweise von Außenräumen in Innenräume, oder auch viel durch Räume
hindurch. Man könnte meinen, wir mäandern durch ein
Netz und plötzlich finden wir uns in der Falle für einen
Schakal wieder.
Bei einer Verfolgungsjagd geht es mitten hinein in
eine mit Zuschauern voll besetzte Sporthalle. Wie anspruchsvoll gestaltete sich dieser „real life“-Ausflug?
Unser Fenster war: Zwei Kamerateams haben 45
Minuten Zeit, mit 10.000 Besuchern in der Arena eine
Gesamtchoreografie drei Mal zu drehen. David hatte
das Stadionmikro in der Hand, dirigierte das Publikum,
während mein langjähriger 2. Kameramann Phillip
Wölke und ich hinter den Schauspielern durch die Zuschauerreihen und übers Spielfeld her jagten. Das war
sehr sportlich und nicht ungefährlich wegen der steilen
Treppen und der hohen Geschwindigkeit – pure Adrenalin-Ausschüttung in vollbesetzter Halle.
Neugierig zu bleiben ist eine der Triebfedern Ihrer
Arbeit. Haben sie bei „Borowski und das dunkle Netz“
irgendetwas Neues ausprobiert, das sie zuvor noch
nicht eingesetzt hatten?
Meine Empfänglichkeit für diese Art des Genremix.
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Tatort: Borowski und das dunkle Netz
„Das Internet ist nur
ein Spiegel der Menschheit“
Gespräch mit Sven Uckermann, IT-Sicherheitsexperte bei Toppoint e.V. (Fachberatung)
Whistleblower, Wikileaks, Datenlecks und „Panama
Papers“, aber auch vermutlich staatlich organisierte
­Hacker-Angriffe im großen Stil, zuletzt wohl auf die
Präsidentschaftswahlen in den USA – die verborgenen Seiten des Internets haben das Zeug zum Mythos,
befeuern die Fantasie der Menschen. Snowden und
Assange, die berühmtesten „Skandalaufdecker“, wurden bereits zu Kinohelden. Wieviel Faszination üben
die verschlungenen Tiefen des Internets noch auf den
IT-Sicherheitsexperten aus, der täglich mit der virtuellen Welt zu tun hat?
Das Internet ist eine Erfindung des Menschen. Und
der Mensch ist immer Teil eines jeden Problems in der
Computerwelt. Jede Fehlersuche führt am Ende zu jemandem, der diesen Fehler gemacht hat. Als solches ist
das Internet nicht faszinierend, es ist eine Abbildung der
gesamten Menschheit, und somit, wie die Menschheit,
recht interessant.
Das Thema „Cyber Crime“ wird natürlich auch immer
mehr von TV-Krimis entdeckt. David Wnendt, der
Regisseur von „Borowski und das dunkle Netz“, will das
„Darknet“ aber, nach eigenen Worten, weder verteufeln noch als magische Horror-Blackbox beschreiben.
Er bringt Licht hinein, teilweise mit den bunten Farben
eines Comics. Tut die Entmystifizierung des „Darknet“
Not?
Das Problem ist, dass nichts Mystisches vorhanden
ist. Es ist eher die Frage, ob eine Sendung mit dem
3D-­Borowski und der dort präsentierten „Fakten“ nicht
eher Mythen aufbaut. Der „Tatort“ ist ja keine Dokumentation und somit nicht an Fakten gebunden. Das
„Darknet“, sprich das Tor-Netzwerk, wurde seitens der
US-Regierung mitfinanziert, um der Meinungsfreiheit
und politisch Verfolgten Möglichkeiten zu geben, mit
dem freiem Internet in Austausch zu treten. Als solches
hatte es einen Anteil am Arabischen Frühling.
Wäre anstatt Selbststudium und „Learning by Doing“,
wie es die Polizisten im Film – ganz nach der Vorab-­
Recherche in Kiel – betreiben, nicht eher eine behördliche Jobausschreibung in der Hacker-Szene angesagt?
Die Gehaltstabellen des öffentlichen Diensts sind
nicht attraktiv für einen IT-Sicherheitsexperten. Die
Ausbildung ist anspruchsvoll und extrem spezialisiert,
vergleichbar eventuell mit einem Hubschrauberführer.
Diese erhalten eine Zulage, extra Abzeichen auf der
Uniform, genießen hohes Ansehen und müssen sich
nicht, wie im „Tatort“ gesehen, vom Leiter des LKA im
Keller beleidigen lassen. Attraktive Arbeitsplätze sehen
anders aus.
Im Film kommt die Sprache auf Ermittlungen gegen
einen virtuellen Marktplatz mit dem fiktiven Namen
„Karawane“, auf dem von Drogen über Waffen und
­Kreditkarten alles an illegalen Waren angeboten wurde. Gibt es dafür ein reales Vorbild?
Illegale Geschäfte scheint es zu geben. Ansonsten
hätten wir keine Polizei. Das reale Vorbild ist wohl die
Silkroad, die durch das FBI aufgestöbert wurde. Obwohl
die Eckkneipe oder die Straßenecke aktuellen Studien
zufolge noch immer der Hauptumschlagplatz gerade bei
Waffen ist. Ein guter Ruf ist auch bei illegalen Geschäften förderlich. Gerade die Anonymität im Internet ist
hier eher hinderlich, wie Studien zeigen. Weder Käufer
noch Händler können sich ja sicher sein, ob sie von der
anderen Partei nicht doch betrogen werden. Ein Großteil dieser „Handelsplattformen“ sind Betrügereien, die
von der Leichtgläubigkeit potentieller Kunden leben.
20
Tatort: Borowski und das dunkle Netz
Auch die schier unübersichtliche Menge an Daten aus
gesicherten Handys und Festplatten wird genannt. Die
Suche nach Tätern aus radikalen politischen Kreisen
oder im Umfeld der Kinderpornographie wird zur
reinen Sisyphusarbeit. Lässt sich dieser Kampf gegen
Windmühlen überhaupt gewinnen?
„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat
schon verloren.“ (Bertolt Brecht) Wobei gerade die Frage
offen bleibt, in welcher Form gekämpft wird. Gerade
Bagatellen werden ja wegen leichter Ermittlungserfolge
bekämpft. Die Regierungen geben gerne Geld dafür aus,
immer mehr Daten über jeden zu speichern, obwohl
keinerlei Studien existieren, die eine Wirksamkeit dieser
Maßnahmen belegen. Gerade die USA sind ja in ihrem
Kampf gegen den Terror dabei, sich in einen Überwachungsstaat zu verwandeln.
Die beiden LKA-Polizisten im Film gehen im virtuellen
Raum auf Verbrecherjagd, bekennen sich aber gleichzeitig dazu, nicht den Schutz von Journalisten und
Dissidenten, die in ihren Ländern verfolgt werden, aufs
Spiel setzen zu wollen. Markiert dieser Punkt nicht
exakt das Dilemma mit dem „Darknet“: Jagen wir die
Bösen, schaden wir den Guten?
Dies ist immer eine Frage des Standpunktes. Warum
bekämpft die Polizei einen Marihuana-Dealer, dies ist
doch in Holland legal? Warum werden Dissidenten aus
Nordkorea nicht verfolgt, obwohl doch die Gesetzeslage
in Nordkorea eindeutig ist? Gerade Ermittlungserfolge
des FBI, ohne Rücksicht auf Verluste mit Kampagnen
rund um die Welt Rechner zu hacken, hinterlassen einen
schalen Beigeschmack. Ist dies gerechtfertigt? Warum
erlauben wir dann Nordkorea nicht auch, einige Rechner
in Deutschland anzugreifen? Welches Wertesystem und
welche Moral gelten im Internet?
Und anders herum gefragt: Wo liegen ihrer Meinung
nach die Grenzen der Freiheit, die das „Darknet“
­bietet?
Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten.
Am Ende entpuppt sich der Hauptbösewicht als alles
andere als eine finstere Ausgeburt der Hölle. Ist das
„Darknet“ letztlich nur Tummelplatz von „gewöhnlichen“ Verbrechern, die irgendwann ans Tageslicht
­treten müssen und dann im besten Fall von Kommissaren statt von Trojanern geschnappt werden?
Das Internet ist, wie zuvor erwähnt, nur ein Spiegel der
Menschheit. Studien zeigen, dass gerade klassische Polizeiarbeit höchst effektiv ist. Drogen und Waffen werden
nicht über E-Mails verfolgt. Gerade in der physischen
Welt hat die Polizei gute Ermittlungskompetenzen.
Es wird im Film aber auch eine lustige Seite im Alltag
der „Cyber Crime“-Beamten angetippt, etwa, wenn
der berühmte „rote Knopf“ den vollautomatischen
Pizzaliefer-Service für die Mittagspause aktiviert. Sind
Ihnen in Ihrer Arbeit derart kreative Spielereien auch
schon begegnet?
„Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir
sehen darin keine Zukunft.“ (Telekom-Chef Ron Sommer,
1990) So gesehen arbeite ich täglich mit einer völlig verrückten Spielerei. Der Knopf wird ja mit Namen „Dash“
massiv von Amazon beworben. Somit ist dies keine
Spielerei, sondern in den USA schon Realität. Über die
Sinnhaftigkeit, sein ganzes Leben nur wenigen Konzernen anzuvertrauen und den Einzelhändler durch einen
Knopf zu ersetzen, kann man vortrefflich streiten.
Der Toppoint e.V. wurde 1990 gegründet und ist ein Verein, der sich der Internetversorgung Kiels und der Open
Source-, Hacker-, Maker-Bewegung verschrieben hat.
Er war einer der ältesten Internetprovider in Deutschland und hat sich in den letzten Jahren vermehrt den
Themen Freifunk, Open Source, dem kreativen Umgang
mit Technologien und dem Kampf gegen Überwachung
zugewandt. Der Verein betreibt inzwischen einen
­Hackerspace im Wissenschaftspark in Kiel.
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