Bürgerliche wittern «unehrliche Politik

Datum: 05.02.2017
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Erscheinungsweise: wöchentlich
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Bürgerliche wittern «unehrliche Politik»
Abstimmung Glaubt man der Linken, ist eine Neuauflage der Unternehmenssteuerreform
ein Klacks. Doch Kantone, Gewerbe und Parlamentarier markieren jetzt schon Widerstand.
9% höhere Steuern
für den Mittelstand
in Bern?
Wir bezahlen, Grossaktionäre
profitieren! Jetzt reichts!
NEIN
Abstimmung vom
12. Februar 2017
II I Unternehmenssteuer-Bschiss
zum
Bei einem Nein am 12. Februar sei eine neue Steuerreform rasch ausgearbeitet, sagt die SP. Bürgerliche befürchten dagegen jahrelange Verzögerungen. Bild: Anthony Anex/KEY
Roger Braun
reform ist dafür kein Hindernis, gibt sich gibt es Differenzen, ob es eine Kapital-
Bei allen Differenzen in der Beurteilung
der Unternehmenssteuerreform III sind
sich Gegner und Befürworter in einem
einig: Die verpönten Steuerprivilegien
sollen so schnell wie möglich abgeschafft
werden. So hat es der Bundesrat auch der
die Linke überzeugt. «Es ist überhaupt
kein Problem, in einem halben Jahr eine
Ersatzvorlage auszuarbeiten», sagt SPNationalrätin Jacqueline Badran (ZH).
gewinnsteuer braucht oder nicht. Immerhin besteht Konsens, dass die zins-
bereinigte Gewinnsteuer eliminiert
gehört. Zudem ist man sich einig, dass
«Alle Instrumente stehen bereit und eine Gegenfinanzierung über eine höhewurden ausführlich diskutiert», sagt sie. re Besteuerung der Dividenden nötig ist.
EU und der OECD versprochen, die «Wir können das darum an einem run- Selbiges fordert auch Alt Bundesrätin
Eveline Widmer-Schlumpf.
schon lange auf ein Ende des Holding- den Tisch lösen».
Ganz einig, wie eine solche Alternaprivilegs in der Schweiz hinarbeiten und
Für Gewerbe ist höhere
tive auszusehen hätte, ist man sich innermit Sanktionen gedroht haben.
Dividendenbesteuerung
ein No-Go
Ein Nein zur Unternehmenssteuer- halb der SP noch nicht. So zum Beispiel
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Das Problem dabei: Glatt gingen diese
Anpassungen kaum durch, denn der Widerstand ist programmiert. «Sich innerhalb des laufenden Jahres auf eine neue
Vorlage zu einigen, halte ich für ausgeschlossen», sagt etwa die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog, die als Vertreterin der Kantone seit 2012 mit dem Bund
vom Verband der Familienunternehmen die Vorstellung, dass sich das Parlament
zu erwarten. Fabio Regazzi, Tessiner in so kurzer Zeit auf eine neue Vorlage eiCVP-Nationalrat und Vorstandsmitglied
von «Swiss family business», sagt, dass
man bereits bei der zur Abstimmung stehenden Vorlage über den Schatten ge-
den Mittelstand und die Familienunternehmen in diesem Land», sagt der Direktor des Gewerbeverbands und FDPNationalrat Hans-Ulrich Bigler (ZH).
«Der Schweizerische Gewerbeverband
wird solche Forderungen mit aller Vehe-
nigen könne. Sage das Volk Nein, müsse
alles nochmals auf den Tisch. Einfach die
zinsbereinigte Gewinnsteuer zu entsorgen und die Dividenden zu erhöhen, ist
sprungen sei. «Es war der äusserste für Müller kein gangbarer Weg. «Das ist
Kompromiss, den wir bereit waren ein- ein absolutes No-Go. Wir müssen unsezugehen.» Eine Neuauflage der Reform ren Wirtschaftsstandort stärken, anstatt
hält Regazzi für entsprechend kompli- die KMU mit weiteren Abgaben zu belasziert. «Und falls die Dividendenbesteue- ten», sagt er.
rung tatsächlich erhöht werden sollte, ist
Müller befürchtet bei einem Nein
an einer mehrheitsfähigen Lösung gearbeitet hat. «Wir haben sämtliche Varianten zigfach durchgespielt. Was jetzt
vorliegt, ist ein Kompromiss, der sich
nicht so einfach wieder finden lässt», ein Gegenreferendum nicht ausgesagt sie. Den Werkzeugkasten mit alter- schlossen», sagt er.
nativen Steuerinstrumenten sieht die FiDass der Widerstand von rechts abnanzdirektorin als elementar an für die sehbar ist, zeigt bereits die aktuelle
Kantone. Einzelne Instrumente einfach Abstimmungskampagne. Der Aargauer
so herauszubrechen, sei schwierig und Gewerbeverband beispielsweise konnte
würde einzelne Kantone vor den Kopf sich nur mit Mühe zu einem Ja durchrinstossen, sagt Herzog. «Denn so wichtig gen, weil der Aargau die Dividendenbefür uns Basler die Patentbox ist, so wich- steuerung von 40 auf 60 Prozent erhötig ist die zinsbereinigte Gewinnsteuer hen müsste, falls er die zinsbereinigte
für den Kanton Zürich.»
Gewinnsteuer einführt. Aus demselben
Keine Probleme hätten die Kantone Grund hat sich der Fraktionspräsident
mit einer höheren Dividendenbesteue- der Aargauer SVP für ein Nein am12. Ferung zur Gegenfinanzierung. Doch hier bruar ausgesprochen.
stellen sich andere quer. «Dies wäre ein
direkter Angriff auf die KMU-Wirtschaft,
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eine jahrelange Verzögerung bei der Ab-
schaffung der verpönten Steuerprivilegien. «Schweizer Firmen drohen damit
Sanktionen im Ausland. Das ist Gift für
unseren Wirtschaftsstandort.»
SP erwartet von der Ratsrechten,
dass sie einlenkt
SP-Nationalrätin Badran gibt sich davon
unbeeindruckt. «Sagt die Bevölkerung
Nein, ist das ein klares Signal und muss
vom Parlament berücksichtigt werden.»
Zum Druck des Gewerbes sagt sie: «Den
menz und mit allen Mitteln bekämpfen.» meisten KMU dieses Landes ist die DiviBereits in der parlamentarischen Debat- dendenbesteuerung komplett egal. Die
te hatte sich der Gewerbeverband un- müssen schauen, dass sie sich über Was-
versöhnlich gezeigt, als der Ständerat ser halten können.» Der Gewerbevervorschlug, die Dividenden neu um min- band politisiere komplett an den Bedürfdestens 60 Prozent zu besteuern. Er nissen seiner Mitglieder vorbei. Auch im
ziehe in diesem Falle «die Unterstützung Wegfall der zinsbereinigten Gewinneines Referendums aktiv in Erwägung», steuer sieht Badran kein Problem. «Das
schrieb der Verband damals. Schliesslich ist ein reines Steuervermeidungsvehikel
lenkte das Parlament ein, indem die einzelner Firmen und kein breites BeKantone die Dividenden erst dann zu dürfnis der Kantone», sagt die Zürcher
mindestens 60 Prozent besteuern müs- Nationalrätin. Für FDP-Ständerat Dasen, wenn sie die zinsbereinigte Gewinn- mian Müller (LU) ist das eine «unehrlisteuer einführen.
che Politik». «Die Linke streut den
Widerstand gegen eine Erhöhung Stimmbürgern bewusst Sand in die Auder Dividendenbesteuerung wäre auch gen», sagt er. «Total realitätsfremd» sei
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Die Schweiz hat stark profitiert
Steuerprivilegien Sie sind der Grund, privilegiert besteuert. «Für die Schweiz
wieso es überhaupt eine Revision der war es lange Zeit sehr vorteilhaft, diese
Unternehmenssteuern braucht: die Sta- mobilen Gesellschaften niedriger zu betusgesellschaften. Es sind Firmen, die steuern», sagt Keuschnigg.
Die EU und die OECD sehen darin
in der Schweiz keine oder nur eine
beschränkte Geschäftstätigkeit ausüben: jedoch eine unfaire Steuerpraxis und haHoldings, Verwaltungsgesellschaften ben die Schweiz zum Einlenken gezwunoder gemischte Gesellschaften. Sie ge- gen. Für Keuschnigg ist klar, dass es der
niessen seit 1998 eine privilegierte Be- Schweiz mit der Unternehmenssteuersteuerung ihrer ausländischen Gewinne. reform im besten Fall darum gehen
Im Schnitt bezahlen sie kantonal etwa kann, die Steuererträge der Statusgeselleinen halb so hohen Gewinnsteuersatz schaften zu halten und mit international
akzeptierten Ersatzmassnahmen Ähnliwie ordentlich besteuerte Firmen.
So umstritten dieses Privileg immer ches zu erreichen. «Die Entwicklung, die
war, so lukrativ war es für die Schweiz. wir in den vergangenen Jahren gesehen
Bekannt ist, dass solche Statusgesell- haben, wird nicht so weitergehen.»
schaften Bund und Kantonen jährlich 5,4 Roger Braun
Milliarden Franken einbringen. Nun
zeigt eine Statistik der eidgenössischen
Steuerverwaltung, dass sich diese Erträge in den vergangenen Jahren sehr dyna-
Firmensteuereinnahmen des Bundes
in
in Franken
Franken
5 Mrd.
misch entwickelt haben. Auf Anfrage hat
4,64
4,35
4,35
die Steuerverwaltung die verfügbaren
Zahlen für den Bund zusammengeführt.
Demnach sind die Steuereinnahmen
innerhalb von zehn Jahren von 1,8 Milliarden auf 4,4 Milliarden Franken gestiegen. Das ist ein Plus von 142 Prozent. Die
Einnahmen regulär besteuerter Gesellschaften sind im gleichen Zeitraum nur
um 65 Prozent gestiegen.
Für den Volkswirtschafter Christian
Keuschnigg von der Universität St. Gallen ist das keine Überraschung. «Konzernsitze und Gewinne lassen sich sehr
4 Mrd.
3 Mrd.
2,81
Ordentlich besteuerte
Gesellschaften
1,80
2 Mrd.
Statusgesellschaften
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
2003 2004
2004 2005
20052006
2006 2007
2003
2007 2008
2008 2009
einfach verlagern», sagt er. Aufgrund der
vorteilhaften Besteuerung hätten viele
1
1
1
2010
2010
2011
2011
1 Mrd.
1
1
Mrd.
0 Mrd.
1
2012
2013
Quelle:
Quelle: ESTV
ESTV // Grafik:
Grafik: Oliver
Oliver Marx
Marx
Konzerne ihren Sitz in die Schweiz ver-
legt oder ansässige Unternehmungen
ihre ausländischen Gewinne hierher verschoben. In der Praxis vergibt eine Holdinggesellschaft in der Schweiz Kredite
an ihre Tochterfirmen im Ausland und
verlangt einen Zins dafür. Damit fällt der
Gewinn in die Schweiz an und wird hier
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