Das Manuskript zum Beitrag

Manuskript
Beitrag: Gefahr Billigbrüste –
Geschäfte mit der Schönheit
Sendung vom 7. Februar 2017
von Jörg Göbel
Anmoderation:
Bauchfett absaugen, Lippen aufspritzen und, der Beauty-Hit,
Brust vergrößern. Längst legen sich nicht nur Prominente und
Reiche unters Messer. Schönheitsoperationen werden immer
billiger und - gerade für junge Frauen - immer
selbstverständlicher. 750 Millionen Euro jährlich zahlen die
Deutschen für den Schönheitswahn - oder vielmehr Wahnsinn.
Immer wieder geht dabei was schief. Selber schuld, könnte man
sagen, aber halt! Schuld sind vor allem viele Ärzte, die schlecht
beraten und abkassieren wollen. Frontal 21 und die Tageszeitung
„Welt“ haben gemeinsam das Geschäft mit der Schönheit
untersucht. Jörg Göbel und Anette Dowideit zeigen das
Ergebnis - ungeschönt.
Text:
Sie schämt sich, will nur anonym mit uns sprechen. Es geht um
eine verpfuschte Brust-OP. Sie erzählt uns, dass sie mit ihrem
Körper schon früh unzufrieden war. Tubuläre Brust, oder einfach
Hängebusen. Das hat sie sehr belastet. Und nach der Geburt von
drei Kindern wurde es noch schlimmer - deswegen die OP. Doch
vier Wochen nach dem Eingriff hatte sie immer noch Schmerzen.
O-Ton:
Das Implantat hat unten rausgeguckt auf einer Seite und es
waren Infektionen auf beiden Seiten drin. Ich habe für den
nächsten Tag eine Not-OP bekommen, wo er die Implantate
entfernt hat und eine Erhaltungsmaßnahme-OP durchgeführt
hat.
Krankenhausaufenthalt, Antibiotika, drei Monate lang
krankgeschrieben. Die Brustvergrößerung bekam sie zum
Dumpingpreis. Nur 2.500 Euro kostete die OP. Das war im Mai
2014. Die Folgen spürt sie bis heute.
O-Ton:
Lange konnte ich die Arme nicht richtig heben, dadurch,
dass bei der ersten OP die Brustmuskeln mit kaputt gemacht
wurden und ich bis heute immer noch keinen Sport machen
kann. Doppelte Brustfalten. Schmerzen. BHs zum Beispiel
kann ich auch nicht tragen, dadurch, dass das alles kaputt
ist.
Inzwischen hat sie 6.000 Euro aus eigener Tasche draufgezahlt.
Denn bei freiwilligen Schönheitsoperationen müssen die
Krankenkassen Folgekosten in der Regel nicht übernehmen.
Wir sind verabredet mit dem Plastischen Chirurgen Bernd Loos.
Zu ihm kommen häufig Patientinnen nach verpfuschten
Schönheits-OPs. Dabei erlebt er immer wieder, dass die Frauen
die Risiken einer Brustvergrößerung kaum kennen.
O-Ton Frontal 21:
Was sind denn die größten Irrtümer bei Brust-OPs?
O-Ton Dr. Bernd Loos, Facharzt für Plastische und
Ästhetische Chirurgie:
Der größte Irrtum ist sicherlich, dass viele Frauen davon
ausgehen, dass ein Brustimplantat lebenslang hält und dass
es keine Probleme machen kann. Die gehen also mit dem
Bewusstsein in so eine OP rein, ich lass das einmal machen,
das Ergebnis ist danach perfekt und ich gehe damit ins Grab.
Und so ist es leider nicht.
Das hat Bernd Loos auch bei dieser Patientin festgestellt. Auch
sie möchte anonym bleiben. Drei Jahre nach einer
Brustvergrößerung bekommt sie eine sogenannte Kapselfibrose,
eine Verhärtung der Brust.
O-Ton Dr. Bernd Loos, Facharzt für Plastische und
Ästhetische Chirurgie:
Daraufhin hat sie sich von einem gynäkologischen Kollegen
operieren lassen, hier über die Unterbrustfalte. Und bei der
Entfernung des Implantats und der bindegewebigen Kapsel
kam es anscheinend hier zu einer Schädigung der Haut. Das
heißt, da war die Durchblutung anscheinend verschlechtert
dann und zwar so stark, dass hier die Haut abgestorben ist.
Jetzt hat sie halt eine ziemlich stark vernarbte Brust und man
hat den Eindruck, dass das linke Implantat höher sitzt im
Vergleich mit dem rechten.
O-Ton:
Vier Wochen nach meiner OP habe ich die Narbe zum ersten
Mal gesehen. Erst als der Arzt das Pflaster abgemacht hat.
Ich war total geschockt. Der Gynäkologe meinte jedoch nur,
das ist nicht so schlimm und verheilt wieder.
Um die Implantate austauschen zu lassen, bezahlte sie 2.000
Euro vorweg an den Gynäkologen - ein vermeintlich günstiges
Angebot. Doch am Tag der Operation ging einiges schief.
O-Ton:
Die erste OP an dem Tag begann vormittags und war noch
mit einem zusätzlichen Narkosearzt. Das dauerte etwa vier
Stunden. Als ich kurz aufwachte, lag ich noch auf dem OPTisch und sollte was unterschreiben, was weiß nicht. Dann
folgte gleich eine zweite OP, doch einen Narkosearzt habe
nicht mehr gesehen. Aufgewacht bin ich dann erst wieder
kurz vor Mitternacht.
Sie könnte klagen, will aber einfach nur noch abschließen mit
dem Thema Schönheits-OP und wendet sich an Bernd Loos. Für
ihn beginnt das Übel häufig schon vor der Operation.
O-Ton Dr. Bernd Loos, Facharzt für Plastische und
Ästhetische Chirurgie:
Mangelnde Aufklärung – ganz, ganz eindeutig. Wenn ich
jemanden nicht operiere, dann verdiene ich an ihm kein Geld.
Und da ist es dann schon ein Verlust, wenn eine Patientin
sich nicht operieren lässt, wenn man der die Wahrheit auf
den Tisch legt.
Wir recherchieren. Brustvergrößerungen sind bei Patientinnen die
beliebteste Schönheitsoperation. Nach Schätzungen lassen sich
zwischen 35.000 und 50.000 Frauen in Deutschland pro Jahr die
Brust vergrößern. Die meisten Kliniken und Ärzte bieten diesen
Eingriff ab etwa 5.000 Euro an. Von Billigangeboten sprechen
Ärzte, Anwälte und Experten bei Preisen von unter 3.000 Euro.
Über ihre Erfahrungen tauschen sich Frauen auf Forenseiten aus,
wie etwa hier auf PORTA Estetica. Häufig in der Kritik: die BilligAngebote und die schlechte Beratung.
Wir machen eine Stichprobe und vereinbaren an zwei Kliniken ein
Beratungsgespräch für eine Brustvergrößerung. Immer dabei:
eine zweite Frau als Zeugin. Der erste Termin ist in der
Düsseldorfer Klinik „Meine Schönheitschirurgie“. Für die Beratung
nimmt der Arzt sich anderthalb Stunden Zeit. Aber kaum ist das
Gespräch beendet, wird Druck gemacht.
O-Ton Reporterin:
Und vorne an der Rezeption war das schon deutlich anders.
Da wo das eigentliche Geschäft gemacht wird, da hat man
eben gesagt: Also, wenn Sie wollen, nächste Woche Montag
haben wir einen Termin frei.
Keine Bedenkzeit nach der Beratung. Das liegt nur an den
Kundinnen, meint die Geschäftsleitung der Klinik: In der Regel
drängten die,
Zitat:
„… unmittelbar nach einem fachärztlichen
Beratungsgespräch auf einen zeitnahen OP-Termin, daher
wohl auch das Verhalten des Personals nach dem
fachärztlichen Beratungsgespräch.“
Das nächste Gespräch organisieren wir über den Dienstleister
Deutscher Ärzte Service. Dieses Unternehmen hat verschiedene
Partnerkliniken im gesamten Bundesgebiet. Wir bekommen einen
Temin in der Kölner Praxisklinik Aesthetic First. Wieder dabei:
eine Augenzeugin. Dieses Mal dauert das Aufklärungsgespräch
nur etwa eine halbe Stunde und der Arzt ist nicht mal die ganze
Zeit dabei.
O-Ton Reporterin:
Also, es war ein relativ kurzes Beratungsgespräch mit dem
Arzt selber. Es war relativ viel mit einer Praxismanagerin
oder ‘ner Sprechstundenhilfe. Eigentlich hat sie das meiste
gemacht. Der Arzt selber war vielleicht so zehn Minuten oder
so etwas da.
O-Ton Julia Kupilas, Augenzeugin:
Und er war eindeutig unter Zeitdruck. Er hat ja sogar auf
Zwischenfragen gesagt, ich mache erst einmal den Bogen
durch. Also, wirklich, die Fragen ist er übergangen.
Mangelnde Aufklärung. Auf diesen Vorwurf erwidert der Deutsche
Ärzte Service, der Arzt sei ihnen als sehr guter und äußerst
erfahrener Operateur bekannt. Die Klinik selbst schreibt: Einem
erfahrenen Plastischen Chirurgen sei es,
Zitat:
„… ohne weiteres möglich, innerhalb weniger Minuten, zu
erkennen ob sich die Patientin für die OP eignet (…), deshalb
reichen teilweise auch 15 Minuten für den ärztlichen Teil der
Beratung aus.“
Gespräche zu kurz, Risiken ausgeblendet. Die schlechte
Beratung ist das größte Problem, weiß Rechtsanwalt Jörg
Heynemann.
O-Ton Jörg Heynemann, Fachanwalt für Medizinrecht:
Also, das Aufklärungsgespräch, gerade in dem Bereich,
muss sehr ausführlich sein. Hinzu kommt auch noch die
wirtschaftliche Aufklärung. Also, er muss nicht nur sagen,
unsere Operation ist hier besonders billig und kostet nur
2.400 Euro, sondern er muss auch sagen, wenn irgendwas
schiefgeht, wenn Komplikationen eintreten und
Nachbehandlungen erforderlich sind, dass die Krankenkasse
diese Kosten nicht übernimmt, sondern dass der Patient
dann auch auf diesen zusätzlichen Kosten sitzen bleibt.
Seine Kanzlei ist auf Medizinrecht spezialisiert. Ein Drittel aller
Arzthafthaftungsfälle sind Streitigkeiten nach
Schönheitsoperationen. Grund dafür sind nach Meinung von
Heynemann auch unqualifizierte Operateure.
O-Ton Jörg Heynemann, Fachanwalt für Medizinrecht:
Dieser nicht geschützte Begriff des Schönheitschirurgen
führt dazu, dass gerade eben, um es mal zugespitzt zu
sagen, Dilettanten operieren. Also, die Politik hat da ganz
klar Spielraum. Man kann einfach gesetzlich regeln, dass
solche Operationen nur Plastische Chirurgen durchführen
dürfen. Das ist ja letztlich auch im Interesse der Patienten.
Meinte auch die CDU-Bundestagsfraktion vor zehn Jahren. 2007
reichte sie im Bundestag einen Antrag ein, mit dem griffigen Titel:
„Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt
verhindern – Verbraucher umfassend schützen“. Doch der
Antrag blieb bis heute ohne Folgen. Wir fragen bei der CDUBundestagsfraktion nach, warum sie sich seitdem nicht für mehr
Verbraucherschutz bei Schönheits-OPs eingesetzt hat. Die
Antwort,
Zitat:
„Wir sehen derzeit keinen Regelungsbedarf, sondern eher
Umsetzungsprobleme.“
Wenn die Politik nicht handelt, wird es solche
„Umsetzungsprobleme“ auch in Zukunft geben. Und Patientinnen
müssen für Pfusch bei verführerischen Billig-Angeboten teuer
bezahlen.
Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur
zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten
unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen
Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem
Stand des jeweiligen Sendetermins.