ADHS für alle! … Erste wissenschaftliche Untersuchungen zum postulierten Fehlverhalten von Kindern lieferte 1902 der englische Kinderarzt George Frederic Still. Er sprach von einem „Defekt der moralischen Kontrolle“ und stellte damit die bis dahin geltenden Ursachen einer schlechten Erziehung oder misslicher Umgebungsbedingungen in Abrede. Die Auseinandersetzung mit dem sich zunehmend manifestierenden Störungsbild anhand neurobiologischer Parameter begann in den 1970er-Jahren und nannte sich damals noch MCD (Minimale Cerebrale Dysfunktion). Zappelphilipp und Co. haben für mächtig Aufruhr gesorgt. Bis zum Jahre 2004 lagen bereits an die 19.000 „Forschungsarbeiten“ zum Thema vor, wobei viele Thesen und Hypothesen im Wettstreit liegen, so wie die Interessengruppen selbst, die hinter diesem Wust an Studien stecken. Diese wirre Gemengelage bildet die Grundlage allgemein vereinbarter Definitionen für ADHS, und im Weiteren basiert darauf eine Diagnostik mit entsprechenden Verfahren. Das heißt, es existieren Diagnoseverfahren für ein vermeintliches Krankheitsbild, dessen Ursachen überhaupt nicht erforscht sind und bei dem man über das Stadium widersprüchlicher Spekulationen anscheinend nicht hinauskommen will … … Die Kernthesen bei den ganzen Diskussionen und Vermutungen bezüglich ADHS ranken sich um den im Gehirn tätigen Botenstoff Dopamin, der unter anderem die Aufgabe hat, die Informationsweiterleitung zwischen den Nervenzellen zu bewerkstelligen. Eine Unterversorgung mit besagtem Botenstoff verursacht eine schlechte bis unzureichende Filtration von Reizen. Dies hat zur Folge, dass das Auftreten neuer Gedanken nicht in vorgesehener Weise reguliert werden kann und begonnene Gedanken nicht zu Ende gedacht werden (können) … … Soweit ein grober Überlick hinsichtlich des enorm breit aufgestellten Diagnose-Hokuspokus, mit dem möglichst viele als ADHS-verdächtig eingestuft werden sollen. Was in der Theorie als sehr akribisch und vertrauenerweckend anmutet, sieht in der Realität in vielen Fällen ganz anders aus. Die Anzahl der Fehldiagnosen durch nicht ausgebildete und oberflächlich agierende Ärzte ist besorgniserregend. So ist der Fall eines Mädchens bekannt, die mit ADHS diagnostiziert wurde, bis sich herausstellte, dass sie nur kurzsichtig ist und dem Unterricht deswegen nicht folgen konnte. Ihr wurde eine Brille verordnet und die Symptome waren adhoc verschwunden. In einem anderen Fall war ein Junge einfach nur zu intelligent. Er wähnte sich im Glück dem Rat eines hellen Mediziners zu folgen und übersprang eine Klasse, woraufhin sich seine Symptome ebenfalls in Luft auflösten. ADHS entwickelt sich zunehmend zu einer Epidemie und die Kriterien für deren Diagnose werden immer schwammiger. In den USA, dem Mutterland aller Zivilisationsschädigungen, kommt es vor, dass bedenkliche Medikamente gegen ADHS nach dem Ausfüllen einer Checkliste mit nur 18 oberflächlichen Fragen verschrieben werden. Treffen nur fünf von diesen 18 zu, ist die Diagnose auf ADHS unumstößlich erstellt und mitunter völlig normale Kinder und junge Erwachsene erfahren eine Stigmatisierung mit den ihren weiteren Lebensweg bestimmenden Negativ-Konsequenzen. Besagte Liste ist auf allgemeines und jedem gelegentlich unterlaufendes Fehlverhalten ausgerichtet, so dass man fast der gesamten Bevölkerung in den USA die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung attestieren könnte. Vielleicht ist es gar so beabsichtig. ADHS ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verdammt „ansteckend“ – die Zahl der Diagnosen verdoppelt sich alle zehn Jahre! … … Zurück nach Deutschland. Auch hier gewinnt die Sache an Fahrt. Zehn bis zwölf Prozent aller Kinder und Jugendlichen erhalten mittlerweile die Diagnose „Aufmerksamkeits-Defizit-Störung, in den sanfteren Fällen ohne, bei den härteren Fällen mit Hyperaktivität. Trotz aller akribischen und zu berücksichtigenden Diagnosekriterien stellen immer öfter Ärzte nach einer etwa nur 20 Minuten andauernden Bestandsaufnahme (Anamnese) die Diagnose ADHS, zücken übereifrig den Rezeptblock und verschreiben Kindern sowie Jugendlichen gefährliche Psychopharmaka, allen voran das berüchtigte Ritalin, das unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und dessen Wirkstoff Methylphenidat wesentlicher Bestandteil der Partydroge Speed ist, das wiederum (richtigerweise) verboten ist. Dieser überbordende Verschreibungswahn ist darin begründet, dass in Deutschland fast jeder Arzt, egal welchen Fachgebietes auch immer, ein Ritalin-Rezept ausstellen darf. Selbst Zahnärzten ist kein Einhalt geboten und so verschreiben gelegentlich Dentisten oder gar Radiologen und auch Frauenärzte das bedenkliche Medikament. In der Summe heißt das: Ein Drittel der Ritalin-Rezepte wird nicht von Kinderärzten ausgestellt …
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