THEMA Winterfütterung: Auf die Heuqualität kommt es an! Heu ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Winterfutters für das Rotwild. Ob der Nährstoffbedarf des Rotwildes im Winter gedeckt wird und die Wildschäden verhindert werden, hängt sehr stark von der Qualität des verfütterten Heus ab. Dr. Miroslav Vodnansky und Dipl.-Ing. Jan Chovanec*) Büro für Wildtiermanagement und Ökologieforschung Wien, Institut für Wildtierökologie der Veterinärmedizinischen und Pharmazeutischen Universität Brünn *) Forschungsstelle für Wildtierernährung und Ökologie Nitra iesenheu stellt die Grundlage jeder Rotwildfütterung im Winter dar. In der Praxis bestehen jedoch oft große Unterschiede in der Qualität des vorgelegten Heus. Diese ist nicht nur von der Artenzusammensetzung des Pflanzenbestandes, sondern auch vom Vegetationsstadium zum Mähzeitpunkt und insbesondere von den Trocknungsbedingungen stark abhängig (Grafik 1). Liegen die Nährstoffverluste beim optimalen Trocknungsvorgang bei nur etwa 15%, geht bei unter ungünstiger Witterung getrocknetem Heu oft mehr als die Hälfte der enthaltenen Nähr- und Mineralstoffe verloren. Auch die Lagerungsverluste sind beim schlecht getrockneten Heu wesentlich größer. Es gibt tatsächlich kaum ein anderes Futtermittel, dessen Nährwert so sehr unterschiedlich sein kann wie das Heu. Für die Praxis der Winterfütterung des Rotwildes stellen sich somit zwei grundlegende Fragen: Welche Kriterien muß das Heu erfüllen, damit es als Futter für das Rotwild geeignet ist? Wie erkennt man, ob das vorgelegte Heu die erforderlichen Qualitätskriterien erfüllt? Um die geschmackliche Attraktivität und den Nährwert des Heus von verschiede- 16 Grafiken Weidwerk/Ing. Grasberger W Grafik 1: Der Nährwert des Heus hängt sehr stark von den Trocknungsbedingungen ab ner Qualität festzustellen, haben wir mehrere Heuarten mit jeweils unterschiedlichen Nährstoffzusammensetzungen unserem Rotwild vorgelegt und deren Aufnahme sowie Verdaulichkeit ermittelt. Dieser Fütterungsversuch ist ein Bestandteil eines speziellen Forschungsprogrammes, das an der Forschungsstelle für Wildtierernährung und Ökologie in Nitra zum Thema Ernährungsphysiologie des Rot- und Rehwildes durchgeführt wird. Ziel dabei ist die Ermittlung der Eignung verschiedener Futtermittel für die beiden genannten Schalenwildarten+). Im Zuge dieses Versuches wurde dem Rotwild in mehreren Untersuchungsetappen qualitativ unterschiedliches Heu entweder als Alleinfutter oder gemeinsam mit Grünmaissilage vorgelegt. Verwendet wurden dabei folgende drei Heuarten: Ein sehr gutes Wiesenheu, das zum richtigen Zeitpunkt gemäht und unter optimalen Bedingungen getrocknet wurde, weiters ein zwar zum richtigen Zeitpunkt gemähtes, jedoch während der Trocknung wiederholt verregnetes Wiesenheu und schließlich ein sehr schlechtes, zu spät gemähtes und unter ungünstiger Witterung getrocknetes Wiesenheu. Alle diese drei verwendeten Heuarten entsprachen im Hinblick auf ihre jeweilige Qualität jenem Heu, das sich in der Praxis häufig in den Rotwildfütterungen befindet. Solange dem Rotwild in den Versuchen nur Heu als Alleinfutter vorgelegt wurde, war der Unterschied zwischen der Aufnahme des sehr guten und des verregneten Heus nicht sehr groß. Die durch- WEIDWERK 1/2001 THEMA schnittliche Aufnahme des etwa 100 bis 120 kg schweren Rotwildes betrug beim sehr guten Heu 1,9 kg und beim verregneten Heu 1,8 kg je Stück und Tag. Nur beim sehr schlechten Heu war die tägliche Aufnahme mit 1,5 kg deutlich geringer. Die Qualität des Wiesenheus war jedoch ein besonders wichtiges Kriterium für die Höhe der Heuaufnahme, wenn das Rotwild gleichzeitig auch eine andere Äsung zur Verfügung hatte. Konnte es zum Beispiel zwischen Heu und Grünmaissilage frei wählen, so lag die durchschnittliche Heuaufnahme beim sehr guten Heu zwischen 0,6 und 1,0 kg je Stück und Tag. Von der Silage wurden in diesem Fall 3 bis 4 kg täglich aufgenommen. Wurde das verregnete Heu gemeinsam mit der Grünmaissilage vorgelegt, betrug die durchschnittliche tägliche Heuaufnahme nur 0,1 bis 0,2 kg. Die aufgenommenen Silagemengen lagen hingegen zwischen 5 und 6 kg. Bei der gemeinsamen Vorlage von sehr schlechtem, überständigem Heu mit Grünmaissilage wurde das Heu fast überhaupt nicht angenommen. In diesem Fall deckte das Rotwild seinen Nahrungsbedarf ausschließlich durch die Aufnahme von Silage. Nähr- und Mineralstoffe Eine besonders wichtige Rolle spielt die Heuqualität für die Versorgung des Rotwildes mit Nähr- und Mineralstoffen. Allerdings ist für den Nährwert eines Futters nicht nur der Gehalt an diesen Stoffen, sondern auch deren Verdaulichkeit ausschlaggebend. In den Untersuchungen zeigten sich sehr große Unterschiede in der Verdaulichkeit der Nährstoffe beim Rotwild zwischen den einzelnen Heuarten (Grafik 2). So haben bei einem qualitativ minderwertigen Heu sowohl der geringe Nährstoffgehalt und gleichzeitig auch seine schlechte Verdaulichkeit eine unzureichende Versorgung des Rotwildes mit verdaulichen (verwertbaren) Nährstoffen zur Folge. Bei der Fütterung von Heu als Alleinfutter war die durchschnittliche Aufnahme der verdaulichen organischen Substanz (Gesamtsumme aller Nährstoffe ohne Mineralstoffe) beim verregneten Heu um etwa 22% niedriger als beim guten Heu. Die Versorgung mit verdaulichem Eiweiß war beim verregne- WEIDWERK 1/2001 Grafik 2: Vergleich der Verdaulichkeit von Nähr- und Mineralstoffen bei unterschiedlichen Heuarten ten Heu sogar um mehr als 54% niedriger als beim guten Heu. Auch die Aufnahme der Mineralstoffe war beim verregneten Heu im Vergleich zum guten Heu um fast 58% geringer. Die besonders großen Unterschiede in der Gesamtaufnahme des Eiweißes und der Mineralstoffe zwischen dem guten und dem verregneten Heu sind vor allem darauf zurückzuführen, daß gerade bei diesen Stoffen bei den ungünstigen Trocknungsbedingungen die größten Verluste eintreten. Bei der ausschließlichen Vorlage von spät geerntetem und gleichzeitig bei schlechter Witterung getrocknetem Heu war die Versorgung des Rotwildes mit Nähr- und Mineralstoffen nicht nur aufgrund des geringen Nähr- wertes, sondern auch durch seine stark herabgesetzte Aufnahme sehr niedrig (Grafik 3). Die unzureichende Nährstoffversorgung des Rotwildes bei Vorlage von solch minderwertigem Heu zeigte sich auch in den durchschnittlichen Gewichtsabnahmen der Versuchstiere um 3,5 kg während der 6 Wochen dauernden Untersuchungsperiode. Beurteilung In der Fütterungspraxis kann die Heuqualität anhand von Farbe, Gefüge, Geruch und eventueller Verunreinigung relativ gut beurteilt werden (siehe Tabelle auf Seite 18). Grafik 3: Durchschnittliche tägliche Versorgung mit verdaulichen (verwertbaren) Nährstoffen bei Fütterung mit Heu unterschiedlicher Qualität 17 THEMA Die Aussage aus diesen Untersuchungen ist klar. Nur bei sehr guter Qualität hat das Heu für das Rotwild nicht nur hohen Nährwert, sondern auch große geschmackliche Attraktivität. Diese ist vor allem zur Ablenkung des Rotwildes von schäl- und verbißgefährdeten Gehölzen sehr wichtig. Selbst bei richtigem Schnittermin kann allein die ungünstige Witterung während der Heuwerbung die Qualität des Heus so stark beeinträchtigen, daß sein Nährwert und vor allem die geschmackliche Attraktivität stark vermindert werden. Ein zu spät geerntetes und zudem unter ungünstigen Witterungsbedingungen getrocknetes Heu ist als Winterfutter für das Rotwild absolut wertlos. lungsmerkmal für Zusammensetzung und Alter des Pflanzenbestandes zum Schnittzeitpunkt. Weiches, blattreiches Heu ist meistens nährstoffreich mit hohem Eiweiß- und geringem Rohfasergehalt. Es ist leicht verdaulich und geschmacklich sehr attraktiv. Rauhes oder sperriges Heu enthält einen hohen Stengel- und geringen Blattanteil. Das bedeutet viel Rohfaser, weniger Eiweiß, schlechte Verdaulichkeit und niedrige geschmackliche Attraktivität. Der Geruch eines guten Heus ist angenehm aromatisch. Ein muffiger, dumpfer Geruch hingegen ist ein typisches Zeichen für schlechte Qualität und gibt oft Hinweis auf Schimmelpilzbefall. Die Verunreinigung von Heu mit Fremdstoffen ist immer als starke Qualitätsminderung zu beurteilen und kann je nach Art und Umfang gesundheitsgefährdende Wirkung haben. Hoher Staubanteil weist auf viel zu lange Lagerung des Heus, verschmutzten Pflanzenbestand oder sogar auf Schimmelpilzbefall hin. Stark verstaubtes Heu wird vom Rotwild sehr ungern angenommen. Bei verschimmeltem Heu kann nicht nur die Aufnahme, sondern sogar auch das Einatmen der staubartigen Schimmelpilzsporen zu schwerwiegenden Erkrankungen führen. Die Heufarbe sagt nicht nur viel über die Zusammensetzung und das Alter des Pflanzenbestandes während der Erntezeit aus, sondern vor allem auch über die Trocknungsbedingungen. Dabei zeigt eine grüne Farbe günstige Erntebedingungen und geringe Nährstoffverluste an. Verregnetes, aufgrund der feuchten Witterung lang auf der Wiese liegendes Heu hat hingegen eine hellgelbe bzw. ausgeblichene Farbe. Ist das Heu dunkel verfärbt, deutet das auf eine Erhitzung im Heustock hin. Diese entsteht bei Einlagerung von unzureichend getrocknetem Heu. Eine schmutziggraue bis nesterweise grau-weiße Verfärbung des Heus gibt wiederum einen Hinweis auf gefährlichen Schimmelpilzbefall. Das Heugefüge ist ein wichtiges Beurtei- Fotos: Dubrovsky/Karl-Heinz Volkmar Die Qualität des Heus ist von maßgebender Bedeutung! Tabelle: praktische Beurteilung der Heuqualität gutes Heu schlechtes Heu Farbe grünlich natürliche Heufarbe ausgeblichen gelb oder dunkel verfärbt Gefüge weich blattreich sperrig, hart stengelreich, blattarm Geruch angenehm leicht aromatisch muffig schimmelig Verunreinigungen keine sehr staubig Erdbeimengungen 18 Nur bei bester Qualität hat das Wiesenheu eine hohe geschmackliche Attraktivität und somit auch einen ausreichenden Lenkungseffekt für das Rotwild. In qualitativer Hinsicht eignet sich mittleres bzw. schlechteres Heu hingegen bestenfalls nur als strukturreiches Rauhfutter, das als wiederkäuergerechte Ergänzung zu anderen Futtermitteln vorgelegt werden kann. Seine Vorlage hat jedoch aufgrund geringer geschmacklicher Attraktivität nicht die zur Minderung der Wildschäden erforderliche Lenkungswirkung. Minderwertiges, überständiges Heu ist für das Rotwild als Futter grundsätzlich ungeeignet. +) Diese Untersuchungen werden von den österreichischen Landesjagdverbänden und vom Verein „Grünes Kreuz“ unterstützt. Literatur: KIRCHGESSNER, M., 1992: Tierernährung, 8. Aufl.; DLG-Verlag, Frankfurt/Main. – VODNANSKY, M., 1999: Rotwild: Winterfütterung; Weidwerk 1/99. – VODNANSKY, M., 1999: Rotwildfütterung: Keine Mahlzeit ohne Heu; Weidwerk 2/99. WEIDWERK 1/2001
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