ACE LENKRAD/02/2017/Ausgabe Februar - Seite 24 Daberkow: Das mit den Verbrennungsmotoren sehe ich nur für den Lkw-Langstreckenverkehr so. Über viele Jahre kommen wir mit der Infrastruktur durchaus dahin, dass die Mehrheit der Fahrzeuge elektrisch geladen wird. Zu Hause ist eine Steckdose ja ohnehin kein Problem. Koch-Gröber: Mit Verlaub, lieber Herr Kollege, unsereins hat ein ordentliches Einkommen und sein Auto in der Garage oder auf einem Stellplatz mit Steckdose. Aber ein Laternenparker ist froh, wenn er einen Parkplatz findet. Ich provoziere mal: E-Mobile sind etwas für Besserverdienende als Zweitoder Drittauto – oder solche, die sich mit entsprechendem Geld im Tesla an der Spitze fühlen. Aber gerade Laternen eignen sich doch zum Laden, Umrüst-Lösungen gibt es bereits. Und viele Familien haben zwei Autos. Eines davon könnte durch ein Elektroauto für kurze Strecken ersetzt werden. Koch-Gröber: Es gibt ganz viele Leute, die froh sind, wenn sie sich ein Auto leisten können, und die Flexibilität dieses Fortbewegungsmittels nutzen. Dabei haben zum Beispiel die Hybridantriebe eine sehr große Berechtigung. So kann ich etwa im luftverschmutzten Stuttgart elektrisch fahren, genauso aber mit meinem Auto – das ist der Vorteil davon – auf die lange Strecke gehen. Daberkow: Schon jetzt haben viele Normalverdiener in den Städten gar kein eigenes Auto mehr, sondern nutzen Car-Sharing-Flotten oder Dienste wie Uber. Da sind wir noch ziemlich am Anfang. Ist denn der E-Motor die Lösung für schadstoffgeplagte Städte? Koch-Gröber: Viele Stadtentwickler und Verkehrsplaner sehen E-Mobile durchaus kritisch, weil viele Probleme bleiben, wie etwa verstopfte Straßen, hässliche Parkhäuser und Unfälle mit Fuß- 24 ACE LENKRAD 2/2017 tango_ftp - 24.01.2017 13:14 gängern. Gerade weil Elektroautos gerne auch mal überhört werden. Daberkow: Da wird schon intensiv geforscht, dass ein E-Mobil angemessene akustische Signale abgibt. Dies ist als Verpflichtung in vielen Ländern in Arbeit beziehungsweise eh schon vorgeschrieben. Ist das sinnvoll? Städte sind nicht nur schadstoff-, sondern auch lärmgeplagt. Und da haben wir endlich leisere Autos und dann machen wir sie wieder laut? Koch-Gröber: Schöne neue Welt! Früher kaufte ich mir zur Individualisierung Alufelgen, bald lade ich mir Klingeltöne ans Auto. Daberkow: Bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h hört man das Elektroauto nicht. Ich glaube, ein dezentes Geräusch macht die Stadt nicht laut – moderne Verbrenner-Motoren hört man übrigens bei geringen Geschwindigkeiten auch so gut wie nicht mehr. Werden wir künftig eine zweigeteilte Mobilität haben – Elektroautos in der Stadt, Verbrenner auf dem Land? Daberkow: Durch netzbasierte Flottennutzung, Ladesäulen an Parkplätzen für Pool-Fahrzeuge und so weiter können E-Fahrzeuge einen erheblichen Beitrag leisten, das Verkehrsaufkommen in Städten zu vermindern. ZUR PERSON Dr.-Ing. Hermann Koch-Gröber, Jahrgang 1965, arbeitete nach einem Maschinenbau-Studium an der Ruhr-Universität Bochum und der Promotion über Brennstoffzellen-Elektroden an der TH Darmstadt, ab 1994 bei der Bosch GmbH im Geschäftsbereich Diesel Systems. Seit 2008 lehrt er an der Hochschule Heilbronn im Studiengang Automotive Systems Engineering. Hermann Koch-Gröber ist verheiratet und hat drei Kinder. Koch-Gröber: Dem will ich gar nicht widersprechen, vor allem wenn man öffentlichen Nahverkehr, Radverkehr und Fußgängerwege erheblich ausbaut. Aber es leitet zu einem anderen Aspekt: Trendforscher schreiben seit Jahren: Alle ziehen in die Städte. Auf dem Land muss man sich per se schon out vorkommen. Aber da wird es mit E-Mobilen viel schwieriger. Daberkow: Auch da ist viel möglich: Ich habe, wie du weißt, E-Mobilität im ländlich-urbanen Raum untersucht. 80 Prozent aller Fahrten sind unter 100 Kilometer, das geht ganz prima. Koch-Gröber: Genau da liegt der Trugschluss. Warum geben wir relativ viel Geld für ein Auto aus? Wegen seiner Flexibilität! Genau wegen der 20 Prozent nicht „normalen“ Fahrten. Statt heim nach Wüstenrot fahre ich aus Heilbronn spontan zum Besuch meiner kranken Tante nach Wertheim. Mit einem Batterieauto kann ich mir das abschminken. Daberkow: Sind doch auch nur 120 Kilometer, im Jahr 2030 wird das gut gehen. Aber auch schon heute gibt es Möglichkeiten. Vielleicht könntest du mit dem Zug anreisen und mit der Taxe weiterfahren oder dir einfach ein Auto bei car2go oder Uber leihen. Antriebsarten der Pkw in Deutschland Diesel 45,9 % Neuzulassungen 2016 Elektroantrieb 1,8 % Benzin 52,1 % Erd- und Flüssiggas 0,2 % 34 252 Hybrid Pkw 11 410 Elektro Pkw 13 744 Plug-in-Hybrid Pkw
© Copyright 2024 ExpyDoc