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Zweiter State-of-the-Energy-Union-Report
Kaum Nutzen für die Energiewende
Berlin/Brüssel, 1. Februar 2017
Zweiter State-of-the-Energy-Union-Report
Die Juncker-Kommission war angetreten, Europa zur Nummer 1 bei den Erneuerbaren
Energien zu machen. Die Energy Union soll ein wesentliches Vehikel sein, um dieses Ziel
zusammen mit der Entwicklung einer kohärenten und ambitionierten Klima- und EnergiePolitik bis und jenseits von 2020 voranzubringen. Der für die Energy Union zuständige VizePräsident Maros Šefčovič hatte das Jahr 2016 zum „year of delivery“ erklärt. Und die
Kommission hat mit der Vorlage ihres Winterpaketes (offiziell: Clean Energy for all Europeans
Package) in der Tat auf mehr als 4.000 Seiten Vorschläge für die künftige Klima- und
Energiepolitik der EU geliefert. Der zweite Bericht zum State of the Energy Union, der am 1.
Februar vorgelegt wird, soll Rechenschaft ablegen über das bisher Erreichte und Auskunft
über das künftig zu Verstärkende geben.
Unser aktuelles Fazit: Die Kommission und vor allem Vize-Präsident Šefčovič hat viel mit
den Regierungen der Mitgliedstaaten kommuniziert und mit dem Winterpaket (Clean Energy
Package) Vorschläge vorgelegt, die die Chancen und Möglichkeiten der Energiewende hin
zu einem auf Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz beruhenden System
verlangsamen.
Trotz einiger guter Ansätze wird in vielen Punkten zu kurz und in einigen in die falsche
Richtung gesprungen. Vorschläge, wie die Energy Union die Energiewende vorangebracht hat
oder künftig beschleunigen könnte, sind im Winterpaket wenig erkennbar. Mitgliedstaaten
zeigen sich kaum noch ambitioniert bei der Zielerreichung für 2020; noch langsamer und nur
sehr langsam bewegt sich die EU insgesamt in Richtung der 2020-Ziele. Deren Erreichung
erscheint trotz anderslautender Rhetorik der Kommission selbst immer zweifelhafter – kein
Wunder angesichts bremsender Mitgliedstaaten und der wenig ambitionierten KommissionsVorschläge für 2030. Es scheint, dass dieses Risiko im vorgelegten Zwischenbericht
leider weiterhin kleingeredet wird, ganz zu schweigen von Initiativen für Maßnahmen, um
die aktuelle Stagnation zu überwinden. Von einem neuen Momentum durch das Pariser
Klimaabkommens ist jedenfalls wenig zu erkennen.
Wer sich erhofft hatte, dass die Kommission nach dem Pariser Klimaschutz-Abkommen und
angesichts der ständig sinkenden Kosten der meisten Erneuerbare-Energien-Technologien
versuchen würde, über die bisherigen viel zu niedrigen Zielvorgaben für 2030 hinauszugehen,
sieht sich enttäuscht. Im Winterpaket bleibt es bei den Zielen von nur 40 Prozent
Treibhausgasreduktion und lediglich mindestens 27 Prozent Erneuerbaren. Allein für die
Steigerung der Energieeffizienz wird nun 30 statt 27 Prozent als Ziel vorgeschlagen.
Hinsichtlich einiger konkreter Maßnahmen ist das vorgelegte Winterpaket zwar graduell
positiver zu bewerten als es zwischenzeitlich auf Grund massiver Interventionen der DG
Wettbewerb und nach den Wünschen der Kohle- und Atomfreunde in etlichen EUMitgliedstaaten zu befürchten war. Gleichwohl weist es trotz positiver Elemente erhebliche
Rückschritte für die Energiewende auf.
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Ziele sind Business-as-usual
Wenngleich 40 Prozent Treibhausgasreduktion im internationalen Vergleich nicht wenig sind,
werden sie eindeutig nicht ausreichen, wenn die Weltgemeinschaft die Begrenzung der
globalen Erwärmung auf maximal 2°C oder erst Recht 1,5°C ernst meint. Auch aus ökonomischen Gründen wären ambitioniertere Ziele für Erneuerbare Energien und Effizienz von
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Vorteil. Experten sind sich einig, dass 27% Erneuerbare Energien bis 2030 kaum mehr als
Business-as-usual sind. Der Schritt von 20 Prozent im Jahr 2020 auf 27 Prozent 2030
bedeutet eine Reduzierung auf kaum mehr als ein Drittel des Wachstums der Erneuerbaren
Energien in der aktuellen Dekade. Dies würde trotz der Kostenreduktion bei den Erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren einen deutlichen Rückgang des Neubaus bedeuten.
Zusätzlich wird die Erhöhung des Effizienzziels von 27 auf 30 Prozent folglich den Anteil
Erneuerbarer bei gleichem Installations- und Kostenaufwand weiter erhöhen. Hinzu kommt,
dass in den von der Kommission zu Grunde gelegten Szenarien z. B. für Wind und Photovoltaik bis 2030 Kosten angesetzt werden, die wir teilweise bereits erreicht oder aber bereits in
wenigen Jahren erreichen werden.
Positiv kann vermerkt werden, dass die Europäische Kommission beabsichtigt festzuschreiben, dass kein Mitgliedstaat nach 2020 hinter die verbindlichen Zielvorgaben für 2020
zurückfallen darf.
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Förderung Erneuerbarer Energien wird deutlich eingeschränkt
Angesichts der Kräfteverhältnisse in Rat und Kommission und auf Grund der Diskussionen in
den vergangenen Monaten des Jahres 2016 kann es vielleicht bereits als Erfolg gewertet
werden, dass der Vorschlag für eine revidierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie überhaupt
noch einen Artikel zu nationalen Fördersystemen für Erneuerbare Energien im Stromsektor
enthält. Allerdings sind die Möglichkeiten im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage sehr weit
eingeschränkt. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage wird die Förderung ausdrücklich
vom Vorhandensein ausreichender Netzkapazitäten abhängig gemacht, gleichzeitig werden
bisherige Regelungen zur prioritären Netzanschlusspflicht abgeschafft. Die Förderung
unterliegt ferner vollständig dem Beihilferecht und muss in der Regel durch Auktionen
erfolgen. Nur kleine Anlagen und Demonstrationsprojekte dürfen vorerst noch Einspeisevorrang und festgelegte Einspeisetarife erhalten. Auch wird der Ermessensspielraum der
Mitgliedsstaaten bei der Förderung stark eingeschränkt: Mindestens 10 Prozent der Zuschläge bei Ausschreibungen sollen an auswärtige Anbieter gehen, ab 2025 sogar 15 Prozent. Und
nur mit umfangreicher Begründung werden technologiespezifische Ausschreibungen möglich
sein. Einspeisevorrang darf nur noch bis 500 kW und ab 2025 nur noch bis 250 kW gewährt
werden und dies auch nur, solange im jeweiligen Mitgliedstaat der Vorrang für diese Anlagen
nicht 15 Prozent der Erzeugungskapazität übersteigt.
Erschwerend kommt hinzu, dass der DG Wettbewerb für künftige Entwicklungen ein Blankoscheck ausgestellt wird, da alle Regelungen nur gelten, soweit die Umwelt- und EnergieBeihilfeleitlinien in ihrer aktuellen und in ihren künftigen Versionen nichts anderes bestimmen.
Positiv zu bewerten ist der Vorschlag im Richtlinienentwurf, der rückwirkende Änderungen von
Fördersystem weitgehend ausschließen soll. Auch die Aufnahme von Biogaseinspeisung in
Gasnetze ist ein positives Element des Entwurfes.
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Neues Marktdesign wird flexibler – aber nur ein wenig
In den Entwürfen der Richtlinie und der Verordnung für ein neues Marktdesign wird ausdrücklich vorgesehen, dass künftige Märkte geeignet sein sollen für hohe Anteile auch variabler
Erneuerbarer Energien (VRE) und für eine große Zahl dezentraler Erzeugung einschließlich
Prosumer. Zu diesem Zweck sollen Märkte flexibler werden und deutlich kürzere Handelszei3
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ten die Strom- und Systemdienstleistungs-Märkte bestimmen. Märkte sollen weiter gekoppelt
und grenzüberschreitende Kapazitäten verstärkt genutzt werden. Grundsätzlich sollen
grenzüberschreitende Reserven wie einheimische betrachtet werden. Kapazitätsmärkte sollen
als letztes Mittel nur unter der Voraussetzung möglich sein, dass grenzüberschreitende
Kapazitäten ebenfalls ausgeschöpft sind. Dieser grundsätzlich zu begrüßende Ansatz wird
allerdings dadurch konterkariert, dass in wichtigen Mitgliedstaaten (Großbritannien, Frankreich, demnächst Polen …) bereits nationale Kapazitätsmärkte von der Kommission genehmigt wurden, die diesen Kriterien nicht entsprechen. Es wäre wichtig, eine zügige Überarbeitung bzw. Neugenehmigung dieser Mechanismen entsprechend dem neuen Recht
vorzusehen. Auch fehlen (mit Ausnahme vielleicht der Effizienzobergrenze von 550 g
CO2/kWh für Kohlekraftwerke, die an Kapazitätsmärkten teilnehmen) Anreize zum Abbau der
unflexiblen konventionellen und atomaren Überkapazitäten in Europa. Klare Vorgaben zur
Beendigung der fossil-nuklearen Subventionen fehlen ebenfalls.
Positiv zu bewerten ist, dass die Kommission ausdrücklich vorschlägt, dass Erneuerbare
Energien (und hocheffiziente KWK) außer bei kurzfristiger Gefahr für die Systemstabilität als
letzte abgeregelt werden dürfen und dass für die Abregelung eine Entschädigung zu zahlen
ist. Problematisch bzw. unklar ist dabei die Gleichbehandlung mit KWK wie auch die vorgeschlagene Bemessung der Entschädigung (90 Prozent der entgangenen Vergütung bzw. des
aktuellen Markpreises).
Ebenfalls als Schritt in die richtige Richtung sieht der BEE den Vorschlag der Kommission für
ein Recht auf Eigenverbrauch von Strom aus Erneuerbaren Energien wie auch die Absicht,
Bürgerenergieprojekten die Realisierung zu erleichtern und diese zu fördern, an.
Rainer Hinrichs-Rahlwes, 1.Februar 2017
Kontakt:
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Invalidenstraße 91
10115 Berlin
Rainer Hinrichs-Rahlwes
Vorstandsmitglied des BEE
Telefon: +49 172 5107786
E-Mail: [email protected]
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