Antibiotika-Apokalypse

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gesundheit
FOREIGN LANGUAGE NEWS 055
Eine Welt in der Krise
Noch nie war es so wichtig, den
Missbrauch des Einsatzes von
Antibiotika zu verhindern. Wir
leben am Rande der sogenannten „Antibiotika-Apokalypse“ –
einer Epoche, von der die Wissenschaftler sagen, dass sie uns
in Zeiten zurückführen könnte,
in denen grundlegende chirurgische Eingriffe, häufige Infektionen, eine kleine Schramme
oder ein Schnitt zu ernsthaften
Erkrankungen führten oder sogar
tödlich enden konnten.
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Antibiotika-Apokalypse
Gebrauch und Missbrauch
Ein medizinisches Wunder
Die Jahre der routinemäßigen Verabreichung von Antibiotika haben uns an den Rand einer medizinischen Krise geführt.
Bertheim entwickelte Ehrlich
das erste synthetische Antibakterium, das zunächst als Salvarsan,
jetzt als Arsphenamin bezeichnet
wird, und für die Behandlung von
Syphilis verwendet wurde.
1928 identifizierte Alexander
Fleming zunächst die bakterienbekämpfenden Eigenschaften
eines Pilzes der Gattung Penicillium. Allerdings brauchte er
Hilfe bei seiner Entwicklung. Erst
durch die Forschungen von Ernst
Chain und Howard Florey gelang
es 1942, Flemings Entdeckungen zu dem zu machen, was
wir heute als Penicillin kennen.
Dafür erhielten die drei Männer
1945 den Nobelpreis für Medizin. Erst fünf Jahre danach wurde
Ernest Duchesne von der französischen Académie de Médecine posthum geehrt, der bereits
1897 in seiner Doktorarbeit die
Wirkung bestimmter Schimmelpilze auf Bakterien darstellte.
Damals war die Doktorarbeit
allerdings vom Institut Pasteur
abgelehnt worden.
Penicillin ist eine der größten
Erfolgsgeschichten der modernen Medizin und ist eines der am
meisten genutzten Medikamente
in der medizinischen Geschichte.
Die wissenschaftliche Forschung
wurde fortgesetzt und es wurden
weitere chemische Verbindungen
entdeckt, die auch auf Bakterien wirken. Daraus entstand die
Familie der Pharmazeutika, die
jetzt als Antibiotika bekannt ist.
Dank ihrer Verwendung und
der Einführung von Impfungen
brachte das 20. Jahrhundert
erhebliche Verbesserungen in
der Gesundheit und in der entwickelten Welt die fast völlige
Ausrottung solcher Krankheiten, wie der Tuberkulose. Das
war eine medizinische Revolution, die die Lebensqualität veränderte und zu einer drastischen
Foto: Kym McLeod/FreeImages.com
Antibiotika sind eine Art antimikrobielles Arzneimittel, das bei
der Behandlung oder zur Verhinderung von bakteriellen Infektionen verwendet wird, um entweder die Bakterien zu zerstören
oder ihre Reproduktion stark zu
hemmen. Deren nachlassende
Wirksamkeit alarmiert derzeit die
medizinische Welt.
Die Entdeckung der Antibiotika geht zurück auf die späten
1880er Jahre und die Arbeit des
Deutschen Paul Ehrlich. Nach
der Feststellung, dass bestimmte
Farbstoffe Zellen färben, während andere dies nicht tun,
begann er umfangreiche Forschungen, um festzustellen, ob
es möglich wäre, Chemikalien
zu entwickeln, die Bakterien
töten, ohne dem Menschen zu
schaden. Im Jahr 1907 stellte
sich der Erfolg der Arbeit ein.
In Zusammenarbeit mit Alfred
In vielen Fällen wurden Antibiotika in den letzten Jahrzehnten verwendet. Doch durch
die unglaublich hohe Zahl von
Anwendungen hat sich ein Problem herausgebildet, mit dem
wir jetzt konfrontiert sind. Eine
der wichtigsten und wertvollsten
Verwendungen von Antibiotika ist
die Behandlung von Infektionen,
von kleinen Krankheiten wie
Halsentzündungen und Ohrenentzündungen bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie
Tuberkulose, Sepsis (Blutvergiftung) und schweren Lungenentzündungen.
Anstatt sie für schwere Infektionen zu reservieren, wurden
und werden Antibiotika von
Ärzten für eine allumfassende
Bandbreite von Krankheiten eingesetzt. Dazu gehören oft auch
Ohne Antibiotika wird sogar eine kleinere Operation viel gefährlicher.
Erhöhung der Lebenserwartung
führte. Doch inzwischen hat
der Missbrauch von Antibiotika
auch dazu geführt, dass Bakterien resistent gegen Behandlungen werden. Wissenschaftler
erklären, dass sie nicht mehr in
der Lage seien Medikamente zu
entwickeln, die die entstandenen
Bakterien-Mutationen bekämpfen können.
virale Infektionen wie bei der
gewöhnlichen Erkältung oder
Grippe, gegen die Antibiotika
völlig nutzlos sind, weil es sich
bei den Erregern um Viren und
nicht um Bakterien handelt, und
die in den meisten Fällen auch
ohne Medikamente zu behandeln sind.
Typische Therapien haben
somit die Situation verkompli-
ziert. So wird beispielsweise
schon oft bei der Vermutung,
dass ein Patient unter einer
bakteriellen Infektion leiden
könnte, ein Breitband-Antibiotikum verschrieben, bis die Laborergebnisse die Krankheit bestätigen oder ausschließen und die
gezielte Therapie beginnen kann.
Antibiotika werden auch vor
und nach der Operation verwendet, um Infektionen zu verhindern, sowie auch präventiv bei
Menschen, die unter einem
geschwächten Immunsystem
leiden.
Die falsche Verwendung von
Antibiotika durch Patienten hat
auch eine Rolle gespielt. Zur vollständigen Wirkung gegen eine
Infektion muss die gesamte vorgeschriebene Behandlung erfolgen, um sicherzustellen, dass
Bakterien völlig zerstört werden. Aber viele Menschen hören
mit der Einnahme auf, sobald
sie das Gefühl haben, dass sie
sich von ihrer Krankheit erholen. Dies ermöglicht, dass einige
Bakterien im Körper verbleiben
und diese haben dann die beste
Möglichkeit sich zu vervielfachen
und dabei Formen zu bilden, die
gegen das eingesetzte Antibiotikum resistent sind.
Seit vielen Jahren sind die
Medikamente in zahlreichen Ländern auch ohne Rezept zu erhalten. Dazu gehört auch Spanien.
So wurden Antibiotika übermäßig
und in Situationen eingesetzt, in
denen sie nicht notwendig oder
effektiv sind.
Darüber hinaus macht ihr systematischer Einsatz in der Viehzucht den weltweit größten Antibiotikakonsum aus. Anstatt nur
als Behandlung für Krankheiten
verwendet zu werden, werden
Tieren, die für Nahrung gezüchtet werden, regelmäßig Antibiotika präventiv gegeben. In vielen Gebieten der Welt werden
sie auch genutzt, um das Muskelwachstum zu beschleunigen,
obwohl dies seit 2006 in Europa
verboten ist. Trotz der Versprechen vieler Branchen der Industrie, die Praxis zu reduzieren, und
trotz einiger vorläufiger Erfolge
in einigen Ländern hat sich insgesamt der Kauf von Antibiotika
für Nutztiere jedes Jahr erhöht.
Die Zeit läuft davon
Die Ernsthaftigkeit der Situation hat die Weltgesundheitsorganisation dazu veranlasst,
festzustellen: „Antibiotika-Resistenz – wenn Bakterien sich so
verändern, dass Antibiotika in