Bernd Wolf 24.01.2017 Bundesverfassungsgericht verhandelt über Tarifeinheitsgesetz Neuland betrete das Verfassungsgericht mit dem Tarifeinheitsgesetz, so Senatspräsident Ferdinand Kirchhof. Zahlreiche komplizierte und neue Fragen seine zu klären, weil der Gesetzgeber sich jahrzehntelang aus der Tarifpolitik herausgehalten habe. Erst die länger andauernden Streiks 2014/15 bei der Bahn und im Luftverkehr, von Spartengewerkschaften durchgesetzt, haben die große Koalition dazu gebracht, das Tarifeinheitsgesetz 2015 zu verabschieden. Die federführende Arbeitsministerin, Andrea Nahles, SPD, sie wehrt sich gegen Vorwürfe, die GroKo wolle das Streikrecht beschneiden. Andrea Nahles: „Das Streikrecht wird überhaupt nicht berührt, sondern bleibt erhalten. Wir haben einen abgewogenen Gesetzentwurf gemacht mit vielen Minderheitsrechten auch und im Übrigen gab es in Deutschland diese Form der Tarifkollisionsvermeidung über Jahrzehnte. Und diese kleinen Gewerkschaften, die hier klagen, gab es da auch alle schon. Und die wird es auch in Zukunft geben.“ Das Gesetz will verhindern, dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften für die Beschäftigten gelten. Es sieht vor, dass von kollidierenden Tarifverträgen im selben Betrieb nur derjenige anwendbar ist, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern geschlossen wurde. Die anderen Tarifverträge müssen zurücktreten. In der Praxis können die kleinen Gewerkschaften den Tarifvertrag übernehmen. Sie sehen sich deswegen in ihrer Existenz bedroht. Gegen das Gesetz geklagt haben unter anderen die Berufsgewerkschaften GdL für die Lokführer, Cockpit und UFO für Piloten und Flugbegleiter, die Ärzte des Marburger Bundes, aber auch die große DGB Gewerkschaft Ver.di. Das Gesetz sei nicht nur handwerklich schlecht gemacht, sondern in der Praxis nicht umsetzbar. Allein das Problem, rechtzeitig festzustellen, wer denn nun mitgliederstärkste Gewerkschaft im Betrieb sei, sei nicht lösbar, Gewerkschaften würden genötigt, sich gegenseitig die Mitglieder abzujagen. Das störe den Frieden in den Betrieben. Das Gesetz sei verfassungswidrig. Claus Weselsky von der Gewerkschaft der Lokführer. Claus Weselsky: „Vom Tarifeinheitsgesetz halte ich nichts, weil das eine Bedrohung ist und eine grundgesetzliche Beugung. Was hier versucht wird, ist die Existenz kleiner Gewerkschaften in Frage zu stellen. Und das sind ausgerechnet noch die Gewerkschaften, die gut organisiert und aufgestellt sind. Und sich wehren können. Während im Rest des Landes nur noch 18 Prozent Gewerkschaftsmitglieder vorhanden sind.“ 1 Bernd Wolf 24.01.2017 Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum, heute Anwalt von Cockpit, hält die Tarifautonomie für ein kostbares Erbe unserer Verfassung. Er findet es merkwürdig, dass die Bahn und die Gewerkschaft der Lokführer, GdL, gemeinsam beschlossen haben, das Tarifeinheitsgesetz bis 2020 erst mal nicht anzuwenden. Rudolf Henke, Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, sieht es wie der französische Staatsphilosoph Montesquieu. Rudolf Henke: „Montesquieu hat mal gesagt, wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Das Bundesverfassungsgericht hat sich zwei Verhandlungstage Zeit genommen, um über das juristische Neuland zu verhandeln. Das Urteil wird in einigen Monaten ergehen. 2
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