Bewusstsein IV - wie sieht man beim Traum?

Bewusstsein IV - wie sieht
man beim Traum?
Dieser
Artikel
berichtet
über
introspektiv
gewonnene
Erkenntnisse zum Sehen. Es soll dargelegt werden, dass das
innere Kino aus einem von der Netzhaut stammenden "Pixelbild"
und einer vom Hirn daraus erstellten Analyse besteht.
Traumbilder bestehen nur aus dem analytischen Bild und
schaffen trotzdem den Eindruck des Sehens (Gehirnbild: Human
Genome Project).
In den drei vorangegangenen Bewusstseins-Artikeln wurde eine
kleine Übersicht versucht (1). Dann ging es mit etwas eigener
Nachhilfe voran (2), und schließlich wurde eine Vorstellung
abgeliefert, wie Kognition, Lernen und Erinnern konstruiert
sein könnten (3). Dieser 4. Teil fokussiert sich speziell auf
das Bild, welches das innere Kino zur Verfügung stellt. Den
wenigsten Menschen dürfte bewusst sein, dass beim Träumen ganz
andere Bilder kommen als im Wachzustand.
Artikel und Literatur zum Bewusstsein gibt's haufenweise,
gemeinsamer Tenor ist, man weiß zwar dies und das, aber wie es
wirklich zugeht, das weiß man nicht. Das hilft nicht so recht.
Deshalb wird hier wieder die Freiheit genutzt, die sich aus
der unvollständigen wissenschaftlichen Abdeckung von diesem
Bereich ergeben. Demnach ist es Amateuren erlaubt, an der
Forschung teilzunehmen. Zumal sie ja mit dem nötigen
Instrumentarium ausgestattet sind: Es sitzt auf jedermanns
Hals, heißt Kopf und enthält ein Gehirn.
Inneres Kino
Der Begriff des "inneren Kinos" ist für diesen Text zentral.
Es wird auch "Repräsentation der Umgebung", "virtuelles Modell
der Innen- und Außenwelt", "Bewusstseinsraum, welcher Körper, Raum-, Sinnes- und Denkbewusstsein vereinigt" oder schlicht
"Innensicht" genannt. Vielfach wird das innere Kino als Drehund Angelpunkt für das Bewusstsein angesehen.
Nach David Milner and Melvyn A. Goodale wird das Optische im
Hirn vom visuellen Cortex aus in zwei unterschiedliche
Verarbeitungsbahnen kanalisiert (Zwei-Ströme-Hypothese). Der
eine Hauptstrom ist der ventrale Strom, der die Signale in den
Cortex temporalis inferior leitet, wo die Analyse von
Eigenschaften wie Farbe, Muster und Form stattfindet. Der
andere Hauptstrom ist der dorsale Strom, der die Signale zum
hinteren Parietallappen weiterleitet, wo die räumliche
Lokalisation der Objekte stattfindet.
Für das Folgende wird die Analyse als Gesamtpaket angeschaut
und dem direkten "Pixelbild" gegenübergestellt, das die
Netzhaut liefert. Zunächst die Behauptung, dass das Pixelbild
etwas – aber nur wenig – aufgehübscht wird (kein blinder Fleck
und ohne Mikrobewegungen), ehe es dem inneren Kino zur
Verfügung steht. Hier wird keine Aussage gewagt, wo das
passiert und wie das geht. Aber es werden Gründe dafür
aufgeführt, dass es passiert.
Konstruiertes Bild
Was sehen wir eigentlich im inneren Kino? Ist es nur ein
Konstrukt, das aus der Analyse stammt und die gesamte
Innensicht erzeugt?
Oder spielt das Pixelbild mit, und die Ergebnisse der Analyse
machen das Gesamtbild zur enhanced oder augmented Reality?
Für diese letztere Sicht soll nun argumentiert werden. Was wir
sehen, ist alles mit Bedeutungen behaftet. Wir erkennen die
ganzen Dinge um uns herum. Vor allem dort, wo der Fokus drauf
gerichtet ist, da wissen wir immer, was es ist. Das bedeutet,
die Analyse liefert ständig Begriffe und Objekte; sie ist bei
der Innensicht massiv präsent. Aber das Pixelbild auch, wie im
Weiteren begründet wird.
Man kann natürlich nicht von einer Art Monitor sprechen, wo
das Pixelbild mit Bedeutungen "hinterlegt" wäre wie die Links
in diesem Artikel. Das würde ja einen inneren Beobachter
voraussetzen, der das Ganze anschaut. Die korrekte Aussage ist
also, Pixelbild und konstruierte Inhalte kommen irgendwie
zusammen und bilden dadurch die Innensicht (bzw. den Teil
davon, um den es hier geht).
Argumente pro Pixelbild
Nun also die Sammlung der Gründe, warum das neuronale
Pixelbild bei der Innensicht dabei sein muss:
Der Rand des Sichtbereichs stimmt genau mit den Körperund Augenbewegungen überein, der Refresh passt immer –
man sieht halbe oder sonstwie abgeschnittene Objekte.
Man hat einen Stereo bzw. 3D-Effekt, und wenn man ein
Auge zumacht, lässt der nach – würde das Hirn 2 gering
unterschiedliche Sichten konstruieren? Es ist ja schon
so eine Menge Aufwand: Für die Erkennung müssen
Perspektiven und Bewegungen kompensiert werden, und um
das wieder darzustellen, braucht es eine Dekompensierung
im aktuellen Bezugssystem.
Es gibt keine Störungen wie beim digitalen TV, höchstens
optische Verzerrungen.
Es fehlt nicht der kleinste Fleck – auch wenn etwas
nicht erkannt wird, ist es im Bild.
Es geht bis ins letzte Detail von Reflektion und
Schatten und Reflektion von Schatten – warum sollte die
Evolution so etwas Aufwendiges hervorbringen, in einer
Entwicklungsumgebung weitgehend ohne Spiegelungen?
Bei der Nachtsicht ist alles dunkel und diffus – warum
so dunkel darstellen, wenn die Objekte erkannt werden?
Wenn man die Augen halb zumacht, verschwimmt die Sicht –
das ist optisch leicht zu erklären, wäre aber mühsam zu
konstruieren.
Traumbilder
Wenn man die Augen ganz schließt, ist das Bild komplett weg,
das Pixelbild und das analytische, konstruierte. Im Gegensatz
dazu steht das Träumen. Dann sind die Augen (meist)
geschlossen, und es kann deshalb kein Pixelbild geben. Es geht
ja auch nicht um das Bild der Schlafzimmerdecke, sondern um
die intern erzeugte Fiktion. Hier wird die sinnvolle
Unterstellung gemacht, dass kein adäquates Pixelbild
konstruiert werden kann, weil die Speicherung ja keine
Megabytes für die ganzen Details (Reflektion von Schatten,
nichterkannte Flecken) zur Verfügung hat.
Trotzdem meint man, beim Träumen klar und deutlich zu sehen.
Wenn man genau drauf achtet, ist das aber nicht so. Man hat
vielmehr bloß das Gefühl, alles zu sehen. Man vermisst das
Pixelbild nicht, obwohl man mit der Komposition auskommen
muss, die aus dem Gedächtnis heraus konstruiert wird. Doch
seit er sich die Lage vergegenwärtigt hat, findet der
Schreiber dieses seine Traumbilder nach dem Aufwachen viel
weniger bunt.
Und noch ein Argument: Die Traumbilder können Sachen zeigen,
die nicht möglich sind: Bäume, die sich fortbewegen, Autos,
die schweben, stille Wasseroberflächen, die geneigt sind. Die
müssen konstruiert sein, es kann sie nicht als Pixelbild
geben. Im Wachzustand sieht man sowas nicht. Das liefert ein
weiteres starkes Argument für die aufgestellten Behauptungen.
Fazit
Damit sollte hinreichend begründet sein, dass die Innensicht
im Wachzustand beides beinhaltet, das Pixelbild und die
analytische Information. Der grafische Kanal liefert das
Pixelbild, die analytischen Kanäle liefern Begriffe und
Objekte. Aus den analysierten Daten wird aber nicht das ganze
Bild aufgebaut, sondern vor allem die Bedeutung, die
dazugehört.
Beim Traum reicht die konstruierte Innensicht allerdings, um
die Illusion eines vollständigen Bilds zu schaffen. Was man an
Details zu sehen meint, ist etwas anderes als im Wachzustand.
Wenn man aufwacht und sich vergegenwärtigt, was man genau
gesehen hat, ist das meiste schnell weg. Dann waren da nicht
Bilder, zu denen das Hirn Begriffe gefunden hat, sondern da
waren Begriffe, die das Hirn rudimentär mit Bildern ausstattet
– also reine Konstrukte.
Was die Traum-Sicht nicht kann: So ein detailreiches Bild
konstruieren wie das Pixelbild.
Was sie kann: Objekte an die richtigen Stellen projizieren und
eine rudimentäre,
erzeugen.
aber
trotzdem
überzeugende
Innensicht
Wie das geht, darüber ist keine Information verfügbar.
Ebensowenig darüber, wie das analytische Bild materiell mit
dem Pixelbild zusammengefügt wird. Der Sehnerv geht
anscheinend nicht bis dahin, wo man das Bewusstsein vermutet
(im Thalamus oder auch nicht). Generell ist wohl nicht so
genau bekannt, wo die analysierten Daten landen. Das Hirn hält
allerdings jede Menge Datenfernverbindungen vor, wie das Bild
oben zeigt.
So ganz perfekt passen Pixelbild und analysierte Daten ja auch
nicht zusammen, wie man an den optischen Täuschungen sieht.
Unterm Strich funktioniert's aber sehr gut, weil
praxistauglich. Erstaunlich ist die Art, wie man beim Traum so
viel zu sehen meint, ohne dass ein Pixelbild Details liefert.
Das Bild unten zeigt einen interessanten Übergang zwischen
Pixelbild und konstruiertem Bild. Letzteres überdeckt die
Punkte, die nicht im Fokus stehen. Anscheinend gibt es einen
Übergang: Im Fokus sieht man die Details vom Pixelbild, und in
der Peripherie übernimmt das pauschale, konstruierte Muster
die Macht.
Wilfried Müller
Die vier Artikel im Zusammenhang:
Bewusstsein
Bewusstsein
Bewusstsein
Bewusstsein
Bewusstsein
Bewusstsein
I – kleine Übersicht
II – Schritt für Schritt
III – Bündeltheorie
IV – wie sieht man beim Traum?
V – Entstrubbelungsversuch (ab 2.2.)
VI – Innensicht als Extra-Feature (ab 4.2.)
Weitere Links dazu:
Rezension Bunge/Mahner Über die Natur der Dinge I
Rezension Bunge/Mahner Über die Natur der Dinge II
Rezension – Gerald M. Edelman – Das Licht des Geistes
Rezension – David Eagleman – Inkognito
Kritik des Buchs “Komplexität” von Klaus Mainzer
Rezension des Buchs “Komplexität” von Klaus Mainzer
Schnelles Denken, langsames Denken reloaded
Schnelles Denken, langsames Denken
Die Kraft der Naturgesetze, Günter Dedié
Günter Dediés wb-Artikel zur Emergenz
Noodle bobble 2/II – Bewusstseinsraum
Noodle bobble 2/I – Bewusstseinsraum
Schein oder Bewusstsein
Serie Kann ich meinem Hirn trauen?
Bunge/Ardila Philosophie der Psychologie (noch ohne
Rezension)