Haushalt: Zwischen Kritik und Zuversicht

Haushalt: Zwischen Kritik und Zuversicht
Das Abstimmungsergebnis war letztlich eindeutig, wenn auch nicht einstimmig, wie noch im vergangenen
Jahr: Mit 17 gegen 7 Stimmen verabschiedete gestern der Wasserburger
Stadtrat den Haushalt für
2017. Zwischen Lob, Zuversicht und
harscher Kritik bewegten sich die Redebeiträge der Fraktionssprecher,
die insgesamt drei Stunden Bilanz
zogen und auf die Zukunft der Stadt
blickten. Tenor der Sitzung: Die rosigen Zeiten sind erstmal vorbei. Jetzt
muss gespart werden. Erstmals seit
24 Jahren wurde zudem der Hebesatz für die Gewerbesteuer erhöht. Und auch die Grundsteuer wird moderat steigen.
„Wir schaffen das!“ In Anlehnung an den Ausspruch von Bundeskanzlerin Angela Merkel – angesichts der Flüchtlingskrise in Europa –
präsentierten sowohl Bürgermeister Michael Kölbl, als auch
Stadtkämmerer Konrad Doser (unser Foto) ihre Ausführungen zum
Haushalt.
Für Letzteren war dieser Slogan ungewohnt positiv, trat er in den vergangenen, meist fetten
Jahren doch stets ein bisserl pessimistisch auf die Euphorie-Bremse. Doser eingangs seiner Präsentation: „Wir leben in postfaktischen Zeiten. Das heißt, die Menschen verlassen sich mehr aufs Gefühl als auf nackte Tatsachen. Das kann ich leider nicht bieten. Unsere Zahlen sind blanke Fakten.“
Und die versprechen derzeit nichts besonders Gutes. Die 47,2 Millionen Euro an laufenden Einnahmen und Ausgaben sowie die Investitionen sind ohne Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer
sowie ohne neue Kredite nicht zu finanzieren, wie die Präsentation des Stadtkämmerers verdeutlichte.
Sinkende Steuereinnahmen, steigende Umlagen an den Landkreis – das lässt den
städtischen Haushalt aus dem Rahmen purzeln. Rund eine halbe Million Euro fehlte deshalb dem 34,8 Millionen schweren Verwaltungshaushalt für eine ausgeglichene Bilanz.
Ohne Erhöhung der Hebesätze wäre dieser Haushalt nicht genehmigungsfähig gewesen.
Und so hatte Doser den Räten schon bei der nicht öffentlichen Vorberatung die Karten auf den
Tisch gelegt: Grund- und Gewerbesteuersätze müssen von 350 auf 380 Prozent steigen. „Das
bringt 930.000 Euro an Mehreinnahmen und macht den Haushalt wasserdicht.“
Wo aber kommen die insgesamt 12,4 Millionen Euro für die Investitionen im Vermögenshaushalt
her? Durch einen Griff in die Rücklagen der Stadt (9,5 Millionen) und neue Schulden (maximal vier Millionen).
Doser ging in seinen Ausführungen detailliert auf alle geplanten Maßnahmen der Stadt
ein. Eine Million Euro schießt man beim Neubau des Montessori-Kindergartens zu, genau so viel erhalten die Stadtwerke für Brandschutzmaßnahmen und die energetische
Sanierung verschiedener Badria-Gebäude. Gut zwei Millionen werden ins Parkhaus
Kellerstraße investiert. Eine neue Beleuchtung und die Überdachung des Obergeschosses sind notwendig.
Zu den blanken Zahlen des Kämmerers nahm anschließend Bürgermeister Michael Kölbl Stellung. Und der verwies gleich mal
aufs vergangene Jahr: „Die schwierige Haushaltslage, die sich schon
2016 angedeutet hat, hat sich erneut bestätigt. Unsere Zuführung
zum Vermögenshaushalt liegt nur knapp über der gesetzlichen Mindestzuführung und lässt eigentlich nur einen geringen Spielraum für
notwendige Investitionen.
Mit 12,4 Millionen ist der Vermögenshaushalt allerdings nicht gerade klein ausgefallen.
Das zu finanzieren, das geht nur durch unsere Rücklagen und eine maßvolle Neuverschuldung.“
Vor diesem Hintergrund sei es unumgänglich gewesen, erstmals seit Jahren – beziehungsweise
seit Jahrzehnten – die Sätze bei Grund- und Gewerbesteuer zu erhöhen. Die 380 Prozent seien
mit Bedacht gewählt und entsprächen der Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände. Der
Bürgermeister weiter: „Die weitaus meisten Unternehmen in der Stadt bekommen aufgrund ihrer
Rechtsform die höhere Belastung bei der Gewerbesteuer über die Einkommenssteuer wieder
zurück, haben also eigentlich nicht mehr zu entrichten als vorher.“
Der Bürgermeister zusammenfassend: „Der Haushalt 2017 ist aufgrund unserer guten Ausgangslage durch hohe Rücklagen und relativ geringe Schulden weiterhin ein Haushalt
des Handelns und des Gestaltens.“ Der soziale Wohnungsbau, Ausweisung von Einheimischen-Bauland, die Neustrukturierung des Kanalnetzes, die gute Ausstattung von Feuerwehren, Kindergärten, Schulen und Tagesstätten sowie der Betrieb des Sozialbürgerhauses
sprächen für sich.
Zudem werde man sich im Rahmen des ISEK-Prozesses weiter um eine Steigerung der Attraktivität der Stadt, des ÖPNV, des Denkmalschutzes, der Gewerbeentwicklung und des bezahlbaren
Wohnraums widmen.
Kein gutes Haar ließ Oliver Winter für die Fraktion der CSU
und des Wasserburger Blocks am Haushalt 2017. „Wie muss es
da um den Haushalt stehen, wenn der SPD-Bürgermeister mit
seinem ,Wir schaffen das!‘ die CDU-Kanzlerin zitieren muss.“
Der Haushalt sei ein Armutszeugnis und eine Bankrotterklärung. „Heuer ist das eingetreten, vor
dem wir mit unserer Fraktion seit Jahren gewarnt haben. Wenn ein Privatmensch merkt, dass er
nicht mehr genügend im Geldbeutel hat, dann spart er eben. Und was macht die öffentliche Hand?
Die Steuern erhöhen. Vom Sparen ist keine Rede. Wieso auch? Für die Genehmigung des
Haushalts reicht’s doch locker. Und für die Investitionen greifen wir einfach die Rücklagen an und
nehmen einen großen Schluck aus dem Kredittopf“, so Winter ironisch.
Der Fraktionssprecher malte ein düsteres Bild für die mittelfristige Zukunft: „Die Erhöhung der
Steuern mag uns diesmal über die Runden retten. Aber das verzögert nur das langsame Sterben
unseres Haushalts. Die einzige Medizin, die dem todkranken Patienten helfe, sei die, die seine
Fraktion schon seit Jahren fordere: „Sparen, sparen, sparen!“ Das könne man auch aus dem
aktuellen Haushalt nicht herauslesen, deshalb stimme seine Fraktion mehrheitlich nicht zu.
Ebenfalls vom Tenor her eher kritisch, wenn auch wesentlich moderater, setzte sich der Sprecher der Fraktion Bürgerforum/Freie
Wähler Reitmehring, Sepp Baumann, mit dem Haushalt auseinander. Das Jahr 2017 sei für die Stadt Wasserburg mit dem Bau
des neuen Krankenhauses in Gabersee ein historisches. Er sei schon
ein bisserl stolz darauf, zusammen mit dem Bürgermeister und Elisabeth Fischer von der CSU maßgeblich an der Entscheidung für den
Standort beteiligt gewesen zu sein.
Zum Haushalt sagte Baumann konkret, er empfinde den Patienten noch nicht als todkrank, „aber
ein bisserl kränkeln tut er schon“. Man brauche jetzt eine entscheidungsfreudige Verwaltung und
müsse obendrein endlich alle Einnahmequellen für die Stadt erschließen. Dazu gehöre beispielsweise auch, von den Dauerparkern in den Parkhäusern endlich Gebühren zu erheben.
Was Baumann ärgert: „So kleine Gemeinden wie Ramerberg, Albaching oder St. Wolfgang gelingt
es, für ihre Bürger Gemeindezentren, Dorfhäuser und Bürgersäle zu schaffen. In Reitmehring
bekommen wir das Nahversorgungszentrum einfach nicht auf die Reihe.“
Auch der Ausbau der Megglestraße gehe nicht zügig genug voran. Eine Schulwegsicherheit gebe
es nach wie vor nicht. „Ich darf gar nicht daran denken, was passiert, wenn der Verkehr der B304
wegen der Baumaßnahmen dorthin umgeleitet wird. Da ist dann die Hölle los.“ Insgesamt enthalte
der Haushalt aber auch sehr viele Leistungen und Ausgaben, die die Lebensqualität von Bewohnern und Besuchern auf einem hohen Standard halte. Seine Fraktion stimme deshalb mehrheitlich
dem Haushalt 2017 zu.
Christian Stadler (Grüne) verteidigte zunächst die Erhöhung der
Hebesätze. „Wir halten diese für vertretbar. Wir haben wenig
Sorge, dass die Wirtschaft unter dieser Mehrbelastung zusammenbrechen könnte. Und auch die Grundstücksbesitzer in unserer Fraktion sind optimistisch, die höheren Steuern zu verkraften.“
Dennoch stelle sich die Frage, was passieren soll, wenn die Steuern einmal nicht mehr so fließen
wie bisher. „Seit Jahren reden wir davon, dass wir die laufenden Kosten im Verwaltungshaushalt
in den Griff bekommen müssen. Passiert ist bisher nichts.“ Er und seine Fraktion begrüßten deshalb das Vorhaben, künftig anders an die Haushaltsplanung heranzugehen, bereits in der Mitte
des Jahres über Einsparpotenziale zu beraten. „Das hatten wir ja schon im vergangen Jahr so beantragt, waren aber mehrheitlich abgewiesen worden.“
Insgesamt sah Stadler viele positive Ansätze im Haushalt, erinnerte aber auch an Themen, die
man schon seit Jahren anmahne, wie zum Beispiel die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, die
Verbesserung des ÖPNV und der Fahrradfreundlichkeit sowie den Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Als Hauptgrund, warum seine Fraktion dem Haushalt nicht zustimmen könne, nannte Stadler die
Tatsache, dass man weitere Investitionen in die Parkhäuser nicht unterstützen werde, so lange
nicht durch eine Parkhausgebühr zumindest der Unterhalt durch die Nutzer finanziert werde.
Stadler: „Den Standpunkt, der unter anderem auch vom Bürgermeister vertreten wird, dass Autofreundlichkeit die effektivste Wirtschaftsförderung ist, stammt aus den 50-er bis 80-er Jahren des
letzten Jahrhunderts. Möbel und Mode aus dieser Zeit haben mittlerweile einen gewissen RetroCharme. Die verkehrspolitischen Ansichten dagegen sind einfach nur – ganz ohne Charme – veraltet.“
„Heilung ist in Sicht“ versprach Wolfgang Janeczka für die SPDFraktion dem „Patienten Haushalt“. In Summe gehe der Haushalt
2017 weder verschwenderisch, noch geizig mit seinen Einnahmen
um. „Es ist ein Haushalt, der seine Einnahmen wohlüberlegt dort ausgibt, wo sie nötig sind. Diese stammen ja auch von uns allen, egal, ob
Arbeitnehmer, Selbstständige oder Unternehmerin.“
Janeczka verteidigte auch die Anhebung der Steuern: „Faktisch haben wir 45 Jahre nach der Gebietsreform heute mehr denn je die Aufgaben eines Mittelzentrums mit wesentlich mehr Einwohnern. Wenn wir also weiterhin das Badria, die Volkshochschule, die Bibliothek und eine moderne
Mittelschule wollen, um einige Beispiele zu nennen, brauchen wir die Einnahmen, ohne Wenn und
Aber.“
Das wüssten auch die Unternehmen, die nur nebenbei bemerkt, seit den 1990-er Jahren kontinuierlich und mit Methode steuerlich entlastet worden seien. „Mit ein Grund dafür, warum die Armutsschere immer weiter auseinanderklafft.“
Das Schlusswort hatte dann nochmals der Bürgermeister, der auf die Forderung fast
aller Redner einging, mehr zu sparen: „Das zu fordern ist einfach. Wir haben aber nicht
einen einzigen konstruktiven Sparvorschlag dazu gehört.“ HC
Hier die Reden, die uns vorliegen, im Wortlaut:
Oliver Winter
Christian Stadler
Wolfgang Janeczka
Hier ein paar wichtige Zahlen: