Autodesign und "böser Blick" So aggressiv wirken moderne Autos 26.01.2017, 15:32 Uhr | t-online.de Freundliche oder neutrale Gesichter findet man bei heutigen Autos kaum noch. (Quelle: "Auto-Bild") Zusammengekniffene Augen, riesige Mäuler und Fenster wie Schießscharten: Das bedrohlich wirkende Design aktueller Autos ist Absicht - ein Design-Professor erklärt, wie es funktioniert. Mehr zum Thema • • • Die Neuheiten im Überblick: Autosalon Genf 2017 - das sind die Highlights Autodesign vs. Nutzwert: Schießscharten statt Rundumsicht Motor- und Auspuffsound: Pro und Contra - dürfen Autos laut sein? Hinter der aggressiven Formensprache steckt Prinzip, denn bei den Kunden scheint das Spiel mit den Muskeln gut anzukommen. Doch wie erreichen die Hersteller das bedrohliche Aussehen moderner Automodelle? Automobil-Design - das ist der "böse Blick" Die Zeitschrift "Auto-Bild" hat für die aktuelle Ausgabe den bösen Blick entschlüsselt. Dabei stützt sich die Analyse auf die Ergebnisse der Untersuchung von Paolo Tumminelli, die der Redaktion exklusiv vorliegen. Tumminelli ist Design-Professor und Direktor des "Goodbrands Institute for Automotive Culture". Er konzentriert sich für seinen Bericht auf die Frontpartie, die den Charakter eines Automobils wesentlich prägt. Tumminelli hat sieben Merkmale herausgearbeitet, die - allein oder in Kombination - aggressives Autodesign ausmachen. Mimikry in Blech "Die Autofronten sind so gestaltet, dass sie mit anderen Zeichen von Gefahr, Aggression oder Wut assoziiert werden", sagt "Auto-Bild"-Redakteur Matthias Moetsch. "Das können aufgerissene Mäuler bei Tieren genauso sein, wie eine wütende Mimik bei Menschen." Die Größe macht viel aus Das erste Prinzip ist die Größe, denn Stattlichkeit wirkt einschüchternd. Vor allem die Größe der Stirnfläche ist entscheidend für die Wirkung auf den Betrachter. Bei den derzeit beliebten SUV ist diese Eigenschaft besonders stark ausgeprägt. Der BMW i3 ist mit einem anderen Merkmal ausgestattet, das ihn gefährlich wirken lässt: Dach, Haube und Teile des Stoßfängers sind bewusst abgesetzt - es sieht aus, als trage das Auto eine schwarze Maske. Aufgerissene Mäuler Das schafft Distanz zum Fahrzeug, es wirkt bedrohlich. Ein weiteres Prinzip folgt der Natur: Verhalten sich Tiere angriffslustig, zeigen sie ihr Gebiss. Bei modernen Autos werden Kühlermasken immer größer, die Fahrzeuge machen also den Eindruck, als würden sie das Maul aufreißen. Auch die Pfeil-Symbolik zweier spitz zulaufender Linien findet sich auf der Front beinahe aller aktuellen Automodelle - sie steht für Schnelligkeit und Gefährlichkeit. Panzer-ähnlicher Aufbau Der Range Rover Evoque macht deutlich, welches Design Autos außerdem bedrohlich wirken lässt: ein hoher Grundkörper und relativ kleine Fenster. Mit den schmalen Sehschlitzen erinnert die Karosserie an die eines Panzers. Böse dreinblickende Scheinwerfer Zusammengekniffene Augen in Verbindung mit von unten nach oben verlaufenden Augenbrauen werden rund um den Globus als wütender Gesichtsausdruck verstanden. Autodesigner machen sich das Prinzip, wie beim Lexus RX, zunutze. Das letzte Merkmal, das Tumminelli definiert, ist der Ellenbogen: Ein schmaler Aufbau auf einem breiten Unterbau signalisiert Potenz und findet sich in der Formensprache vieler aktueller Pkw-Modelle wieder. Werden die Aggressionen weitergeleitet? Matthias Moetsch: "Dominanzgehabe gehört nicht auf die Straße - doch genau das vermittelt die Formensprache aktueller Automodelle. Gutes Design hingegen bringt das Wesen der Technik an die Oberfläche, gutes Design ist Kommunikation. Wir brauchen dringend wieder mehr Eleganz, Transparenz und Leichtigkeit!"
© Copyright 2024 ExpyDoc