Einfluss von Medikamenten auf die Leistung beim Schachspiel

Psychologie aktuell: Einfluss von Medikamenten auf die Leistung beim Schachspiel
26-01-17
Einfluss von Medikamenten auf die Leistung beim Schachspiel
Die Forscher gelangten zu folgendem überraschenden Ergebnis: Leistungsstarke, Turniere spielende
Schachspieler können ihre dafür erforderlichen hochkomplexen kognitiven Fähigkeiten durch die
Einnahme pharmakologischer Substanzen verbessern und damit mehr Schachpartien gewinnen es
sei denn, sie stehen unter Zeitdruck. Die Studienergebnisse sind nun in der Onlineausgabe der
Fachzeitschrift European Neuropsychopharmacology veröffentlicht.
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Wie werden hochkomplexe Gedankenprozesse durch die Einnahme von pharmakologischen
Substanzen verändert? Ist es möglich, diese Prozesse durch Substanzen wie Methylphenidat oder
Modafinil zu verbessern oder schwächen sie nicht gerade das kreative und hoch-konzentrierte
Denken? Diese und andere Fragen haben Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz in einer randomisierten Placebo-kontrollierten,
doppelblinden Studie untersucht. Die Forscher gelangten zu folgendem überraschenden Ergebnis:
Leistungsstarke, Turniere spielende Schachspieler können ihre dafür erforderlichen hochkomplexen
kognitiven Fähigkeiten durch die Einnahme der Substanzen verbessern und damit mehr
Schachpartien gewinnen es sei denn, sie stehen unter Zeitdruck. Die Studienergebnisse sind nun in
der Onlineausgabe der Fachzeitschrift European Neuropsychopharmacology veröffentlicht.
Schach eine Sportart, die hohe Konzentration sowie viel Kreativität erfordert und geistig sehr
anstrengend ist. Die Dauer einer Partie beträgt zwischen fünf und 60 Minuten beim Blitz- bzw.
Schnellschach und bis zu acht Stunden im normalen Schach. Während eines Turniers bzw. eines
Spiels lässt auch bei den besten Spielern die Leistungsfähigkeit zwischenzeitlich nach. Folglich
unterlaufen ihnen Fehler. Lässt sich dieser Prozess vermeiden oder zumindest verringern und zwar
so, dass die für das Schachspiel so wichtigen Komponenten Wachsamkeit, Konzentration,
strategisches Denken, Kreativität, Geduld und Zeit ausbalanciert sind? Ja, mit alten und bewährten
Methoden: Schlaf, Ernährung, Bewegung. Auch moderne Spitzenspieler wie Magnus Carlsen greifen
auf diese zurück. Doch würden auch moderne Methoden wie das oftmals als Hirndoping
bezeichnete medikamentöse Neuroenhancement ihn beim Schachspiel dazu befähigen, in Balance
länger konzentriert zu bleiben? Oder führt die Einnahme solcher Substanzen nicht eher zu einer
Schwächung des kreativen und höchst konzentrierten Denkens, das beim Schachspiel erforderlich
ist? Eine Frage, die auch sportpolitisch bedeutend ist, denn der Weltschachverband Fide hat den
Ehrgeiz, Schach olympisch zu machen, und das geht nur mit Dopingkontrollen. Zudem gilt nach den
Statuten des deutschen Innenministeriums Sport nur dann als Sport und somit als finanziell
förderungswürdig wenn bei den Aktiven Dopingkontrollen erfolgen.
Welchen positiven oder negativen Effekt die kognitiven Enhancer Methylphenidat, Modafinil oder aber
auch Koffein auf hochkomplexe kognitive Leistungen haben, untersuchten Wissenschaftler der
Universitätsmedizin Mainz an Turnier-Schachspielern. Die Leitung der an der Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz durchgeführten Studie hatten der Klinikdirektor
Univ.-Prof. Dr. Klaus Lieb und sein ehemaliger Mainzer Kollege Prof. Dr. Dr. Andreas G. Franke,
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Psychologie aktuell: Einfluss von Medikamenten auf die Leistung beim Schachspiel
mittlerweile Dekan der Fakultät für Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung an der Hochschule
Neubrandenburg. In ihrer Studie Methylphenidate, modafinil, and caffeine for cognitive enhancement
in chess: a double-blind, randomised controlled trial verglichen sie die Auswirkungen
verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Methylphenidat, Modafinil) mit den Auswirkungen des frei
erhältlichen Koffeins.
Für ihre Studie wählten die Forscher folgendes Design: In einer randomisierten, doppelblinden,
placebokontrollierten Studie erhielten 39 männliche Schachspieler an vier verschiedenen Tagen
entweder 2 × 200 mg Modafinil oder 2 × 20 mg Methylphenidat oder 2 × 200 mg Koffein oder
Placebos in einem 4 × 4-Crossover-Forschungsdesign. Sie spielten jeden Tag zwanzig 15-minütige
Spiele in zwei Sessions gegen ein an die individuelle Stärke der Spieler angepasstes
Schachprogramm (Fritz 12). Zudem absolvierten die Probanden neuropsychologische Tests.
Im Verlauf der Studie zeigte sich, dass die Schachspieler, denen zuvor entweder Methylphenidat,
Modafinil oder Koffein verabreicht wurde, überraschenderweise mehr Zeit zum Nachdenken über die
richtigen Züge benötigten als unter Placebo-Behandlung. Das wiederum führte dazu, dass sie bei
Betrachtung aller 3.059 analysierten Partien unter Stimulantien-Behandlung nicht mehr Spiele
gewannen als unter der Placebo-Behandlung. Wenn man jedoch nur die 2.876 Partien analysierte, die
innerhalb der 15 Minuten auch tatsächlich entschieden wurden, zeigte sich, dass die Probanden unter
Methylphenidat und Modafinil, nicht aber unter Koffein, mehr Partien gegen das Schachprogramm
gewannen als unter Placebo-Behandlung. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass
Schachspiel-Leistungen mit Methylphenidat und Modafinil verbessert werden können, wenn die
Spieler nicht unter Zeitdruck stehen bzw. in der Lage sind, sich ihre Zeit in den 15-minütigen
Kurzpartien gut einzuteilen.
Die Ergebnisse sind für die Wissenschaftler überraschend, da sie damit gerechnet hatten, dass
entsprechend der Literatur die pharmakologischen Substanzen eher zu einer Schwächung
hochkomplexer kognitiver Prozesse, wie sie auch beim Schachspiel benötigt werden, führen. Die
Ergebnisse zeigen erstmals, dass auch hochkomplexe kognitive Fähigkeiten, wie sie beim
Schachspiel nötig sind, durch Stimulantien verbessert werden können. Offenbar sind die Probanden
unter Stimulantieneinfluss eher in der Lage, Entscheidungsprozesse vertieft zu reflektieren , sagt
Studienleiter Andreas Franke.
Und Professor Lieb ergänzt: Die Studie war sehr aufwendig, ist gut kontrolliert und es haben alle 39
Probanden an allen Untersuchungen teilgenommen. Wir haben damit erste Hinweise, dass Doping im
Schachsport durch die Stimulantien Methylphenidat und Modafinil möglich ist. Allerdings müssen die
Studienergebnisse von anderen Arbeitsgruppen repliziert werden, bevor definitive Aussagen über das
Doping-Potential durch Stimulantien im Schachspiel gemacht werden können.
Wegen der Risiken und Nebenwirkungen insbesondere bei wiederholter Einnahme, und der für
Gesunde nicht erlaubten Einnahme der verschreibungspflichtigen Substanzen sowie aufgrund eines
unfairen Verhaltens beim Schachspiel, warnen die Autoren vor der Einnahme der Substanzen.
Darüber hinaus fordern sie die entsprechenden Stellen auf, konsequent Schritte für mehr
Doping-Kontrollen im professionellen Schachsport zu unternehmen.
Die Studie wurde von der Ethikkommission in Mainz genehmigt (Nr. 837.351.10(7360) und im
internationalen Studienregister www.clinicaltrials.gov unter der Nummer NCT01834547 registriert. Sie
wurde durch interne Forschungsmittel der Universitätsmedizin Mainz gefördert. Eine finanzielle
Unterstützung durch öffentliche Drittmittelgeber oder die pharmazeutische Industrie erfolgte nicht.
Weitere Informationen zur Originalstudie:
Franke, A. G.,et al.,Methylphenidate, modafinil and caffeine for cognitive enhancement in chess: A double- blind, randomized controlled trial.
European Neuropsychopharmacology (2017), dx.doi.org/10.1016/j.euroneuro.2017.01.006
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