für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes bin ich zutiefst

Exzellenz, lieber Herr Botschafter,
sehr geehrter Herr Staatssekreträr Kočok,
Exzellenzen, sehr geehrte Festgäste , meine Damen und Herren,
für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes bin ich zutiefst dankbar. Ich kann Ihnen gar
nicht sagen, wie tief mein Dank reicht. Nicht, dass es ein Problem der Sprache wäre, oder mir
einfach die Worte fehlten. Ich denke, dass es für den Musiker Jacky Händler und für den
Menschen Jacky Händler mit seiner ganz persönlichen Geschichte, den Begebenheiten wie
Begegnungen, den Widerfahrnissen wie Säumnissen, den Höhen und Tiefen seines Lebens
kaum Worte gibt und geben kann, die meine Dankbarkeit ausdrücken könnten. Ich sage das in
vollem Bewusstsein, ohne jedwede Rührseligkeit und ohne, wie ich hoffe, falsche
Bescheidenheit, aber: ich darf diese Auszeichnung dankend annehmen und Dank wie
Auszeichnung gleichzeitig weitergeben: An das, was mich bis heute prägt, ja durchtränkt und
an die Personen – Komponisten, Dirigenten, Musiker, Menschen –, die mich mit diesem
„Etwas“ durchtränkt haben.
Was ist aber dieses „Etwas“. Es in Worte zu fassen, ist beinah unmöglich und dennoch
müssen wir es versuchen. Ist es die Musik? Nun, ja, die Musik kommt ihm am nächsten, in
dem, was ich mit Paul Celan in der Weise der Poesie als „singbaren Rest“ bezeichnen darf. In
der Rede der Philosophie wird ihm wohl der Gedanke der Humanität am ehesten gerecht
werden.
„Singbarer Rest“ und Humanität haben gemeinsam, dass sie beide das Wort übersteigen und
dennoch des Wortes bedürfen, dass sie beide weniger in der Konzeption, d.h. der Theorie, als
vielmehr im Tun, d.h. in der Praxis sich verwirklichen, ohne dass die eine ohne die andere
existieren könnte. Beide sind strukturell verbindende, einander ergänzende Polaritäten.
Mein Leben und Musizieren ist zutiefst von Gegensätzlichkeiten dieser Art geprägt; von den
Kontrasten einer Geburt als Sohin jüdischer Eltern in einer Stadt, deren Geschichte das
Slawische mit dem Ungarischen und dem Deutschen zu verbinden wusste: Bratislava,
Poszony, Pressburg. Eine Stadt, einem Land, die der Verfinsterung durch den Nationalismus
und dem völkermordenden Terror der Nazis sowie den Abscheulichkeiten des Kommunismus
schließlich nicht hatten widerstehen können. Diese Geschichte und ihre Folgen mögen heute
vielleicht nach und nach in Vergessenheit geraten, doch sollten sie nicht vergessen werden,
denn, wenn wir um uns blicken, sehen wir sie tagtäglich wieder aufleben. Und je mehr wir
ihnen entgegenzusetzen versuchen, je mehr wir dieser Pflicht nachkommen wollen, desto
mehr müssen wir entdecken – das Böse ist nicht auszurotten, nicht aus den Völkern, nicht aus
der Menschheit; aus keinem von uns! Auf eine entsetzlich abgründige Weise ist es
„menschlich“.
„Wie hat das alles geschehen können?“, diese Frage stelle ich mir heute noch sehr oft; ich als
nicht unmittelbar durch das Geschehen in der ersten Hälfte der Vierzigerjahre des 20.
Jahrhunderts Heimgesuchter, aber sehr wohl unmittelbar von deren Auswirkungen
Betroffener. Und ich finde keine Antwort. Was ich finde, sind Hilfe und Trost! Was hilft, war
und ist bloß die Beharrlichkeit im Versuch; im Versuch, die ganze Wahrheit zu sehen, auf das
Gute zu hören und zu vertrauen und der ganzen Schönheit des Lebens gewahr zu werden. Und
sieht das Panorama da nicht gleich viel heller aus, sollte ich mich da nicht ebenso oft fragen:
„Wie ist es möglich, dass heute, knapp siebzig Jahre „danach“ ich hier stehe und als Bürger
der Bundesrepublik Deutschland sowie als Weltenbürger, weil Musiker, aus den Händen des
Botschafters eines geläuterten, europäischen, weil sich der Würde des Menschen schon in
seinem Grundgesetz verschriebenen Deutschlands eine Auszeichnung erhalte?“ Auf eine
wunderbare Weise ist auch das Gute „menschlich“. Diese Hilfe gefunden zu haben, tröstet.
Möglichkeit gegen Möglichkeit abzuwägen wäre wohl zu wenig. Sich der Umsetzung der
einen, der positiven Möglichkeit zu widmen und trotz aller persönlichen und kollektiven
Fehler und Probleme täglich nicht nachzulassen in dieser Bemühung, ist wohl der einzige
Anker, der bleibt: Dafür waren mir stets Vorbilder wichtig: die großen musikalischen
Schöpfer der Musikgeschichte sowie deren Interpreten. Bruno Walter ist ein - wenn auch
herausragendes - Beispiel dafür. In ihm vereinen sich „singbarer Rest“ und Humanität auf
eine geradezu kongeniale Art. In seinem Sinne weiterzuarbeiten, dafür ist diese Auszeichnung
Ansporn. Und dafür bin ich Ihnen aus ganzem Herzen dankbar. Dafür will ich Ihnen auch
ausdrücklich mit diesen ungenügenden Worten gedankt haben, ehe ich zu meinen Partituren
zurückkehre und mich dem „singbaren Rest“ widmen darf, der – wer weiß – sogar ins
Unsingbare führen wird. Von dieser Reise aus den Worten ins Unsagbare und aus dem
Unsagbaren in den „singbaren Rest“, von diesem „Lied der Lieder“ hat einer der großen
deutschen Dichter, Friedrich Hölderlin, geschrieben:
Singt den Jubel, Schwestern, Brüder,
Fest geschlungen, Hand in Hand!
Hand in Hand das Lied der Lieder,
Selig an der Liebe Band!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!