Bericht über mein Chirurgie-Tertial in Zaragoza, Spanien (WiSe 16/17)
Organisation des Tertials:
Meiner Meinung nach ist es eine tolle Möglichkeit einen Teil des Praktischen Jahres im
Ausland zu verbringen und ich kann es allen, die überlegen ins Ausland zu gehen nur sehr
empfehlen! Anfangs habe ich mich über verschiedene Länder informiert und überlegt mich
selbst um eine Praktikumsstelle zu kümmern. Am Ende habe ich mich für Spanien entschieden, da mich das Land sehr anspricht und es eine Chance für mich war, meine Spanischkenntnisse zu verbessern. Da sämtliche Universitäten mich als sogenannten „freemover“ nicht
aufnehmen wollten bzw. unglaubliche Summen verlangt haben, dafür dass ich das Praktikum
dort machen kann, habe ich mich entschlossen über Erasmus eine Möglichkeit zu finden nach
Spanien zu kommen. Meine Wahl fiel auf Zaragoza, da dies eine Erasmus-Partneruniversität
der LMU ist. Da ich in Alicante bereits ein Erasmus-Semester verbracht habe und gerne eine
neue Stadt kennenlernen wollte, in der „castellano“ gesprochen wird, blieb Zaragoza übrig.
Zuerst musste ich mich für ein Erasmus-Stipendium anmelden und das Auswahlverfahren
durchlaufen. Da man als PJ-Student nicht am normalen Semester teilnimmt, war es anfangs
schwierig den Spaniern klar zu machen, was man braucht. Aber am Ende hat es geklappt und
nachdem ich die Zusage für ein Tertial in der Chirurgie in Zaragoza erhalten habe, wurde ich
von Frau Lechner an Erasmus Praktikum weitergeleitet, die sich auch um die Stipendien von
PJ-Studenten kümmern. In Spanien war ich immatrikulierte Erasmus Studentin, wie es für das
PJ verlangt wird, während ich in Deutschland Erasmus-Praktikantin war. Aber bis auf mehr
Papierkram, der auf mich zukam, hat sich ansonsten nichts geändert. Von der ganzen Bürokratie sollte man sich auf keinen Fall entmutigen lassen! Es ist unglaublich wie viele Unterschriften und Dokumente verlangt werden, bis man endlich das Praktikum beginnen kann, aber am
Ende hat alles geklappt.
Ich habe mir von meinem Chirurgie-Tertial in Zaragoza erhofft einen Einblick in das große
Fach Chirurgie zu bekommen und zu sehen wie spanische Chirurgen arbeiten und welche
Aufgaben sie haben. Außerdem wollte ich das spanische Gesundheitssystem kennenlernen
und mit spanischen Medizinstudenten in Kontakt kommen, um einen Einblick in das spanische Medizinstudium zu erhalten.
All das habe ich am Ende meines Tertials gesehen und selbst erlebt.
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Anrechnung:
Als PJ-Studentin war ich für die Anrechnung an der LMU nicht auf Creditpoints angewiesen,
sondern habe lediglich die ausgefüllte PJ-Bescheinigung (unterschrieben von meinem Tutor in
Spanien) benötigt. Diese habe ich ohne Probleme am Ende meines Tertials erhalten.
Anmeldung in der Uni und Ablauf im Krankenhaus in Zaragoza:
In Zaragoza angekommen musste ich mich zuerst im Sekretariat bei María immatrikulieren.
Einige Tage später habe ich eine E-Mail mit der Einteilung der Praktika erhalten. In Zaragoza
gibt es insgesamt drei Krankenhäuser auf die die Studenten aufgeteilt werden. Das Krankenhaus „Hospital Universitario“ sowie das Krankenhaus „Hospital Miguel Servet“ liegen nahe
beieinander, sind beide relativ zentral gelegen, und nehmen die Mehrheit der Studenten auf,
während das „Hospital Militar“ etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt liegt. Leider erfährt
man erst zwei Tage vor Praktikumsbeginn in welchem Krankenhaus man das Praktikum
absolviert.
Ich war in der allgemeinen Chirurgie im Hospital Universitario (auch Hospital Clínico Universitario Lozano Blesa) eingeteilt und habe dort durch die unterschiedlichen Fächer rotiert.
Morgens um 8 Uhr begann der Tag immer mit einer Besprechung aller Chirurgen, wo Operationen des Vortags und Patienten besprochen wurden. Danach sind alle ihren Aufgaben des
Tages nachgegangen. Nur freitags gab es anstelle dieser Besprechung Vorträge der „Residentes“ (Assistenzärzte) über Themen ihres Operationsbereiches.
Ich war viel im OP-Saal und konnte oft bei den verschiedenen Operationen assistieren und
war steril mit am Tisch. Ab und zu habe ich auch unter Supervision eines Arztes die Wunden
nähen dürfen.
Außerdem habe ich die Ärzte in die chirurgischen Sprechstunden, ambulante Chirurgie oder
auf die Station begleitet und dort geholfen, Patienten zu untersuchen oder die Wundversorgung durchzuführen. Manchmal durfte ich auch die Assistenzärzte in die chirurgische Notfallambulanz begleiten, wo Patienten ambulant versorgt wurden.
Da ich bereits ein Tertial in Deutschland absolviert hatte, war mir das Arbeiten in einem
Krankenhaus nicht fremd und so habe ich mich schnell zurechtfinden können.
Die Ärzte waren stets bereit meine Fragen zu beantworten und sehr engagiert mir Neues zu
zeigen, sodass ich wenn ein Arzt nichts mehr für mich Interessantes gemacht hat mit einem
anderen mitgehen konnte. Ich habe gesehen wie der chirurgische Arbeitsalltag aussieht und
habe viel Neues gelernt. Mir wurde gezeigt wie ich Wundversorgung richtig durchführe, wie
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ich Patienten richtig untersuche (z.B. Untersuchung von Hernien), wie ich Wunden zu nähe,
welchen Faden ich wann verwende und vieles mehr.
Da die Spanier im letzten Jahr ihres Studiums auch Praktika haben, war ich eigentlich immer
mit anderen Studenten in den verschiedenen Einheiten eingeteilt und habe so schnell Freunde
gefunden. Wir haben zusammen die Pausen verbracht und ich habe viel über die Unterschiede
unseres Studiums gelernt.
Da ich bereits ein Semester mit Erasmus in Spanien verbracht habe, war ich mit den Abläufen
im spanischen Krankenhaus schon etwas vertraut und habe mir dort bereits gute Sprachkenntnisse aneignen können. Außerdem habe in den letzten Jahren regelmäßig an Spanischkursen
der LMU teilgenommen, um die Sprachkenntnisse nicht gleich wieder zu verlieren.
Wichtig ist, dass man sich im OP-Saal immer vorstellt. Wenn die Schwestern und Ärzte von
Anfang an wissen, dass man nicht aus Spanien kommt, reden sie oft langsamer und nehmen
Rücksicht.
Freizeitmöglichkeiten:
Für Erasmus Studenten wird viel über die beiden Organisationen AEGEE und ESN organisiert. Sowohl die Erasmus-Partys als auch Ausflüge, Sportevents oder längere Reisen. Hier
lernt man viele Studenten unterschiedlicher Studiengänge aus verschiedenen Ländern kennen.
Einheimische Studenten kennenzulernen gestaltet sich da schon etwas schwieriger. Da ich
meine Praktika zusammen mit spanischen Studenten absolviert habe, bin ich dadurch mit
vielen von ihnen ins Gespräch gekommen und habe dort Freunde gefunden.
Leider sind viele von ihnen im sechsten Jahr ihres Studiums bereits sehr im Stress und haben
jedes Wochenende Unterricht, da sie sich für ihre Abschlussprüfung vorbereiten müssen. Aber
wenn man die Möglichkeit hat lohnt es sich, sich an ein paar Spanier zu hängen! Und es ist
schon ein Erlebnis sich um ein Uhr nachts mit den Einheimischen zu treffen, damit man um
vier Uhr morgens gemeinsam aufbricht um das Nachtleben zu erkunden!
In Zaragoza waren eigentlich die meisten Studenten in einem Fitnessstudio angemeldet, da das
Wetter ab November nicht mehr dazu einlädt draußen Sport zu machen (es wird schnell kalt
und ist sehr windig). Wenn man sich also auch ein Fitnessstudio sucht läuft man sicher einigen seiner Kommilitonen über den Weg oder trifft andere Leute, mit denen man im Studio ins
Gespräch kommt und so kann man ziemlich schnell neue Kontakte knüpfen.
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Zaragoza ist auf den ersten Blick keine wunderschöne Stadt, hat aber wenn man sie besser
kennenlernt viele schöne Orte. Man muss durch die kleinen Gassen gehen um Hippe-Cafés,
urige Restaurants oder schöne spanische Plätze zu finden. In Zaragoza gibt es auch unglaublich viel Street Art, die man bei Spaziergängen durch die Stadt entdecken kann. Vor allem das
„Gancho“ ist bekannt für die zahlreichen Graffitis, die man tagsüber bestaunen kann. Nachts
sollte man das Viertel aber wenn man alleine unterwegs ist eher meiden.
Donnerstags herrscht ab 21 Uhr rund um die Calle Heroísmo immer tolle Stimmung. Dann
findet nämlich der sogenannte „Juepincho“ statt und es gibt in zahlreichen Bars und Kneipen
Tapas mit einem Getränk für zwei Euro. Hier sind vor allem die jungen Leute unterwegs und
treffen sich auf den Straßen.
Ein anderes tolles Erlebnis war es die Pilar-Woche Mitte Oktober in Zaragoza mitzuerleben.
Am 12. Oktober ist in Spanien Nationalfeiertag und die Leute in Zaragoza feiern ein „las
fiestas de Pilar“. Eine gesamte Woche rund um den 12. Oktober wird gefeiert und es gibt
zahlreiche Konzerte, Märkte, Straßenfeste und jeden Abend in einem anderen Viertel ein
Feuerwerk. Wenn man die Möglichkeit hat sollte man sich dieses Fest nicht entgehen lassen!
Auch zum Reisen hat Zaragoza eine tolle Ausgangslage. Nach Barcelona und Madrid kann
man mit dem Schnellzug AVE in 1,5 h reisen. Die Pyrenäen sind in der Nähe und auf jeden
Fall einen Besuch wert, da man hier ein ganz anderes Spanien sieht, mit hohen Bergen und
dichten Wäldern und wunderschönen Bergdörfer. Auch an der Atlantikküste lohnt sich ein
Besuch in den Städten Bilbao und San Sebastian.
Von der Uni werden auch zahlreiche Spanischkurse angeboten. Ich habe an einem Intensivkurs teilgenommen (3h/d über drei Wochen), den ich nur empfehlen kann. Er wurde über das
Semester verteilt insgesamt vier Mal angeboten und als Erasmus-Student bekam man für den
ersten Kurs etwas Rabatt.
Wohnungssuche:
Wohnungsanzeigen findet man unter anderem auf der Website „www.easypiso.com“ sowie
auf der Universitätsseite „https://alojamiento.unizar.es/alojamientos“. Außerdem gibt es
zahlreiche Aushänge auf dem Campusgelände, wo Wohnungen angeboten werden.
Die Zimmersuche hat sich schwieriger gestaltet als erwartet. Es gab zwar unglaublich viele
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freie Wohnungen und Zimmer aber die Vermieter haben alle Mieter für mindestens ein Jahr
gesucht und wollten dies auch mit einem Vertrag festhalten. Nach längerer Suche habe ich
dann aber doch ein Zimmer in der Nähe des „Plaza de San Francisco“ gefunden. Der Preis lag
weit unter dem, den man in München zahlen würde und die Lage kann ich für diejenigen, die
ebenfalls regelmäßig im Krankenhaus arbeiten nur empfehlen (von Tür zu Tür war ich 10
Minuten unterwegs).
Da in Spanien eigentlich alles über WhatsApp (Verabredungen, Wohnungsbesichtigen uvm.)
besprochen wird ist es sinnvoll sich möglichst bald eine spanische Sim-Karte zu besorgen. Ich
habe mir eine Karte von Lebara gekauft, wo man individuell entscheiden kann, welches
Datenvolumen möchte und ob man auch Freiminuten braucht.
Mir hat das Leben in Spanien sehr gut gefallen. Alles ist lauter und lebendiger. Wenn auch die
Ladenöffnungszeiten ein bisschen gewöhnungsbedürftig sind (von 14-17 Uhr hat alles zu)
aber wenn man sich mal dem spanischen Rhythmus angepasst hat, gewöhnt man sich schnell
daran.
Ich habe viele neue liebenswerte Menschen kennengelernt. Vor allem hat es mir sehr gefallen
in einem Krankenhaus in Spanien so gut integriert zu sein und sich in einer anderen Sprache
über mein Studienfach auszutauschen. Es war eine schöne Erfahrung die Pausen mit meinen
spanischen Kommilitonen zu verbringen (gleich morgens wird der Tag mit einem Cortado
gestartet) und von ihnen als gleichwertige Studentin akzeptiert zu sein.
Dadurch, dass ich den ganzen Tag von Spaniern umgeben war habe ich sehr viel Spanisch
sprechen können und meine Sprachkenntnisse verbessert.
Durch das Praktikum habe ich ein anderes System kennengelernt und gesehen mit welchen
Problemen spanische Studenten konfrontiert sind. Viele finden nach einem hervorragenden
Studium keine Arbeit. Das war mir in diesem Ausmaß nicht bewusst.
Ich kann die Erfahrung ein Teil des Praktischen Jahres im Ausland zu verbringen nur empfehlen und war sehr zufrieden mit meiner Entscheidung nach Spanien zu gehen. Es ist eine tolle
Möglichkeit sich nicht nur fachlich sondern auch sprachlich neue Kompetenzen anzueignen.
Ich habe viele tolle Leute kennengelernt und einen Einblick erhalten in den Ablauf des spanischen Klinikalltags sowie in die spanische Kultur und Lebensweise, von der Ruhe und Gelassenheit man sich manchmal ein Beispiel nehmen sollte.
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