Freiheit im Beruf NACHRICHTEN denzen entgegenzuwirken, Motivation und Engagement zu fördern, berufliche Freiheit und Freiberuflichkeit zu sichern! Krankenhausfinanzierung: Ärzteschaft erneut ausgeschaltet Angesichts der in den letzten 50 Jahren eingetretenen Relationsverschiebungen in der Ärzteschaft, die an Zahlenbeispielen belegt wurden, der Verlagerung großer ärztlicher Tätigkeitsgebiete in das Krankenhaus und damit in einen tarifgebundenen Bereich, aber auch angesichts der Tatsache, daß eine rasch zunehmende Zahl weiterer „Gesundheitsberufe" die heutigen Inhalte von beruflicher Freiheit und Freiberuflichkeit nachhaltig verändern könnte, sollten auch andere freie Berufe die daraus möglicherweise für ihre eigene Existenz resultierenden Folgen erkennen und sich gemeinsam mit den Ärzten unter stärkerer Besinnung die alle freien Berufe verbindenden, tragenden Fundamente in ihr Bewußtsein zurückrufen. Auf diese Weise werden sie nicht nur einen Beitrag zur Sicherung ihrer eigenen Existenz leisten, sondern darüber hinaus die Grundlagen unserer pluralistischen, freiheitlich-demokratischen Grundordnung nachhaltig festigen. Ähnlich unzufrieden wie Krankenkassenspitzenverbände und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) — allerdings mit umgekehrten Vorzeichen — hat sich die Bundesärztekammer zu der vom Deutschen Bundestag (am 20. März) verabschiedeten Novelle zum Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), Bundestagsdrucksache 8/2067, geäußert. In einem detaillierten Protestbrief an die Bundesratsmitglieder hat der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Karsten Vilmar, noch vor dem zweiten Durchgang im Bundesrat am 18. April darüber geklagt, daß die Mitentscheidung und Verantwortung für die Krankenhausfinanzierung und -bedarfsplanung weitgehend den gesetzlichen und privaten Krankenkassen, den Trägern der Krankenhäuser, deren Bundes- und Landesverbände sowie den Bundesländern übertragen werden soll. Die Ärzteschaft, die von den Regulativen dieses Gesetzes in erster Linie mitbetroffen würde, liefe einmal mehr Gefahr, ausgeschlossen zu bleiben. Dr. med. Karsten Vilmar Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal) Bundesärztekammer Die veranstaltete im März ein Symposium „Freiheit im Beruf", zu dem Politiker, Wissenschaftler, Publizisten und Vertreter der Freien Berufe beitrugen. Der Präsident der Bundesärztekammer behandelte dabei das Thema aus Sicht des ärztlichen Berufes. 1092 Heft 17 vom 24. April 1980 Der Ärztekammerpräsident bejaht zwar die Zielsetzung des neuen Gesetzes, soweit damit die Wirtschaftlichkeit im Krankenhauswesen gefördert und die Bedarfsplanung — unter unmittelbarer und entscheidender Mitwirkung der Ärzteschaft — verbessert werden kann, die Bundestagsbeschlüsse beinhalten seiner Ansicht nach dazu aber wenig Konkretes. Die KHG-Novelle trage zudem nicht hinreichend der Tatsache Rechnung, daß sich ökonomische Gesetze und gesamtwirtschaftliche Orientierungsgrößen nicht einfach auf die besonderen Kostenstrukturen im Gesundheits- und Krankenhauswesen übertragen ließen. Trotz verbaler Beteuerungen von amtlicher Seite sieht Vilmar im Gleichklang mit den Krankenhausträgern nicht gewährleistet, daß DEUTSCHES ARZTEBL ATT das erst 1972 gesetzlich festgeschriebene Prinzip der vollen Kostendeckung der ärztlich-medizinisch notwendigen und wirtschaftlich vertretbaren Kosten des einzelnen Krankenhauses durch den vorgegebenen Finanzierungsrahmen und die gesetzlichen Grundlagen garantiert wird. Insbesondere sei überhaupt noch nicht absehbar, wie sich der (begrüßenswerterweise) aufgehobene sogenannte Halbierungserlaß (volle Kostenübernahme bei Unterbringung und Behandlung psychisch Kranker durch Sozialhilfeträger und Krankenkassen) auf die fortgesetzt angespannte Haushaltslage des Bundes und der Kostenträger auswirken wird. Für ebenso „absolut unvertretbar" hält die Bundesärztekammer solche Regelungen, die „maßgebliche Organisationsentscheidungen" auf dem Gebiet der Krankenversorgung ausschließlich an Behörden sowie an Krankenhausund Kostenträger übertragen. Diese Macht- und Kompetenzverschiebung ließe sich, so Vilmar, auch nicht mit dem Hinweis der Länderzuständigkeiten und dem beabsichtigten „Ausbau" der Selbstverwaltung bemänteln. Da in erster Linie die Ärzte für eine ordnungsgemäße stationäre Krankenversorgung nicht nur moralisch, sondern auch juristisch und organisatorisch verantwortlich seien, sei es folgenotwendig, diese Berufsgruppe oder deren öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen an allen krankenhausrelevanten Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene unmittelbar und sachkompetent mitwirken und mitentscheiden zu lassen. Insbesondere fordert die Bundesärztekammer (BÄK) eine Mitentscheidung der Landesärztekammern beim Aufstellen der Krankenhausbedarfspläne der Länder; zumindest seien diese in die beabsichtigte enge Zusammenarbeit zwischen den Verbänden der Krankenhausträger und Kostenträger einzubeziehen. Ferner sollten sich die Kompetenzen der Ärzteschaft auch auf die Aufstellung der Inve- NACHRICHTEN stitionsprogramme der Länder, die Abstimmung von Planungsgrundsätzen auf Bundesebene und die Mitentscheidung der Bundesärztekammer bei der Erarbeitung gemeinsamer bundesweiter Empfehlungen für die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser (insbesondere für Personal- und Sachkosten) erstrecken. Um dem ärztlichen Sachverstand mehr Gewicht zu verleihen, sollte die Zahl der Mitglieder im Beirat für Krankenhausfragen (§ 36 KHG-Novelle) auf 15 Personen (nicht wie geplant auf 25) beschränkt werden. Auch das BÄK-Petitum, Eingriffe der Landesbehörden in das Weiterbildungsrecht der Ärzte (§ 6 Absatz 3 und 9 Absatz 4) zu unterbinden, ist in der KHG-Novelle praktisch überhaupt nicht berücksichtigt worden. Statt gesetzliche Zwänge zu verstärken, sollten die Kräfte der „Selbststeuerung und Selbstverwaltung" aktiviert werden. Bereits jetzt gebe es wirksame AKsprachen zwischen ärztlichen Organisationen und Verbänden mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die Weiterbildung insbesondere von Allgemeinärzten nachhaltig zu fördern. Verfassungsrechtlich problematisch sei die in § 5 Absatz 3 Nr. 5 vorgesehene Vorschrift, die Weiterbildung zur Aufgabe des Krankenhauses zu machen. Die Bundesärztekammer verweist darauf, daß nur die von der Ärztekammer zur Weiterbildung ermächtigten, erfahrenen Krankenhausärzte dazu befugt seien. Vilmar ergänzte diese an den Bundesrat gerichtete Protestresolution durch einen ebenso geharnischten Brief an den nordrheinwestfälischen Arbeits- und Sozialminister, Prof. Friedhelm Farthmann. In dem Schreiben kritisiert der Ärztepräsident die jüngsten Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom 19./20. März in Bad Salzuflen. Den für das Gesundheitswesen zuständigen Ministern und Senatoren der Län- Sozialleistungen: Wer zahlt? Die Finanzierung der Sozialleistungen in der Europäischen Gemeinschaft (1980, in Prozent der Gesamteinnahmen ') Zahlungen der öffentlichen Hand Beiträge der Arbeitgeber Dänemark 62 Irland . Belgien Bundesrepublik Deutschland Italien Niederlande Frankreich EG insgesamt 16 42 Großbritannien Luxemburg 82111101 • lig 121 33 30 25 22 18 16 26 47 61 Schatzung; Rest: ` ermögenserträge oder sonstige Einnahmen: Quelle, EG-Nomml.,Mo iwd Die Systeme der sozialen Sicherung in der Europäischen Gemeinschaft (EG) werden von Mitgliedsland zu Mitgliedsland höchst unterschiedlich finanziert. Während in den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten die Mittel in erster Linie durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber aufgebracht werden, der Staatsbeitrag aber nur subsidiär ist, werden die Sozialleistungen der „Neuen" teilweise aus erheblichen öffentlichen Mitteln bestritten. So werden in Dänemark fast 82 Prozent der Sozialleistungen, in Irland 62 Prozent und in Großbritannien immerhin noch 42 Prozent über Steuern finanziert. Dabei liegt die Abgabenquote, das heißt die persönliche Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern, gemessen am Bruttosozialprodukt, in den Niederlanden mit 49,9 Prozent am höchsten. Es folgen Belgien mit 42,4, Frankreich mit 40,8 Prozent, die Bundesrepublik Deutschland mit 39 und Großbritannien mit 34,2 Prozent. Die übrigen Staaten der Europäischen Gemeinschaft folgen in der Reihe dichtauf iwd/DÄ der wirft Vilmar vor, sie hätten sich „auf einfache Weise der Verantwortung entledigt", die längst überfälligen neuen Anhaltszahlen für die Ausstattung der Krankenhäuser mit Ärzten und anderen Fachkräften bundeseinheitlich zu dekretieren. Nach „bewährtem Muster" soll die Ärzteschaft erneut ausgebootet werden. Die GMK habe nämlich Krankenhausträger und Krankenkassen aufgefordert, sich über ein neues Personalberechnungsverfahren (PBBV) zu einigen, obwohl jeder Kundige wisse, daß diese bereits seit Jahren ergebnislos um dieses brisante Thema rangelten. HC In einem Satz Apothekengesetz — Die Novelle zum Apothekengesetz sieht vor, daß Apotheken künftig nur dann betrieben werden dürfen, wenn der Apotheker eine zweijährige Praxis in einer Apotheke absolviert hat. EB Heilverfahren — Die Zahl der Heilverfahren bei den Rentenversicherungsträgern und den gesetzlichen Krankenkassen hat sich nach Angaben des Deutschen Bäderverbandes, Bonn, 1979 im Vergleich zum Vorjahr um rund sieben Prozent erhöht. DÄ DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 vom 24. April 1980 1093
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