PROGRAMM 29.01. 2017 15.30 Uhr Benefizkonzert „Ein pasticcio zum Herkommen der Geflüchteten“ in der Klosterkirche St. Ottilien mit Werken von Johann Sebastian Bach (1685-1750) Projektchor LL-Ost FFB-West Mediziner Barockorchester München Leitung: Christoph Hanelt Prediger: Dekan Stefan Reimers Schirmherrschaft: Dr. Thomas Goppel MdL, Präsident des Bayerischen Musikrats Eintritt frei – Spenden erbeten Werke und Mitwirkende Verwendete Werke Motette „Der Gerechte kommt um“ (ohne BWV), Kantaten BWV 39 & BWV 164, Motette BWV 226 - III. Choral Solisten Caroline Adler, Sarah Newman Clara Horbach, Hana Katsenes Johann Winzer Florian Dengler Sopran Alt Tenor Bass Projektchor LL-Ost FFB-West Regina Schnell | Einstudierung und Cembalo Mediziner Barockorchester München Benjamin Trautz | Organisation Leitung Christoph Hanelt Prediger Dekan Stefan Reimers Evangelisch-Lutherisches Dekanat Fürstenfeldbruck Schirmherrschaft Dr. Thomas Goppel MdL, Staatsminister a.D., Präsident des Bayerischen Musikrats Förderung syrischer Flüchtlinge im Libanon Seit es Menschen gibt, sind sie in Bewegung. Das Volk Israel verlässt Ägypten, die Germanen brechen im Zug der Völkerwanderung ins Römische Reich ein, im 19. Jahrhundert wandern Tausende nach Amerika aus. Immer auf der Flucht vor Not und Krieg oder auf der Suche nach der Erfüllung einer Hoffnung und einem glücklichen Leben in Frieden. Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 in Europa engagieren sich Klöster der Kongregation von St. Ottilien bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen. Hier möchten die Missionsbenediktiner mit ihren Möglichkeiten helfen und wenigstens einem kleinen Teil dieser Flüchtlinge Hoffnung geben und Perspektiven eröffnen. Die meisten Flüchtlinge jedoch, die vor bewaffneten Konflik- ten fliehen, wie z.B. in Syrien oder im Südsudan, bleiben in ihrer Region, wo sie im Gegensatz zu denen, die es nach Europa geschafft haben, in schwierigen Verhältnissen leben müssen. Unsere Kongregation will sich jetzt auch verstärkt für die Flüchtlinge dort in den Grenzgebieten und in den großen Flüchtlingscamps einsetzen. In einem ersten Projekt arbeiten wir mit der Ordensgemeinschaft der Basilianer Salvatorianern im Libanon zusammen. Sie bauen ein Berufsschulzentrum in der Bekaa-Ebene auf, nahe der syrischen Grenze, wo Lehrgänge angeboten werden, um berufliche Grundlagen zu vermitteln, z.B. in EDV, Automechanik und -elektronik oder im Schneiderhandwerk. Wir Missionsbenediktiner beteiligen uns an diesem Projekt, um auf diese Weise junge Menschen, vor allem auch Frauen, zu unterstützen, damit sie einen Beruf ergreifen können, um selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen und sich so eine Zukunft aufzubauen. Mit dieser Hilfe sollen die Menschen auch ermutigt werden, in der Region zu bleiben, bis sich die Lage in ihren Heimatländern hoffentlich einmal beruhigt hat und sie sich nicht auf den lebensgefährlichen und ungewissen Weg nach Europa durchschlagen müssen, um zu überleben. St. Ottilien, den 1. Dezember 2016 P. Maurus Blommer OSB (Missionsprokurator) Die Entstehung des Pasticcios im Kontext der Zeitgeschichte Anlass für das Projekt waren und sind die verbalen wie tätlichen Ausschreitungen gegen notleidende Geflüchtete. Das Konzert reiht sich ein in die Kette bürgerschaftlichen Engagements, welche seit „dem Herkommen der Geflüchteten“ eine in ihrer Stärke vielleicht unerwartet positive Seite unseres Landes zum Vorschein gebracht hat. Einerseits diese weiter zu bestärken, andererseits „Wutbürgern“ und selbsternannten „Verteidigern“ des christlichen Abendlandes den ideologischen Wind aus den Segeln zu nehmen, wie die ideelle Honorierung der großartigen Arbeit der vielen ehrenamtlichen Helfer unsererLandkreise, ist Ziel und Sinn des Projektes. Ein Pasticcio (vom italienischen Wort für „Pastete“) bezeichnet eine eigens kreierte Zusammenstellung von Opern- beziehungsweise, wie in unserem Fall, kirchenmusikalischen Stücken. Aus den Bestandteilen zweier Kantaten und Motetten von Johann Sebastian Bach wurde ein musikalisches Großwerk, ähnlich den großen Oratorien, zusammen gestellt, welches mittels der Sprachgewalt altabendländischer Texte und der nicht minder eindringlichen Zitaten aus der Heilgen Schrift unser Zeitgeschehen aus der Perspektive des gläubigen Individuums reflektiert und auf kompromisslose Weise stellvertretend für den Christen im Heute Stellung bezieht. Diese wie in Stein gemeißelten, noch voraufklärerischen Texte des 17. Jahrhunderts, aus der Ursuppe dessen, was heute gemeinhin als christlich-abendländisch verstanden wird, geadelt mit der abendländischen Autorität des vertonenden Komponisten, Johann Sebastian Bach, zeigen die Diskrepanz zwischen den selbsternannten Verteidigern des christlichen Abendlandes und dem Gegenstand ihrer Verteidigung auf. Im Anklang an die lebendige Tradition der evangelisch-lutherischen Kantaten-/Oratorienpredigten im Gottesdienst wird der Akt der Verkündigung durch des nach bachschem Geist symmetrisch aufgebauten Pasticcios zwischen seinen zwei Teilen von jeweils sieben Sätzen um eine Pre- digt ergänzt. So wie es bereits zu Bachs Zeiten bei Kantaten und Oratorien der Fall war. Die Sänger des „Projektchores LL-Ost FFB-West“ rekrutieren sich über zwei Landkreise konfessionsübergreifend aus kirchlichen und aus weltlichen Chören von Fürstenfeldbruck über Moorenweis bis nach Hausen bei Geltendorf. Das „Mediziner Barockorchester München“ besteht vorrangig aus Münchener Medizinstudenten, welches in dieser Formation zu diesem Projekt erstmalig antritt. Das regionalübergreifende Musizieren von Menschen unterschiedlichster Couleur und Alters setzt das mosaikhafte das Pasticcio-Prinzips auch in der Besetzung fort und trägt die Relevanz von alten christlichen Werten und deren politische Bedeutung für das Heute und im tieferen Sinne, die herausfordernde Zumutung welche das Evangelium an jeden Einzelnen stellt, mit in den öffentlichen Raum. So bittet der Tenor für alle stellvertretend in einem Rezitativ durch die Worte des Barockdichters Salomo Franck und die Töne Johann Sebastian Bachs: […] Dass ich die wahre Christenliebe / Mein Heiland, täglich übe / Dass meines Nächsten Wehe / Er sei auch, wer er ist / Freund oder Feind / Heid oder Christ / Mir als mein eignes Leid zu Herzen allzeit gehe! / […] Die Musik meines Vaters hat höhere Absichten, sie soll nicht das Ohr füllen, sondern das Herz in Bewegung setzen. Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) 1. Chorus J. Kuhnau/J.S. Bach: Motette, Der Gerechte kommt um (ohne BWV Nr.) Der Gerechte kommt um, Und niemand ist, der es zu Herzen nehme; Und heilige Leute werden aufgerafft, Und niemand achtet drauf. Denn die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück; Und die richtig vor sich gewandelt haben, Kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern. (Jesaja 57,1-2, ca. 800-700 v. Chr.) Über dem Seufzen und Ächzen der Instrumente türmt sich das Klagen des Chores. Bei dem Wort „Frieden“ stoppt die Musik in einem dissonanten, unaufgelösten Akkord. Man würde eine „wohlige“ Harmonie bei „zum Frieden kommen“ erwarten. Die Musik kommentiert hier bewusst „gegen“ den Text. 2. Aria Tenor J.S. Bach: Kantate BWV 164, Nr. 1 Ihr, die ihr euch von Christo nennet, Wo bleibet die Barmherzigkeit, Daran man Christi Glieder kennet? Sie ist von euch, ach, allzu weit. Die Herzen sollten liebreich sein, So sind sie härter als ein Stein. (Evangelisches Andachts-Opffer, Salomon Franck 1715) Eine direkt Anklage - Wut, Aggression, Empörung stecken in der Gesangsmelodie des Tenors. Der Tenor ist die Stimme des Predigers und Evangelisten. Streicher stehen bei Bach für Christus und versinnbildlichen in der Arie den aufgewühlten Affekt. Christus selbst scheint durch die Streicher symbolisiert aufgebracht. 3. Recitativo Bass J.S. Bach: Kantate BWV 164, Nr. 2 Wir hören zwar, was selbst die Liebe spricht: Die mit Barmherzigkeit den Nächsten hier umfangen Die sollen vor Gericht Barmherzigkeit erlangen. Jedoch, wir achten solches nicht! Wir hören noch des Nächsten Seufzer an! Er klopft an unser Herz; doch wirds nicht aufgetan! Wir sehen zwar sein Händeringen, Sein Auge, das von Tränen fleußt; Doch lässt das Herz sich nicht zur Liebe zwingen. Der Priester und Levit, Der hier zur Seite tritt, Sind ja ein Bild liebloser Christen; Sie tun, als wenn sie nichts von fremdem Elend wüssten, Sie gießen weder Öl noch Wein Ins Nächsten Wunden ein. (Evangelisches Andachts-Opffer, Salomon Franck 1715) 4. Aria Alt J.S. Bach: Kantate BWV 164, Nr. 3 Nur durch Lieb und durch Erbarmen Werden wir Gott selber gleich. Samaritergleiche Herzen Lassen fremden Schmerz sich schmerzen Und sind an Erbarmung reich. (Evangelisches Andachts-Opffer, Salomon Franck 1715) 5. Recitativo Tenor J.S. Bach: Kantate BWV 164, Nr. 4 Ach, schmelze doch durch deinen Liebesstrahl Des kalten Herzens Stahl, Dass ich die wahre Christenliebe, Mein Heiland, täglich übe, Dass meines Nächsten Wehe, Er sei auch, wer er ist, Freund oder Feind, Heid oder Christ, Mir als mein eignes Leid zu Herzen allzeit gehe! Mein Herz sei liebreich, sanft und mild, So wird in mir verklärt dein Ebenbild. (Evangelisches Andachts-Opffer, Salomon Franck 1715) 6. Aria (Duetto) Sopran und Bass J.S. Bach: Kantate BWV 164, Nr. 5 Händen, die sich nicht verschließen, Wird der Himmel aufgetan. Augen, die mitleidend fließen, Sieht der Heiland gnädig an. Herzen, die nach Liebe streben, Will Gott selbst sein Herze geben. (Evangelisches Andachts-Opffer, Salomon Franck 1715) „So wird in mir verklärt dein Ebenbild.“ - Die Bitte des Tenors wird erhört. Flöten (leibliche Mensch), Oboen (seelische Mensch), Streicher (Christus) werden eins, indem sie „ebenbildlich“ im Kanon zum Bass die gleiche Stimme spielen. Sopran (Seele) und Bass (Christus) singen „ebenbildlich“ im Kanon. 7. Choral J.S. Bach: Kantate BWV 164, Nr. 6 Ertöt uns durch dein Güte, Erweck uns durch dein Gnad! Den alten Menschen kränke, Dass der neu‘ leben mag Wohl hier auf dieser Erden, Den Sinn und all Begehrden Und Gdanken habn zu dir. (2. Strophe - Herr Christi, der einig Gottes Sohn Elisabeth Creutziger 1524) Der Choral steht repräsentativ als Antwort der Gemeinde auf das Gehörte PREDIGT Föten stehen für den leiblichen Menschen. Die Melodik der beiden Flöten lässt zwei sich in „Lieb und Erbarmen“ zugewandte Menschen erahnen 8. Chorus J.S. Bach: Kantate BWV 39, Nr. 1 Brich dem Hungrigen dein Brot und die, so in Elend sind, führe ins Haus! So du einen nackend siehest, so kleide ihn und entzeuch dich nicht von deinem Fleisch. Alsdenn wird dein Licht herfürbrechen wie die Morgenröte, und deine Besserung wird schnell wachsen, und deine Gerechtigkeit wird für dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird dich zu sich nehmen. (Jesaja 58,7-8, ca. 800-700 v.Chr.) 9. Recitativo Bass J.S. Bach: Kantate BWV 39, Nr. 2 Der reiche Gott wirft seinen Überfluss Auf uns, die wir ohn ihn auch nicht den Odem haben. Sein ist es, was wir sind; er gibt nur den Genuss, Doch nicht, dass uns allein Nur seine Schätze laben. Sie sind der Probestein, Wodurch er macht bekannt, Dass er der Armut auch die Notdurft ausgespendet, Als er mit milder Hand, Was jener nötig ist, uns reichlich zugewendet. Wir sollen ihm für sein gelehntes Gut Die Zinsen nicht in seine Scheuren bringen; Barmherzigkeit, die auf dem Nächsten ruht, Kann mehr als alle Gab ihm an das Herze dringen. (Unbekannt 1726) Geste des Brotbrechens und Herumreichens im „Orchestervorspiel“. Jeder Vers wir einzeln seinem Affekt nach musikalisch ausgedeutet. 10. Aria Alt J.S. Bach: Kantate BWV 39, Nr. 3 Seinem Schöpfer noch auf Erden Nur im Schatten ähnlich werden, Ist im Vorschmack selig sein. Sein Erbarmen nachzuahmen, Streuet hier des Segens Samen, Den wir dorten bringen ein. (Unbekannt 1726) Violine (Christus) und Oboe (Mensch) umspielen, imitieren sich und beschreiben den besungenen Vorgeschmack von Seligkeit. 11. Aria Bass J.S. Bach: Kantate BWV 39, Nr. 4 Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl. (Hebräer 13,16, ca. 80-90 n. Chr.) Bass (Christus) rezitiert, meditiert den Vers aus unterschiedlichen Perspektiven bei denen die Betonung mal beim einen und mal beim anderen Wort liegt. 12. Aria Sopran J.S. Bach: Kantate BWV 39, Nr. 5 Höchster, was ich habe, Ist nur deine Gabe. Wenn vor deinem Angesicht Ich schon mit dem meinen Dankbar wollt erscheinen, Willt du doch kein Opfer nicht. (Unbekannt 1726) 13. Recitativo Alt J.S. Bach: Kantate BWV 39, Nr. 6 Wie soll ich dir, o Herr, denn sattsamlich vergelten, Was du an Leib und Seel mir hast zugutgetan? Ja, was ich noch empfang, und solches gar nicht selten, Weil ich mich jede Stund noch deiner rühmen kann? Ich hab nichts als den Geist, dir eigen zu ergeben, Dem Nächsten die Begierd, dass ich ihm dienstbar werd, Der Armut, was du mir gegönnt in diesem Leben, Und, wenn es dir gefällt, den schwachen Leib der Erd. Ich bringe, was ich kann, Herr, lass es dir behagen, Dass ich, was du versprichst, auch einst davon mög tragen. (Unbekannt 1726) 14. Choral aus der Motette BWV 226 Du heilige Brunst, süßer Trost, nun hilft uns fröhlich und getrost in dein‘m Dienst beständig bleiben, die Trübsal uns nicht abtreiben! O Herr, durch dein Kraft uns bereit und stärk des Fleisches Blödigkeit, daß wir hier ritterlich ringen durch Tod und Leben zu dir dringen. Halleluja, halleluja! (3. Strophe – Komm, Heiliger Geist, Herre Gott Martin Luther 1524) Missionsprokura der Erzabtei St. Ottilien Bauer A Hieber h en Ihr Notenspezialist Wieder ein Gemeindechoral - als Schlussbitte für das Pasticcio. Münc
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