Achtung,Landesverrat! - Migros

MENSCHEN | MM3, 16.1.2017 | 13
E
Bänz Friedli
Achtung, Landesverrat!
«Es ist untersagt, zum Lüften die Fenster
zu öffnen.» Der Satz will mir nicht aus dem
Kopf, wobei ich mir nicht mehr ganz sicher
bin, wo ich das Schild gesehen habe. Mir ist,
es sei in Villmergen gewesen, im Aargau.
Oder sonst in einem Mehrzweckgebäude,
einem Kirchgemeindehaus, einer Schul- und
Sportanlage irgendwo im Land.
Nicht nur absurd, sondern bezeichnend,
dieses Verbot, mögen Sie denken – eine
Metapher gleichsam für den Kleingeist, die
Enge des Landes, fürs Gefangensein, den
Mangel an Ausblick, an frischer Luft. Doch
wir sind mit solch stupiden Vorschriften
nicht allein. Der Tod sei «keinesfalls als
dauernde Berufsunfähigkeit anzusehen»,
teilte etwa das deutsche Bundesfinanzministerium im «Bundessteuerblatt» offiziell mit.
Und Mecklenburg-Vorpommern hat ein
Landesseilbahngesetz, weil gemäss einer
Richtlinie der EU täglich eine Busse von bis
zu 791 000 Euro gedroht hätte, wäre es nicht
erlassen worden. Nur: Es gibt im ganzen
Bundesland keine einzige Seilbahn.
Bänz Friedli (51)
muss die Stirn
runzeln.
Und dann natürlich die Amis! Im US-Staat
Washington ist es unter allen Umständen
verboten, mit einer Jungfrau Sex zu haben,
Hochzeitsnacht inklusive. In Italien? Besagt
ein Warnschild am Lago di Bracciano, es sei
absolut verboten, «auf der Wasseroberfläche
zu gehen». Wenn das Jesus wüsste! Die Eng-
länder sind auch nicht besser: Briefmarken
mit dem Antlitz der Königin verkehrt auf
ein Couvert zu kleben – also so, dass Ihro
Majestät auf dem Kopf steht –, wird als
Landesverrat geahndet. Und weil der Westminster-Palast in London, wo heute das Parlament tagt, einst königliche Residenz war,
steht noch immer jedem, der dort verstirbt,
ein Staatsbegräbnis zu. Im Prinzip. Allerdings
ist es streng verboten, im Westminster-Palast
zu sterben. Zuwiderhandelnde – Sie, das ist
schon vorgekommen! – werden husch, husch
aus dem Gebäude geschafft, bevor die Sterbeurkunde ausgestellt werden darf. Oh ja, sie
spinnen, die Engländer. Nur eben: Wir sind
nicht besser. Der Kanton Zürich bestrafte
einen Hobbyfischer, der einen gefangenen
Hecht wieder in den Greifensee und also in
die Freiheit entlassen hatte – Verstoss gegen
die Tierschutzverordnung.
Und ein Haushaltratgeber glänzt mit dem
Tipp: «Tränende Augen beim Schneiden von
Zwiebeln kann man vermeiden, indem man
statt der Zwiebel eine Kohlrabi verwendet.»
Da kommen mir zwar die Tränen vor Lachen.
Aber ich weiss noch immer nicht, wie besagte
Villmergener Anlage gelüftet wird. Ich hoffe
bloss, es geschehe irgendwie, auch wenn das
Öffnen der Fenster zu diesem Behuf verboten
ist. Fragen Sie mich nur nicht, wie! MM
Bänz Friedli live: 27. Januar, Grindelwald BE
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