16/4567 - Landtag NRW

OBS NRW
Beamtenbund
und Tarifunion
Nord rhei n-Westfa len
l rr'st-Gnoß-Str 24
0-40219 OlisselcJort
DSS NRW Beamtenbund und Tarifunion Ernst-Gnoß.Str.24 40219 DOsseidorf
An die
Präsidentin
des Landtages Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf
relefan 02 14915830
Telefax 021' 49158310
[email protected]
v' I~I bb ,nrw ds
LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
16. WAHLPERIODE
16. Januar 2017
AZ:
STELLUNGNAHME
10_15_03_0013_32001
4·st
16/4567
per E-Mail: [email protected]
Bei Antwort bitte angeben .
A09, A07/1
ÄndG LBG NRW - A09 - 19.01.2017
Öffentliche Anhörung des Innenausschusses und des Unterausschusses
Personal des Landtags Nordrhein-Westfalen am 19. Januar 2017
Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG
NRW)
Gesetzentwurf der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13532
Ihr Schreiben vom 27. Dezember 2016
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
der DBB NRW bedankt sich für die Einladung zur o.g . Anhörung und die Übersendung der Unterlagen.
Gerne nehmen wir die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf der
Fraktion der CDU , Drucksache 16/13532, wahr.
Der DBB NRW begrüßt ausdrücklich die mit diesem Gesetzentwurf verbundene
Initiative zur Neufassung der jetzigen Regelung des § 19 Abs . 6 S. 2 ff. LBG NRW.
Die jetzige Situation der Rechtsunsicherheit und des - jedenfalls faktischen - Beförderungsstopps in den betroffenen Bereichen für Beamtinnen und Beamte muss
aus Sicht des DBB NRW schnellstmöglich beseitigt werden.
Stadtsparkasse Düsseldorf
IBAN:
DE253005011000100022580
Ble:
DUSSDEDDXXX
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Wie zu erwarten war, hat die zum 01 .07.2016 in Kraft getretene Neuregelung des §
19 Abs. 6 LBG nahezu sofort zu einer Vielzahl von Klagen und verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren betroffener männlicher Beamten geführt. Bekanntlich haben
derzeit vier Verwaltungsgerichte - Düsseldorf, Arnsberg, Aachen und Gelsenkirchen - in erstinstanzlichen Beschlüssen entschieden , dass gegen diese Regelung
erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und Beförderungsentscheidungen auf Grundlage der jetzigen Regelung als rechtswidrig erachtet. Wie das
Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in naher Zukunft entscheiden wird , bleibt derzeit noch abzuwarten.
Mithin hat sich die vom DBB NRW immer prognostizierte Befürchtung bewahrheitet,
dass die Vorgaben des § 19 Abs. 6 LBG rechtsunsicher sind, Klagen provozieren
und Beförderungen von sowohl Beamtinnen als auch Beamten auf zunächst unabsehbare Zeit blockiert werden. Die fatale Konsequenz ist, dass die richtigen und
wichtigen Ziele der Frauenförderung und der Verbesserung der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf konterkariert werden . Wie ebenfalls zu befürchten war, hat die
Regelung zudem zu erheblicher Unruhe und Frustration sowohl bei den weiblichen
als auch bei den männlichen Beamtinnen und Beamten geführt und stört den Betriebsfrieden nachhaltig. Aus Sicht des DBB NRW ist ein ggf. jahrelanges Abwarten
einer etwaigen Entscheidung gar des Europäischen Gerichtshofs zwingend zu vermeiden .
Die eingetretenen Auswirkungen der Gesetzesänderung kommen leider nicht überraschend sondern wurden vom DBB NRW immer wieder thematisiert. Deshalb
müssen wir auf unsere bisherigen Stellungnahmen zu diesem Thema hinweisen.
Der DBB NRW hat in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2016 im Rahmen des
Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes folgendes zur - seinerzeit beabsichtigten
und heute geltenden - Formulierung des § 19 Abs . 6 S. 2 ff. LBG NRW folgendes
ausgeführt:
"Die Dienstrechtsreform in NRW soll insbesondere dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Rechnung tragen. Der DBB NRW begrüßt das
Ziel ausdrücklich und sieht auch grundsätzlich gute Ansätze für eine Reform
hin zum familienfreundlichen Dienstrecht.
Jedoch gibt es auch geplante Regelungen, die von uns abgelehnt werden.
Zielquote für Frauen in Führungspositionen
Insbesondere ist es die geplante Quotenregelung, die unseres Erachtens
nach nicht nur keine Verbesserung der beruflichen Situation von Frauen
bringen wird, sondern sogar eine Vielzahl von Klagen männlicher Bewerber
nach sich ziehen könnte. Die "Formulierung, dass "bei einer im wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und Leistung" Frauen bevorzugt zu befördern sind, ist nicht gerichtsfest, da sie völlig an der Praxis von Beurteilun-
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gen vorbeigeht. In denen können nämlich sehr differenzierte Aussagen getroffen werden.
Der DBB NRW hat aber vor allem ein grundsätzliches Problem mit der Ausgestaltung der geplanten Quotenregelung: Sie setzt an der falschen Stelle
an. Die Erfahrungen zeigen, dass Frauen - besonders diejenigen in Teilzeitbeschäftigung - schlechter bewertet werden . Wenn gerechte Aufstiegschancen geschaffen werden sollen, muss der Ansatz entsprechend schon vor
dem Bewertungsverfahren greifen.
[. . .]
Zu § 19 Abs. 6 - Einführung einer Zielquote für Frauen in Führungspositionen
Der DBB NRW steht der Einführung einer Zielquote für Frauen in Führungspositionen grundsätzlich positiv gegenüber. Der vorliegende Gesetzentwurf
wird im praktischen Vollzug allerdings sehr problematisch zu handhaben
sein. Allein in der Formulierung in Abs. 6 Satz 3, das von einer im wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung in der Regel
auszugehen ist, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin oder des Bewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist, kann als
Einladung zur Klage verstanden werden. Von daher lehnt der DBB NRW die
von der Landesregierung vorgeschlagene Formulierung ab und fordert sie
auf, eine verfassungsgemäße Bestimmung zu formulieren .
Darüber hinaus weisen wir an dieser Stelle erneut darauf hin, dass durch die
aktuelle Anderung nicht den Kern des Problems erfasst wird. Dieser liegt
nämlich im Beurteilungsverfahren selbst. Beamtinnen werden oft schlechter
bewertet als ihre männlichen Kollegen, besonders wenn sie - was das Anliegen dieser Reform ist - Familie und Beruf miteinander verbinden und in Teilzeit arbeiten. Die Zahlen zeigen, dass Teilzeitbeschäftigte nicht ihrem Anteil
entsprechend in den Spitzennoten der Beurteilungsbereiche partizipieren.
Grund dafür ist unter anderem die weiterhin bestehende gedankliche Koppelung von Leistung an Präsenzarbeitszeit. Entsprechend können gleichberechtige Chancen für Frauen in diesem Bereich nur dann entstehen, wenn
der Beurteilungsprozess selbst angepasst wird. "
An diesen Ausführungen halten wir weiterhin fest.
Der DBB begrüßt daher den in dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Ausdruck
kommenden Ansatz, die Förderung der Gleichberechtigung und der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf bei Beförderungsentscheidungen unmittelbar in den rechtlichen Rahmenvorgaben zu dienstlichen Beurteilungen und somit im Beurteilungssystem zu verankern. Allerdings halten wir die Umsetzung im Gesetzentwurf für
nicht zielführend und im Ergebnis nicht gelungen .
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Es ist bereits die Frage zu stellen, ob eine Verankerung im LBG der richtige Ansatz
ist und ob nicht vielmehr in der Laufbahnverordnung und in den jeweiligen Beurteilungsrichtlinien ein konkret formuliertes Verbot von Benachteiligungen aus Gründen , die im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen, zu
postulieren ist.
Dem Gesetzentwurf ist zu entnehmen, in welchen konkret genannten Fällen aus
dienstlichen Beurteilungen keine Nachteile gegenüber Beamtinnen und Beamten ,
die in Vollzeit beschäftigt sind , entstehen dürfen . Unklar bleibt hierbei bereits, ob
nur in Teilzeit beschäftigte Beamtinnen und Beamte von diesem Benachteiligungsverbot umfasst sein sollen. Dies wäre allerdings offensichtlich abzulehnen , da nicht
einsehbar ist, weshalb nicht auch in Vollzeit beschäftige Beamtinnen und Beamten
bspw. von dem in § 19 Abs . 6 S. 2 Ziff. 2 LBG NRW-Entwurf aufgeführten Tatbestand erfasst sein sollten .
Die einzelnen im Gesetzentwurf zu § 19 Abs. 6 S. 2 Ziff. 1 bis 3 LBG NRW genannten Kriterien , die nicht nachteilig werden dürfen, führen aus Sicht des DBB NRW
überdies bereits nach geltendem Recht dazu, dass eine Beurteilung rechtswidrig
ist, wenn die Note hiervon beeinflusst wäre. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle
einer dienstlichen Beurteilung ist zwar stark beschränkt, allerdings erstreckt sie sich
nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung darauf, ob der
Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzliChen
Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde
Erwägungen angestellt hat (bspw. BVerwG, Urteil vom 28.01 .2016, 2 A 1/14, Rz. 13
- juris).
Die in § 19 Abs. 6 Ziff. 1 bis 3 LBG NRW-Entwurf genannten Tatbestände stehen
nicht im Zusammenhang mit den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen
Leistung , wären also sachfremde Erwägungen. Wenn ein Beurteiler oder eine Beurteilerin die zu Beurteilende oder den zu Beurteilenden aus diesen Gründen schlechter bewertet, führte dies auch nach den derzeit gültigen Maßstäben zu einem Beurteilungsfehler und somit zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung . Die dienstliche Beurteilung wäre keine taugliche Grundlage für eine Beförderungsentscheidung .
Das Problem ist in der Praxis eher dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel
nicht nachgewiesen werden kann , ob die Beurteilung von solchen sachfremden Erwägungen getragen ist. Dieses Problem löst der vorliegende Gesetzentwurf nicht.
Somit bedeutet der Gesetzentwurf keinen Gewinn für die anzustrebende Gleichberechtigung und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es ist auch fraglich ,
ob es sinnvoll ist, einen abschließend zu wertenden Katalog aufzustellen , welche
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konkreten Tatbestände im Rahmen von Beurteilungen nicht nachteilig werden dürfen . Da auch weitere, nicht genannte benachteiligende und die Förderung von Familie und Beruf hindernde Fallgestaltungen denkbar sind , könnte dies im Umkehrschluss so zu werten sein , dass diese in dienstlichen Beurteilungen berücksichtigt
werden dürfen , da der Gesetzgeber sie nicht als sachfremd ansieht.
Der DBB NRW fordert daher weiterhin eine Überarbeitung des Beurteilungssystems. Dazu gehört eine Implementierung und Festschreibung von Kontrollmechanismen zur Überprüfung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf etc. bspw. in der Laufbahnverordnung oder in
den Beurteilungsrichtlinien . Dazu müssen die Beurteilerinnen und Beurteiler entsprechend geschult werden . Weiterhin ist es notwendig, die Arbeitsbedingungen
familienfreundlicher zu gestalten, damit Familie und Karriere für Frauen wie auch
für Männer keine Unvereinbarkeit darstellen.
Ferner ist es notwendig, dass die Förderung der Gleichberechtigung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf selbst in den Katalog der Führungsaufgaben aufgenommen werden. Damit würden diese Aufgaben selbst Gegenstand der Beurteilungen der Führungskräfte und sie müssten sich auch am Erfolg messen lassen.
Angesichts der unstreitigen Brisanz der dem Gesetzentwurf zugrundeliegenden
Thematik und der aufgezeigten Dringlichkeit der Problemlösung ist unsere Forderung zu wiederholen , diese Frage zur "Chefinnensache" zu machen. Selbstverständlich bietet der DBB NRW weiterhin seine jederzeitige Bereitschaft an , an einer
konstruktiven Lösung der unzweifelhaft bestehenden Problemlage mitzuwirken .
Mit freundlichen Grüßen
jl~
Roland Staude
1. Vorsitzender