Was der Brexit für das Sourcing bedeutet | KPMG Klardenker

Was der Brexit für das Sourcing bedeutet
Keyfacts
- Großbritannien will Austritt aus EU-Binnenmarkt und Zollunion
- Rechtliche Erleichterungen fallen weg
- Sourcingbeziehungen werden sich verändern (müssen)
18. Januar 2017
Das Gefühl für Timing könnte nicht bedeutsamer sein: Während beim Weltwirtschaftsforum im
Schweizer Skiort Davos die Gefahren wachsender sozialer Spannungen und der schlingernden
Globalisierung diskutiert werden, verkündet die britische Premierministerin Theresa May in
London die britische Brexit-Strategie. Kurz zusammengefasst: Raus aus der EU, mit allen
Konsequenzen – ein „harter“ Brexit. Aber nicht nur das: Das Vereinigte Königreich will auch aus
dem europäischen Binnenmarkt sowie der Zollunion austreten. Für Finanzinstitute und andere
Dienstleister, die mit Dienstleistern in Großbritannien zusammenarbeiten, ist das – wie schon
länger absehbar – ein riskanter Kurs.
Mit der jetzigen Ankündigung der britischen Premierministerin zeichnet sich nun ab, was bisher
nur befürchtet wurde: May-Day in London – und jetzt?
Heute noch ist Großbritannien für global agierende Dienstleister ein attraktiver Standort, weil
von dort aus leichter Beziehungen zu Offshore-Standorten wie beispielsweise Indien geknüpft
1/4
werden können als auf dem europäischen Festland.
Rückkehr der Zollschranke?
Mit dem 12 Punkte umfassenden Brexit-Plan kommt die große Unsicherheit: Besonders bei
Finanzunternehmen, die Leistungen bei Dienstleistern aus Großbritannien beziehen, wird ein
Brexit starke Folgen haben. Gut denkbar sind Beschränkungen und Zölle für globale
Finanzdienstleister, die ihre Leistungen auch für und in Großbritannien erbringen. Die
Auslandsniederlassungen deutscher Banken in London können nicht mehr wie bisher beliefert
werden. In die andere Richtung wird Software, Wartung und Weiterentwicklung aus
Großbritannien nicht mehr so uneingeschränkt und ohne weitere Auflagen wie bisher zu
beziehen sein. Wenn Großbritannien die Zollschranke fallen lässt, werden Finanzinstitute in
Deutschland ihre bestehenden Sourcingbeziehungen prüfen müssen. Was auch immer konkret
geschehen wird – die heutigen Abläufe der Leistungsbeziehung stehen ab sofort auf dem
Prüfstand.
12
Punkte umfasst der Brexit-Plan der britischen
Premierministerin Theresa May
Auch der gesetzliche Rahmen steht vor Veränderungen. Die bestehenden
Vertragsbeziehungen wurden unter dem aktuell geltenden Recht geschlossen. Dieses aber
ändert sich durch den Brexit. Noch geltende Erleichterungen durch den europäischen
Binnenmarkt oder Zollunion fallen zukünftig weg. Dies verursacht mittelfristig zusätzliche
organisatorische, rechtliche und finanzielle Belastungen, die ein Dienstleister in Großbritannien
schultern muss.
Nehmen wir derzeit geltende Datenschutzabkommen: Nachdem Safe Harbor gekippt wurde,
regelt EU-US Privacy Shield den Datenaustausch zwischen Europa und den USA. Bei einem
Austritt muss eine neue Regelung für Großbritannien gefunden werden. Also ein eigens
Abkommen für die Insel? Oder eine Erweiterung der bisherigen Regelungen? Oder etwas ganz
Neues? Diese Unsicherheit wird neue Auslagerungen nach Großbritannien sicherlich nicht
fördern oder unterstützen.
Kommt der Umzug von London auf das Festland?
Auch der Austausch von Mitarbeitern zwischen den in Europa ansässigen Kunden und den
Dienstleistern in Großbritannien dürfte schwerer werden. Derzeit gilt Reisefreiheit, künftig ist
davon auszugehen, dass die Reise- und Arbeitserlaubnis stark eingeschränkt ist. Mögliche
2/4
Sonderabgaben für Dienstleistungen von EU-Bürgern in Großbritannien geistern bereits durch
die Presse.
Also konkret: Was wird passieren? Mittelfristig ist zu erwarten, dass die Wettbewerbsfähigkeit
der britischen Dienstleister sinken und langfristig eine „Verlagerung“ der Sourcing-Verträge in
den EU-Raum passieren wird. Dazu gehören auch mögliche Umzüge der Dienstleister an
einen Standort innerhalb des EU-Raums.
Eines ist sicher. Wie der Brexit auch gestaltet wird, er wird weitreichend Folgen für das
Sourcinggeschäft und die Beziehungen zwischen Kunden und Dienstleister haben. Ein
Veränderungsprozess scheint angebrochen zu sein, der die Finanzwelt in den nächsten Jahren
begleiten wird. Und das nicht nur in London oder in Davos.
Zusammengefasst
»Wenn Großbritannien die Zollschranke fallen lässt, werden Finanzinstitute in Deutschland ihre
bestehenden Sourcingbeziehungen prüfen müssen.«
Das Vereinigte Königreich will raus aus der EU, dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion. Für
Finanzinstitute und andere Dienstleister, die mit Dienstleistern in Großbritannien zusammenarbeiten, ist
das ein riskanter Kurs.
Bernd Schumacher
Partner Financial Services
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