Deutsche Mittelstands Nachrichten

Ausgabe 03
20. Januar 2017
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Finanzen
Geldanlage: Warnung vor der Illusion der Sicherheit
Die Sparer müssen sich vor den Staaten hüten. Diese wollen sich auf ihre Kosten sanieren – und haben die Macht dazu
D
ie traditionellen Grundlagen der
Vermögensbildung stimmen nicht
mehr. Die Basis sollten Spareinlagen bei
der Bank bilden. Die Zinsen sind minimal
und die Gelder selbst sind gefährdet, weil
im Krisenfall Einlagen nicht mehr unbedingt geschützt sind, sondern sogar zur
Sanierung der jeweiligen Bank herangezogen werden können. Das zweite Element
sollte in Staatsanleihen bestehen, die als
sicher gelten und eine solide Verzinsung
garantieren. Die Finanzlage der EuroStaaten ist kritisch und die Zinsen sind
niedriger als die Geldentwertung. Bei den
Immobilien werden die hohen Preise als
Alarmsignal gesehen. Somit verbleibt als
einzig attraktive Sparte jener Bereich, der
vor allem in Mitteleuropa stets als risikoreich von den meisten gemieden wurde –
die Investition in attraktive Unternehmen
mit einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell. Die Welt der Sparer und Anleger
hat sich grundlegend verändert.
Drei Nachrichten bestimmen den Jah-
Weltweit kann man finanzielle Blasen beobachten, die kurz vor dem Platzen sind.
Quelle: Flickr/Jeff Kubina/CC BY-SA 2.0
resauftakt, die Sparer und Anleger dazu
treiben, sich unter diesen ungünstigen
Umständen doch nach attraktiven Strategien umzusehen:
• die EZB wird die Niedrig-, Null- und
Minus-Zinsen-Politik fortsetzen
• die Inflation wird steigen und somit
die Verluste vergrößern, die durch die
Zinspolitik ausgelöst werden
• die Wirtschaft wird wachsen, allerdings nicht sehr stark, und somit nicht
für üppige Gewinne sorgen
Staatsanleihen fungieren nicht mehr
als Anker in einem Vermögen
Eines müssen die Investoren jedenfalls
zur Kenntnis nehmen – sie haben entscheidende Feinde und das sind die
Staaten und vor allem die Euro-Staaten,
die in einer verzweifelten Lage sind und
daher nach den Erträgen und den Vermögen greifen.
Zur Orientierung:
• Die Euro-Staaten produzieren derzeit
ein Defizit in der Größenordnung von
190 Milliarden Euro. Wenn die Zinsen
nur um 1 Prozent steigen, springt der
Betrag auf 280 Milliarden Euro. Das
klingt enorm, ist aber unvermeidlich,
weil die Schulden schon 9.000 Milliarden betragen und 1 Prozent eben 90
Milliarden entspricht.
• Die Steuern und Abgaben im EuroRaum liegen schon bei viel zu hohen 50
Prozent der Wirtschaftsleistung, jede
weitere Anhebung erstickt die Wirt-
Analyse
USA riskieren Handel zur deutschen Wirtschaft
In einem Interview der „Bild“-Zeitung
und der britischen „Times“ drohte der
künftige Präsident Donald Trump etwa
deutschen Autobauern mit Strafzöllen für
nicht in den USA gebaute Fahrzeuge. Das
schürt Sorgen vor wachsendem Protektionismus und einem Handelskrieg. Doch
wie wichtig sind die USA für die deutsche
Wirtschaft?
Seit 2015 sind die USA der wichtigste
Exportkunde der deutschen Unternehmen, nachdem über mehr als sechs Jahrzehnte Frankreich diese Position innehielt.
Waren im Wert von rund 114 Milliarden
Euro wurden damals dorthin verkauft –
vor allem Fahrzeuge, Maschinen und chemische Produkte. Das entspricht einem
Anteil von etwa zehn Prozent an den gesamten Ausfuhren. Umgekehrt importier-
te Deutschland Waren im Wert von knapp
60 Milliarden Euro aus den USA, was sechs
Prozent aller deutschen Einfuhren entspricht.
Mehr als eine Million Jobs in Deutschland hängen direkt oder indirekt von den
Exporten in die USA ab. Weitere 630.000
Arbeitsplätze gibt es in Betrieben, die
von US-Firmen kontrolliert werden. Allein McDonald‘s Deutschland zählt etwa
58.000 Mitarbeiter, der Personaldienstleister Manpower 27.000, die Ford-Werke
gut 25.000 und die GM-Tochter Opel etwa
18.000.
Umgekehrt schaffen deutsche Unternehmen in den USA ebenfalls hunderttausende Stellen. Größter deutscher Arbeitgeber ist dort die Deutsche-Post-Tochter DHL
mit rund 77.000 Beschäftigten, gefolgt
von Siemens (70.000), dem Autozulieferer ZF (62.000) und Volkswagen (60.000).
Die deutschen Unternehmen haben
mehr als 271 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in den USA – etwa Fabriken
und Immobilien. Mehr als 3700 Unternehmen sind in den Vereinigten Staaten tätig.
Allein die 50 größten deutschen Firmen
dort kommen auf einen Jahresumsatz von
400 Milliarden Dollar.
Auch US-Unternehmen haben erhebliche Beträge in Deutschland investiert:
Der Bestand summiert sich auf rund 27
Milliarden Euro. Nur chinesische Unternehmen waren mit 260 Projekten noch
aktiver. Allein die 50 größten US-Unternehmen kommen in Deutschland auf einen Jahresumsatz von rund 170 Milliarden
Euro.
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schaft. Die Staaten haben also bei den
Einnahmen keinen Spielraum mehr.
• Im Endeffekt sind die Niedrigzinsen
eine Vermögensteuer: Die Sparer und
Anleger werden geschröpft und die
Staaten sind die Hauptnutznießer der
niedrigen Zinsen.
Diese Umstände müssen so klar unterstrichen werden, weil traditionell Staaten
ideale Partner der Anleger sind: Staaten
gehen nicht unter wie andere Schuldner.
Staaten sind kontinuierlich auf dem Markt
präsent. Die Verzinsung der Anleihen hält
in der Regel die Inflation ab und ermöglicht darüber hinaus eine Realverzinsung.
Alle diese Bedingungen sind schon seit
längerem nicht mehr gegeben und werden
auch in absehbarer Zeit nicht wieder hergestellt. Dies bedeutet, dass die Staatsanleihen nicht mehr als solider und ruhiger
Anker in den Veranlagungen eingesetzt
werden können.
Die Position der Banken hat sich dramatisch verändert
Traditionell sind Sparer und Anleger in Mitteleuropa risikofeindlich und
suchen Sicherheit. Dieses Verhalten hat
nicht nur die Staatsanleihen zu den beliebtesten Anlageformen gemacht, aus diesem
Grund wurden auch Banken stets als ideale Partner angesehen: Vom simplen Sparbuch über die Obligationen der Institute
– Pfandbriefe, Kommunalbriefe, Anleihen
– bis hin zu den Bank-Aktien konnte man
die verschiedensten Instrumente nutzen.
Banken galten als sicher und die EinlagenSicherungssysteme sorgten für eine zusätzliche Absicherung.
Diese Logik war auch durch das System
begründet: Banken waren die Geldsammelstellen und sorgten über die Veranlagung für die breite Streuung der Mittel bei
den Unternehmen und den Haushalten.
Über den Mittler Bank war jeder einzelne
Sparer in der Gesamtwirtschaft investiert,
ohne selbst das Risiko der einzelnen Veranlagung tragen zu müssen.
Dieses System funktioniert nicht
mehr: Die EU-Regeln behindern das Bankgeschäft nachhaltig. Alle Banken des EURO-Raums hatten Ende 2012 etwa 11.042,1
Milliarden Kredite an Unternehmen und
Private vergeben, Ende September 2016,
fast vier Jahre später, waren es 10.752,1 Milliarden
Außerdem bestimmen die EU-Regeln,
dass mit kleinen Einschränkungen die Einlagen der Bank-Kunden im Falle einer Krise
zur Sanierung des jeweiligen Instituts herangezogen werden und notfalls untergehen. Die Investition in Immobilien muss
gut kalkuliert sein
Die Reaktion der Anleger auf diese
immer deutlicher werdenden Faktoren
führte in den vergangenen Jahren zur verstärkten Investition in Immobilien, die
naturgemäß die Preise in die Höhe trieb.
Wie lauteten die Warnungen zu Beginn des
Jahres 2017? Weltweit ist eine ImmobilienBlase zu beobachten, die jederzeit platzen
könnte! Tatsächlich sind die Preise in vielen Regionen extrem hoch, doch empfiehlt
sich eine sachliche, nüchterne Analyse.
Schließlich sind Realitäten stets eine interessante Anlageform.
Bei einem Preisverfall der Immobilien werden für den einzelnen Anleger stets
folgende, durchaus maßgebliche Konsequenzen betont:
• Die Immobilie wurde zu einem Preis
gekauft, der beim Verkauf nicht mehr
erlöst werden kann.
• Zudem wurde möglicherweise der
Kauf mit Krediten finanziert, denen
durch den Preisverfall kein entsprechender Wert mehr gegenübersteht.
• Der Käufer ist finanziell nicht in der
Lage, die Kredite zu bedienen oder den
Verlust zu verkraften.
Allerdings sind diese Faktoren nicht
allein entscheidend. Im Vordergrund
sollten die Bewertungen der Immobilie
stehen:
• Welchen Ertrag wirft die Immobilie
ab und welche Verzinsung ergibt sich
in Relation zum ursprünglichen Kaufpreis. Dieses Maß ist beim Kauf zu
beachten und behält seine Gültigkeit,
auch wenn durch die Marktverhältnisse
der Preis sinkt.
• Man kann davon ausgehen, dass die
Investition unter diesen Umständen
nachhaltig sinnvoll war. In der Regel erholen sich die Preise nach dem Platzen
einer Immobilien-Blase wieder.
• Tendenziell steigen die Preise in allen
Ballungsräumen kontinuierlich, da die
Weltbevölkerung wächst und die Konzentration in den Städten zu Lasten der
ländlichen Räume anhält.
• Die Alarmrufe dürfen somit nicht
überbewertet werden, außer man hat
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eine Immobilie teuer erworben, die
keinen Ertrag abwirft und auch nicht
zu erträglichen Konditionen vermietet
werden kann. Derartige Investitionen
sorgen aber auch ohne ImmobilienBlase für unlösbare Probleme.
Kritisch ist allerdings, wie derzeit bei allen
Finanzierungen, das von den EU-Regeln
erzwungene Verhalten der Banken. Ist man
bei Immobilien-Investitionen auf einen
Kredit angewiesen und verschlechtert sich
die wirtschaftliche Lage des Investors, so
muss die Bank auf die Bremse treten. Die
rechtzeitige Sicherung von Rahmen erweist sich mehr denn je als unverzichtbare
Vorsichtsmaßnahme.
Die Sparer und Anleger sind im Kapitalmarkt angekommen
Die Sparer und Anleger müssen zur
Kenntnis nehmen, dass die sicheren Investitionen nicht mehr sicher sind und die
Chancen nutzen, die sich auf dem Kapitalmarkt ergeben: Die Veranlagung in tüchtige Firmen verspricht einen attraktiven
Ertrag und stellt den Kauf von Staatspapieren oder die Dotierung von Sparbüchern
in den Schatten.
Allerdings muss man die Bedenken
zur Kenntnis nehmen. Kursverluste an den
Aktienbörsen und spektakuläre Firmenpleiten würden immer wieder beweisen,
dass das Risiko groß sei. Die Investition in
Unternehmen sei doch mit dem Besuch
eines Kasinos zu vergleichen. Diese Einstellung resultiert aus der Missachtung
der Grundregeln, die es auch in diesem
Bereich sehr wohl gibt und die dafür sorgen, dass der Vergleich mit der Spielbank
falsch ist.
Zwei entscheidende Fragen sind zu
beantworten: Handelt es sich um eine bereits erfolgreiche, etablierte Firma? Oder
geht es um ein neues Unternehmen, das
interessante Projekte verfolgt, aber noch
keine Ergebnisse vorweisen kann. Beide
Varianten sind attraktiv, nur unterliegen
sie anderen Bedingungen:
Jedes bestehende Unternehmen hat
eine Ertragsgeschichte, die die Qualität
aufzeigt, ohne dass man der Illusion nachhängen darf, dass Gewinne von gestern
Erfolge von morgen garantieren. Der Gewinn je Aktie muss in Relation zum Kurs
gesehen werden. Beträgt der Gewinn 5
Euro, so bedeutet ein Kaufpreis je Aktie
von 100 Euro, dass man 5 Prozent Verzin2
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sung akzeptiert. Der Anleger entscheidet,
ob er vielleicht 200 zu zahlen bereit ist,
dann entsprechen die 5 Euro nur mehr 2,5
Prozent. Die Kurs-Gewinn-Relation oder
englisch price-earning-ratio ist ein Schutz
vor Kasino-Erlebnissen.
Neue Unternehmen müssen mit einem Konzept überzeugen. Da hilft keine
Kurs-Gewinn-Relation, da sind die Anleger
gefordert: Jede und jeder muss sich fragen,
ob die in Aussicht gestellten Projekte den
Markt erobern werden. Da mag es Gutachten und Experten-Meinungen geben, letztlich ist die Zukunft nicht prognostizierbar.
Aber: Die Kurse derartiger Unternehmen
sind meist sehr niedrig, man geht also kein
größeres Risiko ein, hat aber die Chance
auf beachtliche Gewinne. Hier deckt sich
die Geld-Anlage auch mit der Herausforderung für die Einzelnen, wie sie sich persönlich ihre berufliche Zukunft unter den
sich dramatisch ändernden Bedingungen
vorstellen.
Zudem bieten Unternehmens-Anleihen eine Möglichkeit, das beim Aktienkauf
gegebene unmittelbare Risiko zu minimieren und dennoch in der aktiven Wirtschaft
investiert zu sein.
Fonds und Versicherungen bieten
Schutz, sind aber auch gefordert
Für viele ist der Gedanke, selbst über
zukunftsträchtige Projekte Überlegungen
anzustellen, unrealistisch. Es ist auch tatsächlich kein einfacher Ansatz. Er ergibt
sich aber aus der Tatsache, dass durch die
modernen Technologien, durch die Digitalisierung, durch Industrie 4.0, durch Internet und andere Faktoren sich die Gegebenheiten in allen Bereichen grundlegend
ändern. Hier sei nur daran erinnert, dass
der Kurs der Apple-Aktie davon abhängt,
ob das jeweils neueste iPhone beim Publikum ankommt. Ist dies nicht der Fall,
stürzt der Kurs um 30 und mehr Prozent
ab. Ein anderes Beispiel: Niemand kann
sagen, ob sich das reine Elektroauto durchsetzt oder die Hybrid-Version gewinnt.
Oder: Wie entwickeln sich die einzelnen
Unternehmen im Internet?
Somit neigen die meisten Anleger
verständlicherweise zum Kauf von Fondsanteilen und zum Abschluss von Lebensversicherungen, sodass zwei unbestrittene
Vorteile genutzt werden:
• Die Mittel werden breit gestreut.
• Profis beobachten ständig den Markt
und reagieren auf der Basis von Kenntnissen, die dem einzelnen nicht zur Verfügung stehen.
Nur: Auch die Experten sehen sich
ständigen und umfassenden Änderungen
gegenüber und können nicht garantieren,
dass sie immer die richtigen Maßnahmen
treffen. Die EU versucht zwar mit dem
Regelwerk MiFID die Anleger zu schützen
und verpflichtet die Manager zu umfangreichen Dokumentationen und RisikoAnalysen, doch viele Entwicklungen sind
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einfach nicht vorhersehbar.
Fonds und Versicherungen, die trotz
der niedrigen Zinsen in Anleihen und insbesondere in Staatsanleihen investieren,
bieten eine Entlastung für Anleger.
Der Kauf einer einzelnen Niedrigzins-Anleihe löst einen mehrfachen Verlust aus:
• Die laufende Verzinsung deckt nicht
die Inflation ab, sodass ein Realverlust
entsteht.
• Handelt es sich um eine Anleihe mit
Minus-Zinsen, so summieren sich der
Abschlag und die Inflation.
• Wenn die Zinsen wieder steigen, sinkt
automatisch der Kurs der Anleihe.
In einem Fonds oder einer klassischen
Lebensversicherung, die dominant in
Staatsanleihen veranlagt, wird das Problem entschärft. Durch den laufenden
Ankauf von Anleihen kommt es zur
Mischung von höher und von niedriger verzinsten Papieren. Man profitiert
in der Niedrigzinsphase von den älteren Papieren. Wenn die Zinsen wieder
steigen, ziehen die neuen Papiere den
Ertrag in die Höhe und mildern die Verluste aus der Niedrigzinsphase.
***
Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist
einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie
Moderator beim ORF.
Wirtschaft
Risiko-Partner Türkei senkt Stimmung deutscher Investoren
Wegen gestiegener politischer Unsicherheiten sind Handelsbeziehungen deutscher Unternehmen mit der Türkei rückläufig
A
nschläge, Kriegswirren im Nachbarland, Massenverhaftungen von angeblichen Putsch-Sympathisanten und
Oppositionellen – in und um die Türkei
regiert Unsicherheit. Das zieht die Wirtschaft des Landes, das noch vor wenigen
Jahren als einer der vielversprechendsten
Boom-Märkte weltweit galt, immer tiefer
nach unten. Den Beleg dafür lieferte das
Statistikamt des Landes Mitte Dezember:
Erstmals seit dem Krisenjahr 2009 ging
die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal
2016 zurück. Dabei fiel die Schrumpfung
mit 1,8 Prozent noch deutlich höher aus als
von Experten vorausgesagt. Inzwischen,
versichert das Wirtschaftsministerium,
gehe es aber wieder aufwärts.
Dennoch: Die Türkei gilt mittlerweile
bei Wirtschaftsexperten und Investoren
als Risiko-Partner. Auch die Touristen, für
das Land eine unverzichtbare Einnahmequelle, reagieren: In den ersten elf Monaten 2016 kamen nach amtlichen Zahlen
mit gut 24 Millionen Reisenden knapp
ein Drittel weniger Ausländer ins Land als
im Vorjahr. Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer. Nachdem Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer
Kollege Wladimir Putin ihren Streit nach
dem Abschuss einer russischen Militär-
maschine im Grenzgebiet zu Syrien beigelegt hatten, schnellte das Interesse von
Russen am Reiseziel Türkei wieder hoch.
Das ist wichtig, waren die Russen doch
vor nicht allzu langer Zeit mit rund viereinhalb Millionen Besuchern im Jahr die
zweitgrößte Touristengruppe – hinter den
Deutschen. Und bei denen zeichnet sich
ebenso ein Minus ab: Reisten 2015 noch
5,6 Millionen Bundesbürger in die Türkei,
waren es in den ersten elf Monaten 2016
nur 3,76 Millionen.
„Die größten Risiken für die türkische
Wirtschaft sind derzeit politischer Natur“,
urteilt aktuell die deutsche Investitions3
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Die Türkei versucht, an ihre frühere Attraktivität anzuknüpfen.
Foto: Flickr/captain.orange/CC BY-ND 2.0
agentur GTAI. Dazu zählt auch der Streit
mit dem wichtigsten Handelspartner, den
EU-Ländern, über den Umgang mit der
Opposition und Rechtstaatsfragen. Zu
den Schwächen zählt zudem eine wenig
effiziente, schwerfällige Bürokratie sowie
die hohe Importabhängigkeit der Industrie und Probleme auf den regionalen Exportmärkten. Die künftige Entwicklung
der türkischen Wirtschaft bleibt damit
unsicher. Auf gut drei Prozent, deutlich
weniger als in den vergangenen Jahren,
veranschlagen internationale Experten
das Wachstum für 2017. Die türkische Regierung hofft, schon im kommenden Jahr
wieder bei fünf Prozent Zuwachs zu landen.
Für Deutschland hängt einiges am
Geschäft mit der Türkei. Immerhin rangiert das Land mit einem Handelsvolumen von zuletzt rund 37 Milliarden Euro
unter den Top-20 bei den deutschen Exwie den Importen. Inzwischen herrscht
Pessimismus in der deutschen Wirtschaft,
die mit rund 6.500 Firmen in dem Land
vertreten ist. „Die Erwartungen sind noch
etwas schlechter als das aktuelle Geschäft
ohnehin schon ist“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
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„Es wird wirtschaftlich gesehen rumpeln
in diesem Jahr.“ Der deutsche Export in
das Land sei seit Mitte 2016 auf Abwärtskurs. Für 2017 erwartet er: „Es wird einen
Rückgang geben bei den deutschen Exporten um mindestens fünf Prozent.“
Zahlreiche deutsche Unternehmen
vor Ort haben die Signale auf Halt gestellt. „Vieles ist auf Eis gelegt“, sagt Treier. Erweiterungsinvestitionen gebe es
kaum noch. „Dabei ist die Türkei einer
der zentralen Auslandsmärkte für den
deutschen Mittelstand.“ Für die Türkei
zählt Deutschland zu den Top-Adressen
als Liefer- und Zielland für Waren.
Für die deutschen Investitionswerber der GTAI gilt aber im Grundsatz weiter: „Trotz der gegenwärtigen politischen
Turbulenzen und vielfältigen Unsicherheiten bleibt die Türkei ein bedeutender
Markt und Wirtschaftspartner für deutsche Unternehmen.“ Doch es brodelt.
Die Stimmung bei Investoren und Konsumenten verschlechtert sich. Ein Investmentbanker klagte: „Es gibt dort viel staatliche Einflussnahme auf die Wirtschaft.“
Dass die Türkei ihr ehrgeiziges Ziel
erreicht, bis 2023 zu den weltweit zehn
größten Volkswirtschaften aufzusteigen,
ist eher fraglich. Aktuell die größten Sorgen bereitet der Regierung der drastische
Kursverfall der heimischen Währung Lira.
Präsident Erdogan hat schon an seine
Landsleute appelliert, Fremdwährungen
zu verkaufen, um den Wertverfall stoppen.
Digitalisierung
Sharing Economy verdrängt den individuellen Besitz
Der Markt wandelt sich ständig: Aktuell geht der Trend hin zum Teilen von Eigentum, um Kosten und Aufwand zu sparen
B
ereits im Jahr 2025 werden die sogenannten Millenials 75 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Diese
zwischen 1980 und 1999 Geborenen sind
die erste Generation der Digital Natives,
die sich durch einen technologie-affinen
Lebensstil auszeichnet. Besitz ist für sie
nicht mehr vorrangig, die Sharing Economy eine Selbstverständlichkeit. Welche
weiteren Entwicklungen diese Generation
bewegen, das hat Allianz Worldwide Partners (AWP) gemeinsam mit der Innovationsplattform SoonSoonSoon untersucht.
Daraus wurden Trends identifiziert, die
schon in wenigen Jahren unsere Art zu leben, zu arbeiten und auch zu reisen verändern werden. Erste Unternehmen setzen
bereits auf diese Trends.
1. Relational Mobility
Typisches Kennzeichen der Sharing
Economy ist, dass individueller Besitz
temporär anderen zur Verfügung gestellt
wird. Die Digitalisierung und moderne
Technologien bieten neue Chancen für
das Teilen von Ressourcen und deren ge-
meinschaftliche Nutzung. Das erweitert
die Möglichkeiten der persönlichen Mobilität und generiert neue Modelle des
modernen Lebens. Sie basieren auf Beziehungen zwischen Menschen, die eine
Überzeugung teilen. Ein Beispiel zeigt,
wie dieser Trend bereits gelebt wird: Wer
sein Auto an einem der großen Pariser
Flughäfen parkt, kann es mit Traveler Car
ankommenden Fluggästen während seiner Abwesenheit zur Verfügung stellen
und damit noch Geld verdienen. Das spart
nicht nur Parkgebühren, sondern wirkt
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sich gleichzeitig positiv auf das eigene
Urlaubsbudget aus.
2. Experiental Mobility
War bis heute für manche die Anreise verlorene Zeit, lässt sich diese Reisezeit
bald einfach in ein Erlebnis umwandeln.
Der Flugzeughersteller Airbus will seinen
Gästen in Zukunft Virtual-Reality-Helme
anbieten. So können Menschen ihre Flugangst überwinden und die Welt erkunden, indem sie virtuell bereits den Zielort entdecken oder im imaginären Büro
arbeiten. Das hilft nicht nur gegen Flugangst, sondern auch gegen Langeweile.
3. Smart Cities
Der öffentliche Nahverkehr wird in
Zukunft ohne fixe Fahrpläne oder Haltestellen auskommen. Die Transportmittel
werden sich nach unseren Bedürfnissen
richten und nicht wie bisher die Nutzer
nach den Vorgaben der Verkehrsbetriebe.
So hat das amerikanische Unternehmen Bridj in Boston und Kansas bereits
eine Kleinbus-Flotte aufgebaut, deren
Routen sich nach den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Passagiere richten. Direkt
über das Smartphone können hier die
Haltestellen gebucht werden.
4. Modulares Leben
Flexibles Arbeiten mit Smartphone und Laptop unabhängig von Ort und
Zeit ist heute schon keine Seltenheit. Was
hingegen heute noch Zukunftsmusik ist,
könnte morgen schon Normalität sein:
mit dem Hotelzimmer im Gepäck auf Ge-
Die sogenannten Millenials sind mit digitalem Know How aufgewachsen.
Flickr/Charlotta Wasteson/CC BY 2.0
schäftsreise. Das Schweizer Architekturund Designbüro Conceptual Devices hat
es getan und mit Hotello ein Vier-Quadratmeter-Zimmer entworfen, das in einen
großen Koffer passt; einschließlich Bett,
Schreibtisch und Kleiderschrank.
Durch die digitale Welt und veränderte Mobilitätsbedürfnisse entstehen neue
Ansprüche. Teilen ist das neue Besitzen
– ob Auto, Wohnung oder persönliche
Erfahrungen. Dieses Lebensgefühl bietet
viele Chancen, um effizienter und nachhaltiger zu leben sowie den Wunsch nach
individuellen und authentischen Erlebnissen zu erfüllen. Unsere Mobilität wird
von Grund auf umgekrempelt. Doch teilen Menschen ihren Besitz mit Fremden,
gehört einerseits ein großes Stück Vertrauen dazu und andererseits entstehen
neue Anforderungen, wie zum Beispiel
maßgeschneiderte Versicherungen – ein
potentieller neuer Markt.
Für Wohnmobile gibt es ähnliche Angebote. Wer auf Reisen flexibel sein will,
ist bei Share a Camper richtig und kann
sich von Privatleuten einen Wohnwagen
oder Caravan mieten.
Dem gesteigerten Bedürfnis nach individuellem Reisen entspricht auch der
Trend, seinen Urlaub in Privatwohnungen
statt in Hotels zu verbringen. Auf diese Nachfrage reagiert Wimdu oder auch
AirBNB: Das Portal bringt private Gäste
und Gastgeber zusammen.
Politik
US-Strafzölle wären ein schwerer Schlag gegen Volkswagen
Dem VW-Konzern droht Gefahr für das US-Geschäft: Die Produktion in Mexiko wäre von Straf-Zöllen massiv betroffen
D
er erste ausländische Konzern, der
von möglichen US-Strafzöllen betroffen ist, ist Toyota: Der designierte Präsident Donald Trump hat den Japanern
bereits mit saftigen Zöllen gedroht, wenn
das Unternehmen seinen Corolla nicht
direkt in den USA produziert. Zuvor hatte Ford ein Werk in Mexiko gestoppt und
sich für die Produktion in Michigan entscheiden.
Auch die deutschen Autobauer wä-
ren betroffen. Die von Trump ins Spiel
gebrachten Zölle von 35 Prozent würden
insbesondere den VW-Konzern vor immense Probleme stellen, sagte der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer
den Deutschen Mittelstands Nachrichten.
„Stark von den Einfuhrzöllen betroffen wäre der VW-Konzern, welcher derzeit
über jährliche Produktions-Kapazitäten
von etwa 600.000 Autos in Mexiko ver-
fügt. Ein Großteil davon wird in die Vereinigten Staaten exportiert. Volkswagen
und seine Marken Audi und Porsche dürften unter diesen Umständen an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen“, sagte Dudenhöffer. Anders stellen sich die Aussichten
für die deutschen Konkurrenten Mercedes und BMW dar – diese würden im
Großen und Ganzen kaum unter Trumps
Zollschranken leiden oder davon sogar
profitieren, weil ihre Wettbewerber in
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Bedrängnis geraten und weil ihr derzeit
stattfindender Aufbau von Produktionsbetrieben in Mexiko noch am Anfang stehe und notfalls reduziert werden könne.
„Schwierig könnte es für den VWKonzern werden. Audi, Porsche, Bentley,
Lamborghini produzieren überhaupt
nicht in USA. Die Marke VW kommt auf
knapp 75.000 produzierte Neuwagen in
2016 in den USA. Bei gut 582.000 verkauften Konzernfahrzeugen steht damit
ein „Trump’sches“ Minus von 500.000
Autos in der Bilanz“, schreibt Dudenhöffer in einer Studie zum Thema.
Das Trump Sonderzölle gegen Auto-
Auch andere Autobauer wären stark betroffen.
mobilimporte aus Mexiko erheben wird,
steht für Dudenhöffer außer Zweifel:
„Trump wird das machen. Und es wird
dazu führen, dass die USA einen Teil ihrer gegenwärtigen Arbeitslosigkeit in den
‚Rustbelt-Staaten‘ nach Mexiko zurücktransferieren.“ Die Kursänderung hin zu
einer restriktiven Handelspolitik des designierten amerikanischen Präsidenten
hat bereits ihre Wirkung gezeigt. Ford hat
den Plan für ein neues Werk in Mexiko im
Umfang von 1,6 Milliarden Dollar aufgegeben. Damit knickt der Autokonzern vor
Trump und seinen Zollplänen gegen das
benachbarte Niedriglohnland ein. Trump
hat inzwischen angekündigt, dass „dies
nur der Anfang“ sei.
Die deutschen Autobauer, die derzeit Milliarden in neue Werke in Mexiko
stecken, werden nach Einschätzung von
Analysten deshalb Baukräne und Bänder
zwar nicht stoppen, doch neue Projekte
könnten aufgeschoben oder sogar gestrichen werden. „Das wird Auswirkungen
auf Investitionsentscheidungen haben“,
sagt etwa Jürgen Pieper, Autoanalyst vom
Bankhaus Metzler. Trumps Ankündigungen, das Freihandelsabkommen mit
Mexiko neu zu verhandeln, sei nicht nur
Wahlkampf-Rhetorik gewesen. „Es steckt
politischer Wille dahinter, die Freihandelszone NAFTA steht zur Disposition“,
erklärte Pieper. „Produziert in den USA
oder zahlt eine hohe Steuer an der Gren-
Quelle: Flickr/Kenny Louie/CC BY 2.0
ze“, drohte Trump dem größten US-Autobauer General Motors. Künftig könnten
auf Einfuhren aus Mexiko bis zu 35 Prozent Zoll fällig werden. Der Kostenvorteil
der Produktion mit Lohnkosten, die nur
etwa ein Sechstel derjenigen in den USA
ausmachen, würde schwinden.
Ford habe seinen Plan kippen können, weil das Werk noch in der Planungsphase gewesen sei, erklärte Gerhard Wolf,
Autoanalyst von der Landesbank BadenWürttemberg. „Die deutschen Hersteller sind schon in der Bauphase – das ist
schwieriger zu stoppen.“ Sie könnten jedoch die geplanten Kapazitäten stutzen.
Frank Schwope, Autoexperte von der
NordLB, nannte den Fall Ford ein Signal.
„Alle Autobauer werden künftig vorsichtiger agieren, um nicht auf Überkapazitä-
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ten sitzen zu bleiben.“
Die VW-Tochter Audi hat im Herbst
2016 ihr Werk in San Jose Chiapa eröffnet
und fährt derzeit die Produktion hoch.
Ende 2016 kam eine zweite Schicht hinzu, die dritte soll im Laufe des Jahres 2017
folgen. Bis zu 150.000 Fahrzeuge können
in dem Werk gebaut werden. Audi fertigt
dort den Geländewagen Q5 – für die USA
und den Weltmarkt. Die Ingolstädter investierten mehr als eine Milliarde Euro in
den Standort im Bundesstaat Puebla, wo
die Konzernmutter VW schon seit Jahrzehnten produziert. Im Audi-Werk sollen
insgesamt 4200 Arbeitsplätze entstehen.
„Wir beobachten die Lage genau“, sagte
ein Sprecher zu Reuters mit Blick auf
Trumps Zollpläne.
VW selbst betreibt in Puebla seit
mehr als 50 Jahren eines seiner größten
Werke mit zuletzt annähernd 15.000 Beschäftigten. Diese Fokussierung auf den
amerikanischen Markt könnte vor dem
Hintergrund der Änderungen in der USHandelspolitik zu Problemen führen.
Denn der Großteil der dort vom Band
laufenden Autos wie der Jetta oder der
Käfer-Nachfolger Beetle wird in die USA
geliefert. Nun kommt der kompakte SUV
Tiguan hinzu, der in der verlängerten
Version mit sieben Sitzen unter dem Namen Allspace auf den US-Markt gebracht
werden soll. Von dem Modell sowie von
dem in Chattanooga im US-Bundesstaat
Tennessee produzierten Groß-SUV Atlas
erhofft sich VW nach dem Abgasskandal
in Nordamerika einen Neuanfang.
Daimler zieht gerade zusammen mit
seinem französisch-japanischen Partner
Renault/Nissan ein PKW-Werk in Aguascalientes hoch, in dem Kompaktmodelle
vom Band rollen sollen. Die Produktion
von Fahrzeugen der Nissan-Nobelmarke
Infiniti soll im November 2017 anlaufen,
Mercedes-Benz startet im Frühjahr 2018.
Die in der Nähe eines bereits bestehenden Nissan-Werks gelegene Fabrik soll
eine Jahreskapazität von 230.000 Fahrzeugen haben und im Jahr 2020 rund
3.600 Mitarbeiter beschäftigen.
Den größten Spielraum, Investitionen notfalls zu kappen, hat BMW. Der Bau
des ersten großen Standorts in San Luis
Potosi, wo sich auch Ford niederlassen
wollte, hatte erst Mitte 2016 begonnen. In
die Fabrik mit Karosseriebau, Lackiererei
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und Montage investiert BMW rund eine
Milliarde US-Dollar. Ab 2019 soll dort der
absatzstarke 3er für den Weltmarkt gebaut werden. Die jährliche Produktionskapazität des Werkes liegt bei 150.000
Stück. Es sollen mindestens 1.500 neue
Arbeitsplätze entstehen. „Uns bleibt also
noch Zeit, um uns auf mögliche Entwicklungen einzustellen“, sagte BMW-Chef Harald Krüger kürzlich in einem Interview.
Die Münchner hoffen, Trump mit ihrer
starken Präsenz in den USA zu besänftigen. So sagte Krüger weiter, die US-Regierung werde das Bekenntnis des Konzerns
zum Standort USA anerkennen. „Was mir
Vertrauen gibt, ist allein schon die Tatsache, dass wir in Spartanburg im US-Staat
South Carolina unser weltweit größtes
Werk betreiben.“
Nicht nur in den Vereinigten Staaten, auch in China oder Südamerika gebe
es Tendenzen zu Protektionismus, sagte LBBW-Analyst Wolf. Zölle und andere
Handelsschranken seien deshalb ein Faktor, der zusätzlich zu Produktionskosten
und Absatzchancen einkalkuliert werden
müsse. Der Zwang zur Lokalisierung, also
der Produktion vor Ort für den jeweiligen
Markt, werde wachsen. „Für mich ist die
Botschaft: Investitionsentscheidungen
werden komplexer – die Autobauer müssen lernen, noch flexibler mit den Standorten umzugehen.“
Mexiko ist der siebtgrößte Autoproduzent der Welt. Ein Drittel der US-Autoimporte stammt aus dem Nachbarland.
Außer der Nähe zum riesigen US-Markt
locken zahlreiche Freihandelsabkommen
mit anderen Ländern und niedrige Lohnkosten. Hersteller und Zulieferer haben
viel Geld in Werke in dem mittelamerikanischen Land investiert, viele weitere
Milliardenprojekte sind geplant.
Die Unsicherheit bezüglich der Ausrichtung der künftigen US-amerikanischen Handelspolitik wirkt sich inzwi-
20. Januar 2017
schen auch auf die Devisenmärkte aus.
Der Kurs des mexikanischen Pesos zum
Dollar sinkt seit Tagen. Am Donnerstag
kostete ein Dollar mehr als 21,50 Peso. Vor
einem Jahr lag der Kurs noch bei 17 Peso,
vor drei Jahren noch bei etwa 13 Peso. In
Mexiko wachsen die Sorgen vor einer
Verschlechterung des wirtschaftlichen
Umfeldes. Einem vom Finanzblog Zerohedge zitierten Analysten zufolge zeige
das Zurückweichen von Ford „wie viel
Einfluss Trump bei vielen Unternehmen
tatsächlich hat – dies ist offenbar weitaus größer, als die mexikanischen Eliten
bislang wahrhaben wollten.“ „Fords Entscheidung ist ein Vorzeichen, was die beiden Volkswirtschaften erwarten wird. Für
unsere Wirtschaft bedeutet dies einen
großen Rückgang der Investitionen aus
den USA und für die Vereinigten Staaten
eine merkliche Steigerung der Produktionskosten“, schreibt die mexikanische
Tageszeitung La Jornada.
Energiewende
Kosten durch fossile Brennstoffe explodieren im Jahr 2050
Eine Analyse zeigt, dass die Strompreise durch Erneuerbare Energien perspektivisch günstiger sein werden
D
ie Energiewende wird bis 2050 nicht
nur eine klimafreundliche Stromversorgung bringen, das Stromsystem wird
mit der Energiewende wahrscheinlich
auch kostengünstiger werden als mit einer
Stromversorgung auf Basis von Kohle oder
Gas. Demnach wird das gesamte Stromsystem auf Basis Erneuerbarer Energien im
Jahr etwa 64 Milliarden Euro kosten. Die
Kosten für ein fossiles Stromsystem liegen
im Durchschnitt von zwölf Szenarien bei
67 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis einer Analyse, die vom Öko-Institut für Agora Energiewende erarbeitet wurde.
Die Wissenschaftler um Felix Matthes
haben darin 35 Jahre in die Zukunft geblickt
und ein Stromsystem, das zu 95 Prozent auf
Erneuerbaren Energien basiert, mit mehreren fiktiven Stromsystemen verglichen, in
denen von nun an keine Wind-, Solar, Wasserkraft- oder Biomasseanlagen mehr gebaut würden. Folglich würden sie vollständig auf Erdgas und Kohle basieren. In den
Szenarien wurden die Kosten für Brennstoffe (niedrig/hoch) und die CO2-Preise (niedrig/mittel/hoch) variiert, woraus zwölf Ver-
gleichsszenarien resultierten.
Das Ergebnis dieses Vergleichs ergibt,
dass ein zu 95 Prozent auf Erneuerbaren
Energien basierendes Stromsystem im Jahr
2050 etwa 63 bis 64 Milliarden Euro kostet
– inklusive aller Kosten für Anlagen, Netze
Die Energiewende hilft dem Klimaschutz und dem
Geldbeutel. Foto: Flickr/Damien McMahon/CC BY 2.0
und Speicher. Dies entspricht in etwa auch
den heutigen Kosten des Stromsystems.
Demgegenüber ist ein fossiles Stromsystem
im Jahr 2050 in vier Szenarien deutlich teurer (75 bis 88 Milliarden Euro), vier fossile
Szenarien kosten etwa ähnlich viel wie das
Energiewende-Szenario (59 bis 69 Milliar-
den Euro) und vier fossile Szenarien sind
deutlich billiger (45 bis 54 Milliarden Euro).
Eine genauerer Blick auf die Szenarien offenbart, unter welchen Bedingungen im
Jahr 2050 eine fossile Stromwelt deutlich
billiger wäre als die Energiewende-Welt: Im
Fall des Kohlestromsystems gilt dies dann,
wenn man die CO2-Kosten sehr niedrig ansetzt (20 Euro pro Tonne CO2) und im Fall
einer Gas-Stromwelt nur dann, wenn man
niedrige Gaspreise und gleichzeitig niedrige bis mittlere CO2-Kosten erwartet. Zudem
wird deutlich, dass in keinem der fossil dominierten Szenarien die Klimaschutzziele
erreicht werden. Die CO2-Emissionen im
Energiewende-Szenario liegen hingegen
nahe Null.
„Wir wissen nicht, wie sich die Preise
für Kohle, Gas und CO2-Emissionen in den
nächsten Jahrzehnten entwickeln werden“,
sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Wir wissen aber, dass ein
fossiles Stromsystem in den Szenarien, die
mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit
eintreten, teurer ist als ein ErneuerbarenEnergien-Stromsystem. Die Energiewende
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Deutsche
MittelstandsNachrichten
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Ausgabe |03/16
ist insofern zum einen notwendig für den
Klimaschutz und wirkt zum anderen gleichzeitig wie eine Versicherung gegen das Risiko hoher Brennstoff- oder CO2-Preise.“
In allen betrachteten Szenarien wurde einer sehr guten Versorgungssicherheit
hohe Priorität eingeräumt. Während dies in
den Kohle- und Gasszenarien über die fossilen Kraftwerke gewährleistet wird, wurde
im Energiewende-Szenario dazu mit großen
Mengen an Speichern und Gaskraftwerken
gerechnet, die bei Flaute oder Dunkelheit
mit aus Erneuerbaren Energien erzeugtem
Gas befeuert werden (Power-to-Gas). Zudem
20. Januar 2017
wurden Erzeugung und Verbrauch stundenscharf modelliert. Der für alle Szenarien
gleich angenommene Stromverbrauch entspricht mit 550 Terawattstunden im Jahr in
etwa dem heutigen Niveau. Die Preise für
Treibhausgas-Emissionen wurden zwischen
20, 50 und 103 Euro je Tonne CO2 variiert.
Finanzen
Demografische Entwicklung bedrängt deutsche Versicherer
Durch die demografische Entwicklung in Deutschland verschwinden bis 2050 mehr als 4 Millionen Kunden von Versicherern
D
Bankprodukten über die verschiedenen
Altersklassen der Konsumenten und
prognostiziert die potenzielle Marktabdeckung bis ins Jahr 2050 unter Berücksichtigung der zukünftigen Altersstrukturen. Grundlage sind die Ergebnisse der
Markt-Media-Studie „best for planning
2016“ und die Bevölkerungsvorausrechnung des statistischen Bundesamts.
Dabei wurde eine Konstanz in der jeweiligen prozentualen Marktabdeckung
unterstellt.
Bei den meisten untersuchten Versicherungsprodukten weist die Altersgruppe der 50-59-Jährigen die höchste Zahl an
Versicherten auf. Bis ins Jahr 2050 wird
diese Alterskohorte in Deutschland um
fast ein Viertel schrumpfen – von derzeit
13,2 Millionen auf nur noch 9,9 Millionen.
Die meisten potenziellen Neukunden
für Versicherungsprodukte sind demgegenüber zwischen 20 und 29 Jahren
alt. Diese Altersgruppe wird im gleichen
Zeitraum um fast ein Fünftel von aktuell 9,7 auf dann 7,8 Millionen abnehmen.
Anders sieht das bei den
über 60-Jährigen aus: Die
Gruppe der 60 bis 69-Jährigen wird um 6,1 Prozent
von heute 9,9 auf 10,5 Millionen zulegen.
Mit der Bevölkerung
verändert sich auch die
Struktur der Versicherten
in Deutschland: Bei allen
untersuchten
VersicheDurch immer weniger Nachwuchs verändert sich die Versicherungslandschaft.
Foto: Flickr/Maurits Verbiest/CC BY 2.0
rungsprodukten wird die
ie Versicherer in Deutschland haben ein großes Problem: Bis ins Jahr
2050 wird die Zahl ihrer Kunden massiv
einbrechen. So werden zum Beispiel allein
4,61 Millionen Menschen weniger privat
haftpflichtversichert sein als heute. Der
Grund: Die Bevölkerungsentwicklung in
Deutschland bedroht die Versicherungswirtschaft in ihren Grundfesten. Längeres
Leben und wenig Nachwuchs führen dazu,
dass immer weniger Menschen unter 60
im Bundesgebiet leben. Demgegenüber
stehen immer mehr über 60-Jährige. Die
Folge: Steigende Schadenquoten durch
versicherte Risiken, die im Alter zunehmen – und wenig Potenzial für Neugeschäft, das diesen Verlust ausgleichen
könnte. Das zeigt die kostenpflichtige
Studie „Auswirkung der demografischen
Entwicklung auf die Marktpotenziale von
Versicherungen und Kreditinstituten“
des IMWF Instituts für Management und
Wirtschaftsforschung.
Die Studie analysiert die derzeitige
Marktabdeckung von Versicherungs- und
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo
Redaktion: Anika Schwalbe, Nicolas Dvorak. Sales Director:
Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon:
com. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro
www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de
Anzahl der Versicherten – also der Kunden und damit Beitragszahler – bis ins
Jahr 2050 abnehmen. Mit 4,61 Millionen
wird dieser Kundenverlust bei der privaten Haftpflichtversicherung am stärksten
ausfallen. Ebenfalls stark zurückgehen
wird die Anzahl der Kfz-Haftpflichtversicherungen (-4,33 Millionen) und der
Hausratsversicherungen (-4,15 Millionen).
In absoluten Zahlen fällt der Schwund mit
0,15 Millionen bei den Aussteuer- und
Ausbildungsversicherungen am geringsten aus. Allerdings ist diese Versicherungsart mit 0,86 Millionen Versicherten
zwischen 14 und 69 Jahren schon heute
vergleichsweise gering verbreitet.
Insgesamt weniger Versicherte, aber
im Verhältnis mehr ältere – das führt zu
steigenden Schadenquoten bei versicherten Risiken, die im Alter zunehmen. Zum
Beispiel in der Kranken- oder Pflegeversicherung. Zum Ausgleich müssten die Beiträge steigen. Doch das wird wiederum
die Schwierigkeiten bei der Neugeschäftsakquise verschärfen. „Dieser Spirale der
Risikoverschlechterung sollten Versicherer frühzeitig begegnen, denn die Basis
für die zukünftige Versichertenstruktur
wird schon heute gelegt“, mahnt Wilhelm
Alms, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des IMWF. „Nur wer heute
mit einer klugen Produkt-, Marken- und
Vertriebsstrategie jüngere Zielgruppen
gezielt bindet, wird in dem sich stetig verschärfenden Verdrängungswettbewerb
im Versicherungsmarkt langfristig überleben.“
Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
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