Deutsches Ärzteblatt 1977: A-614

Spektrum der Woche
Aufsätze • Notizen
PREISE
FEUILLETON
„Erde wird
gebraucht . .
Verleihungen
Hermann-Kümmell-Preis 1976 — Die
Vereinigung Nordwestdeutscher
Chirurgen hat den Hermann-Kümmell-Preis 1976, I. Stufe, in Höhe von
3000 DM an Dr. med. Klaus-Dieter
Rumpf, Klinik für Abdominal- und
Transplantationschirurgie im Department Chirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover, für
seine Arbeit „Chirurgische Behandlung des Diabetes mellitus durch Inseltransplantation" verliehen. Mit
diesem Preis ist eine mehrjährige
Forschungstätigkeit ausgezeichnet
worden, bei der die Versuche, Zukkerkranke durch eine Verpflanzung
der Insulin erzeugenden Lagerhansschen Inselzellen zu behandeln, bei
Versuchstieren zum Erfolg geführt
haben. MHH
Archaische Erdbilder
von Rolf Iseli
Hartmut Kraft
In unserer asphaltierten Umwelt ist
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der Anblick, erst recht das Erlebnis
von Erde für viele zu einer Rarität
geworden. Wir wandeln schon
längst nicht mehr auf Erde, sondern
auf Stein, Beton und Kunststoff.
„Erde wird gebraucht, um auf den
Grund zu weisen als das Einfache,
das Schöpferische, jedem Verständliche."
Gödecke-Forschungspreis —
Aus
Anlaß ihres hundertjährigen Bestehens hat die Firma Gödecke AG
1966 einen Preis zur Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses
an der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg gestiftet. Jährlich werden
hervorragende Doktor-, Diplom- und
andere wissenschaftliche Arbeiten
junger Wissenschaftler der Universität Freiburg mit dem mit 20 000 DM
dotierten Gödecke-Forschungspreis
ausgezeichnet. Am 10. Dezember
1976 wurden zehn junge Wissenschaftler vom Rektor der Universität
Freiburg mit dem Gödecke-Preis geehrt, darunter Christian Bauer, Jörg
Thomas Epplen, Jürgen Horst und
Friedrich Kluge von der Medizinischen Fakultät. GFP
Aronson-Preis 1976 — Für seine besonderen Verdienste um die Erforschung von Pilzkrankheiten zeichnete der Berliner Senator für Wissenschaft und Kunst den Leiter der
Fachgruppe Mykologie am RobertKoch-Institut des Bundesgesundheitsamtes in Berlin, Professor Dr.
med. Dr. F. Staib, aus. Die Verleihung des Preises erfolgt alle zwei
Jahre und ist mit einer Dotation von
5000 DM verbunden. Senator Gerd
Löffler strebt an, die Dotation ab
1978 auf 10 000 DM zu erhöhen. DÄ
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Heft 9 vom 3. März 1977
Rolf Iseli: Einfacher Erdmann, 1974, Pulverfarbe, Erde, 75 mal 56 cm, Privatsammlung
Räfis, Schweiz
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Spektrum der Woche
Aufsätze • Notizen
Archaische Erdbilder
Der Berner Maler und Lithograph
Rolf lseli, geb. 1934, arbeitet seit
1970 mit Erde als Bildmaterial. Erde
ist „Bild-würdig", vielleicht sogar
„Bild-notwendig" geworden. Sie
wird in expressiver, manchmal auch
informell anmutender Weise ins Bild
gesetzt, verliert sich aber nicht im
Gestischen, sondern findet in menschenähnlichen Proportionen ihre
Begrenzung. Es entstehen Erdmenschen, „hommes dans la terre"; ihnen gesellen sich der „homme du
jonc" und der „homme Champignon" hinzu.
7,2 k
5,
ertik („,
Die Basis des Lebendigen wird von
Iseli nicht verlassen, jedoch geht er
auf eine archaische Ebene zurück,
auf der das Lebendige sich noch
kaum differenziert hat. In dieser
weitgehend noch ungestalteten Welt
stehen Iselis Erdmenschen, halb
Erdklumpen, halb Menschen. Oberkörper, Arme und Kopf gerade erst
ausgebildet, nicht aber das Gesicht:
archaische und polyvalente Menschen, denen noch alle Entwicklungsmöglichkeiten offenstehen. —
Diese Archaik darf nicht mit Chaos
oder gar Primitivität im Sinne von
Dürftigkeit verwechselt werden. Was
beim ersten oberflächlichen Hinsehen wie zufällig und unstrukturiert
wirkt, entpuppt sich bei genauerer
Betrachtung schon in rein formaler
Hinsicht als ein komplexes Gefüge
sehr verschiedener Strukturen. Insbesondere die druckgraphischen
Arbeiten (Radierungen, Lithographien) zeugen von großem drucktechnischen Können.
Eine technische Brillanz aber, die
immer wieder neu entdeckt werden
muß, nachdem der Betrachter sich
mit der urtümlichen und vehementen Darstellungsweise Iselis vertraut
gemacht hat. Die Bilder erliegen keiner technischen Eleganz, sie sind
nicht überzivilisiert. Sie behalten dadurch ihre Distanz zum Fassadenhaften, Oberflächlich-Schönen.
Rolf 'seil: Ives du nord, 1975, Pulverfarbe, Erde, 68 mal 52 cm, Privatsammlung Köln
„Erde wird gebraucht als Protest, als
Waffe gegen unsere sauberen Fassaden."
Aufwand und Geschick errichteten
Fassaden (man könnte auch sagen:
Masken) sauberzuhalten. Die porentief reine Weste hervorkehren zu
können gilt als erstrebenswertes
Ziel. Den schönen Schein aufrechtzuerhalten kostet nicht selten
enorme Energien, die besser zur Bewältigung der verdeckten Probleme
verwendet werden könnten.
Welche Mühe wird von den Menschen darauf verwendet, ihre mit viel
Iselis Figuren existieren ohne Fassade. Vom oben genannten gesell-
schaftlichen Standpunkt aus betrachtet, sind sie nackt. Es sind aber
Gestalten, die durchaus nicht den
Eindruck machen, ertappt worden
zu sein. Sie machen vielmehr einen
äußerst selbstbewußten Eindruck.
Mit ihrer ungestümen Kraft scheinen
sie die Grenzen ihrer Bilder sprengen zu wollen, nachdem sie nun
schon aus der Zweidimensionalität
in die dritte Dimension vorgedrungen sind. Sie werden in der Lage
sein, ihre Umwelt zu gestalten, nicht
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 9 vom 3. März 1977
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Allopurinol-retard 300 mg
Nierenschonend
Warum retard?
Durch die Retardierung kommt es zur zweidimensionalen Steuerung der Verfügbarkeit des Wirkstoffes
Allopurinol im Darmtrakt: Die Wirkstoff-Freisetzung
erfolgt praktisch pH-unabhängig. Daneben spielt auch
die Zeit, also die Verweildauer im Dünndarm, insbesondere im Bereich der funktionellen Resorptionsreserve des hinteren Ileum-Abschnittes eine große Rolle.
Die Retardform gewährleistet eine kontinuierliche
Freigabe des Wirkstoffes. Innerhalb 7-8 Stunden wird
die gesamte Dosis zur Resorption bereitgestellt.
Allopurinol ist ein potenterer Hemmer der
Xanthin-Oxidase als sein Hauptmetabolit Alloxanthin.
retard verhindert initial
hohe Wirkstoffanflutung
und verteilt die einmalige
Wirkstoffgabe
über 7-8 Stunden!
pH 1,2
MG [mg]
300— = 100%
pH 2,8
pH 5,7
pH 6,5
pH 8,1
300 mg Reinsubstanz
300 mg
in Retardform
250
200
150
100
50
Zeit
3
1
4
5
8
[h]
Dissolution-Test von AllopurinolReinsubstanz und Allopurinol-retard
(In-vitro-Untersuchungen im
Sartorius-Lösemodell — Mittelwerte)
MG = in Lösung gegangene Arzneistoffmenge
Zusammensetzung
1 Tablette enthält 300 mg 1 H - Pyrazolo [3,4 - d] pyrimidin - 4 - ol = Allopurinol
Indikationen
Urikopathien, wie primäre und sekundäre Gicht, Hyperurikämie sowie Uratablagerungen in Geweben, Gelenken, Nieren und ableitenden Harnwegen. Mit Stoffwechselkrankheiten einhergehende harnsaure Diathesen (z.B bei Diabetes,
Hyperlipoproteinämie).
Zur Prophylaxe wie auch zum Lösen von Harnsäuresteinen bei gleichzeitiger
Verdünnung und Neutralisierung des Harns (pH 6,4-6,8).
Zur Behandlung der sekundären Hyperurikämie bei Krankheiten mit erhöhtem Zellkernzerfall wie z. B. Polycythaemia vera, Psoriasis, Sarkoidose, akute und chronische
myeloische Leukämie, multiples Myelom.
Zur Vermeidung von Harnsäureschäden im Verlauf einer Zytostatika- und Röntgentherapie, bei der ein größerer Kernzerfall zu erwarten ist, wie auch während
einer Nulldiät bei Patienten mit gichtiger Diathese.
Dosierung
Die Standard-Dosierung beträgt lx 1 Tablette pro Tag. Die Einnahme soll nach
dem Frühstück mit reichlich Flüssigkeit erfolgen, um gastrointestinale Beschwerden
zu vermeiden.
In schweren Fällen kann der Arzt die Verabreichung von 2 x1Tablette oder auch 1x1
plus 1x 1/2 Tablette täglich (morgens und abends) verordnen.
Unter Kontrolle der Serumharnsäurekonzentration soll nach 2-4 Wochen die
Einstellung auf eine Langzeitbehandlung vorgenommen werden.
Langzeitbehandlung: ',Tablette täglich.
Bei der Behandlung der Gichtniere und der Harnsäuresteine soll die Harnmenge
mindestens 2 Liter betragen, wobei ein pH von 6,4-6,8 anzustreben ist. Zur
Vermeidung von Harnsäureschäden bei Röntgen- bzw. Zytostatikatherapie sollte
Allopurinol-retard 300 mg schon 3 Tage vor der Behandlung in einer Dosierung
von 2x 1 Tablette täglich (morgens und,abends) gegeben werden; die weitere
Applikation des Präparates richtet sich nach der zu erwartenden Serumharnsäurekonzentration.
Die tägliche Maximaldosis beträgt 2 1, Tabletten Allopurinol-retard 300 mg. Bei
Kindern und Jugendlichen sollte eine Tagesdosis von 10 mg Allopurinol pro
kg Körpergewicht nicht überschritten werden.
Zur Beachtung
Bei gleichzeitiger zytostatischer Behandlung mit 6-Mercaptopurin oder bei immunsuppressiver Therapie mit Azathioprin ist deren Dosis auf ein Viertel zu reduzieren.
Kontraindikationen
Während der Schwangerschaft und der Stillperiode soll Allopurinol nicht
eingenommen werden.
Nebenwirkungen
In seltenen Fällen allergische Hautreaktionen, Übelkeit und Erbrechen.
Zu Beginn der Behandlung können bei chronischer Gicht in Ausnahmen vorübergehend Gichtattacken auftreten. Zur Prophylaxe empfiehlt sich die Gabe von
Colchicin in subklinischen Dosen (0,5 mg an drei oder mehreren Tagen pro Woche).
Für Ihre Verordnung
20 Tabletten = DM 29,55 lt. AT m. MSt., 40 Tabletten = DM 54,80 lt. AT m. MSt.
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Darstellung einer Gonarthritis urica. Die
blau-weißlichen Ablagerungen harnsaurer
Salze finden sich auch in anderen
Gelenken bei Polyarthritis urica.
Allopurinol-retard 300 mg
von
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Spektrum der Woche
Aufsätze • Notizen
FEUILLETON
Arzt — und Poet dazu
Gerhard Uhlenbruck
Rolf Iseli: Mann mit Federn, 1972-1975. Zeichnung, Aquarell, Erde, Federn. 113 mal
160 cm, Privatsammlung New York
umgekehrt. An ihnen prallen die stetig steigenden, sich überbietenden
Außenreize ab, die von anderen gebraucht werden. um die Leere der
eigenen Innenwelt zu übertünchen.
Wenn diese Erdmenschen eines Tages sich ausdifferenzieren, Fassaden errichten sollten, werden diese
Fassaden ein Spiegel ihres Innersten sein: voller Risse, übersät mit
Flecken. Aber sie werden so schön
und so lebendig sein wie dieser
„homme dans la terre", „homme
champignon" und „homme du
jonc" es sind. Ihre Fassade wird eine
lebendige Haut sein, keine Aufeinanderhäufung von Belanglosigkeiten. Floskeln, sinnentleerten Ritualen und Zwängen.
Rousseaus Ausspruch „Zurück zur
Natur" hat in Iselis Arbeiten eine
bildhafte Entsprechung gefunden.
Nicht in einem oberflächlichen, idyllischen oder romantischen Sinn,
sondern als Aufforderung zu einer
Rückbesinnung auf die Wurzeln des
Menschen. Die Natur, die wir bis zu
einem gewissen Grad zu beherrschen gelernt haben, kann inzwischen, so scheint es, unsere Fehler
nicht mehr vollkommen kompensieren. Dies bezieht sich durchaus
nicht nur auf naturwissenschaftliche
und industrielle Realitäten. Es trifft
ebenso auf unsere psychischen
Realitäten zu. Der einseitig nur zerebral ausgerichtete Mensch hat bereits einen großen Teil seiner psychischen Wurzeln verkümmern las-
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Heft 9 vom 3. März 1977
sen. Es ist eine Leere entstanden,
die man durch vermehrten Konsum
vergeblich zu füllen sucht. Erde ist
symbolisch für den erlittenen Substanzverlust. Sie ist eine Rückbesinnung wert.
,,Erde wird gebraucht als Gegensatz
zum sich Auflösenden, sich Verflüchtigenden. Sie ist unsere Existenz."
(Zitate aus einem Brief Rolf Iselis an den
Verfasser.)
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hartmut Kraft
Kapfenbergerstraße 4
5020 Frechen
Kurzgeschichten
ärztlicher
Erlebnisse
Der Herausgeber mehrerer
Anthologien ärztlicher Lyrik
und Prosa, Armin Jüngling,
beabsichtigt, 1977 einen Kurzgeschichtenband ärztlicher
Autoren herauszugeben. Thematisch soll es sich um ärztliche Erlebnisse handeln. Dr.
Armin Jüngling erbittet an
seine Adresse — 8211 Unterwössen — Einsendungen bis
zu sechs Schreibmaschinenseiten (mit frankiertem Rücksendekuvert) bis zum 1. Mai
1977. DÄ
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
In Köln-Lindenthal, Gleueler Straße
308, wohnt Professor Dr. med. Gerhard Uhlenbruck, Vorsteher der
Abteilung Immunbiologie (Abteilung experimentelle innere Medizin). Er wurde 1929 als Sohn des
bekannten Herzspezialisten Professor Paul Uhlenbruck geboren. Zu
seinem Leidwesen hinderte ihn
langwierige Erkrankung daran,
wirklich zu praktizieren, veranlaßte
ihn vielmehr statt dessen, in die
Forschung zu gehen. Zeichen eines starken Charakters ist, seinem
Schicksal zu trotzen, sich nicht zu
ergeben.
Für ihn, so vermute ich, liegt in
dieser Krankheit die Ursache für
sein Interesse am Sport, besonders am Marathonlauf — wie er
ausführlich in der Laudatio für den
Landarzt, den „Laufdoktor" Ernst
van Aaken darstellt, der mit 62
beim Training beide Beine verlor,
aber trotzdem nicht aufgab und
neue Methoden des Versehrtentrainings entwickelte (DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT, Heft 20 vom 15. Mai
1975).
Nach dessen Trainingsmethode
ist übrigens Harald Norpoth,
Olympiazweiter über fünftausend
Meter, geschult worden. Sein zweites Hobby, neben dem Sport, ist
„Gedichtemachen", und er legt einen Band vor „Nicht für immer,
Liebes- und Leistungsgedichte",
mit dem Motto, das Thomas Bernhard entlehnt wurde und das
die Motivation leicht ironisiert:
„Seine Publikationen erscheinen
regelmäßig in Fachzeitschriften
und erregen in der Fachwelt Aufse-
hen. Ein solch fundierter Mensch