Zusammenstellung 14.1.2017 - bei der AbL Niedersachsen/Bremen

In dieser Ausgabe der AGRAR-HINWEISE:
- PR-Verantwortliche der „Grünen Woche“ malen mit Texten und Bildchen immer
noch ein schönes Bild der NS-Zeit…
- Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen und Bremen zum Tierwohl GUT: Drängen auf Tierschutzplan des Bundesagrarministeriums
NICHT GUT: Mögliche Immissions-Rabatte für Agrarfabrik-Umbauten
- Veranstaltung Agrarminister NRW /Nds.Münster - Zukunft der Schweinehaltung
- Schweinehalter-Sorgen
- ALDI-Hofer-Schweine-Projekt
- Kartoffelbauern-Sorgen
- Zukunft der Landwirtschaft in Afrika?
- Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung – Kritik
- Gentechnik
- Arbeitsverhältnisse im Bio-Sektor
- Wahlen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung
- Germanwatch-Studie i.A. von MdEP Häusling zur EU-Agrarreform
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. – Pressesprecher:
Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel
0151-11201634 – [email protected]
Newsletter „Agrar-Hinweise“ – 14.01.2017
vorherige Ausgaben auf der Internetseite http://www.abl-niedersachsen.de/
BRAUNE „GRÜNE WOCHEN“:
Pressemitteilung
Die braunen „Grünen Wochen“ der Nazis – die „Grüne-Woche“-PRVerantwortlichen malen weiter ein schönes Bild der NS-Zeit
Wann macht die „Grüne Woche“ endlich reinen Tisch mit ihrer NSVergangenheit?
Bauernverband und Ernährungsindustrie-Vereinigung als ideelle Träger der
Messe in der Pflicht
Scharfe Kritik an der „schönfärberisch-banalisierenden Beschreibung“ der Rolle der
"Grünen Woche" im Dritten Reich übt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL). Der niedersächsische Landesverbands-Pressesprecher
Eckehard Niemann forderte die ideellen Träger der Messe, den Deutschen
Bauernverband und die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie, auf,
endlich die schon im Vorjahr angekündigte Aufarbeitung der Geschichte der "Grünen
Woche" anzugehen.
Stattdessen, so die AbL, würden auch in diesem Jahr in den PR-Ankündigungen zur
Historie der Messe erneut die gleichen verniedlichenden Banalitäten aus dieser Zeit
präsentiert. In der „Presseinformation“ vom 5.1.2017 zur „Historie der Grünen
Woche“ gebe es zur Nazi-Zeit tatsächlich lediglich folgende Aussagen: „1935 wurde
das von Wilhelm Hölter entworfene Markenzeichen - die stilisierten gelben Ähren auf
grünem Grund - zum Symbol der Grünen Woche. Nach dem Ausfall 1938 infolge der
in Deutschland grassierenden Maul- und Klauenseuche öffnete die „Grüne Woche“
ein Jahr später vorläufig letztmals ihre Tore und wies auf ein noch heute aktuelles
Thema hin: Besondere und weithin sichtbare Attraktion war die „Ernährungsuhr“, die
auf Kalorienersparnis programmiert war und automatisch Tipps für gesunde
Mahlzeiten gab. So empfahl die Ernährungsuhr beispielsweise statt geräucherter
Pökelrippe eine leckere Gemüseplatte, deren Zutaten genau aufgeführt wurden.“
Die NS-Zeit wie auch die "Grüne Woche", so die AbL, seien aber mitnichten
gekennzeichnet gewesen durch neue grafische Ähren-Symbole, Maul- und
Klauenseuche oder "Ernährungsuhren": „Kennzeichnend war vielmehr die
Einbindung der "Grünen Woche" in eine "Erzeugungsschlacht", die auf eine
weitgehende Nahrungs- und Rohstoff-Autarkie (Selbstversorgung) zur Vorbereitung
und Ermöglichung eines raschen Eroberungskriegs zielte - mit Ausplünderung der
agrarischen Ressourcen der eroberten Länder und der Organisation von Vertreibung,
Vernichtung und Sklavenarbeit auch im Bereich der Landwirtschaft."
Besonders geschichts-verdrängend, so die AbL, gerate die Auswahl der Fotos auf
der Internetseite der „Grünen Woche“: Auch dort keinerlei Hinweis auf die NaziDominanz in jener Zeit – stattdessen viele Fotos so recht nach dem Geschmack und
der Strategie der damaligen Machthaber:
Deutschlands größtes Butterfass (1934)
Holzschnitzer aus dem bayerischen Wald (1934)
Errungenschaften in der Milchviehhaltung und im Landbau (1934)
Internationales Frühstück von Reitern (1935)
Handwerkskünste (1935)
Gesellige Treffpunkte zum Weinbau (1935)
Reichhaltige heimische Gemüseauswahl (1936, wohl im Zuge der Versogungs„Fettlücke“)
6.000 Hörner und Geweihe (1936)
Liebevoll gestaltete deutsche Jagdzimmer (1936)
Federvieh-Wettbewerb (1936)
Fertigsuppen zur Erleichterung der Hausfrauenarbeit (1937, wohl im Zuge der
Eingliederung weiblicher Arbeitskräfte zur Kriegsproduktion)
Vorbildliche Organisation der häuslichen Küche (1937)
Kuhfell-Pflege (1937)
Alpen-Ausstellung (1939, nach „Anschluss“ Österreichs)
http://www.gruenewoche.de/Presse/Pressemitteilungen/News_36805.html?referrer=/
de/Presse/Pressemitteilungen/#news-de-36805
Da den „Grüne-Woche“-Verantwortlichen (laut Aussage im Berliner Kurier) angeblich
Unterlagen zur NS-Zeit fehlen würden, stellt die AbL eine Reihe von Foto-Links
bereit, die die dominante Rolle der Nazis bei den braunen „Grünen Wochen“ jener
Zeit überdeutlich illustrieren:
http://www.sz-photo.de/result_webshop/landwirtschaft-in-deutschland-1933-1945/dossier1.1127503
http://www.szphoto.de/?60044309618120829140&EVENT=WEBSHOP_SEARCH&SEARCHMODE=SERIES&SHOWSER
IES=1.1121575
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_Bild_183E01278,_Berlin,_Gr%C3%BCne_Woche,_Darr%C3%A9,_Himmler,_Helldorf,_Coulondre.jpg
http://www.gettyimages.de/detail/nachrichtenfoto/goebbels-joseph-29-10-1897-politiker-nsdapnachrichtenfoto/541080351#goebbels-joseph-2910189701051945politiker-nsdap-deroeffnung-derauf-picture-id541080351
http://www.sz-photo.de/result_webshop/messen-und-ausstellungen-in-deutschland-19331945/dossier-1.1127501
http://images.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fmedia.gettyimages.com%2Fphotos%2Fgoe
bbels-joseph-2910189701051945politiker-nsdap-deroeffnung-der-auf-pictureid541080351&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.gettyimages.com%2Fdetail%2Fnewsphoto%2Fgoebbels-joseph-29-10-1897-politiker-nsdap-deroeffnung-der-newsphoto%2F541080351&h=731&w=1024&tbnid=39ZDIsfQ_ZqnvM%3A&vet=1&docid=ZYMi0nIsniqUM&ei=Bb1yWM6AKsGSU_r4kPAC&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=371&page=0&start=0&ndsp=3
0&ved=0ahUKEwiOl4CmzLPRAhVByRQKHXo8BC4QMwgdKAAwAA&bih=909&biw=1280
Die Landwirtschaftsausstellung “Grüne Woche” in Berlin wird von Hermann Göring eröffnet - 25.
Januar 1936
Berlin, Grüne Woche, Darré, Himmler, Helldorf, Coulondre
Auf der Grünen Woche 1939 Reichsminister Darré (Mitte), Polizeipräsident Graf Helldorf und
Reichsführer SS Himmler beim Rundgang durch die gewaltige Schau. Ganz rechts der französische
Botschafter Coulondre. Fot.: 27.1.39
Die AbL verweist auch auf die von Christoph Studt herausgegebene Datensammlung
"Das Dritte Reich", in der es unter dem Datum 27.1.1939 heiße: "Die ´Grüne Woche´
wird eröffnet. Reichsführer und Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft,
Darré, spricht über die Bedeutung, die ´dem deutschen Bauern als Blutsquell des
deutschen Volkes zukomme und wie die deutsche Landwirtschaft ringe, das
deutsche Volk trotz seiner eingeengten Ernährungsbasis zu ernähren´ (C.H. Beck,
2002, S. 95). --- Gleich im nächsten Absatz dieser Chronik heiße es übrigens am
28.1.1939: "Das Reichsministerium verbietet Juden, auf Märkten Waren zu
verkaufen."
AbL-Sprecher Niemann: Unter der Leitlinie "Kanonen statt Butter" wurde von den
Nazis eine Prioritätensetzung vorgenommen, die Darré in seiner Rede auf der
Grünen Woche 1936 als "bewußte Lenkung des Verbrauchs" als "wertvoller
Ergänzung der Erzeugungsschlacht" und als Instrument zur Entlastung der
Devisenbilanz darstellte. Die "Ernährungsrichtlinien für die Verbrauchslenkung"
verlangten von der Bevölkerung materielle Entbehrungen bei gleichzeitiger
Leistungssteigerung. Den Menschen wurde vorgegaukelt, es gehe um ihre
"Ernährungssicherung" - in Wirklichkeit ging es darum, im geplanten 2. Weltkrieg zu
vermeiden, dass - wie im 1. Weltkrieg - der Hunger der Bevölkerung die Fortsetzung
des Krieges gefährdete. Im Buch "Brot-Butter-Kanonen" (Akademie-Verlag, Berlin,
1997) zitieren Gustavo Corni und Horst Gies in diesem Zusammenhang auf Seite
360 entsprechende Reden Görings und auch den Inhalt einer Tagung der
"Wehrwissenschaftlichen Gesellschaft" im Jahre 1936: "Wie kann durch geeignete
psychologische Einflussnahme die Ernährungsweise unseres Volkes so umgestaltet
werden, daß die deutsche Nahrungsfreiheit erreicht wird, und in welcher Richtung
müssen die psychologischen Mittel gesucht werden, um eine solche im Kriegsfall
notwendige Umstellung in der Ernährung ohne Schädigung der Massenpsyche
durchzuführen?"
Auch in dieser Tradition stehe die "Grüne Woche", so die AbL – deshalb „wäre es
redlich, dies nicht zu verschweigen oder zu beschönigen.“
- 14.1.2017
BUNDESRATS-INITIATIVE TIERWOHL:
Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen und
Bremen zum Tierwohl
GUT: Drängen auf Tierschutzplan des Bundesagrarministeriums
NICHT GUT: Mögliche Immissions-Rabatte für Agrarfabrik-Umbauten
Nachfolgend die Pressemitteilung des niedersächsischen Agrarministeriums zur
Bundesratsinitiative zum Tierwohl ,die Bundesagrarminister Schmidt völlig zu Recht
zum Handeln drängt. Diese Initiative wird von der AbL Niedersachsen/Bremen
natürlich voll unterstützt.
Allerdings warnen wir - mit Hinblick auf die von top agrar zitierte Passage
(letzter Satz, s.u.) - erneut sehr deutlich davor, den großen agrarindustriellen
Tierhaltungs-Anlagen einen Rabatt oder Nachlass bei den Immissionswerten
zu gewähren, wenn diese ihre Ställe oder einen Teil ihrer Ställe auf mehr
Tierwohl umbauen, ohne die Tierzahlen auf ein anwohner- und
umweltverträgliches Niveau abzustocken.
Solche "Verbesserungsgenehmigungen" zementieren agrarindustruielle Strukturen
auf Kosten von Anwohnern, Natur, Gesundheit und letzlich auch auf Kosten der
Schaffung wirklich tiergerechter Größenordnungen, die Weidegang, Auslauf und
Stroheinstreu ermöglichen und nicht verbauen. Die Idee dieser sogenannten
"Verbesserungsgenehmigungen"verfolgt innerhalb der rot-grünen Landesregierung
Niedersachsen vor allem SPD-Ex-Minister Bartels aus dem Raum VechtaCloppenburg...
Passagen aus dem Bericht von top agrar online:
(...) Druck auf Landwirtschaftsminister Schmidt übte bei der Pressekonferenz
auch Gert Lindemann, ehemaliger niedersächsischer Landwirtschaftsminister und Staatssekretär
im BMEL aus. „Uns schwebt mehr vor, als der Bundeslandwirtschaftsminister bisher macht“,
sagte der CDU-Politiker. Lindemann hob hervor, dass die Finanzierung von mehr Tierwohl das
zentrale Thema der Nutztierstrategie sein müsse. „Die Finanzierung kann nur ein Mix sein, eine
gesellschaftliche Gruppe alleine kann das nicht schultern“, so Lindemann.
Das Trio forderte eine Verbraucherbeteiligung, staatliche Förderung über die nationale und
europäische Agrarpolitik und eine Fleischabgabe, die der Staat nur zu dem Zweck des Umbaus
der Tierhaltung verwenden dürfe. Bei der Höhe der Abgabe könne sich der Staat an dem Beitrag
orientieren, den die Initiative Tierwohl derzeit für sein Tierwohlprogramm
beim Lebensmitteleinzelhandel eingesammelt. Meyer nannte 4 oder auch 6 Cent/kg als für alle
Verbraucher verträglich.
Das eine Fleischabgabe Auswirkungen auf die Fleischnachfrage beim Verbraucher habe,
verneinte das Bündnis. Die Preisschwankungen auf dem Fleischmarkt seien bereits jetzt viel
höher als es mit einer Abgabe in der Höhe von 4 bis 6 Cent zusätzlich zu erwarten wäre, so die
Begründung. Außerdem müsse die Abgabe auch auf Importe gelten, so dass ausländische Ware
nicht begünstigt sei.
Meyer forderte außerdem einen „Tierwohl Check“ für alle relevanten Gesetze und
Verordnungen. Das betreffe das Baurecht, die Düngegesetzgebung und etwa die TA-Luft.
Es dürfe nicht sein, dass tierwohlfreundliche Außenklimaställe immissionsrechtliche und
baurechtliche Probleme hätten bei der Genehmigung, sagte er.
Topagrar.com - Lesen Sie mehr auf: https://www.topagrar.com/news/Home-top-NewsNutztierstrategie-Niedersachsen-setzt-Schmidt-unter-Druck-6919925.html
Kommentar Eckehard Niemann, AbL Niedersachsen/Bremen:
Hoffentlich unterstützt Minister Meyer nicht die Bestrebungen der AgrarindustrieLobby, die darauf zielen, den berechtigten Schutz von Anwohnern und Natur vor den
Immissionen aus Agrarfabriken mit dem Hinweis auf sogenannte „TierwohlVerbesserungen“ zu unterlaufen. Diese Lobby will durchsetzen, dass alte GroßTierhaltungsanlagen, die vor Jahren noch nach altem Recht (mit damals geringeren
Immissionsschutz- Anforderungen) genehmigt worden sind, ihren Bestandsschutz
trotz überhöhter Immissionen behalten können - wenn sie einen Teil ihrer Ställe auf
mehr Tierwohl (mehr Platz, Außenklima) umbauen würden. Dies ist ein Versuch von
Agrarindustriellen, noch rechtzeitig vor Inkrafttreten der strengeren Tierschutz-,
Umwelt-Neuregelungen der TA Luft den alten Genehmigungsstatus ihrer umweltund anwohner-schädlichen Agrarfabriken noch viele Jahre lang fortzuschreiben. ---http://www.abl-niedersachsen.de/fileadmin/Dokumente/AbLNiedersachsen/Pressemeldungen/PM_AbL_AbL_gegen_Ammoniak-_und_KeimRabatte_bei_%E2%80%9ETierwohl%E2%80%9C-Umbauten_in_Agrarfabriken_.pdf
Pressemitteilung des niedersächsischen Agrarministeriums:
Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen und Bremen zum
Tierwohl - zügige Umsetzung von Konzepten für eine zukunftsfähige
Nutztierhaltung
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, die Nutztierhaltung in Deutschland in
Verantwortung gegenüber den Tieren und unter den veränderten gesellschaftlichen
Erwartungen an Tierschutz und Tierhaltung zukunftsfähig zu gestalten.
Die vorliegenden Empfehlungen des Kompetenzkreises Tierwohl in seinem
Abschlussbericht vom 14. September 2016 „Eine Frage der Haltung – Neue Wege
für mehr Tierwohl“ sind eine zielführende Grundlage, die vielfältigen Aktivitäten zur
Weiterentwicklung des Tierschutzes im Rahmen einer nationalen Nutztierstrategie zu
bündeln.
Viele Empfehlungen basieren auf dem im März 2015 vorgelegten Gutachten des
Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik „Wege zu einer gesellschaftlich
akzeptierten Nutztierhaltung“ für eine grundlegende Wende in der Nutztierhaltung.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Vorschläge des
Kompetenzkreises und des Wissenschaftliches Beirats zur Verbesserung des
Tierwohls in der Tierhaltung zeitnah rechtsverbindlich umzusetzen.
Der Bundesrat sieht darin eine Grundlage für ein einheitliches und wissenschaftlich
begleitetes Vorgehen für eine nationale Nutztierstrategie, die sich auch an den
bestehenden Tierschutzstrategien der Länder orientieren sollte.
Begründung
Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung hat in jüngster Vergangenheit zunehmend an
Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung verloren. Zu dieser Entwicklung haben
verschiedene Faktoren beigetragen. Hierzu gehören neben Haltungsformen, die ein
tiergerechtes Tierverhalten in Frage stellen, auch Spezialisierungsprozesse in der
Landwirtschaft, deren Folge gestiegene Tierzahlen und daraus resultierend
Konzentrationsprozesse mit erheblichen Auswirkungen auch auf Umwelt und Klima
sind.
Diese Sachverhalte haben zu vielfältigen Aktivitäten zur Verbesserung des Tierwohls
geführt wie beispielsweise die Einrichtung des Kompetenzkreises Tierwohl beim
BMEL oder Aktivitäten auf Länderebene, zu denen beispielsweise der Prozess
„Nachhaltige Nutztierhaltung NRW“ sowie der Tierschutzplan Niedersachsen zählen,
die bereits konkrete und praxisgerechte Ergebnisse geliefert haben.
Darüber hinaus zeigt der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim BMEL in
seinem 2015 vorgelegten Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten
Nutztierhaltung“ zukunftsweisende Lösungswege auf.
Mit dem nun vorliegenden Abschlussbericht „Eine Frage der Haltung – Neue Wege
für mehr Tierwohl“ des Kompetenzkreises Tierwohl vom 14. September 2016 hat
dieses Gremium unter Vorsitz von Landesminister a.D. Gert Lindemann unter
Beteiligung gesellschaftlicher Verbände wegweisende Vorschläge für mehr
Tierschutz in der Nutztierhaltung gemacht.
Die Vorschläge des Beirats und des Kompetenzkreises setzen eine Vielzahl von
Änderungen in der Tierschutzgesetzgebung, bei der Kennzeichnung und der
Förderung besonders tiergerechter Haltungsformen voraus. Hierzu soll die
Bundesregierung in Abstimmung mit den Ländern zügig konkrete
Umsetzungsschritte machen.
Auf diese Weise wird auch die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft gestärkt und
die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in der Gesellschaft gesteigert.
Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
SCHWEINE-VERBÄNDEGESPRÄCH IN MÜNSTER:
Verbändegespräch in Münster zur Zukunft der
Schweinehaltung:
Pressemitteilung der Agrarministerien von NRW und Nds.:
Landwirtschaftsminister Johannes Remmel und Christian Meyer
unterzeichnen gemeinsame Erklärung zur nachhaltigen
Entwicklung der Tierhaltung
„Münsteraner Erklärung“ ist Diskussionsgrundlage für Verbändegespräch mit
der Landwirtschaft
HANNOVER / MÜNSTER. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wollen die
nachhaltige Entwicklung der Tierhaltung und insbesondere der Schweinehaltung
gemeinsam vorantreiben. Dazu unterzeichneten die zuständigen Agrarminister
Johannes Remmel und Christian Meyer heute die Münsteraner Erklärung.
„Die Schweinehaltung in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wird in Zukunft
anders aussehen müssen als heute: Die Tiere haben dann mehr Auslauf und Platz
zu artgemäßer Bewegung, das Stallklima ist gesundheitsfördernd, der Einsatz von
Medikamenten ist deutlich reduziert und alle Schweine haben lange Ringelschwänze.
Das ist unser Ziel, welches wir nun Schritt für Schritt verbindlich erreichen wollen“,
erklärten die Minister Johannes Remmel und Christian Meyer.
Der heute begonnene Prozess soll gemeinsam mit der Landwirtschaft gestaltet
werden. Bei einem Verbändegespräch in Münster haben die beiden Minister den
Verbänden und Interessensvertretern der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft die
gemeinsame Erklärung erstmals vor- und zur Diskussion gestellt.
Die Münsteraner Erklärung enthält unter anderem diese Ziele:

 Mehr Tierwohl im Stall durch ausreichend Platz, artgerechte Beschäftigung und
Auslauf
 Verzicht auf Amputationen wie das Ringelschwanzkürzen
 Umweltemissionen reduzieren
 Zielkonflikte zwischen Umwelt- und Tierschutz klar benennen und auflösen
 Verbindliche und mehrjährige Verträge mit dem Einzelhandel abschließen, um
Investitionen in tiergerechte Haltungssysteme zu fördern
 Marktanteil von Bio-Schweinefleisch erhöhen
 Nachhaltige Schweinehaltung gemeinsam mit den Niederlanden und Dänemark
weiterentwickeln
Die Minister sehen alle Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer in der
Verantwortung. „Heute stellen viele Maßnahmen zum besseren Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere ein wirtschaftliches Risiko für die
Landwirtinnen und Landwirte dar, besonders für die kleinen und mittleren Betriebe.
Das ist eine skandalöse Fehlentwicklung auf unseren Märkten“, sagte Minister
Remmel.
„Stattdessen müssen wir erreichen, dass Tierschutz, soziale Standards und
umweltverträgliche Produktion auf den Märkten belohnt und nicht bestraft werden.
Dafür brauchen wir eine verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsform für die
Verbraucher. Zudem muss sich die Förderung zukünftig an einer tiergerechten und
umweltschonenden Schweinehaltung orientieren. Mit allen, die Verantwortung
tragen, wollen wir den Dialog verbindlich und zielgerichtet führen“, sagte Minister
Meyer.
„Diesen Prozess wollen wir mit der Münsteraner Erklärung ein gutes Stück
voranbringen“, so die beiden Landwirtschaftsminister.
Verbände-Reaktionen nach dem Verbände-Gespräch:
ISN-Schweinehalter-Verband:
ISN - 13.01.2017
Auf den letzten Meter kommt es nun an - Remmel und Meyer mit Münsteraner
Erklärung
Die Landwirtschaftsminister aus NRW und Niedersachsen Johannes Remmel
und Christian Meyer unterzeichneten gestern gemeinsam in Münster die selbst
so genannte Münsteraner Erklärung. Diese soll Grundlage eines gemeinsamen
Prozesses für eine nachhaltige Entwicklung der Tierhaltung und insbesondere
der Schweinehaltung mit der Landwirtschaft sein. Aus Sicht der ISN sind die
Minister nun in der Pflicht schnell und konkret bestehende Zielkonflikte,
z.B. zwischen Tierwohl und Immissionsschutz, und überbordende gesetzliche
Auflagen auch tatsächlich aus dem Weg zu räumen, damit sich Betriebe
zukunftsfähig weiterentwickeln können.
(…)
Demo der Landwirte und ein Schweinegipfel
Anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz der Minister demonstrierten einige
hundert Landwirte aus NRW und Niedersachsen, um auf die Bedeutung des
politischen Handelns und die existenzielle Bedrohung ihrer Schweinehaltung
aufmerksam zu machen.
Kastenstand-Diskussion: Aufruf zur Demo in Münster!
Nach der Pressekonferenz haben die Minister sämtliche Verbände der Branche
zum Schweinegipfel eingeladen. Dort sollte mit der Erklärung als
Diskussionsgrundlage im Dialog gemeinsam nach Wegen gesucht werden, die die
Belange des Tier- und Umweltschutzes gleichrangig zu den wirtschaftlichen
Notwendigkeiten betrachten. Genau diese Reihenfolge war Anlass zur Kritik aus den
Reihen der Landwirtschaft: Nämlich, dass erst die Erklärung und damit die Positionen
der Minister der Presse vorgestellt wurden und diese dann erst mit der Branche
diskutiert wurden.
Die ISN meint:
Bei aller Kritik an der gestrigen zeitlichen Abfolge von Pressekonferenz und
Schweinegipfel ist die Wandlung in den Ministerien über die jeweilige
Legislaturperiode hinweg schon bemerkenswert. Stand zu Beginn der Amtszeiten die
Politik mit der Brechstange und der polternden Pauschalkritik an der
Schweinehaltung im Fokus der Minister, hat man nun erkannt, dass nachhaltige
Veränderungen in der Tierhaltung nur gemeinsam mit der Landwirtschaft, nicht von
heute auf morgen, zu erreichen sind. Gut so! Rufen wir uns beispielsweise in
Erinnerung, dass in Niedersachsen ein fixes Enddatum 2016 für das Kupieren der
Schwänze im Raum stand. Hier ist man – wie in NRW auch – nun längst auf einem
gemeinsamen Weg der machbaren Schritte - wohl weislich ohne pauschale
Verkündung neuer Enddaten.
Deshalb ist es wenig überraschend, dass die gestern dargelegten Ziele der Minister
inzwischen altbekannt sind. Und Wandel ist für die Landwirtschaft und Tierhaltung
nicht neu. Diesen zu meistern ist schon immer elementarer Bestandteil
landwirtschaftlichen Unternehmertums gewesen. Trotzdem ist die Brisanz des
politischen Handelns enorm, zu drastisch sind die strukturellen Veränderungen und
Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit. Die Existenzsorgen der Tierhalter sind
absolut und mehr als berechtigt. Wandel ist in Ordnung, wenn er sich an den
Anforderungen des Marktes orientiert, in machbaren Schritten und ökonomisch
vertretbar erfolgt. Entsprechende Übergangszeiten, Planungssicherheit und
ganzheitliche Konzepte (beispielsweise beim Thema Kastenstand) sind unerlässlich.
Hier liegt der Knackpunkt: Landwirte müssen in die Lage versetzt werden den
geforderten Wandel überhaupt vollziehen zu können und genau daran hapert es
zurzeit aufgrund sich gegenseitig widersprechender gesetzlicher Auflagen. Beispiel
Offenstall: Wie soll ein Betrieb – ungeachtet aller wirtschaftlicher und
produktionstechnischer Aspekte - ein aus Tierwohlsicht politisch gewünschtes
Haltungssystem realisieren können, wenn genau dieses aus Sicht des
Immissionsschutzes derzeit nach neuen Maßstäben überhaupt nicht
genehmigungsfähig ist. Der Grund dafür ist, dass es momentan noch nicht mal
Richtwerte für die Ammoniakemission dieses Stalltyps gibt.
Hier müssen also alle Disziplinen (also auch Umweltrecht, Baurecht usw.) mit an den
Tisch, um konkrete Lösungen aufzuzeigen, die in der Praxis auch tatsächlich
realisierbar sind. Bislang sind die zuständigen Bauminister und verschiedene
Umweltminister jedenfalls nicht Mitunterzeichner der Münsteraner Erklärung. Insofern
stellt sich für uns die Frage, wie der letzte Meter geschafft werden soll, z.B. die
politisch gewünschten Ställe gebaut werden können, wenn die bestehenden
Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Immissionschutz nicht beseitigt werden.
Weitere Informationen

Münsteraner Erklärung der Landwirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen zur nachhaltigen Entwicklung der Tierhaltung und besonders der
Schweinehaltung (PDF)

Thema "Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung"
ISN - 13.01.2017
Niedersachsen bringt Bundesratsinitiative für eine nationale
Nutztierstrategie auf den Weg
Quelle: Bundeslandwirtschaftsministerium
Zu einem Agrar-Konsens von Bund und Ländern mit allen gesellschaftlich
relevanten Gruppen – von Landwirten bis hin zu Tierschützern hat heute ein
parteiübergreifendes Bündnis aus Niedersachsens Agrarminister Christian
Meyer sowie den früheren niedersächsischen Agrarministern Uwe Bartels und
Gert Lindemann wie auch der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes
Thomas Schröder in Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz aufgerufen.
Gleichzeitig bringt Niedersachsen eine Bundesratsinitiative für eine zügige
Umsetzung von Konzepten für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung auf den
Weg.
Wir brauchen eine gemeinsame Nutztierstrategie von Bund und Ländern – für
schrittweise Veränderungen in der Tierhaltung mit rechtsverbindlicher
Planungssicherheit für die Landwirte und mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, sagte
Meyer, der 2017 den Vorsitz der Agrarministerkonferenz (AMK) innehat. Allen
Teilnehmern der Pressekonferenz war wichtig, dass nun Schluss mit dem Klein-Klein
sei und eine gemeinsame Bund-Länder-Tierwohlstrategie starten muss. Dass derzeit
in jedem Bundesland eine andere Debatte über Tierhaltung geführt werde, nütze
niemanden etwas, am wenigsten den Tieren, führte Minister Meyer an. Allen müsse
aber klar sein: Mehr Tierschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Die Verbraucher werden
mehr zu bezahlen haben, zugleich müssen Bund und Länder Anreize für mehr
Tierwohl schaffen.
Minister a.D. Gert Lindemann, Vorsitzender des vom
Bundlandwirtschaftsministerium eingesetzten Kompetenzkreises Tierwohl,
führte an, dass der Kompetenzkreis es als sinnvoll angesehen habe, über eine
Abgabe auf jedes in Deutschland gehandelte Fleischprodukt nachzudenken. Es sei
auch diskutiert worden, die Subvention des Fleischabsatzes über einen niedrigen
Mehrwertsteuersatz zu beenden, wenn im Gegenzug der Bundeshaushalt die für die
Tierhalter unverhältnismäßigen Mehrkosten tragen würde. Die Finanzierungsfrage
sei von hoher Bedeutung. Keiner der Beteiligten werde ohne einen eigenen Beitrag
bleiben können. Er muss aber zumutbar und darf nicht existenzgefährdend oder
sozial unverträglich sein, sagte Lindemann.
Der Aktionsplan des Agrar-und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland
unterstütze die Forderung eines nationalen Vorgehens in der Nutztierhaltung, damit
den Betroffenen der Wertschöpfungskette ein verlässlicher inhaltlicher Rahmen
zugesagt wird, so Uwe Bartels, Vorsitzender des AEF. Das gemeinsame Vorgehen
müsse mit Finanzmitteln in Milliardenhöhe ausgestattet und nach umfassender
Folgeabschätzung auf einer Zeitachse von mindestens 20 Jahren
wirtschaftsverträglich umgesetzt werden. Minister a.D. Bartels warnte zudem vor
bürokratischen und gesetzlichen Hemmnissen. Wenn dadurch Verbesserungen der
Haltungsbedingungen behindert würden, müssen diese umgehend bundesweit
ausgeräumt und Zielkonflikte im Sinne des Tierwohls entschieden werden.
Planungssicherheit sei der Schlüssel für den Erfolg einer einheitlichen
Nutztierstrategie, erläuterte der amtierende niedersächsische Agrarminister Christian
Meyer. Dazu gehöre auch – statt eines freiwilligen Labels –eine für alle
verpflichtende Kennzeichnung des Fleisches, damit die Verbraucher erkennen, wie
die Tiere gehalten wurden.
Parallel zur Pressekonferenz bringt Niedersachsen eine Bundesratsinitiative für eine
zügige Umsetzung von Konzepten für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung auf den
Weg. Ziel der Initiative ist es, dass der Bundesrat die Bundesregierung auffordert, die
Vorschläge des Kompetenzkreises und des Wissenschaftliches Beirats des
Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Verbesserung des Tierwohls in der
Tierhaltung zeitnah rechtsverbindlich umzusetzen".
Die ISN meint:
Viele der in der Pressekonferenz genannten Aspekte können aus Sicht der
Schweinehalter unterstrichen werden. Das gilt insbesondere für die notwendige
Planungssicherheit, den Abbau bürokratischer Hürden und die
Wirtschaftsverträglichkeit. Eine verpflichtende Kennzeichnung ist dagegen kaum
umsetzbar und wenig zielführend, weil sie bei einigem riesigen Aufwand nur
minimalen Nutzen bringt. Grundsätzlich müssen die laufenden
Produktionsmehrkosten aus dem Markt kommen – in keinem Fall dürfen Sie beim
deutschen Tierhalter hängen bleiben. Denn allein die diskutierten Kriterien der
Einstiegsstufe eines Tierwohllabels führen zu einer Erhöhung der laufenden
Produktionskosten um 30 % und mehr. Dazu kommen die Kosten für einen Umbau
der Tierhaltung, die zusätzlich einige Milliarden Euro ausmachen würden. Diese
Transferleistung zu finanzieren ist eine Mammutaufgabe, für die noch sehr dicke
Bretter zu bohren sind und die nicht von heute auf morgen zu lösen ist, wenn man
Schweinehaltung in Deutschland behalten will. Richtigerweise geht das nur
gemeinsam, wobei insbesondere auch der Bundeslandwirtschaftsminister Christian
Schmidt gefordert ist. An den Taten werden die Verantwortlichen gemessen – nicht
an den Worten.
AbL:
Pressemitteilung, Berlin / Ham, 12.01.2017:
Ermutigungsprogramm für Umbau der Tierhaltung mit möglichst
vielen Betrieben
AbL für gemeinsames strategisches Vorgehen von Bund, Ländern
und Branche
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ruft Bund, Länder und die
verschiedenen Akteure der Wirtschaft auf, sich auf ein gemeinsames strategisches
Vorgehen zum Umbau in großen Teilen der Tierhaltung einzulassen. Es sei nicht
mehr strittig, dass die Tierhaltung in einigen wichtigen Bereichen wie der heute
vorherrschenden Schweinehaltung auf Vollspaltenböden ohne Außenklimabereiche
überwunden werden müsse, erklärte der Vorsitzende der AbL Martin Schulz im
Vorfeld der Grünen Woche, die nächste Woche in Berlin eröffnet wird. Jetzt müsse
es an die Umsetzung gehen.
„Entscheidend ist, dass wir den Umbau so hinbekommen, dass er den berechtigten
Anliegen des Tier- und Umweltschutzes gerecht wird und gleichzeitig den Bauern
und Bäuerinnen eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive eröffnet“, formulierte
Schulz die Zielsetzung der AbL. Es bestehe sonst die Gefahr, dass sich viele
Betriebsleiter überfordert fühlten, in die notwendigen Änderungen zu investieren.
„Der Umbau in der Tierhaltung wird pro Jahr bis zu fünf Milliarden Euro kosten“, so
Schulz. „Das können die Betriebe nie und nimmer bezahlen. Es sind alle,
insbesondere Bund und Länder, aber auch der Handel und die Schlacht- und
Fleischunternehmen über eine transparente Marktdifferenzierung und damit auch wir
alle als Verbraucher gefordert“, mahnt der AbL-Vorsitzende.
„Wir brauchen ein Ermutigungsprogramm, das für die Gesellschaft wie für die
bäuerlichen Betriebe glaubhafte und verlässliche Perspektiven aufzeigt. Es muss klar
werden, wohin wir wollen, also wie Tiere gehalten werden sollen. Und die Bauern
müssen sich auf dem Weg dorthin darauf verlassen können, dass sie auf den Kosten
nicht hängenbleiben. Das sind zwei wesentliche Voraussetzungen, auf die sich alle
Akteure gemeinsam verständigen müssen. Das steht spätestens nach der
Bundestagswahl an“, erklärt Martin Schulz,
Teil des Ermutigungsprogramms müsse zudem eine verpflichtende und differenzierte
Tierschutz- und Herkunfts-Kennzeichnung sein, die auch beworben werden müsse.
Das vom Bundesminister geplante „Tierwohllabel“ müsse dafür auch eine
Premiumstufe beinhalten, die den hohen Anforderungen des NEULAND-Programms
für umwelt- und tiergerechte Nutztierhaltung genügen müsse. Zudem bräuchten die
Betriebe eine qualifizierte Beratung für den Umbau. Auch Wissenschaft und
Ausbildung seien gefragt.
Im Genehmigungsrecht für Stallumbauten und Neubauten gebe es besondere
Herausforderungen. „Mit den erforderlichen Stallsystemen in der Schweinehaltung
mit Außenklimabereichen und mit spaltenlosen Flächen mit Stroheinstreu können die
Genehmigungsbehörden in den Landkreisen derzeit nicht umgehen. Ihnen fehlen
belastbare Daten z.B. darüber, um wie viel niedriger z.B. die Ammoniak-Emissionen
in solchen Ställen sind. Hier brauchen die Betriebe dringend verlässliche Daten“,
fordert Schulz, der selbst einen NEULAND-Schweinebetrieb führt.
AbL
Höchstrichterliches Urteil gegen beengende Sauen-Kastenstände
AbL fordert rasches Umbauprogramm auf tiergerechtere SauenGruppenhaltung und eine EU-weite Durchsetzung der EU-SchweinehaltungsRichtlinie
Nach der höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Haltung
von Sauen in beengenden Kastenständen fordert der Landesverband Niedersachsen/Bremen
der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) alle Schweinehalter, Verbände und
Politiker auf, anstelle eines perspektivlosen Umbaus auf breitere Kastenstände nunmehr ein
rasches Förderungs- und Umbauprogramm für tiergerechtere Sauen-Ställe in Angriff zu
nehmen - ohne diese Kastenstände und mit freier Bewegung der Sauen in Gruppenhaltung. Die
AbL bedauerte es, dass diese Gruppenhaltung der Sauen im Jahre 2013 lediglich für etwas
mehr als Hälfte der Tragezeit der Sauen vorgeschrieben worden sei. Stattdessen hätte man
schon damals die gesellschaftlichen Tierwohl-Anforderungen ernster nehmen sollen.
AbL-Vertreter Eckehard Niemann rief dazu auf, bei diesem Umbauprogramm auf freie Gruppenhaltung
die notwendigen Rückzugsmöglichkeiten der Sauen bei Rangordnungskämpfen und bei der Fütterung
zu berücksichtigen. In der Übergangszeit müssten in den Betrieben ohne Gruppenhaltung vermutlich
zwei Kastenstände zu einem Kastenstand umgebaut werden.
Dies bedeute eine massive Verringerung der in Deutschland gehaltenen Sauen und Ferkel pro
Betrieb, aber auch hohe überproportionale Preissteigerungen für Ferkel infolge des drastisch
verknappten Angebots. Dies wiederum würde auch die Schweinemäster betreffen - die dann die
Ferkel sehr viel teurer bezahlen müssten, aber auch überproportional höhere Erzeugerpreise für das
deutlich verringerte Angebot an Mastschweinen erzielen würden. All das werde auch deutliche Folgen
für Schlachtbetriebe und für den ruinösen Export von Schweinefleisch zu Weltmarktpreisen in
Drittländer haben.
Damit diese nationalen Preis-Effekte nicht durch ausländische Lieferungen unterlaufen
würden, müssten durch Bundesregierung und EU-Kommission nun rasch analoge
Tierhaltungsbedingungen in allen EU-Ländern und vor allem in Dänemark und den
Niederlanden durchgesetzt werden. Dies sei auch durch die verbindlich in nationales Recht
umzusetzende EU-Schweinehaltungsrichtlinie längst angesagt, die in skandinavischen Ländern
bereits befolgt werde und sich in Dänemark in Umsetzung befinde. Hier müsse nun EU-weit ein
massiver Druck auf alle anderen Länder ausgeübt werden.
Es sei auch zu prüfen, durch welche Regelungen bis dahin der Import von Ferkeln und
Mastschweinen aus nicht richtlinienkonformer Sauenhaltung verhindert oder begrenzt werden
könne. Ernährungsindustrie und Lebensmittel-Einzelhandel seien aufgerufen, kein Fleisch mehr zu
kaufen und zu verkaufen, bei dessen Erzeugung die EU-Schweinehaltungs-Richtlinie missachtet
werde. Die Branche müsse sich auch an der Finanzierung des anstehenden Umbauprogramms auf
eine artgerechtere Tierhaltung mit deutlich höheren Summen beteiligen. – 24.11.2016
AbL fordert von der Bundesregierung einen verbindlichen,
effektiven Bundes-Tierschutz-Plan
- „Klasse statt Masse“ mit Nutzen für Bauern, Akzeptanz, Tiere und Gesundheit
- EU-Kommission untermauert ihre Forderung nach nationaler Umsetzung der
EU-Schweinhaltungs-Richtlinie mit Bericht zur vorbildlichen Schweinehaltung
in Schweden und anderen Ländern
Der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL) drängt die Bundesregierung, endlich die EU-Vorgaben für eine
tierwohlgerechte Schweinehaltung in nationales Recht umzusetzen und entsprechende
Umbauprogramme auf den Weg zu bringen. Der in Niedersachsen formulierte Tierschutzplan,
der unter dem Eindruck drohender EU-Vertragsstrafen von der früheren CDU/FDPLandesregierung erarbeitet worden sei, müsse nun endlich von der für Tierschutz zuständigen
Bundesregierung übernommen und ordnungsrechtlich umgesetzt werden. (…)
Die AbL legt großen Wert auf die Feststellung, dass die mit höheren betrieblichen Kosten
verbundenen, ordnungsrechtlich EU-weit geltenden Tierwohlmaßnahmen alles andere als eine
Schlechterstellung der landwirtschaftlichen Betriebe bedeuteten. Im Gegenteil werde so – mit
großer gesellschaftlicher Akzeptanz – ein flächendeckender und somit wettbewerbsneutraler Abbau
der derzeit ruinösen Überschüsse erreicht. Wegen der Elastizität der Nachfrage bringe eine solche
Angebotsreduzierung nach dem Motto „Klasse statt Masse“ einen deutlich überproportionalen Anstieg
der Erzeugerpreise. Im Gegensatz zu agrarindustriellen Großställen hätten mittelständisch-bäuerliche
Schweinehalter und Familienbetriebe deutlich bessere Möglichkeiten bei der Bereitstellung von Stroh
und dem Stroh-Management. Bei einer Umsetzung dieser Maßnahmen gäbe es im Handel dann kein
Billigfleisch aus Stresshaltung mehr zu kaufen.
Umso mehr seien jetzt die Regierungsparteien und insbesondere Bundesagrarminister Schmidt zum
Handeln anstelle des bisherigen und mittlerweile unerträglichen „Drumherum-Redens“ gefordert.
Hierbei sei endlich auch die Umsetzung des wegweisenden Gutachtens des wissenschaftlichen
Ministeriums-Beirats „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ geboten –
einschließlich der darin enthaltenen Finanzierungs-Vorschläge. Handel, Verbände und Bauernverband
sollten rasch das Schwergewicht der in der „Initiative Tierwohl“ prämierten Tierwohl-Maßnahmen auf
wirklich relevante Verbesserungen konzentrieren – dann könne dieses Programm allen
Schweinehaltern als bezahltes Trainingsprogramm auf die ohnehin anstehenden ordnungsrechtlichen
Vorgaben dienen. – 08.08.2016
EU-Kommissions-Bericht zur Expertenreise:
Dokument DG(SANTE) 2016-8772-MR:
file:///C:/Users/Ecke/Downloads/2016-8772%20MR%20Final.pdf
EU-Schweinehaltungs-Richtlinie 2008/120/EC mit Erläuterungen:
https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tierproduktion/schweinehaltung/pdf/rlanforderungen-schweinehaltung.pdf
Tierschutzplan Niedersachsen (mittlerweile auch NRW und Schl.-Holstein):
http://www.ml.niedersachsen.de/themen/tiergesundheit_tierschutz/tierschutz/tierschutzplan_niedersac
hsen/
Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BMEL: Wege zu einer gesellschaftlich
akzeptierten Nutztierhaltung:
http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltun
g-Kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile
Internetseite der „Initiative Tierwohl“ des Lebensmittelhandels:
https://initiative-tierwohl.de/
Bauernverband
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben - 10.01.2017:
(…) Die Rechtsprechung des OVG Magdeburg und des Bundesverwaltungsgerichtes
Leipzig entfaltet bundesweite Wirkung. Insbesondere der Hinweis darauf, dass
Sauen in Seitenlage jederzeit ungehindert ihre Gliedmaße ausstrecken können
müssen, heizt die Diskussion um die Zukunft der Kastenstandhaltung im
Deckzentrum an.
Die grundsätzliche Sichtweise des DBV und der Landesbauernverbände lässt sich
aktuell so zusammenfassen:

Ein abgestimmtes bundeseinheitliches Vorgehen ist wichtig!

Der Berufsstand steht der aktuellen Diskussion über die Einführung der
Gruppenhaltung im Deckzentrum grundsätzlich offen gegenüber. Allerdings
braucht es lange Übergangsfristen (20 Jahre).

Der Berufsstand fordert ein, an Konzepten zur Einführung der
Gruppenhaltung im Deckzentrum mitzuarbeiten.

Von Bund und Ländern muss ein deutliches Signal ausgehen, dass der
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes aktuell nicht von Ländern und
Kreisveterinären per Erlass oder per Bescheid umgesetzt wird.

Umgehend sollte ein Dialogprozess zwischen Bund, Ländern und
Berufsstand gestartet werden. Msch
NWZonline - 13.01.2017 - Hermann Gerdes:
Schweinemäster sorgen sich
In 2016 sorgten chinesische Importe für Entlastung, denn die Schweinemäster
konnten mehr verkaufen. Vor allem Ohren, Schwänze und Füße waren begehrt.
… Weil die Chinesen derzeit aus Deutschland das „fünfte Viertel“ vom Schein –
Ohren, Schwanz, Füße, Innereien, Knochen und Kopf – aber auch darüber hinaus
jede Menge Schweinefleisch importieren, waren die Schweinemäster
ausnahmsweise in 2016 öfters glücklich. Grund: 1,48 Euro pro Kilogramm gab es im
Schnitt, das sind zehn Cent mehr als 2015. Sie freuten sich über etwas geringere
Futterkosten und zeitweise „auskömmliche“ Preise. Bei 1,52 Euro pro Kilogramm –
wie am Mittwoch festgesetzt – wird es aber langsam knapp. Auch deshalb, weil 70
Euro ausgegeben sind, wenn die Ferkel eingestallt sind. Für die Mast bliebe dann
nur wenig mehr.
Matthias Quaing, Marktexperte der Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN)
in Damme, bezeichnet die Stimmung als „zunehmend gedämpft“ und stellt
Verunsicherung fest. Die von Schlachtunternehmen erzeugte Unsicherheit zeigte
sich schon bei der Auktion der ISN. …
… „Die Chinesen nehmen jetzt nicht nur das fünfte Viertel“, meint Bernd Terhalle,
Geschäftsführer einer Erzeugergemeinschaft im emsländischen Lorup, die jährlich
1,5 Millionen Schweine umsetzt. Deutschland ist mittlerweile der größte Exporteur
von Schweinefleisch, wobei allein 15 Prozente der deutschen Exporte nach China
fließen. Dies überrascht zunächst nicht, ist China doch der größte Importeur von
Schweinefleisch weltweit. Ein näherer Blick zeigt aber, dass nur vier Prozent des in
China konsumierten Schweinefleischs aus Importen stammt. China ist heute mit 54
Millionen Tonnen der global führende Schweinefleischproduzent, an zweiter Stelle
kommt dann die EU mit weniger als der Hälfte dieser Produktionsmenge. …
ALDI-Hofer:
KURIER.AT – 10.1.2017:
Diskonter Hofer startet mit Tierwohl-Projekt "FairHOF"
15 Schweinebauern erhalten 30 Prozent mehr, die Produkte für Konsumenten
werden um 15 bis 20 Prozent teurer.
Der Lebensmitteldiskonter Hofer und der oberösterreichische
Fleischverarbeiter Hütthaler wollen mit einer gemeinsamen Initiative neue Standards
bei Schweinefleisch setzen. Sie haben dazu die Initiative "FairHOF" gestartet. Ab
morgen werden in den Hoferfilialen in Ober- und Niederösterreich, Wien und Teilen
von Salzburg erstmals Fleischprodukte unter der Marke "FairHof" in den Regalen
stehen.
Das Projekt ist Teil der Hofer-Nachhaltigkeitsinitiative "Projekt 2020", die sich 2017
dem Thema Landwirtschaft widmet. Von diesem "Tierwohl-Projekt" sollen sowohl die
Bauern als auch die Tiere profitieren, betonten Hofer Generaldirektor Günther Helm
und der Geschäftsführer der Hütthaler KG, Florian Hütthaler, am Dienstag bei einer
gemeinsamen Pressekonferenz in Wien.
Bisher nehmen an dem "FairHOF"-Projekt 15 Schweinezüchter teil. Sie haben in
Vorbereitung darauf ihrer Schweinestallungen um- und ausgebaut, um den
Schweinen eine auf das Tierwohl abzielende Haltung zu ermöglichen. So erhalten
die Schweine etwa mehr Auslauf, auch ins Freie, wodurch sie resistenter gegen
Krankheiten seien, betonte Hütthauer. "Man merkt den Tieren an, woher sie
kommen", so Hütthauer, der sonst großteils Schweine aus normaler Masttierhaltung
verarbeitet.
"Mit dem Projekt haben wir Mindeststandards für das Tierwohl für den Markt
gesetzt", so Hütthaler. Mit der Initiative, die auf Regionalität, frische und
Transparenz setze, könne auch dem Bauernsterben Einhalt geboten werden, meinte
Helm. Zwei Höfe hätten ohne Projekt zugesperrt.
Hofer zahlt den Bauern im Durchschnitt 30 Prozent über dem Normalpreis. Die
daraus hergestellten derzeit 14 Fleischprodukte werden den Konsumenten um 15 bis
20 Prozent teuerer angeboten als die Normalware.
Die Bauern erhalten für die von ihnen gemästeten Schweine neben einem
garantierten Mindest-Börsenpreis und einem 30-prozentigen
"Tierwohlpreisaufschlag" eine fünfjährige Abnahmegarantie,
veterinärmedizinische Unterstützung und werden jährlich extern überprüft. Den
Tieren wird ein gesünderes Aufwachsen mit Auslauf in stressfreier Umgebung in
großen Stallungen ermöglicht. Die Fütterung erfolgt mit hofeigenem Futter und
gentechnikfreien Donausoja und sie erhalten Stroheinstreu. Die Transportwege
zum Schlachthof sind nicht länger als 50 Kilometer.
Die derzeit 15 teilnehmenden regionalen Landwirte mästen derzeit 13.000 Schweine.
Bis Jahresende sollen es 20.000 Schweine sein. Geplant ist, die Produktlinie bei
guter Annahme durch die Konsumenten auf ganz Österreich auszuweiten. Laut Helm
liegt der Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch in Österreich mit 55 Kilogramm pro
Jahr um 10 Kilogramm über dem EU-Schnitt.
https://www.fairhof.at/?pk_campaign=fairhof_012017&pk_kwd=slider
IK - 12.01.17:
Herausforderung für Landwirte im Kreis Gifhorn
Schädlinge als Problem: Fadenwürmer befallen Kartoffeln
Hankensbüttel/Landkreis Gifhorn. Nach einer durchschnittlichen Kartoffelernte
im Kreis Gifhorn – aufgrund der Wetterkapriolen in 2016 – sind auf den Feldern
noch besonders kleine Kartoffeln oder Erdäpfel, die von den Rodern nicht
erfasst wurden, liegengeblieben.
Der Hankensbütteler IKEGO-Geschäftsführer Gerhard Müller sagt: „Die
Kartoffelbauern wünschen sich jetzt zehn Tage Dauerfrost, damit diese kaputt frieren
und nicht wieder keimen. “ Denn ansonsten droht Ungemach in Gestalt eines
Fruchtfolgeschädlings: des Weißen Nematoden. Das Auftreten des Fadenwurms, der
sich von Kartoffeln ernährt, wird von milden Wintern begünstigt: Mehrere hundert Eier
des Schädlings können in einer Zyste jahrelang überleben. Wenn die ungewollt
liegengebliebenen Kartoffeln dann in der Folgefrucht, etwa Sommergerste, wachsen,
schlüpfen auch die Larven des Schädlings. „Durch Nematoden kann der Ertrag um
über 50 Prozent einbrechen und die Knollen bleiben zu klein“, sagt Müller.
Klaus-Dieter Böse, Geschäftsführer des Landvolks Gifhorn-Wolfsburg, unterstreicht
auf IK-Anfrage, dass die Probleme mit den Fadenwürmern nicht nur die
Industriekartoffeln, sondern auch die Speisekartoffeln betreffen. „Das Thema gewinnt
in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung“, sagt der Geschäftsführer. Bei den
Kartoffeln würden enge Fruchtfolgen gefahren. Im Optimalfall sollten Kartoffeln aber
nur alle vier Jahre angebaut werden.
FAZ - 13.01.2017, von JAN GROSSARTH:
Fruchtbarer Kontinent
Die Landwirtschaft könnte Afrikas Hoffnung sein
In Afrika wächst nicht genug. Der Kontinent muss Lebensmittel von außerhalb
einführen. … Der Kontinent importiert jedenfalls, so die Vereinten Nationen, schon
rund ein Viertel seiner benötigten Nahrungsmittel. Und der Bedarf wird in Zukunft
stark steigen: Bis zum Jahr 2030 wird die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents
laut UN-Prognose um 500 Millionen auf 1,7 Milliarden Menschen wachsen. Einige
hundert Millionen sind schon heute unterernährt.
Niemand wagt eine Prognose, ob es Afrika 2030 gelingen kann, was schon heute
misslingt: die Ernährungssouveränität. Jedenfalls arbeiten nationale Regierungen wie
auch internationale Organisationen daran, dass es gelingt. Dann heißt es
regelmäßig, die Landwirtschaft habe – dem Klimawandel zum Trotz – großes
Potential. Die Ernten könnten stark steigen. Große Teile Afrikas werden bislang
agrarisch nicht genutzt. Zum Beispiel in Sambia, Angola, Südsudan, Nigeria und
Kamerun. Die durch diese Staaten verlaufende Guinea-Savanne, die etwa ein
Fünftel der Fläche Afrikas ausmacht, ist bislang eine Hungerregion. Sie umfasst – bei
enorm schwankenden Schätzungen – eine Fläche von rund 600 Millionen Hektar auf
einem Streifen, der sich von Ost nach West durch Äquatorialafrika zieht. Aus zwei
Dritteln dieses Busch- und Graslands könnten Äcker werden, empfahl schon vor
Jahren die Weltbank.
600 Millionen Hektar – das wäre fast so viel, wie die gesamten Anbauflächen von
Getreide derzeit auf der ganzen Welt. Doch es gibt viele Fragen, ob es möglich wäre,
hier großflächig und nachhaltig Getreide zu säen und ernten. Sie betreffen
Grundwasservorräte, Bodenfruchtbarkeit und die weiten, schlechten Transportwege.
… Einige Großprojekte sind aber konkret in Planung. Die staatliche deutsche
Außenwirtschaftsagentur „Germany Trade and Invest“ ließ kürzlich
zusammenfassen, wie viele internationale und afrikanische Konzerne in afrikanische
Agrarprojekte investieren (wollen). Darunter sind auffallend wenige Namen westlicher
Konzerne wie Nestlé, das in Angola in seine Kaffeefabriken investieren will. Sondern
es sind oft türkische, indische, indonesische, ägyptische, andere afrikanische sowie
auch arabische Konzerne und Staatsfonds, die für die meisten Einzelinvestitionen
auf dem Kontinent stehen. …
Auch die amerikanische Entwicklungshilfe spielt eine große Rolle. In vielen Staaten
gibt sie Millionen für Brunnen und moderne Lebensmittelfabriken. …
Andererseits gibt es viele Ansätze im Kleinen. Als Musterland für agrarische
Intensivierung, die nicht auf Kosten der Kleinbauern gehen, sondern sie auf dem
Land halten und ihnen bessere Einkommen ermöglichen soll, gilt Marokko. Der Staat
investiert dort Milliarden Dollar, damit die Ernten sich in den kommenden Jahren
vervielfachen. Das aber soll nicht mittels einer großflächigeren Landwirtschaft
geschehen, sondern indem die Kleinbauern mit Dünger, Wissen und neuen
Pflanzensorten unterstützt werden. Zudem wird ihnen moderne Infrastruktur
finanziert, die ihre Produkte exportfähig macht. …. Zugang zum Handel sei der
Schlüssel für Entwicklung, sagte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller
(CSU) dieser Zeitung: „Es muss unser Ziel sein, dass diese Länder die
Selbstversorgung, auch bei Fleisch, schaffen.“ Dies hält er für eine bessere Idee, als
wenn deutsche Konzerne wie PHW oder Tönnies mehr und mehr Fleisch nach Afrika
exportieren. Die Billig-Exporte stehen seit Jahren im Verruf, lokale Märkte und
bäuerliche Strukturen in Afrika großflächig zu zerstören.
Für Projekte, die mit dem „Grünen Plan“ verbunden sind, erhält Marokko dann auch
reichlich Fördergeld: von der Weltbank, dem Millennium Programme und von der
staatlichen deutschen KfW-Förderbank. Und auch die private Wirtschaft engagiert
sich. Zum Beispiel um ihre Rohstoffversorgung zu sichern. …
In dem Projekt „African Orphan Crops“ arbeiten internationale und auch lokale
Forscher im Auftrag von Mars daran, das Genom von rund einhundert „verwaisten
Pflanzen“ zu entschlüsselt. Mittels neuer, nicht-gentechnischer Zuchtverfahren, der
Gen-Marker, geht es nun daran, für die lokale Selbstversorgung wichtige Pflanzen
ertragreicher zu machen. Etwa den Afrikanischen Affenbrotbaum oder „Irvingia
gabonensis“, genannt afrikanische Mango. In Angola, Kongo, Nigeria und Uganda
versorgt sie die Menschen.
Auf der einen Seite gibt es solche Entwicklungsprojekte, anderseits die agrarischen
Großinvestments. Dafür steht auch Algerien. Das Land wurde in den vergangenen
Jahren zum großen Tomatenexporteur – jedoch auf Kosten der Ausbeutung der
knappen Grundwasserressourcen. …
In Afrika ist die Landwirtschaft für die überwiegende Zahl der Menschen das
Beschäftigungsfeld. … Es gibt Staaten wie Kongo, in denen sich fast die gesamte
Bevölkerung als Subsistenzlandwirte selbst versorgt. In vielen Staaten sind mehr als
zwei Drittel der Bevölkerung von der Agrarwirtschaft abhängig. … Lange gab es
genug Land, doch wegen steigender Bevölkerungszahlen ändert sich das. Gerade
mal einen halben Hektar Land hat der durchschnittliche Landwirt in Kenia noch,
kaum genug, um Überschüsse zum Verkauf zu produzieren. Zwei Drittel aller
landwirtschaftlichen Betriebe in Afrika sind weniger als ein Hektar groß. Die
Kleinlandwirte sind wenig produktiv und daher arm.
Doch eine plumpe Intensivierung der Landwirtschaft kann nicht die Lösung sein. Weil
eine Intensivierung nach nordamerikanischem oder europäischem Vorbild Hunderte
Millionen Menschen auf dem Land zunächst arbeitslos machen, in Städte und einen
Teil von ihnen vielleicht nach Europa ziehen lassen würde, sieht kaum eine
Entwicklungsorganisation darin den Weg. Projekte wie in Marokko empfiehlt auch die
FAO – und rät Entwicklungs- und Schwellenländern, Sozialleistungen an
landwirtschaftliche Programme zu koppeln. Das würde die Wohlfahrt der Kleinbauern
verbessern.
Die Ernährungslage auf der Welt hat sich dabei laut der FAO seit Jahren und
Jahrzehnten verbessert. Das gilt auch für Nordafrika und Teile des Ostens.
Ausnahmen bilden aber weiterhin Großteile von Afrika südlich der Sahara. Und
gerade die Regionen, wo schon vorher viele Millionen Hungernde leben, wurden
auch 2016 wieder von Dürren heimgesucht: Angola, Sambia, Moçambique,
Simbabwe, Namibia, Botswana, Somalia und Swasiland, resümierst die FAO – und
auch Äthiopien.
Dabei gilt Äthiopien als eines der potentialreichsten Agrarländer des Kontinents, das
einen kräftigen Aufschwung erlebt hat. Seine Wirtschaftsleistung wächst seit
längerem um rund 10 Prozent im Jahr. Die Landwirtschaft trägt 48 Prozent zum
Bruttoinlandsprodukt bei. Dafür sorgten auch chinesische Staatsfonds oder
arabische Investoren, die Mega-Farmen errichten ließen. Kritiker sprechen von „Land
Grabbing“, Landraub, bei dem die früheren Kleinbauern verdrängt werden. Die
Ernährungssituation bessert sich auch nicht. Tatsächlich ist es nicht die Intention der
Araber und Chinesen, hier überwiegend Lebensmittel für die äthiopische
Bevölkerung zu ernten.
So wird Afrika immer mehr Getreide entnommen. Die Landmatrix-Initiative, die mit
der EU-Kommission und der deutschen Gesellschaft für Entwicklung und
Zusammenarbeit kooperiert, hat jüngst errechnet, dass 10 Millionen Hektar in Afrika
von internationalen Investoren übernommen worden seien: vor allem aus Malaysia,
den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Singapur und Saudi-Arabien. Auch
deutsche Investmentfonds seien darunter. Die Landverkaufs- und Exporterlöse
verwendet Äthiopien anderseits für eigene Investitionen: Hier gibt es die größten
Tiermastanlagen Afrikas und eine florierende Lederindustrie.
Mehr Fleischproduktion ist durch moderne Massentierhaltung möglich, die überall im
Entstehen ist. In Burkina Faso nimmt die industrielle Hühnchenerzeugung Fahrt auf.
3 Millionen Küken im Jahr und 1,5 Kilogramm schwere Hühnchen sollen dort künftig
mittels neuer Anlagen aufgezogen werden. Das Geld kommt von Investoren aus der
Elfenbeinküste.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/afrikas-landwirtschaft-muss-produktiver-werden14604798.html
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL) zur heute verabschiedeten „Deutschen
Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“:
Deutsche Agrar-Exportorientierung widerspricht den
Nachhaltigkeitszielen
Statt Höfe zu zerstören, müssen bäuerliche Betriebe in
Entwicklungsländern und in Deutschland wirksam erhalten
und gestärkt werden
„Die AbL begrüßt, dass das Bundeskabinett in der heute verabschiedeten
Nachhaltigkeitsstrategie nach vorne stellt, den Hunger in Entwicklungsländern zu
beenden und eine nachhaltige Landwirtschaft befördern zu wollen“, sagt Martin
Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
„Aber die angekündigten politischen Maßnahmen packen noch lange nicht das Übel
an der Wurzel.“ In keinem Satz wird der aktuellen aggressiven AgrarExportorientierung eine Absage erteilt. Vielmehr hebt Landwirtschaftsminister
Christian Schmidt in dem jährlich erscheinenden BMEL-Bericht „Deutscher
Agraraußenhandel“ immer wieder hervor, dass Deutschland weltweit der drittgrößte
Exporteur von Agrarprodukten ist und seit 2000 haben sich die Ausfuhrwerte
verdoppelt. Außerdem führt das Bundeslandwirtschaftsministerium das „Programm
zur Förderung der Exportaktivitäten der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft“
weiter.
„Insbesondere die massiven EU-Exporte von Fleisch- und Milchprodukten führen
immer wieder dazu, dass in Entwicklungsländern Selbsthilfeprojekte in der
Landwirtschaft durch europäische Billigimporte zerstört werden“, sagt Schulz.
Dadurch werden Kleinerzeuger aus der Produktion gedrängt. In der
Nachhaltigkeitsstrategie heißt es, dass die deutsche Bundesregierung jährlich 1,5
Milliarden Euro für Entwicklungshilfe gegen Hunger und Fehlernährung ausgibt.
Eben solche Maßnahmen werden durch die deutsche Agrarpolitik konterkariert. „Wir
fordern eine Agrarpolitik, die ein solidarisches Verhalten mit unseren bäuerlichen
Kollegen in Entwicklungsländern ermöglicht, statt sie zerstört“, sagt Schulz.
Des weiteren hebt die Bundesregierung in der Nachhaltigkeitstrategie die große
Bedeutung der Kleinbäuerinnen und -bauern in der Landwirtschaft in
Entwicklungsländern hervor. Aber auch in Deutschland braucht es für eine
gesellschaftlich geforderte zukunftsfähige Landwirtschaft viele Bäuerinnen und
Bauern, statt industrialisierte Großbetriebe. Die selbe Exportoffensive, die in
Entwicklungsländern Betriebe zerstört, führt auch in Deutschland zum massiven
Höfesterben.
„Ein ernsthafte Nachhaltigkeitsstrategie benötigt eine dringend notwendige
Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik, weg von der Exportorientierung hin zu einer
Qualitätsoffensive. Dafür streiten am 21. Januar wieder tausende Bäuerinnen und
Bauern mit der Gesellschaft, wenn sie an der großen Agrardemonstration ,Wir haben
Agrar-Industrie satt!' teilnehmen“, sagt Schulz.
https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Nachhaltigkeitsstrategie/_n
ode.html
AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - 13.01.2017:
Zur Anhörung des Gentechnikgesetzes im Bundestag am 16.
Januar 2017:
AbL: Gentechnik-Anbauflickenteppich verhindern
Bundestag muss gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung
sicherstellen
„Das Ziel, die gentechnikfreie konventionelle und ökologische Landwirtschaft,
Lebensmittelerzeugung, Imkerei und Saatgutzüchtung in Deutschland und Europa
sicher zu stellen – ein breiter Wunsch auch von der Zivilgesellschaft – wird mit dem
vorliegenden Entwurf zum Gentechnikgesetz der Bundesregierung nicht erreicht,“ so
Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft anlässlich der Anhörung zum Gentechnikgesetz im Agrarausschuss
des Bundestages am 16. Januar 2017. Janßen weiter:
„Zwar soll der Bund nun scheinbar aktiv werden und bundesweite Verbote erlassen,
er schafft sich aber einerseits hohe Hürden und andererseits große Schlupflöcher,
wo er nicht handeln will. Diese gilt es zu beseitigen. Besonders prekär ist nach
Meinung der AbL die sog. „Länderöffnungsklausel“, die es den Bundesländern in der
sog. Phase 2 (also sollte es eine europaweite Anbauzulassung einer GentechnikPflanze geben) erlaubt, parallel zum Bund den Anbau zu verbieten. Das eröffnet den
Gentechnik-Anbauflickenteppich in Deutschland und führt zu erheblichen Verunreinigungspotentialen auf dem Acker, bei der Saatgutzüchtung, Vermehrung und
Lebensmittelverarbeitung. Da das Verursacherprinzip politisch nicht umgesetzt ist,
tragen bislang die gentechnikfreie Erzeugung und die Konsumenten diese
Folgekosten. Das ist gut für die Gentechnik-Industrie, schlecht für die Bauern und
Verbraucher. Auch für die Bundesländer hieße die Länderöffnungsklausel
erheblichen Aufwand, da die Länder selber die Verbote rechtssicher begründen
müssen. Das führt zu höheren Rechtsunsicherheiten: Konzernklagen gegen einzelne
Bundesländer sind wahrscheinlicher als gegen den Bund. Aus Klagen können
differierende Rechtsprechungen resultieren. Um rechtliches und wirtschaftliches
Chaos zu verhindern, fordert die AbL die Streichung der Länderöffnungsklausel.
Wenn diese aber politisch gewollt ist, dann muss sie klar geregelt werden. Auf keinen
Fall dürfen die Länder parallel zum Bund agieren, sondern der Bund muss eine
vorrangige Handlungspflicht haben und seine Aktivitäten auch darstellen. Das
Stehlen aus der Verantwortung des Bundes durch Aussitzen entspricht nicht der
postulierten „gemeinsamen politischen Verantwortung“, wie Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt aktuell den Gentechnik-Gesetzentwurf überschrieben hat. Der
derzeitige Entwurf zielt auf eine politische Nichtverantwortung des Bundes! Vielmehr
muss der Bund aktiv Gründe für bundesweite Anbauverbote unter Mitarbeit der
Länder zusammenstellen und prüfen, um rechtlich und fachlich tragfähige Verbote zu
erlassen. Auch die kurzfristig eingefügte Passage zu den neuen GentechnikVerfahren kritisiert die AbL. Die Verfasser des Entwurfs wollen dem europarechtlich
geregelten Vorsorgeprinzip ein undefiniertes „Innovationsprinzip“ an die Seite stellen.
Das schwächt das Vorsorgeprinzip und führt zu einer Werteverschiebung. Wir
brauchen aber eine Stärkung des Vorsorgeprinzips. Gerade bei den neuen
Gentechnik-Verfahren muss erst mal eine wissenschaftlich unabhängige
Risikobewertung durchgeführt und den vermehrten Hinweisen, dass es auch hier
unerwartete Nebeneffekte gibt, gerade auch durch die neuen Gentechnik-Verfahren,
nachgegangen werden. Juristisch sind die neuen Gentechnik-Verfahren als
Gentechnik einzustufen und mindestens ebenso streng zu regulieren, anstatt sie
unkontrolliert auf den Acker zu lassen. Die PolitikerInnen im Bundestag und die
zuständigen Behörden sind in den nächsten Wochen gefordert, eine gerade Furche
für die Sicherung der gentechnikfreien Lebensmittelerzeugung zu pflügen,“ so
Janßen abschließend.
BIO:
aus: OEKOM-Verlag – Nachhaltigkeits-News – Januar 2017:
Wie menschlich ist Bio?
Lebendiger Boden, gesunde Tiere, gute Produkte: Die Biobranche stellt hohe
Ansprüche an sich selbst. Doch wie geht sie mit der Ressource Mensch um? Ist die
Transparenz in Biounternehmen größer, sind die Arbeitsbedingungen besser – hier
und auch im Ausland? Funktioniert die Kommunikation nach innen und außen? Und
nicht zuletzt: Ist hier die Wirtschaft für den Menschen da, oder doch eher umgekehrt?
Die aktuelle Ausgabe der Ökologie & Landbau > stellt in ihrem Schwerpunkt
"Mensch und Bio" die Menschen in den Mittelpunkt. Lesen Sie den Beitrag "Preise
und Löhne. Bio-fair und doch zu wenig" von Leo Frühschütz kostenlos auf unserer
Homepage.
https://www.oekom.de/fileadmin/zeitschriften/oel_leseproben/OEL181_Leseprobe_Fr
uehschuetz.pdf
TAZNORD – Simone Schnase – 22.11.2016:
Alnatura verliert vor Landesarbeitsgericht
Ein Betriebsrat wird kommen
… BREMEN taz | Einhundert Filialen hat die Biosupermarktkette Alnatura
deutschlandweit, und nur eine davon hat einen Betriebsrat. Das zu ändern,
versuchen seit 13 Monaten MitarbeiterInnen einer Bremer Filiale. Bisher erfolglos:
Immer wieder scheiterte ihre geplante Betriebsratswahl am Arbeitgeber.
Am gestrigen Dienstag nun bestätigte das Bremer Landesarbeitsgericht (LAG) die
Einsetzung eines Wahlvorstands. Der ist für die Durchführung der eigentlichen Wahl
einer ArbeitnehmerInnenvertretung notwendig. Sollte Alnatura den Beschluss
diesmal akzeptieren, könnte dies in der Filiale in der Bremer Faulenstraße endlich
geschehen.
Ob das Unternehmen die Entscheidung hinnimmt, ist freilich keineswegs klar.
Innerhalb eines Monats kann es eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die
Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht einlegen – und hält sich vorerst bedeckt:
Erst einmal, sagte Personalleiter Joachim Schledt nach Verkündung des
Beschlusses, müsse man sich die Begründung des LAG in Ruhe durchlesen, dann
werde man weitersehen.
Genauso war ’ s bereits beim letzten Verfahren vorm Bremer Arbeitsgericht. Nach
der gescheiterten Wahl eines Wahlvorstandes im Oktober 2015 – damals hatten sich
die Stimmen der Alnatura-MitarbeiterInnen auf zu viele KandidatInnen verteilt,
sodass niemand eine absolute Mehrheit bekam – wurde bereits ein Wahlvorstand
durch das Arbeitsgericht eingesetzt.
„Die Wahl wurde durch taktische Spielchen der Filialleitung verhindert“, sagte damals
die Grünen-Politikerin und ehemalige Alnatura-Beschäftigte Kai Wargalla, die für den
Wahlvorstand kandidiert hatte. Unmittelbar vor der Wahl habe die Filialleitung drei
zusätzliche KandidatInnen aufgestellt – um eine Mehrheitsentscheidung absichtlich
zu verhindern. Sowohl die Filialleitung als auch der Alnatura-Gebietsleiter hätten im
Vorfeld MitarbeiterInnen zu Gesprächen geladen und ihren Unmut über die geplante
Betriebsratswahl geäußert.
... Die Zeit nutzte Alnatura, um Wargallas befristeten Arbeitsvertrag nicht zu
verlängern – und dann als weiteren Beschwerdegrund anzuführen, dass es den vom
Gericht eingesetzten Wahlvorstand ja nun gar nicht mehr geben könne, weil Wargalla
bei einer Betriebsratswahl nicht mehr im Unternehmen tätig sei.
Außerdem wurde die Zahl der Angestellten auf unter 20 dezimiert: Damit hat die
Filiale nur noch einen Anspruch auf einen einköpfigen Betriebsrat.
„Interessanterweise“, sagt Wahlvorstand Nils Bauer, „sind zwischenzeitlich wieder
Leute eingestellt worden – allerdings Leiharbeiter.“
Man habe gar nichts gegen einen Betriebsrat, sagte der Anwalt von Alnatura beim
gestrigen Gerichtstermin, schließlich gebe es ja auch schon einen – in einer Filiale in
Freiburg. Bloß hätte es im Oktober in Bremen mindestens einen zweiten Wahlgang
geben müssen, „alles andere ist nicht im Sinne einer demokratischen
Willensbildung“. Dem folgte das LAG nicht. … „Damit ist der Weg frei für die
Einleitung einer Betriebsratswahl in dem Einzelhandelsunternehmen.“
… . KollegInnen, die sich offen für einen Betriebsrat aussprächen, bekämen bis
heute Druck, berichtet ein Alnatura-Mitarbeiter der taz. Sie würden an „Kasse 1“
versetzt, weil dort Fehler, etwa in Form von zu wenig oder zu viel Geld in der Kasse
„messbar“ seien – und das würde mit Abmahnungen geahndet. Es gebe zwar einen
neuen Filialleiter, mit dem die Stimmung im Team besser geworden sei, aber der
habe nur einen befristeten Vertrag bis Februar. „Man hat den Eindruck, er soll auf die
nette Tour die Kollegen davon überzeugen, dass wir keinen Betriebsrat brauchen.“
Sollte Alnatura entgegen den Erwartungen des Wahlvorstandes und Ver.di keine
Nichtzulassungsbeschwerde gegen die LAG-Entscheidung einlegen, könnte die
Betriebsratswahl Anfang 2017 stattfinden. Dann hätte Alnatura zwei Betriebsräte in
Deutschland – und damit auch das Recht auf einen Gesamtbetriebsrat.
http://www.taz.de/Alnatura-verliert-vor-Landesarbeitsgericht/!5356329/
https://www.alnatura.de/de-de/ueber-uns/auszeichnungen
Unabhängige Bauernstimme (5/2014):
Arbeitskonflikte im „Alternativ-Sektor“
Die Medien berichteten kürzlich über einen Gerichtsstreit gekündigter Verkäuferinnen
gegen die Fair-Trade-Handelskette Contigo. Es ging um ein neues Tarifmodell und
Regelungen zum Verzicht auf Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche. Die Firma
beklagte eine „selbstbezogene Arbeitnehmerhaltung“, mit der ein 15jähriger Konsens
und „Contigo-Spirit“ verlassen worden sei.
Ein Problem, das offenbar viele ehemals alternative Betriebe haben, die früher auf
der Basis von gemeinsamen Idealen und zugleich von Überarbeitung und geringer
Entlohnung entstanden - und die dann wuchsen und kommerzielle Unternehmen
wurden. Dies ist nicht nur bei Fairtrade so, sondern kann auch viele NGOs, BioUnternehmen und selbst Neuland-Organisationen betreffen. Oft pochen die neuen
Geschäftsleitungen trotzdem weiter auf die Prinzipien der ehemaligen
Selbstausbeutung der Gründer-Belegschaften, obwohl es sich längst um ganz
normale Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisse handelt: Denn viele Geschäftsführer,
Vorstände und Aufsichtsräte sind zwangsläufig zu ganz normalen „Chefs“ geworden,
die auf die Vertretung von Arbeitnehmer-Interessen aber ungemein sensibler und
empörter reagieren als „normale“ Geschäftsführungen.
Die ehemaligen und die neuen ArbeitnehmerInnen im Unternehmen erfahren diese
Haltung und den Hinweis auf alte Ideale dann oft lediglich als Mittel, ihnen zugunsten der alten oder neuen Eigner – die eigentlich normalen Arbeitsrechte
vorzuenthalten. Die folgerichtige Gründung von Betriebsräten in den vormals
„solidarischen Kollektiven“ führt dann oft zu besonders empörten, kleinlichgehässigen und überharten Reaktionen der Geschäftsleitung. Das immer schlechtere
Betriebsklima gefährdet diese Unternehmen.
Im alternativen Sektor ist dies, wenn es bekannt wird, natürlich ganz besonders
geschäftsschädigend. Denn sensible Kunden bekommen diese Entwicklung direkt
oder indirekt mit und reagieren. Fair, ökologisch und sozial – wer sich mit diesen
Prinzipien auf dem Markt positioniert, gerade der muss sie auch innerhalb des
Unternehmens praktizieren. Auch aus Eigeninteresse, denn es liegt eine tiefe
Wahrheit in dem Verbraucher-Ratschlag: „Kaufe nur da, wo Du auch gerne
arbeiten würdest...“ -en
WAHLEN ZUR LANWIRTSCHAFTLICHEN
SOZIALVERSICHERUNG:
AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Pressemitteilung, Hamm, 13.01.2017
SVLFG forderte zu viele Unterschriften
AbL bekam Unterlagen erst über das Informationsfreiheitsgesetz
Für die am 31.05.2017 anstehende Sozialwahl in der Sozialversicherung für
Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau (SVLFG) hat der Wahlausschuss
dieser SVLFG doppelt so viele Unterstützer-Unterschriften gefordert wie gesetzlich
erlaubt ist. In dieser Rechtsauffassung sieht sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL) nun auch durch Unterlagen des Wahlausschusses, die ihr erst
durch Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz von der
Bundeswahlbeauftragen übersandt worden sind, bestätigt.
Unterstützer-Unterschriften müssen Organisationen, die bisher nicht in der
Vertreterversammlung vertreten sind, sowie freie Listen vorlegen, um zur Wahl
zugelassen werden zu können.
Der Wahlausschuss der SVLFG hat die Anzahl der geforderten Unterschriften
(Quorum) in seiner Sitzung vom 23.03.2017 auf 1.000 festgesetzt. Er hat dafür die
Anzahl der Versicherten (nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) zu großen Teilen geschätzt,
weil die SVLFG selbst keine Daten über die Beschäftigten in Landwirtschaft, Forsten
und Produktionsgartenbau führt. Für die Schätzung dieser Beschäftigten hat der
Wahlausschuss auf die Agrarstrukturerhebung 2013 zurückgegriffen. Von den dort
genannten 1,02 Millionen Arbeitskräften hat der Wahlausschuss z.B. die
Unternehmer und ihre Ehegatten zutreffend abgezogen, weil sie keine Beschäftigten
und keine Versicherten im Sinne des Gesetzes sind. Unterlassen hat der
Wahlausschuss aber, auch die Zahl der Saisonarbeitskräfte abzuziehen. Denn als
Saisonarbeitskräfte weist die Agrarstrukturerhebung ausdrücklich nur solche
Beschäftigten aus, deren Arbeitsvertrag auf weniger als 6 Monate befristet ist. Bei
der Sozialwahl sind als Versicherte aber nur solche Beschäftigte mitzuzählen, die
„regelmäßig“ und damit mindestens 6 Monate im Jahr beschäftigt sind.
Der Wahlausschuss hätte die über 314.000 Saisonarbeitskräfte abziehen müssen.
Dann wäre er von rund 841.000 Versicherten statt von rund 1.155.000 Versicherten
ausgegangen und hätte das Quorum nach Gesetz (§ 48 Abs. 2 SGB IV) auf 500 statt
auf 1.000 festgesetzt.
„Die uns nun vom Bundeswahlleiter überreichten knappen Unterlagen des
Wahlausschusses zur Festlegung des Quorums zeigen, dass der Wahlausschuss
schon damals von der 6-Monatsregelung für die vom Gesetz geforderte regelmäßige
Beschäftigung von Versicherten ausgehen musste. Besonders bedauerlich ist aber,
dass der von Bauernverbands-Funktionsträgern dominierte Wahlausschuss seine
fehlerhafte Festsetzung des Quorums auch dann nicht korrigiert hat, nachdem wir ihn
darauf schriftlich aufmerksam gemacht haben. Er hat einfach nicht reagiert bzw. an
seiner rechtswidrigen Entscheidung festgehalten. Ich gehe davon aus, dass nun der
Bundeswahlausschuss als Beschwerdewahlausschuss die entsprechenden
fehlerhaften Beschlüsse des Wahlausschusses korrigieren wird“, erwartet Ulrich
Jasper, Geschäftsführer der AbL.
Martin Häusling MdEP:
STUDIENVORSTELLUNG ZUR NEUAUSRICHTUNG DER
EUROPÄISCHEN AGRARPOLITIK OFFENBART
TIEFGREIFENDEN REFORMBEDARF
12.01.2017
Pressemitteilungen,
Studie offenbart tiefgreifenden Reformbedarf:
65 % der Europäer sehen EU-Agrarpolitik in der Pflicht für Klima- und Tierschutz –
Renationalisierung nicht gewollt
Zur heutigen Vorstellung der Studie „Fundamente statt Säulen: Vorschläge zur Neuausrichtung
der EU-Agrarpolitik“ und Debatte in Berlin erklären Auftraggeber, Studienautor* innen und
Referent*innen:
„Eine klare Mehrheit von 65 Prozent der EU-Bürgerinnen und Bürger will neue Prioritäten für die
EU-Agrarpolitik. Klima- und Tierschutz sollen nach dem Willen der Steuerzahler Vorrang bei der
Vergabe der aktuell 58 Milliarden Euro an jährlichen EU-Agrarsubventionen aus Brüssel erhalten.
Bisher spielt der Tierschutz in der Landwirtschaftspolitik praktisch keine Rolle. Zudem stehen
Überproduktion und EU-Exportrekorde bei Fleisch- und Milchpulver zu Dumpingpreisen dem
Klimaschutz und der globalen Hungerbekämpfung im Wege. Das zeigt eine Analyse der Umweltund Entwicklungsorganisation Germanwatch im Auftrag von Martin Häusling, die am 12. Januar
im Europäischen Haus in Berlin vorgestellt wurde.
Kernherausforderung sei es dem Bericht zu Folge, Widersprüche in den EU-Regeln zur
Agrarpolitik auszuräumen, die das Vertrauen der Bürger und Verbraucher erschüttern und dem
Tier- und EU-Wasserschutz schaden. Zugleich legt die Analyse dar, dass es in Europa
inzwischen einen gesellschaftspolitischen Konsens gebe, dass öffentliche Gelder nur für
öffentliche Leistungen zu zahlen und der Wertschöpfungsanteil für bäuerliche Betriebe deutlich
zu verbessern seien. In der Realität liege beides jedoch im Argen. Daher sei eine tiefgreifende
Reform zeitnah erforderlich. EU-Agrarkommissar Phillip Hogan habe für 2017 die übliche
Halbzeitbewertung der Agrarreform von 2013 versprochen, doch inhaltliche Neuerungen
blockiere er bisher.
Dem sogenannte Greening der Reform 2013, mit dem 30 Prozent der Direktzahlungen eines
Betrieb an bestimmte Umweltauflagen gekoppelt werden, bescheinigt die Analyse weitgehende
Wirkungslosigkeit. "Solange im Rahmen der vorgeblichen "Umwelt"-Auflagen Pestizide und
synthetische Dünger auf den Vorrangflächen erlaubt bleiben und rundherum Monokulturen und
Humusabbau der Artenvielfalt und dem Klimaschutz zusätzlich den Garaus machen dürfen,
schaden die Zahlungen allesamt unseren natürlichen Ressourcen", sagte Tobias Reichert,
Teamleiter Agrarpolitik bei Germanwatch und einer der Autoren.
Beispielhaft für das Scheitern der alten Agrarpolitik ist nach Auffassung der Autoren die
Erzeugerpreiskrise. Im Zuge der Abschaffung der Milchquote weitete die EU im Zeitfenster 2013
bis 2015 die Milchpulverexporte von 400 000 Tonnen auf 700 000 Tonnen aus. Das hat den
Milchmarkt der ganzen Welt überflutet. Der Weltmarktpreis je Tonne Milchpulver sank in dem
Zeitraum von rund 4800 auf 1500 US Dollar und somit um über 65 Prozent. Zugleich erhielt
beispielsweise die norddeutsche Molkerei Ülzena in den Jahren 2013/ 2014 Förderung in Höhe
von 1,2 Millionen Euro und eröffnete 2014 eines der größten neuen Milchpulverwerke Europas.
Andere erhielten Hundertausende Euro für die Lagerung von Milchpulver. Diese
Konzernförderung verdrehe den Anspruch der Agrarpolitik zur "Erhöhung der Wertschöpfung"
beizutragen, radikal ins Negative wie der Sinkflug der Weltmarktpreise zeige.
Reinhild Benning, Studienautorin, Germanwatch e.V., stellt fest:
"Tierschutz ist nach Erhebungen von Eurobarometer die zweitwichtigste Aufgabe der
Landwirtschaft, gleich nach der Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln.
Diese Forderung erheben immer mehr Menschen in der EU. Daher steht sie im Zentrum des
Germanwatch-Modells für eine Neue Agrarpolitik. Wir empfehlen, nicht Landwirten, sondern der
Nahrungsmittelindustrie und dem Handel zur Auflage zu machen, die Prozessqualität von
Lebensmitteln zu kennzeichnen. Wie bei der Eierkennzeichnung würden alle Lebensmittel in die
Kategorien 0,1,2,3 eingeteilt und gekennzeichnet. Die Ziffer 0 entspricht den
Ökolandbauanforderungen. Die Ziffer 3 kennzeichnet, dass lediglich gesetzliche
Mindestanforderungen eingehalten wurden. In die Ziffern 1 und 2 sollen Bauernhöfe für
Verbraucher sichtbar gemacht werden, die z.B. mit geringerem Pestizideinsatz und
tierfreundlicher Weidehaltung besondere Leistungen erbringen. So können Konsumenten am
Verkaufsregal die aus ihrer Sicht "besten Bauern" erkennen und zu deren Wertschöpfung
beitragen. Zugleich wird der gesamte Umfang des EU-Agrarhaushaltes benötigt, um Bauernhöfe
in die Lage zu versetzen, von einer Stufe in die nächst höhere zu gelangen, Landwirtschaft in
benachteiligten Regionen zu erhalten und Natur- und Artenschutz in die Agrarfläche zu
integrieren. Im Jahr 2028 liefe die Förderung für Betriebe der Kategorie 3 aus, weil sie nur die
gesetzlichen Mindeststandards erfüllen ohne gesellschaftliche Leistungen nachzuweisen. "Diese
Neue Agrarpolitik hat das Potential, das Vertrauen in die Europäische Union - insbesondere in
ländlichen Regionen - wieder zu stärken, während die Agrarpolitik alter Facon geeignet ist, den
Bürgern den letzten Rest Vertrauen auszutreiben".
Tobias Reichert, Studienautor, Germanwatch e.V., ergänzt:
„Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verpflichten: Die EU-Agrarpolitik muss dazu
beitragen, dass sich das Klima nicht mehr als 1,5 Grad-erwärmt und Hunger und Armut weltweit
beendet werden. Das geht nur mit einer Abkehr von einer Fleischerzeugung, die maßgeblich von
Futtermittelimporten abhängt und Billigprodukte exportiert – zulasten regionaler Erzeugungs- und
Vermarktungsstrukturen weltweit. Ein Stopp der Subventionen an Konzerne und eine generelle
Obergrenze für Beihilfen je Empfänger wären geeignete Instrumente, um Subventionsmissbrauch
zu bremsen.“
Trees Robjins, Birdlife Europe, Belgien, kommentiert:
„Die EU-Agrarpolitik gehört auf den Prüfstand. Denn gerade in Zeiten des wachsenden
Euroskeptizismus, in denen viele Regierungen und Politikbereiche vor tiefen
Haushaltseinschnitten stehen, sind Steuergelder der gesellschaftlichen Legitimität besonders
verpflichtet. Wir brauchen eine fruchtbare, offene und ehrliche GAP-Debatte mit allen
Interessenvertretern. Diese sollte auf fünf Punkten basieren, die so oft beim Fitness-Check
angepriesen werden: Wirksamkeit, Effizienz, Kohärenz mit anderen EU-Gesetzen, Relevanz und
Mehrwert gegenüber nationalstaatlichen Maßnahmen“.
Jan Douwe van der Ploeg, Agrarprofessor Universität Wageningen, Niederlande:
„In den vergangenen zehn Jahren hat in Europa jeder vierte landwirtschaftliche Betrieb
aufgegeben. Die derzeitige Agrarpolitik verhindert den Strukturwandel nicht, sondern
beschleunigt ihn durch die Verschärfung ungleicher Machtverhältnisse in der landwirtschaftlichen
und Lebensmittel-Erzeugung. „Moderne“ High-Tech-Firmen sind jedoch wesentlich weniger
anpassungsfähig und krisenfest. Eine zukunftsfeste europäische Landwirtschaft muss divers und
multifunktional, konsequent nachhaltig und den heimischen Märkten und Verbraucheransprüchen
verpflichtet sein. Das derzeitige Säulen-Förder-System wird diesem Anspruch nicht gerecht.“
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen
Parlament und Auftraggeber, fasst zusammen:
„Seit vielen Jahren verfehlt die europäische Agrarpolitik ihre eigenen Ziele. Unser derzeitiges
Modell einer export- und wachstumsorientierten Landwirtschaft beschert zwar dem Handel und
der Lebensmittelindustrie satte Gewinne. Es sichert aber weder den Bauern ein angemessenes
Einkommen noch entspricht es den Erwartungen der Verbraucher. Es geht zudem und in
wachsendem Maße mit Umweltverschmutzung, Artenschwund und Tierleid einher. Dies
kritisieren nicht nur Verbraucher- und Umweltgruppen, sondern auch zunehmend
wissenschaftliche Sachverständige und regierungsberatende Gremien europaweit seit Jahren.
Die vorliegende Studie belegt: Die in diesem Jahr eingeleitete nächste Reformrunde muss eine
grundsätzliche Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik zum Ziel haben. Die Gelder der
ersten Säule werden weitgehend unqualifiziert gezahlt und landen letztendlich bei denjenigen, die
das Land besitzen. Das Greening ist gescheitert. Wir müssen weg vom Säulenmodell hin zu einer
Leistungshonorierung, die sich den Ökologischen Landbau zum Leitbild nimmt und ihn als
Premiumstandard für öffentliche Gelder definiert.
Meine Forderungen sind daher:
1 Umwelt-, bzw. Klima- oder Gewässerschutz sowie Tierschutz und strukturelle Investitionen in
die ländliche Wertschöpfung sind bisher nicht offizielle Ziele des Art. 39 AEUV (Vertrag über die
Arbeitsweise der Europäischen Union). Daher muss der Artikel 39 angepasst werden.
2 Der ökologische Landbau muss Leitbild der europäischen Agrarpolitik und Premiumstandard für
öffentliche Gelder werden.
3 Beginnend 2020 soll bis spätestens 2034 das Zahlungssystem umgebaut sein.
4 Während dieser Übergangszeit erhalten Betriebe mit gestaffelten geringeren Standards in
Tierhaltung und/ oder Ackerbau entsprechend weniger Geld. Diese Standards sollten sich aus
einfach zu überprüfenden Betriebsfaktoren ergeben, zum Beispiel Weidehaltung bzw.
Mindestfruchtfolge, ausschließlich organische Düngung etc., da sonst wiederum ein
bürokratischer Overkill droht.
5 Die Sicherung und den Wiederaufbau der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft, erweiterte
Naturschutzleistungen und die Förderung benachteiligter Gebiete sollen spezielle Förder-Module
zusätzlich leisten, die sowohl für den Premiumstandard (Ökolandbau) als auch andere Standards
angeboten werden.
6 Für den Übergang zu tiergerechteren Haltungssystemen brauchen wir die Förderung eines
schrittweisen Übergangs. Dafür braucht es europaweit eine neue Definition für regional
angepasste artgerechte Haltungssysteme und den Ausbau der Weidehaltung.
7 Die Bindung der Tierhaltung an die in der Region vorhandene Futterbaufläche muss bei allen
Standards mittelfristiges Ziel sein.
8 Der Leguminosenanbau in Europa muss Grundlage der heimischen Eiweißversorgung werden.
9 Wir brauchen die Entwicklung einer angepassten „guten fachlichen Praxis“ der Anwendung der
europäischen Hygienerichtlinien bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), damit diese nicht
weiter aus dem Wettbewerb gedrängt werden.
10 Besondere Förderung der Entwicklung lokaler Vermarktungsstrukturen auf allen
Absatzebenen europaweit.“
Die Studie ist abrufbar unter folgendem Link:
http://www.martin-haeusling.eu/images/attachments/GAP_WebundMail_end.pdf
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