Drucken - dieimmobilie.de

Die logistische Evolution
Logistik: Welche Immobilientypen künftig gefragt
sind
Renditen um die 5 Prozent machen die schmucklosen Kästen für Investoren aus dem In- und
Ausland interessant. Ein Investment ist allerdings kein Selbstgänger. Der Markt ist in
massivem Wandel. Welche Immobilientypen künftig gefragt sind.
Anfang Oktober 2016 hat 6D9 im Hamburger Stadtteil Ottensen seine erste reguläre Lieferung
zugestellt. Es ging vom Hermes Paketshop (Rosis Textilpflege) zur rund einen Kilometer entfernten
Wohnung der Bestellerin. Ganz regulär war die Lieferung noch nicht. Denn Jan Werum von der
estnischen Herstellerfirma Starship lief nebenher und musste dem Roboter auf sechs Rädern noch
ein paar Anweisungen geben. Bald soll der rollende kleine Kasten, in dessen Bauch zwei Pakete
passen, ohne physische Begleitung fahren. Überwacht werden aber auch künftig alle seine Fahrten
von der Leitzentrale in Tallinn.
Was Hermes am Boden testet, versucht DHL mit dem Paketkopter in der Luft. Er lieferte bereits
Medikamente vom Festland auf die Insel Juist. Und während der dreimonatigen Testphase Anfang
2016 stellte die Drohne Pakete zwischen dem bayrischen Reit im Winkel und der Winklmoosalm zu.
Auch Amazon hat in Großbritannien jüngst die Erlaubnis bekommen, Drohnen zu testen.
Die unbemannte Zustellung von Paketen im großen Stil ist allerdings noch ferne Zukunftsmusik wenn sie überhaupt kommt. Die Autoren des Reports von Jones Lang Lasalle (JLL) zur „neuen
logistischen (R)Evolution“ sind der Ansicht, dass sich die Serienlieferung von Paketen an
Privatleute per Drohne in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht wesentlich weiter entwickeln
wird. Luftraumregelungen, Sicherheitsbedenken und auch die geringere Rentabiliät lassen die
Research-Experten am Modell zweifeln. Keine Zweifel haben sie allerdings daran, dass die Logistik
im Wandel ist und sich dies auch auf den Logistikimmobilienmarkt auswirkt.
Gleich mehrere Megatrends beeinflussen den Markt, darunter die Automatisierung und der
zunehmende Einsatz von Robotern nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Logistik.
Amazon etwa hat 2012 Kiva Systems übernommen und nutzt bereits Tausende von Robotern des
Unternehmens in seinen Vertriebszentren. Wenn weniger Belegschaft nötig ist, sinkt der Bedarf an
Sozialflächen und Parkplätzen, die Standortortwahl hängt weniger am Arbeitskräftepotenzial der
Gegend. Die JLL-Experten können sich ebenfalls eine Nachfrage nach höheren Gebäuden
vorstellen, wenn nicht mehr Menschen, sondern Roboter die Ware aus den Regalen holen.
Die Fortschritte in der Robotik, aber auch die steigenden Löhne in China sind Gründe für einen
weiteren Trend: Unternehmen verlagern ihre Produktion zurück aus Asien in die Heimat und in
günstigere Nachbarländer in Osteuropa. Das könnte dazu führen, dass Lager- und Logistikflächen
im Hafenbereich weniger gefragt sind, stattdessen Flächen mit Bahnanbindung an Bedeutung
gewinnen.
Der allerwichtigste Trend jedoch, der den Logistikimmobilienmarkt bereits jetzt schon beeinflusst,
ist der Online-Handel. „In der ersten Phase des E-Commerce haben wir einen Trend zu größeren
Logistikimmobilien gesehen. Zum Beispiel hat sich Amazon Objekte ab 120.000 Quadratmetern
aufwärts auf der grünen Wiese bauen lassen“, sagt Thomas Steinmüller, Ausschussvorsitzender
Logistikimmobilien beim Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA). Von diesen Fulfillment-Zentren
werden die Pakete an den Kunden geliefert. Die Paketdienste haben sich mit Umschlaglagern so
eingerichtet, dass Lieferungen in der gesamten Republik am nächsten Tag möglich sind. Eine
besondere Herausforderung ist dabei die Stadtlogistik und die „letzte Meile“ bis zum Endkunden.
Diese bekommt künftig noch mehr Bedeutung, denn: „Mittlerweile sind wir in der zweiten Phase
des E-Commerce angekommen. Next-Day-Delivery kann jeder, Same-Hour-Delivery ist das neue
Schlagwort“, so Steinmüller. Amazon testet bereits in Berlin und München sein Programm Prime
now, die Lieferung eines ausgewählten Sortiments innerhalb von zwei Stunden und mit Aufschlag
auch in einer Stunde. „Das schaffen die klassischen Liefersysteme nicht. Die Ware muss bereits vor
Ort sein. Big Data hilft dabei, heute zu wissen, was die Kunden morgen bestellen“, erläutert
Steinmüller.
Kleinteilige Flächen in Städten
Und es braucht innerstädtische Lager, von denen die Lieferungen erfolgen. „Projektentwickler
befassen sich intensiv mit City-Logistik. Nachgedacht wird beispielsweise über eine Kombination
von Parken, Wohnen und Logistik, aber auch über eine Kombination mit Einzelhandel und über die
Integration von Logistikobjekten in neue Wohnquartiere“, so Kuno Neumeier. Eine Alternative sieht
der Geschäftsführer der auf Logistikimmobilien spezialisierten Beratungsgesellschaft Logivest im
Refurbishment von alten Bürogebäuden und anderen Bestandsobjekten. „Dabei ist auch eine
gemischte Nutzung dieser Immobilien denkbar. Letztlich wird das im Rahmen des Baurechts und
der Nutzungsbestimmung individuell mit der zuständigen Behörde abzustimmen sein.“ Amazon hat
in Berlin schon mal vorgemacht wie sowas auch in bester City-Lage funktionieren kann. Im
modernisierungsbedürftigen Ku’damm Karree hat der Online-Händler temporär Fläche angemietet
und ein Verteillager eingerichtet.
Kleinteilige Logistikflächen in Städten werden künftig ein großes Thema sein, aber keines für
Investoren. Die Objekte sind schlicht zu klein. Größere Logistikimmobilien hingegen haben deutlich
bessere Chancen. Sie sind in der Gunst der Investoren bereits stark gestiegen. Das
Transaktionsvolumen hat sich von 2010 bis 2015 auf 4,1 Milliarden Euro fast vervierfacht. Vor
allem Portfolioverkäufe haben deutlich zugenommen. Auch 2016 war die Nachfrage bereits in den
ersten drei Quartalen so hoch, dass JLL mit einem neuen Rekordjahr rechnet. Insbesondere
ausländische Investoren zeigen zunehmend Interesse. Laut einer aktuellen Studie zum
Logistikimmobilienmarkt, die Bulwiengesa in Zusammenarbeit mit mehreren Partnern erstellt hat,
ist ihr Anteil am Investmentvolumen 2015 auf knapp 70 Prozent gestiegen. Das liegt auch daran,
dass die Ausländer sich vor allem die wenigen großen Objekte und Immobilienpakete von über 100
Millionen Euro sichern.
Ein Grund für die hohe Nachfrage nach Logistikimmobilien ist die vergleichsweise hohe Rendite.
„Die einstigen Evergreens Büro- und Einzelhandelsimmobilien sind aufgrund der Niedrigzinsphase
für viele Investoren schlicht zu teuer geworden. Hier werden Alternativen gesucht, wozu
mittlerweile ganz klar Logistikimmobilien gehören“, sagt Nico Rottke, Partner bei Ernst & Young
Real Estate. Dieser Trend macht sich bereits in sinkenden Renditen bemerkbar. „Allein im dritten
Quartal 2016 haben die Spitzenrenditen in den Big 7 noch einmal durchschnittlich um 25
Basispunkte nachgegeben“, sagt Willi Weis, Leiter des Bereichs Industrial Investment Deutschland
bei JLL. In Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart sind sie mittlerweile auf
5,0 Prozent und in Berlin auf 5,1 Prozent gesunken. Weis rechnet mit einem weiteren leichten
Rückgang.
Nicht nur beim Investmentvolumen auch beim Flächenumsatz ist das Logistiksegment auf
Rekordkurs. „Es ist davon auszugehen, dass der Bedarf an Logistikflächen weiter steigt“, meint
Walther Ploos van Amstel. Der E-Commerce-Sektor werde dabei weiterhin einer der wichtigsten
Treiber sein, ist der Dozent für City Logistics und Urban Technology an der Universität Amsterdam
für Angewandte Wissenschaften überzeugt. Der größte Nachfrager nach Fläche ist die Deutsche
Post DHL-Gruppe, gefolgt von Amazon. Zalando folgt auf Platz 12. Insgesamt entfallen rund 30
Prozent des Flächenumsatzes auf die 20 größten Nachfrager. Getrieben wird der Flächenumsatz vor
allem vom Vermietungsmarkt. Insbesondere E-Commerce-Händler mieten gern. Amazon etwa lässt
sich die meisten seiner Logistikimmobilien vom australischen Konzern Goodman, dem Platzhirsch
auf dem deutschen Markt für Logistikimmobilien, entwickeln und vermieten. Der Handelsbereich,
also die Rewes, Lidls und Edekas, bauen auch gern für die Eigennutzung.
Laut Bulwiengesa-Studie werden sich künftig mehrere Immobilientypen neu herausbilden oder an
Bedeutung gewinnen. Dazu zählen spezialisierte auf E-Commerce optimierte E-Fulfillment-Center
mit mehr Platz für Rechenzentren, Fotostudios und Büroflächen, aber auch Hybridimmobilien, die
Produktion, Distribution und sogar Handel vereinen. Als ebenfalls zukunftsträchtig gelten
generische Logistikimmobilien, die sich immer wieder äußerst flexibel dem veränderten Bedarf der
Nutzer anpassen. Ebenso gefragt werden Shared Warehouses sein, in denen temporär
Logistikflächen angemietet werden können. Im Bereich der Stadtlogistik dürften sich neben den
großen dezentralen Hubs neutrale Logistikzentren am Stadtrand bilden, die sich mehrere
Dienstleister aus dem Kurier-, Express- und Paketbereich teilen. Direkt in der Stadt sind zudem
viele Micro Hubs nötig, um die letzte Meile zu wuppen.
Mehr zum Thema
Analyse von Colliers International4,6 Milliarden Euro: Investmentrekord auf dem Logistikmarkt
Neuer Investmentrekord bei deutschen Logistikimmobilien: Ein starkes viertes Quartal führt zu
einem Jahresendergebnis von 4,6 Milliarden Euro. Das Angebot an Core- und
Core-Plus-Immobilien ist weiterhin knapp. Der Online-Handel sorgt 2017 für Flächennachschub
und weitere Anlageprodukte. Das sind Ergebnisse einer Analyse von Colliers International.
Investments in RekordhöheLogistik und Industrie mit einem Plus von 15 Prozent
2016 wurden bundesweit 4,72 Milliarden Euro in Logistik- und Industrieimmobilien investiert. Das
sind rund 620 Millionen Euro mehr als 2015. Insbesondere im Zeitraum Oktober bis Ende
Dezember wurde so viel wie noch nie in einem Quartal investiert. Das sind Ergebnisse einer
Analyse von Jones Lang Lasalle (JLL).
Dieser Artikel erschien am 20.01.2017 unter folgendem Link:
http://www.dieimmobilie.de/-die-logistische-evolution-1484912851/
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)