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Marcus Cieleback von Patrizia Immobilien
Regulierung: Der Fluch der guten Tat
Die deutsche Wohnungspolitik will stets das Gute und schafft meist das Schlechte. Durch
Mietpreisbremse und Kappung des Mieterhöhungsspielraums in laufenden Verträgen verliert
der Mietwohnungsmarkt an Attraktivität, was viele Mieter ins Eigentum drängt. Dies droht das
bewährte Gleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt aus der Balance zu bringen. Marcus
Cieleback von Patrizia Immobilien erklärt diesen paradoxen Effekt.
In Goethes „Faust“ bezeichnet sich Mephistopheles als „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will
und stets das Gute schafft“. Für die deutsche Wohnungspolitik gilt das Gegenteil: Sie will stets das
Gute und schafft meist das Schlechte. Konkret: Mit der Mietpreisbremse und der Kappung des
Mieterhöhungsspielraums in laufenden Verträgen will sie Mieter mit geringem Einkommen
unterstützen, die Steigerung der Mieten begrenzen und so den Mietwohnungsmarkt stärken.
Tatsächlich aber bewirkt sie durch diese regulatorischen Maßnahmen genau das, was ihrer
politischen Intention widerspricht: Der Mietwohnungsmarkt verliert an Attraktivität, viele Mieter
werden ins Eigentum gedrängt, und das bewährte Gleichgewicht auf dem deutschen
Wohnungsmarkt droht aus der Balance zu geraten.
Wie erklärt sich dieser paradoxe Effekt? Die regulatorischen Vorgaben, die sich zudem häufig
ändern, machen den Bau von Mietwohnungen immer unattraktiver. Viele Projektentwickler
verabschieden sich deshalb vom Mietwohnungsbau und konzentrieren sich auf die Errichtung von
Eigentumswohnungen, bei denen es keine Preisobergrenzen gibt. Wenn sich diese Entwicklung
fortsetzt, so finden gut verdienende Haushalte bald keine Neubau-Mietwohnungen mehr, die ihren
Ansprüchen genügen, weshalb sie sich gezwungenermaßen auf dem Eigentumsmarkt versorgen.
Gleichzeitig sinkt die Zahl der verfügbaren Mietwohnungen, worunter wiederum diejenigen
Haushalte leiden, die sich kein Eigentum leisten können. Diese negativen Folgen der Regulierung
waren beispielsweise in den 1960er Jahren in Großbritannien zu beobachten.
Noch verstärkt wird der Drang ins Eigentum, wenn die Möglichkeiten eingeschränkt werden, die
Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen. Genau das strebt das Bundesjustizministerium
mit seinem zweiten Mietrechtspaket an. Dadurch aber sinkt der Anreiz für Eigentümer, in die
Sanierung ihrer Objekte zu investieren. Die Folge: Die Qualität des Wohnungsbestandes nimmt ab,
und Nachfrager mit höheren Ansprüchen müssen sich zwangsläufig im Eigentumssegment auf die
Suche machen. Einen weiteren Anreiz dafür bildet die finanziell attraktive Möglichkeit,
gegebenenfalls Denkmal-Aufwendungen steuerlich geltend zu machen.
Nun sagen viele Experten: Es ist doch hervorragend, wenn mehr Menschen sich für Wohneigentum
entscheiden. Wohneigentum, heißt es dann, sei ein wirksames Mittel gegen Altersarmut, führe zu
mehr Wohlstand, trage zur Stabilisierung von Wohnquartieren bei und sei zudem der beste Weg, um
ständig steigenden Mieten zu entkommen. Die Wohnungssuchenden scheinen das ähnlich zu sehen:
Glaubt man den Ergebnissen einer von einem großen Baufinanzierungsvermittler in Auftrag
gegebenen Befragung, so würden drei Viertel aller Mieter gern im Wohneigentum leben. Immer
wieder wird deshalb die Forderung erhoben, der Staat müsse den Erwerb von Wohneigentum durch
steuerliche Vorteile oder andere Fördermaßnahmen erleichtern.
Doch ist das wirklich der richtige Weg? Gewiss, in vielen Fällen ist der Kauf eines
Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung eine sinnvolle Entscheidung, die zu persönlicher
Zufriedenheit und finanzieller Stabilität beiträgt. Volkswirtschaftlich aber ist der Nutzen einer hohen
Wohneigentumsquote nicht erwiesen. Ganz im Gegenteil: Wohneigentum führt tendenziell zu einer
Verringerung der räumlichen Flexibilität, die für eine dynamische Volkswirtschaft von großer
Bedeutung ist. Besonders ausgeprägt gilt dies für Deutschland, wo Grunderwerbsteuer, Notarkosten
und Maklerprovision den Kauf einer Immobilie so stark verteuern, dass es wirtschaftlich unsinnig
ist, alle paar Jahre seine Wohnung zu verkaufen und eine neue zu erwerben.
Eine hohe Eigentümerquote birgt zudem stets die Gefahr, dass auch Haushalte den Sprung ins
Eigentum wagen, die dadurch finanziell überfordert werden. Das unterstreicht die Situation im
europäischen Ausland. Länder mit einer hohen Wohneigentumsquote wie etwa Spanien (79 Prozent)
und Italien (73 Prozent) waren in der letzten großen Krise 2008/09 besonders hart von den
Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt betroffen, während Deutschland mit seiner Quote von
rund 43 Prozent vergleichsweise stabil durch die Krise kam.
Der relativ geringe Anteil der Eigentümer hierzulande ist also kein Nachteil. Vielmehr ist das in
Deutschland zu beobachtende ausgewogene Verhältnis von Miet- und Eigentumsmarkt ein Beleg für
einen gut funktionierenden Immobilienmarkt. Wer trotzdem glaubt, dass eine hohe
Wohneigentumsquote gleichbedeutend mit Wohlstand und wirtschaftlicher Stabilität ist, sollte einen
Blick auf unser südliches Nachbarland werfen: In der Schweiz leben nur 37 Prozent der Haushalte
(und damit noch einmal deutlich weniger als in Deutschland) in den eigenen vier Wänden, und doch
würde niemand auf die Idee kommen, die Eidgenossenschaft zum wirtschaftlichen Krisengebiet zu
erklären.
Deshalb sollte die Politik darauf verzichten, durch gut gemeinte regulatorische Maßnahmen die
Attraktivität des Mietwohnungsmarkts zu verringern. Und sie sollte auch nicht der Versuchung
erliegen, durch eine Art „Eigenheimzulage light“ das derzeitige Gleichgewicht zwischen Miet- und
Eigentumsmarkt aus der Balance zu bringen. Deutschland hat aus historischen Gründen immer eine
relativ niedrige Wohneigentumsquote gehabt – und ist damit gut gefahren. Es gibt keinen Grund,
durch Eingriffe in den Markt daran etwas zu ändern.
Über den Autor
Marcus Cieleback ist Leiter der Forschungsabteilung bei Patrizia Immobilien.
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Dieser Artikel erschien am 20.01.2017 unter folgendem Link:
http://www.dieimmobilie.de/marcus-cieleback-von-patrizia-immobilien-regulierung-der-fluch-der-guten-tat-1484904
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