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Freitag, 20.01.2017
SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs: Vorgestellt von Bettina Winkler
Faszinierender Gesamtklang
The Mirror of
CLAUDIO MONTEVERDI
„Missa in illo tempore“
HUELGAS ENSEMBLEPAUL VAN NEVEL
dhm 88875143482 (SONY MUSIC)
Virtuos und einfühlsam
FERDINAND FISCHER
From Heaven on Earth
Lute Music from Kremsmünster Abbey
Hubert Hoffmann
CHALLENGE CLASSICS CC72740
Spezialisten für hebräische Barockmusik
Salomone Rossi
THE SONGS OF SOLOMON
Hebrew Prayers and Instrumental Music
Profeti della Quinta
PAN CLASSICS PC 10343
Leicht und duftig
Receuil de Pieces
pour les Autres Instruments
Musique de Chambre,
Accomodé pour les Flȗtes à bec
Französische Kammermusik für Blockflöten
French Chamber Music for Recorders
Eva Legêne und
Astrid Andersson, Blockflöten
Anne Legêne, Viola da Gamba
Ricarda Hornych, Theorbe
Corey Jamason, Cembalo
Cornetto COR 10048
Ausgezeichnete Interpreten
Francesca Caccini
La liberazione di Ruggiero dall’isola di
Alcina
Allabastrina – La Pifarescha
Elena Sartori
GLOSSA GCD 923902
Sprühend vor Musikalität und Spiellust
Concertos of
JOSEF GURETZKY
The Harmonious Society of
Tickle-Fiddle Gentlemen
CHANDOS CHAN 0816
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Signet „SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“, am Mikrophon: Bettina Winkler.
2017 gibt es nicht nur das Reformations-Jubiläum zu feiern, alle Musikbegeisterten wissen,
dass dies auch ein Monteverdi-Jahr ist. Am 15. Mai 1567, also vor 450 Jahren, wurde der
Komponist aus Cremona getauft – das genaue Geburtsdatum ist nicht überliefert. Schon
trudeln die ersten Neueinspielungen mit Werken von Monteverdi ein – eine davon mit dem
Huelgas Ensemble unter der Leitung von Paul van Nevel will ich Ihnen gleich vorstellen.
Aber es gibt noch mehr in der heutigen Sendung: Lautenmusik von Ferdinand Fischer,
hebräische Gesänge von Salomone Rossi und französische Kammermusik für Blockflöten
aus dem 18. Jahrhundert, aber auch eine Oper von Francesca Caccini und Cellokonzerte
von Josef Gouretzky. Neugierig geworden? Dann legen wir gleich mal los – mit Monteverdi!
Seine „„Missa in illo tempore““ ist eigentlich eine Messe im alten Stil, zu der er sich von der
gleichnamigen Motette von Nicolas Gombert hat anregen lassen. Zehn verschiedene Motive
aus dieser Motette verarbeitet er in den einzelnen Messteilen und schafft damit eine
imposante Kathedrale der Kontrapunktik. Eine Herausforderung für jeden Chor – das
Huelgas Ensemble unter der Leitung von Paul van Nevel zeigt hier einmal mehr seine
Kunstfertigkeit und Ausdrucksstärke, wenn es dieses Geflecht aus Stimmen zu einem
faszinierenden Gesamtklang formt.
Claudio Monteverdi: „Missa in illo tempore“, Kyrie
4:00
Paul van Nevel und sein Huelgas Ensemble mit dem Kyrie aus Claudio Monteverdis „Missa
in illo tempore“. Was diese Aufnahme, die bei der deutschen harmonia mundi erschienen ist,
besonders spannend macht, ist die Tatsache, dass die Musiker dieser Messe weltliche
Madrigale von Vorgängern Monteverdis gegenüberstellen, in denen sich bereits das
abzeichnet, was sich musikalisch in den kommenden Jahren bei Monteverdi
weiterentwickeln wird, also gleichsam ein musikalischer Spiegel, der sowohl in die
Vergangenheit als auch in die Zukunft blicken lässt. Neben Madrigalen von Nicola Vicentino,
Giaches de Wert und Luca Marenzio ist auch ein Stück von Cesare Tudino dabei: „Amor i’ho
molti e molt’anni pianto“ – „Amor, viele Jahre habe ich dir mit Tränen mein Leid geklagt“.
Cesare Tudino: „Amor i’ho molti e molt’anni pianto“
4:50
„Amor i’ho molti e molt’anni pianto“, ein Madrigal von Cesare Tudino, das Paul van Nevel
und sein Huelgas Ensemble auf ihrer neuen Aufnahme der „Missa in illo tempore“ von
Claudio Monteverdi gegenüberstellen. Und hier kann man ganz deutlich erkennen, dass sich
später bei Monteverdi die Kontrapunktik, das Gewebe der unterschiedlichen Stimmen
verdichtet und erweitert hat. In dieser Messe wollte er in einem in mehrfacher Hinsicht
großen Kraftakt seine Meisterschaft in der Anwendung polyphoner Imitationstechniken der
vorigen Komponisten beweisen. Alle Motive aus der Motetten-Vorlage von Gombert werden
immer wieder in neue Imitationsformen gegossen und dicht aneinander gewebt, ein
kompakter Kontrapunkt, der so viel weiter geht als die frühere Renaissance-Polyphonie. Wie
das Huelgas Ensemble mit dieser Herausforderung umgeht, begeistert mich! Hier noch ein
weiterer Ausschnitt aus Monteverdis „Missa in illo tempore“: das Sanctus.
Claudio Monteverdi: „Missa in illo tempore“, Sanctus
4:20
Das Huelgas Ensemble unter der Leitung von Paul van Nevel mit dem Sanctus aus Claudio
Monteverdis „Missa in illo tempore“. Unter dem Titel „The mirror of Claudio Monteverdi“ ist
diese Produktion bei der deutschen harmonia mundi erschienen. Für mich bereits jetzt eine
der schönsten Einspielungen im Monteverdi-Jahr 2017, Musik, die fasziniert und berauscht.
Der Name Monteverdi sagt sicherlich den meisten Liebhabern der Alten Musik etwas, aber
wie steht es mit Ferdinand Fischer? Nein, ich meine nicht den Rastatter Hofkapellmeister,
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sondern einen Benediktinerpater, der in der Abtei Kremsmünster in Oberösterreich lebte.
Seine Werke für Laute sind nun zum ersten Mal zu hören. Aufgenommen hat sie Hubert
Hoffmann, der Fischers Werke auch entdeckt hat – er schreibt:
„Als ich vor einigen Jahren das Benediktinerstift Kremsmünster in Oberösterreich besuchte,
um die dort verwahrten Lauten zu sehen, konnte ich noch nicht ahnen, dass dieser Besuch
mein Leben als Laute spielender Musiker von Grund auf verändern würde. Bei einer ersten
oberflächlichen Sichtung der an diesem Ort aufbewahrten, überwiegend handschriftlichen
Lautenmanuskripte fiel sofort eine ganz unerwartete Anzahl ausgedehnter, zyklisch
geformter Variationssätze in bestimmten Tabulaturbüchern ins Auge. Diese waren liebevoll
kalligrafisch in winzigen Buchstaben niedergeschrieben und setzten für ihre Realisierung
beträchtliches spieltechnisches Vermögen voraus. Später lernte ich, dass es sich beim
Schreiber dieser Tabulaturen um einen Konventualen mit Namen Pater Ferdinando Fischer
handelte, und dass die prachtvoll, vielspänige Palisanderlaute im Notenarchiv, deren
Wirbelkasten nur mehr lose durch einen dünnen Nagel mit dem Hals verbunden war,
einstmals das von ihm gespielte Instrument war. Meine Neugierde war geweckt!“
Und meine auch, als ich dies las und die CD zum ersten Mal in meinen Player legte! Hier
gleich einmal eine kleine Kostprobe: das Präludium und zwei Arien aus der Partita in d-Moll.
Ferdinand Fischer: Partita d-Moll, Präludium und zwei Arien
5:05
Präludium und zwei Arien aus der Partita d-Moll von Ferdinand Fischer, einem Pater aus
dem Benediktinerstift Kremsmünster, entdeckt und zum ersten Mal eingespielt von Hubert
Hoffmann. Er verwendet hier eine elfchörige Laute nach einem Original von Joachim Tielke
von 1696 aus der Werkstatt von Andreas von Holst, ein Instrument, das für die Interpretation
dieser Stücke geradezu prädestiniert zu sein scheint.
Hoffmann schreibt noch weiter im Booklet zu seiner CD:
„Bald stellte sich heraus, dass Vieles der von diesem Schreiber notierten Musik nirgendwo
sonst in den zahllosen, über die ganze Welt verstreuten Lautenmanuskripten aus dieser Zeit
aufzufinden war. Es handelte sich also um Unikate. Ganz außergewöhnlich waren diese
Werke zudem und von auffallender kompositorischer wie formaler Qualität: Neue
Lautenmusik in Form zyklischer Poesien eines lautenbegeisterten Paters an der Wende vom
17. zum 18. Jahrhundert.“
Hubert Hoffmanns Entdeckung ist wirklich ein Glücksfall. Insgesamt vier Tabulaturbücher
von Fischer sind erhalten, in denen sich an die 800 Stücke in Einzelsätzen, Satzfolgen und
Kopien von Drucken finden.
Fischer, der 1652 in Kuchl geboren wurde, trat 1677 in Kremsmünster ein, war Professor an
den Hochschulen des Stifts und übernahm bis 1791 das Amt des Priors. Danach lebte er bis
zu seinem Tod 1725 als Pfarrer in Buchkirchen bei Wels. Nur ein paar biografische Daten,
die wenig über den Musiker und Komponisten aussagen, der sein Können wohl weitgehend
autodidaktisch erwarb. Für ihn sprechen noch heute seine Lautenstücke, die wir dank Hubert
Hoffmann jetzt hören können.
Ferdinand Fischer: Partita c-Moll, Präludium und Allemande
5:00
Hubert Hoffmann mit Präludium und Allemande aus der Partita c-Moll des Benediktinerpater
Ferdinand Fischer. Zum ersten Mal liegen nun einige seiner wiederentdeckten Stücke als
Einspielung bei CHALLENGE CLASSICS vor. Hubert Hoffman erweist sich hier als virtuoser
und einfühlsamer Interpret dieser intimen Musik, die bislang in den Archiven des
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Benediktinerstifts Kremsmünster in Oberösterreich schlummerte. Musik für stille Stunden, die
sich sicherlich über Ihre Aufmerksamkeit freuen würde!
„SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“, am Mikrophon: Bettina Winkler.
Und nun möchte ich Ihnen gerne Musik von Salomone Rossi vorstellen. Dieser Komponist,
der aus einer alten jüdisch-italienischen Familie stammt, war zunächst Geiger und später
Kapellmeister am Hof der Gonzagas in Mantua. Salomone Rossi war mit Leone da Modena
befreundet, der mit dafür verantwortlich war, dass im Jahre 1605 durch einen rabbinischen
Erlass mehrstimmige Chormusik in der Synagoge möglich wurde. 1623 erschienen Rossis
„Lieder Salomos“ in acht Stimmbüchern beim venezianischen Verlag Pietro und Lorenzo
Bragadini – 33 Stücke für verschiedene Vokalensembles von drei bis acht Stimmen, in
denen die chorale Psalmodie mit der Mehrchörigkeit im Stil der Gabrielis kombiniert wird.
Gedacht waren diese Kompositionen zur Feier besonderer Sabbat- und Festtage in der
Synagoge.
Das Ensemble Profeti della Quinta hat dieses frühbarocke Repertoire bereits 2009 beim
Label PAN CLASSICS herausgebracht und es mit Instrumentalmusik von Salomone Rossi
kombiniert, jetzt ist endlich wieder eine Neuauflage dieser Produktion verfügbar.
Salomone Rossi: „Herr, unser Herrscher“, Psalm 8
5:15
Eine Vertonung des 8. Psalms „Herr, unser Herrscher“ und die Sonata settima von
Salomone Rossi mit den Profeti della Quinta unter der Leitung von Elam Rotem.
Obwohl Rossis Instrumentalmusik bisweilen ein wahrhaftes „Feuerwerk“ entzünden kann,
klingen seine „Lieder Salomos“ dagegen eher konservativ. Grund dafür mag die Tatsache
sein, dass in Sachen Kunstmusik im jüdischen Gottesdienst zu jener Zeit eine kontroverse
Diskussion im Gange war. Das orthodoxe Lager wollte mehrstimmige Musik in der Synagoge
gänzlich verbieten, die liberaler Eingestellten wollten Musik nach dem Vorbild des Ersten
Tempels unter König Salomo zum Lobe Gottes im Gottesdienst erlauben. Seit 1612 gab es
in Mantua ein jüdisches Ghetto, was den Komponisten in seiner eigenen Identität bestätigt
haben mag. In den Titeln seiner Publikationen hatte er schon vorher seinen Namen
selbstbewusst mit dem Zusatz „Ebreo“ versehen. Mantua hatte damals rund 50.000
Einwohner, etwa 2.230 waren Juden. Dieses friedliche Miteinander fand 1630 in jähes Ende,
alle Juden wurden aus der Stadt vertrieben, eine Folge der österreichischen Invasion
während des Mantuanischen Erbfolgekrieges.
Hier noch eine weitere Kostprobe von der Wiederauflage der Lieder Salomos von Salomone
Rosse mit den Profeti della Quinta: ein Gebet „Lobet den Herrn, den Hochgelobten!“.
Salomone Rossi: „Barchú“, Gebet
1:25
Ein Gebet aus den Liedern Salomos von Salomone Rossi, vorgestellt von Profeti della
Quinta unter der Leitung von Elam Rota, der das Ensemble in Galiläa gegründet hat. Heute
ist es in der Schweiz ansässig, wo alle seine Mitglieder weiterführende Studien an der
Schola Cantorum Basiliensis absolvieren. Da Hebräisch die Muttersprache der Sänger ist,
und sie sich zudem auf die italienische Musik des Frühbarock spezialisiert haben, bilden sie
das ideale Ensemble für die hebräische Musik von Salomone Rossi. Erschienen ist diese
Produktion, die ich Ihnen gerne ans Herz legen würde, beim Label PAN CLASSICS, eine
Wiederauflage aus dem Jahr 2009.
Jetzt möchte ich Ihnen französische Kammermusik für Blockflöten aus dem 18. Jahrhundert
vorstellen. Aufnahmen mit Werken von Michel Blavet, Jacques-Martin Hotteterre, François
Couperin oder Marin Marais – alles Hofmusiker mit dem Titel „Ordinaire de la Musique de la
Chambre du Roi“ – gibt es mittlerweile viele, aber trotzdem hat mich folgende Einspielung,
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die beim Label Cornetto erschienen ist, aufhören lassen. Dort spielen Eva Legêne und Astrid
Andersson die Blockflöten, dazu kommen Anne Legêne, Viola da Gamba, Ricarda Hornych,
Theorbe, und Corey Jamason, Cembalo. Nein, das sind nicht die bekannten Stars der AlteMusik-Szene, aber die unprätentiöse Art und Weise, wie sie diese Musik interpretieren, lädt
auf gefällige Art zu einer musikalischen Zeitreise an den Hof von Versailles ein – wie etwa
mit den folgenden beiden Stücke aus Michel Blavets „1er Receuil de Pieces avec des
doubles et variations“ von 1744: ein zartes Präludium und die ergreifend schöne Pastorale
„Pourquoi Doux Rossignols“.
Michel Blavet: „1er Receuil de Pieces avec des doubles et variations“,
Präludium und Pastorale „Pourquoi Doux Rossignols“
5:45
Ein echter Hinhörer: Eva Legêne und Astrid Andersson, Flöten und Ricarda Hornych,
Theorbe, mit einem Präludium und einer Pastorale von Michel Blavet.
Neben den bereits genannten Komponisten gibt es noch einen weiteren auf dieser
Produktion, den ich bisher nicht kannte, und über den man auch nur wenig weiß: ClairNicolas Roget. Mitte des 18. Jahrhunderts lebte er in Paris und veröffentlichte zwei
verschiedene Musiksammlungen: sechs Sonaten für zwei Flöten 1739 und sechs Sonaten
für Flöte und Continuo 1739. Sein Stil ist hörbar von der italienischen Musik beeinflusst.
Clair-Nicolas Roget: Sechs Sonaten für zwei Flöten, Gratioso und Allegro
5:10
Gratioso und Allegro aus den Sechs Sonaten für zwei Flöten von Clair-Nicolas Roget, leicht
und duftig gespielt von Eva Legêne und Astrid Andersson. Ihre CD „Receuil de Pieces pour
les Autres Instrumens“ mit weiteren Werken von Michel Blavet, Jacques-Martin Hotteterre,
François Couperin und Marin Marais ist beim Stuttgarter Label Cornetto erschienen – eine
kleine Preziose abseits des Mainstreams, die Ihre Beachtung verdient hat.
Sie hören „SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“, am Mikrofon ist Bettina Winkler.
Alcina, die Zauberin aus Ariosts Dichtung „Orlando furioso“, bekam nicht nur durch Händel
und Vivaldi eine Stimme, auch Francesca Caccini hat sich dieses Stoffes angenommen. Die
Tochter von Giulio Caccini und Zeitgenossin Monteverdis war von 1607 bis 1641
freischaffende Musikerin. Als ausgezeichnete Sängerin begleitete sie sich selbst auf dem
Cembalo, der Laute oder der Gitarre und war neben Jacopo Peri die wichtigste und
bestbezahlte Musiker-Persönlichkeit am Hof der Medici in Florenz. Zu dieser Zeit herrschte
auch Christina von Lothringen als Großherzogin in der Toscana, die durch ein
umfangreiches Netz von Beziehungen Frauen am Hof unterstützte und förderte.
Francesca Caccinis Ballettoper „La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina“ – „Die
Befreiung Ruggieros von der Insel Alcinas“, die erste Oper einer Komponistin, ist alles
andere als eine einfache Gelegenheitskomposition, hier handelt es sich um ein
musikalisches Meisterwerk, das für den Karneval im Jahr 1625 von der Großherzogin Maria
Magdalena von Österreich, einer der beiden Herrscherinnen in Florenz, in Auftrag gegeben
wurde. Damit sollte die Verlobung von Maria Magdalenas Lieblingstochter Margherita mit
Ladislav Sigismund von Polen gefeiert werden.
Nun können Sie diese Oper auch hören – meines Wissens die einzige Einspielung, die es im
Moment gibt! Erschienen ist sie beim Label GLOSSA, die Rolle der Alcina übernimmt Elena
Biscuola, den Ruggiero singt Mauro Borgioni, Gabriella Martellacci tritt als Melissa auf, dazu
kommen noch weitere Solisten und die Ensembles Allabastrina und La Pifarescha unter der
Leitung von Elena Sartori.
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Hier ein kurzer Dialog, in dem Alcina den verzauberten Ruggiero bittet, auf ihrer Insel zu
bleiben, während sie ihr Königreich inspizieren will. Unterstützt wird sie dabei von drei
Jungfrauen, die Ruggieros Anwesenheit preisen. Anschließend stimmt Ruggiero einen
Lobpreis auf die Liebe an.
Francesca Caccini: La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina,
1. Szene (Ausschnitt)
4:50
Ein Ausschnitt aus der ersten Szene von Francesca Caccinis Opernballett „La liberazione di
Ruggiero dall’isola d’Alcina“ mit Elena Biscuola als Alcina, Mauro Borgioni als Ruggiero,
Emanuela Galli, Francesca Lombardi Mazzulli und Gabriella Martellacci als Trio di Damigelle
und den Ensembles Allabastrina und La Pifarescha unter der Leitung von Elena Sartori.
Kurz noch einmal zu Erinnerung der Inhalt dieser Alcina-Oper: Der junge Ritter Ruggiero
wird von der Zauberin Melissa gerettet, die von seiner Verlobten Bradamante gesandt wurde,
um ihn vom Liebeszauber der Magierin Alcina zu erlösen. Ruggiero ist hier auf zweifache
Weise ein Verräter: Er hat die Treue zu seiner zukünftigen Frau verraten, und er hat Alcina
ewige Liebe geschworen, kurz bevor er auch ihr den Rücken zukehrt und sie, überzeugt von
Melissas Worten, augenblicklich vergisst. Beide Frauen, Alcina und Melissa, kümmern sich
dann aber weniger um den Verräter, sondern versuchen, sich gegenseitig voll Wut mit allen
Mitteln zu vernichten. Das Ergebnis ist die Verwandlung des Verräters in einen Gott:
gedankenlos, verwirrt und unbeständig, aber geschützt vor allen Konflikten.
Bei Francesca Caccini endet die Oper mit einer großen Erlösungsszene, in der Melissa allen
zunächst das wahre Antlitz von Alcinas Zauberinsel zeigt: eine kahle, felsige Wüste. Doch
dann tanzen die befreiten Damen der Insel und fordern alle zum Mittanzen auf. Melissa
kommt mit einer von Zentauren gezogenen Kutsche auf die Bühne und preist mit allen
zusammen in einem Schlussmadrigal die Schönheit der toskanischen Frauen und den Wert
der Tugendhaftigkeit. Gabriella Martellacci ist die Melissa, Emanuela Galli eine der ehemals
verzauberten Damen, dazu kommen wieder die Ensembles Allabastrina und La Pifarescha
unter der Leitung von Elena Sartori.
Francesca Caccini: La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina
4. Szene (Ausschnitt)
6:25
Der Schluss von Francesca Caccinis Ballettoper „La liberazione di Ruggiero dall’isola
d’Alcina“ in einer aktuellen Einspielung, die beim Label GLOSSA erschienen ist. Die Leitung
des ausgezeichneten Solisten- und der beiden Instrumentalensembles Allabastrina und La
Pifarescha übernahm Elena Sartori. Mit dieser Aufnahme schließt sich wieder eine Lücke im
musikalischen Renaissance-Repertoire, zudem handelt es sich hier um die erste Oper einer
Komponistin, die auch als gefeierte Sängerin am Hof der Medici in Florenz lebte. Mein Tipp:
Begeben Sie sich einmal in aller Ruhe auf die Spuren dieser beeindruckenden Musikerin,
von der es noch viel zu entdecken gibt.
Eine Entdeckung ist auch die letzte CD, die ich Ihnen für heute vorstellen möchte:
Cellokonzerte von Josef Guretzky, die die Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen
beim Label CHANDOS veröffentlicht hat. BBC Radio 3 beschreibt dieses Ensemble als
„Lieferant von berauschender und erhebender Musik“ – wenn das keine Vorschusslorbeeren
sind. Dieses Ensemble kitzelt nicht nur die Saiten seiner Instrumente, es sprüht vielmehr vor
Musikalität und Spiellust. Den Solo-Part bei diesen Konzerten übernimmt die ungarische
Cellistin Kinga Gáborjáni, die auch zum Ensemble gehört und die Herren-Truppe kräftig
aufmischt.
Josef Antonin Guretzky stammt aus der Nähe des mährischen Olmütz, das bekannt ist für
seine unvergleichlichen Sammlungen mit mitteleuropäischer Musik aus der zweiten Hälfte
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des 17. Jahrhunderts. Geboren wurde er 1709, vielleicht hat er bei Antonio Caldara in Wien
studiert, er scheint auf jeden Fall am Hof des Grafen Wenzel von Morzin in Prag angestellt
gewesen zu sein. 1735 kam Guretzky zu Rudolf Franz Erwein Graf von Schönborn in
Wiesentheid im heutigen Bayern. Und der wiederum war ganz wild auf Musik für Solo-Cello,
er war selbst ein ausgezeichneter Cellist und komponierte auch. In seiner
Musikaliensammlung finden sich mehr als 100 Cello-Konzerte, darunter Werke von Andrea
Zani und Antonio Caldara, die ihm gewidmet sind. Und so schrieb auch Josef Guretzky
Konzerte für seinen Brötchengeber, insgesamt neun an der Zahl. Und die verlangen dem
Solisten einiges an Virtuosität ab!
Das ist genau das richtige Repertoire für uns, sagte sich die Harmonious Society of TickleFiddle Gentlemen und nahm vier dieser Cello-Konzerte von Guretzky auf – alles
Ersteinspielungen. Ich wünsche Ihnen nun viel Freude mit dem Konzert in D-Dur, die Solistin
ist, wie schon gesagt, Kinga Gáborjáni.
Josef Guretzky: Cello Concerto D-WD 575 D-Dur (1735)
11:45
The Harmonious Society of Tickle-Fiddle Gentlemen mit ihrer Solistin Kinga Gáborjáni spielte
das Cello-Konzert in D-Dur von Josef Guretzky, der mit dieser Komposition seinem
Arbeitgeber, dem cellobegeisterten Rudolf Franz Erwein Graf von Schönborn in Wiesentheid,
sicherlich viel Freude bereitet hat. Heute können wir an diesem Ohrenschmaus teilnehmen
und die Musik des mährischen Komponisten dank dieser Aufnahme genießen. Seine
faszinierende und häufig unorthodoxe Musik ist nur eine von vielen Facetten, die die Vielfalt
und den Reichtum des musikalischen Austausches zwischen den tschechischen Landen und
Bayern im 18. Jahrhundert aufzeigen. Erschienen sind diese vier Cello-Konzerte und ein
Violinkonzert beim englischen Label CHANDOS – hörenswert nicht nur für Cellobegeisterte.
Und das war meine letzte Empfehlung in „SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“ für heute.
Die komplette Sendung können Sie eine Woche lang nachhören, die CD-Liste steht im
Internet. Dazu finden sie die einzelnen CD-Besprechungen auch noch separat in unserer
Rubrik CD-Tipps. Ich hoffe, ich konnte Sie für die eine oder andere Neuerscheinung
begeistern! Fürs Zuhören bedankt sich Bettina Winkler.