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DAS KATHOLISCHE PORTAL FÜR DEN DEUTSCHEN SPRACHRAUM
GESELLSCHAFT
Wer liest sich schon mehr als 140 Zeichen durch? - 19.01.2017
Jaja, meine lieben Leut; ich buckel mich hier ab, um auf
meine 300 Wörter zu
kommen, dabei langen doch längst schon 140 Zeichen,
um Aktienkurse zum Fallen zu bringen, diplomatische
Krisen auszulösen und
die ganze internationale Gemeinschaft in Hysterie zu
versetzen.
An diesem Freitag, den 20.Januar, kommt Twitter ins Weiße
Haus!
Regieren mit 140 Zeichen, das kann nur Donald.
Andere Politiker reden sich den Mund fusselig und am Ende
weiß man nicht
mehr was sie gesagt haben,
Fot: explizit.net
der Donald der ist fortschrittlich, modern und zugänglich,
bei ihm bekommt man das Entscheidende in 140 Zeichen direkt auf das
Smartphone geliefert, da reicht der Weg zum Kühlschrank aus,
um sich die Politik von Morgen erklären zu lassen.
Das nenne ich mal jugend-freundliche Politik!
Da kann man sich die zähen, langen Reden zur Nation sparen,
bei denen man zwischendurch immer wegnickt.
Auch an die lieben Redaktionen, überdenkt mal, ob sich das noch lohnt, diese ganzen, ausführlichen Artikel zu schreiben,
diese Ansammlung von seriös
recherchierten Informationen,
wenn der Leser von heute schon nach 140 Zeichen aufhört zu lesen.
Für zahlreiche basierte Fakten ist heutzutage keine Zeit mehr,
wer hat schon Zeit sich noch mit kritischen Inhalten auseinanderzusetzen.
Bei Twitter-Trump, da hat man was in der Hand, da gibt’s prägnante 140
Zeichen, die man sich merken kann,
da wissen die Regierenden dieser Welt woran sie sind.
Außerdem ist das vom Kosten-Nutzen-Verhältnis auch berauschend,
da musst du dir als Präsident der Vereinigten Staaten keine großen Reden
schreiben lassen oder in einer lästigen Pressekonferenz zu diesen sich ständig
wiederholenden und bohrenden Fragen Stellung beziehen.
Mit Twitter regiert man leichter und bewegt mehr.
Was bin ich schon wieder lang am sabbeln und Zweidrittel der Leser haben
bestimmt schon wieder die Hälfte von meinem Geschwafel vergessen.
Hätte ich mich mal nur kürzer gefasst, 140 Zeichen hätte man sich merken
können, denn wer liest sich noch mehr als 140 Zeichen durch?
von Jonas Diebold
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© Aschendorff Verlag, Münster