Deutsches Ärzteblatt 1977: A-2904

Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Nuklearmedizinische Tumorfahndung
tersuchungen können daher bei entsprechender Indikation jederzeit
wiederholt werden, was besonders
für die nuklearmedizinische Verlaufskontrolle behandelter Tumorpatienten wichtig ist.
Mit Nachdruck muß darauf hingewiesen werden, daß die nuklearmedizinische Tumordiagnostik in der
Regel ein unspezifisches Untersuchungsverfahren ist, dessen Wertigkeit nur im Kontext mit anderen Untersuchungsverfahren (Klinische
und Laborbefunde, Röntgendiagnostik, Tomographie, Ultraschalldiagnostik usw.) beurteilt werden kann.
Screening bei Tumorverdacht und
Verlaufskontrolle bösartiger Erkrankungen sind daher die Domäne der
nuklearmedizinischen Onkologie.
Die zur nuklearmedizinischen Diagnostik von Organtumoren verwendeten Radiopharmazeutika sind aus
den oben genannten Gründen
durchweg mit y-Strahlen emittierenden Radionukliden etikettiert (markiert). Ausnahmen hiervon sind körperoberflächennahe Tumoren wie
Haut- und Augentumoren, insbesondere Melanome. Hierzu verwendet
man (harte) (3-Strahlen emittierende
Radiopharmaka, die vor allem mit
Phosphor-32 markiert sind. Derartige Untersuchungen setzen entsprechende Spezialmethoden voraus.
Beispiele positiver Tumorszintigraphie ergeben sich bei differenzierten
Schilddrüsenkarzinomen (und gegebenenfalls deren Metastasen)
durch Jod-131 markiertes Jodid, bei
Knochenmetastasen durch markiertes Poly- oder Diphosphat und bei
Hirntumoren durch 99mTc markiertes
Pertechnetat.
Demgegenüber findet man Tumorbedingte Speicherdefekte (im Sinne
der negativen Tumorszintigraphie)
in Szintigrammen der Schilddrüse
([entdifferenzierte] kalte [Karzinom]
Knoten) mittels 131 J-Jodid oder
99 mTc-Pertechnetat, der Leber mittels 99mTc-Schwefelkolloid, der Nieren mittels 99mTc-DTPA des Pankreas mittels 75Se-Methionin, um die
wichtigsten Beispiele zu nennen.
einen Tumor und seine Metastasen
möglichst frühzeitig und spezifisch
zu diagnostizieren ist bisher mit Erfolg nur beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom und bis zu einem
gewissen Grad bei Knochenmetastasen von Tumoren unterschiedlicher Provenienz erreicht worden.
Nur die differenzierten epithelialen
Tumoren wie metastasierendes
Schilddrüsenkarzinom (hämatogene
Aussaat), papillär wachsendes Adenokarzinom (dazu gehört vor allem
die wachsende Struma Langhans)
speichern Radiojod und sind somit
szintigraphisch darstellbar. Metastasen dieser Tumoren sind ebenfalls
szintigraphisch nachweisbar, soweit
sie keine entdifferenzierte Metamorphose durchgemacht und noch
morphologisch-biochemisch den
Primärtumor imitieren.
Selbst bei nicht-speichernden Metastasen eines Schilddrüsenkarzinoms kann durch entsprechende
Maßnahme wie totale Resektion
(Ausschaltung des Primärtumors)
und TSH-Stimulierung manchmal
erreicht werden, daß diese wieder
Jodid-speicherfähig und damit
nachweisbar werden. Die so induzierte „biochemische Umwandlung"
der Metastasen im Sinne des (speichernden) Primärtumors hat nicht
nur diagnostische Bedeutung durch
den damit verbundenen positiven
szintigraphischen Nachweis, sondern ist dann zugleich auch Ansatzpunkt für die Radiojodtherapie im
Sinne einer nuklearmedizinischen
„Therapie magna sterilisans", da
das (dann hochdosierte) intravenösapplizierte Radiojod sich nicht nur
die Metastasen „sucht", sondern
sich in entsprechender (via (3-Strahlung des 131 J) therapeutisch wirksamer Dosis dort anreichert. Radiojod
ist in diesem Fall Diagnostikum (via
y-Strahlung) und Therapeutikum
(via Tumor-begrenzter (3-Strahlung)
zugleich.
Das Traumziel onkologischer nuklearmedizinischer Diagnostik, nämlich
Das schon frühzeitig in der nuklearmedizinischen Ära erkannte diagnostisch-therapeutische Prinzip ist
nach wie vor das Ziel der nuklearmedizinischen Onkologie. In praxi sind
wir von der Generalisierung dieses
Wirkprinzips (hohe spezifische
2904 Heft 49 vom 8. Dezember 1977
DEUTSCHES ÄRZTEBL ATT
Tumoranreicherung) leider jedoch
noch weit entfernt. Zur Vervollständigung sei erwähnt, daß zwar dieses
Idealprinzip nuklearmedizinischer
Therapie bei anderen Tumoren bisher nicht angewendet werden konnte, jedoch im Sinne der „inneren"
Strahlentherapie durch „offene" Radionuklide einige Erfolge erzielt
werden konnten (endolymphatische,
interstitielle, intrakavitäre und hämatologische [Polyzythämie] Isotopentherapie).
Auch hier gilt das Grundprinzip der
Strahlentherapie, hohe (Radionuklid-) Dosen an den Tumor heranzubringen bei möglichst weitgehender
Schonung des gesunden Gewebes.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.
Emil Heinz Graul
Direktor der Klinik und Poliklinik
für Nuklearmedizin
Lahnstraße 4a
3550 Marburg/Lahn
—
ECHO
Zu: „Eingeschränkte Anwendung
von Amidonal" von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in Heft 35/1977, Seite
2118
Ärzte sollen Amidonal
eingeschränkt anwenden
„Das Medikament Amidonal,
das bei Herzrhythmusstörungen verschrieben wird, sollte
nach Ansicht der Arzneimittelkommision der deutschen
Ärzteschaft nur eingeschränkt
angewendet werden. Die
Kommission begründete diese
Empfehlung in der am Mittwoch in Köln erschienenen
jüngsten Ausgabe des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES damit, daß längere Einnahme
des Präparates zu starker Verminderung der weißen Blutkörperchen führen könne."
(dpa in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung)