Prof. Dr. Bernd Ahrbeck Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Rehabilitationswissenschaften 1. Einleitung „Unter dem Begriff der Inklusion versammeln sich gegenwärtig „die größten moralisch-politischen Ansprüche und die höchsten pädagogischen Versprechen.“ (Heinz-Elmar Tenorth 2011, 1) 1. Einleitung „Die BRK muss als ein Meilenstein erkannt werden, der zugleich Grenzstein ist zum Übergang in eine neue Welt, die gänzlich verschieden ist von dem, was aus der Vergangenheit kommt, das heißt, der Geist der BRK weht nicht in eine Richtung, die höchstens einen Weg des ‚Mehr vom Gleichen‘ markieren möchte.“ Dreher (2012, 30) 1. Einleitung Grundlegend stehen sich zwei unterschiedliche Arten des Inklusionsverständnisses gegenüber: Einerseits ein „totales“ und „holistisches“, wie Mathias Brodkorb (2013) es nennt, sowie ein „gemäßigtes“ und „approximatives“ auf der anderen Seite. 1. Einleitung Sie unterscheiden sich − im angestrebten Reformtempo und – was noch wichtiger ist – darin, ob eine ungetrennte Gemeinsamkeit aller Schüler das ausschließlich gültige Ziel sein kann, also in der Abschaffung aller speziellen Einrichtungen, − im Hinblick darauf, welche Rolle einer intraindividuellen und einer interindividuellen Leistungsbewertung zugemessen wird. Konkret: In der Akzeptanz oder Ablehnung von Bildungsstandards, − in ihrer Stellung zu zentralen sonderpädagogischen Kategorien, auch solchen, die das Fach konstituieren („Dekategorisierung“). 2. Inklusion - Exklusion „Anderenfalls „sind sie von diesem Teilsystem exkludiert, was für die Systemtheorie weder ein soziales noch ein moralisches Problem ist, da niemand in alle Teilsysteme gleichzeitig inkludiert sein und daher im Umkehrschluss auch keinen Schaden nehmen kann, wenn er von einigen ausgeschlossen wird.“ Dammer (2011, 9) 2. Inklusion - Exklusion „Während die Partizipation an Teilsystemen binär als entweder inkludiert oder exkludiert beschrieben wird, so gilt dies nicht für die Gesellschaft als Gesamtsystem, in welche ein Individuum stets inkludiert bleibt.“ Dammer (2011, 9) 2. Inklusion - Exklusion „Unter modernen Bedingungen ist Exklusion nur ‚zulässig‘, soweit sie in die Form einer Inklusion gebracht wird. Das ist eine Bedingung, die so verschiedenartige Denker wie Michel Foucault und Niklas Luhmann einhellig herausgearbeitet haben. Das heißt, dass für jede neuerfundene oder neuentstandene Form der Exklusion […] eine Institution der Inklusion erfunden und eingerichtet werden muss […], die die vorgängige Exklusion auffängt“ (Stichweh 2009, 37). 3. Anerkennungstheorie Wenn eine solche Integrationsleistung unterbleibt, wird ein zentraler Zweck des Inklusionsanliegens verfehlt. Es kommt dann zu einer „exkludierenden Inklusion“, die Stichweh (2013, 6) der „inkludierende[n] Exklusion der Sonderschulen“ gegenüber stellt. 3. Anerkennungstheorie Spezielle Einrichtungen und pädagogische Settings: Ihre „inklusive“ Wirkung ist dann beträchtlich, wenn es gelingt, einen wesentlichen Beitrag zur langfristigen Einbindung in Schule und Gesellschaft zu leisten. 4. Prävention und Inklusion „All das steht im krassen Widerspruch zu Inklusiver Pädagogik.“ Hinz (2013, 9) 4. Prävention und Inklusion „Der deutlichste Widerspruch zu inklusiven Vorstellungen dürfte darin bestehen, dass bei Prävention der Anschluss an die allgemeine Entwicklung angestrebt wird und Inklusion genau die Freiheit für das Gegenteil postuliert, nämlich die Legitimität individueller Lernwege und Entwicklungen“ (Hinz 2013, 8). Und kurz darauf: „hier wird versucht, die Kinder zu üblichen und offenbar selbstverständlich vorausgesetzten Entwicklungswegen ‚hinzufördern‘, sie sind und haben ‚das Problem‘ […] Hier ist massiv und aggressiv fördernde und fordernde Sonderpädagogik am Werk, das hat nichts mit Inklusion zu tun“ (Hinz 2013, 9). 5. Dekategorisierung 5. Dekategorisierung 5. Dekategorisierung 5. Dekategorisierung 6. Schlussüberlegungen − Wenn „die Einschränkung der sozialen Teilhabe den Kern von Behinderung“ ausmachen soll (Katzenbach), − wenn der Präventionsgedanke unter den Verdacht illegitimer Wertvorstellungen gestellt wird, die mit dem Inklusionsgedanken unvereinbar sind, − wenn Kuhlmanns Überlegung zutreffend ist, dass Normalisierungsbegehren, die „gezielte Förderung von Personen […] zur relativen Bedeutungslosigkeit herabgestuft hat“, 6. Schlussüberlegungen − wenn die Dekategorisierung als ein zentrales Anliegen des Inklusionsanliegens gilt, also zentrale sonderpädagogische Kategorien aufgehoben werden sollen, die die jeweiligen Fächer konstituieren, − wenn der Besuch spezieller Schulen als Ausschluss aus der Gesellschaft angesehen wird, als eine Verletzung der kindlichen Würde oder gar als Menschenrechtsverletzung, und ihre Förderresultate dadurch bedeutungslos werden, dann ist es in der Tat berechtigt, darüber nachzudenken, ob die Inklusion ein gewagtes Unternehmen sein kann. 6. Schlussüberlegungen „Wie soll ein für den Schüler sinnvolles, bedeutungsvolles, förderbezogenes und bildendes Lernen möglich werden, wenn der/die Pädagoge/in diesen nicht mehr als eine syndromspezifische Besonderheit anerkennt? Ein Nicht-Sehen dieses Zusammenhangs, ein Verschweigen, könnte man auch lesen als Verdrängung, ein Abwehrmechanismus, bei dem bedrohliche und tabuierte Inhalte und Vorstellungen von der bewussten Wahrnehmung ausgeschlossen werden: Ist es ein Tabu einzugestehen, dass Behinderung ihren ‚behindernden Charakter‘ für die einzelne Person behalten könnte, unabhängig davon, in welche Organisationsformen wir schulisches Lernen bringen?“ (Stinkes 2013a, 88).
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