A M WO C H E N E N D E WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HF1 MÜNCHEN, SAMSTAG/SONNTAG, 7./8. JANUAR 2017 73. JAHRGANG/ 1. WOCHE / NR. 5 / 3,40 EURO ALS DER MENSCH DAS WISCHEN LERNTE So schön, so rätselhaft Das Smartphone wird zehn Jahre alt: Wie ein Gerät das Leben verändert hat Wirtschaft, Seite 25 Vor 100 Jahren wurde Mata Hari in Paris verhaftet und als angebliche Doppelagentin hingerichtet. Wer war die Frau, nach der so viele Männer verrückt waren? Auch der süßeste Igel bleibt ein Wildtier. Nur Profis können ihm wirklich helfen Gesellschaft , Seite 48 WENN DER WINTER ERNST MACHT Historie, Seite 53 FOTOS: GETTY IMAGES, SZ GRAFIK, IMAGO (2) Hier Schnee, dort Sturm und vielerorts eisige Kälte: Eine verloren geglaubte Jahreszeit bringt sich in Erinnerung Panorama, Seite 10 (SZ) Der Mantel der Geschichte hat gnädige Dunkelheit über manche Phänomene gebreitet, die uns einst peinigten, zum Beispiel „Schobert & Black“. Den Zenit seiner Karriere erreichte das gefürchtete Duo 1973 mit dem Song „Dummes Huhn, was nun?“, in dem es heißt: „Ruckedigu, und jetzt du / Du dummes Huhn / Was sagst du nun?“ Sodann Chorus: „Ab in die Suppe!“ Ein Gentleman weiß eigentlich von selber, dass man zu einer Dame oder über sie nicht „dummes Huhn“ sagt; unabhängig davon, ob diese Aussage zutrifft oder nicht. Dennoch neigen Männer in der Hitze des Gendergefechts dazu, Frauen bevorzugt mit Begriffen aus der gackernden Welt der Ornithologie zu schmähen, eben als „dummes (auch: aufgeregtes, kopfloses, blindes) Huhn“ oder „dumme Gans“, als „hysterische Pute“ oder, etwas einfallsreicher, „du behämmerte Eule“. Manchmal gibt es Grenzfälle. Die Etikette erlaubt zumindest die Frage, ob zum Beispiel die Frau von Storch nicht ein etwas seltsamer Vogel sei. Bemerkenswerterweise nutzen Frauen, die einen Mann beleidigen, Synonyme aus dem Tierreich oft kreativer und kraftvoller: „der dämliche Esel“, „der blöde Ochse“ oder der in der freien Wildbahn nicht selten vorhandene „geile alte Bock“, ein artenübergreifender Verwandter des Lustmolchs übrigens. Auch „du hirnamputierter Hammel“ wurde schon verzeichnet. Als fast ausgestorben gelten der einst die Ebenen germanischer Reiche durchstreifende innere Schweinehund und sein Gefährte, der Hundesohn. Beide sind nach Paragraf 185 StGB strafrechtlich relevant. Es kann auch nicht ganz billig werden, eine Polizeibeamtin als durchgedrehtes Huhn zu bezeichnen. Neu aber ist die Erkenntnis, dass derlei Bezeichnungen nicht nur für die Frau eine Beleidigung darstellen, sondern auch für das Huhn. Die Tiere besitzen persönliche Eigenheiten und vermögen einander auszutricksen, berichtet das Fachjournal Animal Cognition, und sie verfügen über eine komplexe Hackordnung. Nun gut, dasselbe ließe sich auch von der sportlichen Leitung des Hamburger SV sagen. Aber Hühner können noch mehr. Die Verhaltensforscher haben festgestellt, dass die Vögel in der Lage sind, logische Schlussfolgerungen zu ziehen und sich sogar „bis zu drei Minuten lang die Flugbahn eines Balls zu merken“. Wie dem auch sei, gewiss ist: Die Kunst kreativer Beschimpfungen ist heute doch arg verkümmert. Erich Maria Remarque beschreibt in „Drei Kameraden“, wie in den Zwanzigerjahren ein dünner Mann versehentlich einen dicken anrempelt und ein hochklassiges Wortgefecht entbrennt: „träumerisches Känguru“, „du Bierfass, das spazieren geht“, „Kakadu in der Mauser“, „du runzeliger Hundsaffe“. Beide erkennen sich schließlich als gleichwertige Gegner: „Er lüftete den Hut, und wir trennten uns voll Achtung voreinander.“ Medien, TV-/Radioprogramm Forum & Leserbriefe München · Bayern Rätsel & Schach Traueranzeigen 42-44 14 41 59 27-29 61001 4 190655 803401 BITTE NICHT KUSCHELN! Russland beginnt Abzug aus Syrien Alle gegen eine Moskau beordert Flugzeugträger zurück Merkel oder nicht mehr Merkel? Das ist die Frage im Wahljahr 2017. Die Konstellation ist ungewöhnlich: Es tritt keine Koalition an, selbst die CSU ist unentschieden. Das kann der Kandidatin auch nützen von nico fried So viel Einsamkeit war selten: Angela Merkel will 2017 noch einmal für vier Jahre Bundeskanzlerin werden. Sagt sie zumindest. Und wer will das sonst noch? Selbst in ihrer CDU haben sich viele nur in einer Mischung aus brüchiger Geschlossenheit und unterdrückter Verdrossenheit hinter Merkel gestellt. Das war’s dann aber auch. Schon die nächsten Verwandten aus der CSU haben sich bisher nicht überwinden können, die Kanzlerin auch als ihre Kandidatin zu küren. Wenn es Horst Seehofer am Ende doch noch machen sollte, wird er viel zu erklären haben – vor allem, warum er den Deutschen für weitere vier Jahre eine Frau zumuten will, die nach Auffassung der CSU mit ihrer Flüchtlingspolitik die Kontrolle verloren, das Recht gebrochen und Europa gespalten hat. Das Wahljahr 2017 beginnt somit in einer ungewöhnlichen Konstellation. Die Hauptfrage lautet: Merkel oder nicht mehr Merkel? Natürlich ging es auch in den vergangenen Bundestagswahlen immer um den Regierungschef, respektive die Chefin. Doch entweder trat mit dem Kanzler oder der Kanzlerin eine amtierende Koalition als mehr oder weniger geschlossene Einheit zur Wiederwahl an wie 1994 und 1998 Helmut Kohls Union und die FDP, 2002 Rot-Grün mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer oder auch 2013 Schwarz-Gelb. Oder die Wähler hatten zumindest eine klare Alternative wie 2005 und – im zweiten Anlauf – 2009 mit Union und FDP. Beides ist in diesem Jahr einstweilen nicht erkennbar: 2017 tritt keine Koalition dafür an, wieder gewählt zu werden. Im Gegenteil: Mindestens der sozialdemokratische Teil der Bundesregierung könnte zwar nach dem derzeitigen Stand der Um- Das Leben könnte so einfach sein. Leicht und unbeschwert. Ohne Gelenkschmerz, Infarkt, Krebs und andere Gebrechen bis ins hohe Alter. Was es dazu bräuchte? Nur ein paar Tropfen Olivenöl, Salat, Knoblauch, Gemüse, Obst – und natürlich das tägliche Glas Rotwein. Seit Jahren gilt der mediterrane Ernährungsstil als Allheilmittel aus der Küche, als pflanzlicher Jungbrunnen, der Adern elastisch hält, Synapsen schmiert und Körperzellen davor bewahrt zu entarten. Glaubt man all den Lobpreisungen, bietet die MittelmeerDiät das ultimative Anti-Aging-Rezept, das zudem genügsam wie ein kretischer Hirte und heiter wie ein apulischer Trattoria-Wirt stimmt. Wie passend, dass in der ersten Januarwoche, den Schicksalstagen aller DiätWilligen, weitere argumentative Schützenhilfe auftaucht. Im Fachmagazin Neurology beschreiben Ärzte aus Edinburgh, dass sich die mediterrane Kost sogar auf die Gehirngröße im Alter auswirkt und damit womöglich einer drohenden Demenz DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München DIZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungund undnicht-private nicht-privateNutzung Nutzungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.sz-content.de Jegliche fragen froh sein, sich erneut in eine große Koalition zu retten, kann aber niemals mit diesem Anspruch antreten. Eine eindeutige Alternative wie am Ende der ersten großen Koalition unter Merkel 2009 gibt es aber auch nicht. Damals stärkten die unzufriedenen Union-Wähler die FDP und hoben sie in die Regierung. 2017 stärken viele von ihnen möglicherweise die AfD. Und mit der will niemand regieren. So stehen die Bundestagswahlen, Stand Jahresanfang 2017, unter der Überschrift: Alle gegen eine – aber jeder für sich. Das erste ist ein Problem für Merkel, das zweite ihr größter Vorteil. Denn einerseits wissen bislang nicht einmal die Unionsparteien, ob sie noch einmal miteinander koalieren wollen. Der Streit um die Obergrenze für Flüchtlinge trennt Angela Merkel und Horst Seehofer. Zugleich ist er nur eine Chiffre für den tiefen persönlichen Vertrauensschwund zwischen Kanzlerin und CSU-Chef. Dieser Zwist zwischen den Vorsitzenden ist deutlich größer ist als der in ihrem Gefolge, wie nun das Scheitern eines Kompromisspapiers zeigte, das ein CDU- und ein CSU-Abgeordneter zum Thema Obergrenze vorgelegt hatten. Ein Versöhnungstreffen der Parteispitzen im Februar steht auf der Kippe. Andererseits führt die Union in den Umfragen mit großem und derzeit wieder wachsendem Vorsprung, eine Regierung gegen sie könnten derzeit rechnerisch selbst SPD, Grüne, Linke und FDP gemeinsam kaum bilden – zumal noch immer nicht klar ist, wer an ihrer Spitze stehen sollte. Die für spätestens Ende Januar anberaumte Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der SPD wird fast zwangsläufig zu neuen Friktionen führen. Tritt Parteichef Sigmar Gabriel an, wird er Mühe haben, auch jene hinter sich zu versammeln, die lieber Martin Schulz oder Olaf Scholz gehabt hätten. Verzichtet er, muss er auch auf den Parteivorsitz verzichten, die SPD stünde wenige Monate vor der Wahl vor einem Neuanfang. Viele Koalitionen sind denkbar, kaum eine ist aber kalkulierbar. Wer zum Bei- Wo 2017 gewählt wird Datum Turnus in Jahren 12. Februar 16. Bundesversammlung: Wahl zum Bundespräsidenten 5 26. März Landtagswahl in Saarland 5 7. Mai Landtagswahl in Schleswig-Holstein 5 14. Mai Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 5 Herbst Bundestagswahl in ganz Deutschland 4 SZ-Grafik; Quelle: Deutscher Bundestag Öl aufs Hirn Mittelmeer-Küche tut nicht nur dem Körper gut, sondern auch dem Geist – behaupten ausgerechnet die Schotten vorbeugen kann. „Wenn wir älter werden, verkleinert sich die Gehirnmasse, die Anzahl der Nervenzellen nimmt ab und das kann Gedächtnis wie Lernvermögen beeinträchtigen“, sagt Michelle Luciano, die Erstautorin der Studie. „Unsere Daten zeigen, dass die Mittelmeer-Diät günstig für die Hirngesundheit ist.“ Die Forscher haben fast 1000 Schotten im Alter von 70 Jahren untersucht und nach drei Jahren erfasst, wie sich ihr Hirnvolumen entwickelt hatte. Wer viel Früchte, Getreide, Bohnen und Gemüse zu sich nahm und wenig Fleisch und Geflügel, behielt demnach mehr Hirnsubstanz als jene Probanden, die eher der landestypisch fettreichen Ernährung zusprachen. Die Hälfte des altersbedingten Verlusts an grauen Zellen konnte mit der pflanzenlastigen Kost vermieden werden. Ähnlich positive Befunde für die mediterrane Ernährung liefert die Forschung zuhauf – mal geht es um besser durchblutete Kranzgefäße, das niedrigere Risiko für Schlaganfall, mal um eine geringere Krebsneigung. Erfreuliche Nachrichten, könnte man meinen. Doch so einfach ist es nicht. „Wahrscheinlich kann man in den Ländern, die an das Mittelmeer grenzen, ebenso ungesund essen wie im Rest spiel die Grünen wählt, kann eine schwarzgrüne, eine Ampel-Koalition oder eine rotrot-grüne Koalition bekommen, anders gesagt: Er oder sie kann Regierungen ins Amt verhelfen, in denen von Horst Seehofer über Christian Lindner bis Sahra Wagenknecht alles denkbar ist. An den politischen Rändern sind die Botschaften klar. Linke und AfD leben von der Devise: Merkel muss weg. Die AfD bezeichnete die Opfer des Terroranschlags in Berlin als Merkels Tote. LinkenSpitzenkandidatin Sahra Wagenknecht äußerte sich nun in die gleiche Richtung, wenn auch differenzierter: „Es gibt eine Mitverantwortung, aber sie ist vielschichtiger“, sagte sie dem Stern, und nannte als Ursachen die „unkontrollierte Grenzöffnung“, die „kaputtgesparte Polizei“ und die Außenpolitik. Bei der Wahl aber läge in der hochgradigen Personalisierung und der so tiefen persönlichen Abneigung ihrer Gegner auch eine Chance zur Mobilisierung für Merkel. Nicht nur die ungewisse außenpolitische Lage könnte viele Wähler bewegen, auf das Bekannte zu setzen, weil sie nur Merkel zutrauen, im Umgang mit Donald Trump oder Wladimir Putin überhaupt ernst genommen zu werden. Mehr noch als 2013 wären womöglich auch Bürgerinnen und Bürger bereit, die Kanzlerin zu wählen, die sich früher eher die Hand abgehackt hätten, als ihr Kreuz bei der Union zu machen. Ihre Flüchtlingspolitik hat Merkel bis ins linke Lager hinein Sympathien eingebracht. Ihre Popularität liegt noch immer deutlich über allen potenziellen Herausforderern. Vor allem SPD, Grüne und FDP müssen deshalb fürchten, in einer sich aufschaukelnden Auseinandersetzung zwischen Merkel-Befürwortern und Merkel-Hassern unterzugehen. der Welt – und die Vorstellung von einer einfachen, gesunden Kost ist eher Mythos als Realität“, schreibt die britische FoodBloggerin Gillian Riley. Tatsächlich kennen Ernährungswissenschaftler gesündere Nahrungsmittel als Pizza, Cevapcici, Odysseus-Platte, Wildschwein oder andere typische Spezereien der MittelmeerAnrainer. Es ist die Lust am Essen, die gut tut und der in vielen südlichen Gefilden noch gefrönt wird. Für die Gesundheit ist es wichtiger, welchen Stellenwert als welchen Nährwert das Essen hat. Die Unterschiede im Hirnvolumen der Schotten in der aktuellen Studie lassen sich zudem anders erklären. Das Nationalgericht der Region ist Haggis – ein mit Lunge, Nierenfett und Hafermehl gefüllter Schafsmagen. Getrunken wird Whisky, Schwarztee oder die pappsüße Limonade Irn-Bru. Wem es dort gelingt an Obst, Gemüse, gar Olivenöl zu gelangen und täglich Rotwein zu trinken, der muss schon über beträchtliche Mengen Hirnschmalz verfügen. werner bartens Moskau – Russland beginnt nach eigenen Angaben mit dem Abzug von Militäreinheiten aus Syrien. Zunächst werde der Flottenverband des Flugzeugträgers Admiral Kusnezow aus dem östlichen Mittelmeer zurückgeholt, sagte Generalstabschef Waleri Gerassimow am Freitag laut Nachrichtenagentur Tass. Präsident Wladimir Putin hatte den Abzug im Zusammenhang mit der Vereinbarung eines Waffenstillstands im Dezember angekündigt. Ausgenommen von der Feuerpause ist die Terrormiliz IS. Russland ist neben Iran der engste Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, der dank der Hilfe aus Moskau gegen die Aufständischen in die Offensive gehen konnte. Vor zwei Wochen wurden aus der früheren Handelsmetropole Aleppo die letzten verbliebenen Rebellen vertrieben. Für Assad war das einer der wichtigsten Erfolge seit Ausbruch des Konflikts im März 2011. sz Seiten 2 und 9 Moderne Dieselautos schmutziger als Lkw Berlin – Dieselautos mit der Abgasnorm Euro 6 verursachen einer Untersuchung zufolge sehr viel mehr schädliche Stickoxide als moderne Lkw und Busse. Im Durchschnitt seien die Emissionen mehr als doppelt so hoch, erklärte das Forschungsinstitut ICCT. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte als Konsequenz strengere Tests für die Autos. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter plädierte für einen Ausstieg aus der Dieseltechnologie. afp Wirtschaft MIT STELLENMARKT Dax ▶ Dow ▶ Euro ▼ Xetra 16:30 h 11574 Punkte N.Y. 16:30 h 19902 Punkte 16:30 h 1,0563 US-$ - 0,09% + 0,02% - 0,0040 DAS WETTER ▲ TAGS 4°/ -13° ▼ NACHTS Schnee und gefrierender Regen mit gefährlicher Glätte aus Nordwesten zieht Richtung Osten und Süden. Im Osten und Süden minus acht bis minus vier Grad. Sonst minus drei bis vier Grad. Seite 14 Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München; Telefon 089/2183-0, Telefax -9777; [email protected] Anzeigen: Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt), 089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte). Abo-Service: Telefon 089/21 83-80 80, www.sz.de/abo A, B, F, GR, I, L, NL, SLO, SK: € 4,00; dkr. 32; £ 3,70; kn 36; SFr. 5,00; czk 118; Ft 1070 Die SZ gibt es als App für Tablet und Smartphone: sz.de/plus
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