Morgenandacht im Deutschlandfunk Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz, aus Frankfurt a.M. 100. Todestag Buffalo Bill 10. Jan. 2017 Als Jugendlicher war ich für Wildwestromantik höchst anfällig. Karl May habe ich verschlungen – wie noch viele in meiner Generation. Das ist deutlich weniger geworden. Harry Potter, Hermine und Ron haben Winnetou und Old Shatterhand längst den Rang abgelaufen. Und nach der Film-Persiflage „Der Schuh des Manitu“ dachte man eigentlich, das war der letzte und lustigste Abgesang auf den Wilden Westen hierzulande. Doch das vergangene Weihnachtsfest brachte die Karl-May-Helden als Fernsehsaga zurück. Totgesagte leben länger. Warum aber funktionieren die Geschichten aus einem fernen Jahrhundert in einem fernen Land noch immer? Längst ist belegt, dass die Wirklichkeit ganz anders war. Heute ist der 100. Todestag William Codys. Das würde wahrscheinlich niemand interessieren, hieße Cody nicht mit seinem Wildwest-Namen Buffalo Bill. Niemand hat so sehr das Bild des Wilden Westens geprägt wie William Cody alias Buffalo Bill. Um 1870 herum lernt Cody den Journalisten und Schriftsteller Ned Buntline kennen. Buntline ist fasziniert von Codys Geschichten – Geschichten, die er zu Groschenromanen verarbeitet, eben unter dem WildwestNamen Buffalo Bill. Diese Groschenromane haben riesigen und anhaltenden Erfolg, so dass Wilhelm Cody auf die Idee kommt, er könne tatsächlich als Buffalo Bill auftreten und eine Wild West Show gründen. Das tut er. Der wirtschaftliche Erfolg ist mäßig, der prägende Eindruck aber bleibend. Cody tourt im späten 19. Jh. durch die ganze Welt, jahrelang auch durch Europa und bringt so den Wilden Westen in jede größere Stadt. Und die Menschen kommen in Scharen, um den Wilden Westen zu erleben. Mit der Realität hatte das nur sehr wenig zu tun. Buffalo Bill rühmte sich, im richtigen Leben über 4000 Büffel in 18 Monaten umgebracht zu haben. Dieses sinnlose Büffelabschlachten fand schon Karl May zu Recht ekelhaft, den sogenannten „Indianern“ aber entzog es mehr und mehr ihre Lebensgrundlage. Und auch wenn sich Buffalo Bill Freund der Indianer nannte, verschleierte das nur die brutale Weise, in der die „Indianer“ durch Krieg und Vertreibung ihr Land und meist auch ihr Leben verloren. Buffalo Bill kann man nicht guten Gewissens feiern. Im Neuen Testament heißt es: (1.Tim 2,4) Gott will, dass allen Menschen geholfen wird. Allen Menschen. Wie bei den universalen Menschenrechten geht es nicht um die einen oder anderen, sondern um alle. Die oft frommen Auswanderer, die den Westen der USA besiedelten, kannten ihre Bibel sehr gut und auch diesen Satz. Doch ähnlich wie bei den Schwarzen, sprach man auch den sogenannten „Rothäuten“ erst einmal das Menschsein ab. Die meisten der Ureinwohner Nordamerikas, die man Indianer nannte, waren um- 1 gebracht oder lebten unter unwürdigen Verhältnissen – bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass für sie wie für alle anderen die gleichen Menschenrechte gelten. Aus den Reihen der Sioux-Indianer, die inzwischen im Reservat leben mussten, gab es nach dem Tod Buffalo Bills einen Nachruf. „Unser Herz ist schwer von Trauer über seinen Verlust. Nur ein Trost bleibt uns; der Gedanke, dass wir uns eines Tages vor Wakan Tanka, vor unserem Schöpfer in den Ewigen Jagdgründen, wiedersehen.“ Ob Wakan Tanka dann gegenüber Bufallo Bill ähnlich freundlich Worte finden wird? Es könnte ja auch sein, dass er Buffalo Bill und mit ihm alle Bleichgesichter zur Rechenschaft zieht. Sich des Todestages von Buffalo Bill zu erinnern, heißt deshalb für mich demütig zu werden. In den Konflikten heute zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Lebensweise und Hautfarbe geht es genau darum, dass alle die gleichen Rechte haben und auch zu ihrem Recht kommen sollen. Und das ist noch ein weiter Weg. Redaktion: Pfarrer Frank-Michael Theuer ([email protected]) Weitere Sendungen, Informationen, Audios und mehr finden Sie unter: http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/deutschlandfunk/morgenandacht Facebook: https://www.facebook.com/deutschlandradio.evangelisch 2
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