Artikel als pdf - Cordelia S. Kreft

HÖREN
RICHARD DUBUGNON
Welscher Charme in Winterthur
Attraktiv, etwas verträumt, très
charmant – Richard Dubugnon
zieht in den Bann. Nicht nur
wegen seiner dunklen Locken, es
ist vielmehr die Leidenschaft,
die in den Augen des welschen
Komponisten brennt, wenn er
über die Musik redet. Und diese
war schon früh Teil seines Lebens. Als Kind eines Jazzmusikers bekam er Klavierunterricht,
brachte es aber nicht weit. Stattdessen hatte er Freude an musikalischen Spielen und Systemen,
die er sich ausdachte. «Ich hätte
mich damals nie getraut, die
Musik zum Beruf zu machen
und davon zu leben», erinnert
sich Dubugnon, der in Lausanne geboren und aufgewachsen
ist. So begann er nach der Schule, Geschichte zu studieren.
Geschichten voller Farben
und Emotionen
Doch die Liebe zur Musik war
stärker – parallel zum Studium
nahm er Harmonie- und Kompositionslehre, lernte Kontrabass und konzentrierte sich
schliesslich nur noch auf die
Musik. «Ich begriff, dass ich unbedingt komponieren wollte. In
der Musik fand ich am besten
Ausdruck.» Nach zwei Jahren
Kompositions- und vier Jahren
Kontrabass-Studium wurde er
am Pariser Konservatorium für
Musik angenommen und absol-
18
M A R I E- S O P H I E L E T U R C Q
Der 48-jährige Westschweizer Komponist
Richard Dubugnon ist
in der Saison 2016/17
Composer in Residence
am Musikkollegium
Winterthur.
Richard Dubugnon: «Ich habe eine russische ‹folie› in mir»
vierte einen Master in Komposition an der Royal Academy of
Music in London. Seither hat er
zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewonnen.
Dubugnon erinnert sich noch
gut an das erste Mal, als ein Stück
von ihm öffentlich aufgeführt
wurde: «Ich war wahnsinnig nervös und wurde jedes Mal wütend, wenn ein Musiker einen
Fehler machte, ich konnte sehr
unfair sein. Das tut mir heute
leid.»
Er, der neben Bach und Mozart zu Hause die Bee Gees hört,
schreibt harmonische und rhythmische Musik. Sie erzählt Geschichten voller Farben und
Emotionen und wird daher oft
mit Filmmusik verglichen. «Meine Musik ist auf ihre Art sehr
schweizerisch: Sie vereint die
Feinheit der Franzosen, die
Struktur und Romantik der
Deutschen sowie die Leidenschaft der italienischen Oper.
Aber ich habe auch eine russische ‹folie› in mir», gesteht Dubugnon, der mittlerweile in
Frankreich lebt.
Die Inspiration
von der Natur
Komponieren tut er am liebsten
auf dem Land und in den Bergen. Die Klänge der Natur, Kin-
derlachen oder ein vorbeifliegender Heli regen seine Ideen
an. Seit er zwei kleine Töchter
hat, ist er allerdings weniger
wählerisch: «Ich versuche, jeden
Moment der Konzentration zu
nutzen. Mittlerweile komponiere ich sogar im Zug und im
Flugzeug.» Die Quellen seiner
Inspiration variieren je nach
Projekt: «Manchmal sind es die
Musiker, für die ich etwas schreibe. Etwa die Geigerin Janine
Janssen oder die französischen
Klavier-Schwestern Katia und
Marielle Labèque.» Es könne
auch eine Stadt sein oder ein
Spiel, ein Bild: «Tief im Inneren
höre ich die Melodie dazu, nicht
kulturtipp 21 l 16
HÖREN
TIPPS
Neuer Chef am Musikkollegium
oder Claude Debussy trugen sich
darin ein. Für Zehetmair ist das
Gastbuch eine starke Inspiration,
und er freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem Orchester:
«Ihr Können, ihre Neugier und
der Wunsch, eine eigene Identität
auszustrahlen, begeistern mich.»
Acht Programme der Saison wird
er dirigieren – von Beethoven
über Wagner und Hindemith bis
zu Britten und Zender.
Hauskonzert:
Debussy, Dubois, Saint-Saëns
Leitung: Thomas Zehetmair
Do, 17.11., 19.30
Stadtkirche Winterthur
www.musikkollegium.ch
«Die Freiheit ist das
Schönste»
Eigens für das Musikkollegium
hat er eine Kammersinfonie und
ein Violinkonzert geschrieben,
die 2017 uraufgeführt werden.
Eine aussergewöhnliche Konzerterfahrung verspricht sein
Orchesterwerk «Das Schlüsselspiel», welches Tochter Liza gewidmet ist: Die Zuschauer
müssen sieben Notenschlüssel
finden, um die Musiker zu befreien und das Schloss der Musik zu öffnen. In Winterthur
wird erstmals die deutschsprachige Fassung zu hören sein.
Was die Zukunft der klassischen Musik angeht, ist Dubugnon zuversichtlich: «Zum
Glück gibt es nicht mehr die
eine offizielle ‹Avantgarde›, sondern ganz viele verschiedene
Richtungen neuer Klassik, da
ist für jeden Geschmack etwas
kulturtipp 21 l 16
Klassik: Imogen Cooper
Dank dem künstlerischen
Leiter Francesco Piemontesi
haben die altehrwürdigen
Settimane Musicali di Ascona
wieder Fahrt aufgenommen.
Ein Fixpunkt ist naturgemäss
das Orchestra della Svizzera
Italiana mit seinem Chefdirigenten Markus Poschner. Mit
Klassikern von Mozart und
Beethoven tritt man mit Solistin Imogen Cooper (Bild) am
Piano in der wunderschönen
Kirche des Collegio Papio auf.
Fr, 7.10., 20.30
Chiesa del Collegio Papio
Ascona TI
Thomas
Zehetmair:
Inspiriert von der
Familie Reinhart
dabei.» Auch wenn es manchmal schwerfalle, sich als freischaffender Komponist zu organisieren und die tägliche
Arbeitsdisziplin aufzubringen,
kann sich Dubugnon keinen
besseren Beruf vorstellen: «Die
Freiheit ist das Schönste. Ich
entscheide selbst, wann, an was
und wo ich arbeiten möchte.»
Wovon er träumt? «Eine Oper
über einen Roman von Stefan
Zweig und die Musik zu einem
Science-Fiction-Film von Ridley Scott zu komponieren».
Cordelia Kreft
Konzerte
Freikonzert: Konzerteinführung
mit Richard Dubugnon und eine
kleine Überraschung
Sa, 5.11., 16.15
Stadthaus Winterthur
Familienkonzert:
Das Schlüsselspiel
Sa, 28.1.17, 17.00
Stadthaus Winterthur
Hauskonzert:
Werke für Violine und Klavier
Fr, 24.2.17, 19.30
Stadthaus Winterthur
Mehr Infos:
www.richarddubugnon.com
Klassik: Vondung und Berner
Die Reihe «Liedrezital Zürich»
bietet weiterhin grosse Sänger
und spannende Programme.
Die 44-jährige deutsche Mezzosopranistin Anke Vondung
interpretiert mit Pianist Christoph Berner Lieder der vorletzten Jahrhundertwende. Wie die
Werke von Mahler, Schönberg,
Zemlinsky, Schreker und Berg
zusammenhängen, erklärt
Hans Adolfsen in der Konzerteinführung.
Mo, 3.10., 19.30
Kleiner Saal der Tonhalle Zürich
Jazz: Travalogue
Zur Taufe ihrer neuen CD reisen die Mitglieder des Sextetts
Travalogue in die Heimat ihres
Leaders Werner Tian Fischer
und anderer Bandmitglieder.
«The Light Is On» haben sie
letztes Jahr mit US-Sängerin
Coco Rouzier aufgenommen.
Doch nun bleiben die sechs
Herren unter sich, was ihrem
weltläufigen Sound kaum
schaden wird.
Sa, 8.10., 20.30
Kunsthaus Glarus
19
SUSSIE AHLBURG
Thomas Zehetmair (*1961) begann seine Karriere als Violinist
in Salzburg und Wien. Parallel
dazu widmete er sich dem Dirigieren. Neben zahlreichen Engagements als Gastdirigent war
er Chef des britischen Kammerorchesters Royal Northern Sinfonia und des Orchestre de
Chambre de Paris. In der Saison
2016/17 übernimmt Zehetmair
die Leitung des Winterthurer
Musikkollegiums. Das Programm
für die Saison orientiert sich am
Rychenberger Gastbuch der
Familie Reinhart, die einer der
wichtigsten Förderer des Musikkollegiums war. Komponisten wie
Anton Webern, Igor Strawinsky
PA B LO FAC C I N E T TO
das gesamte Stück, aber die
grossen Themen, die Hauptmotive.»
In der Saison 2016/17 ist
Richard Dubugnon Composer
in Residence am Musikkollegium Winterthur. Er freut
sich darauf, intensiv mit den
Musikern arbeiten zu dürfen.
«Mit den meisten von ihnen
bin ich gut befreundet und fühle mich willkommen wie ein
Star», schwärmt er. Mit Thomas Zehetmair, dem neuen
Chefdirigenten in Winterthur,
hat er bis jetzt noch nicht gearbeitet: «Wir werden aber sicher
einmal etwas zusammen machen, er hat angedeutet, dass er
gerne meine Musik dirigieren
würde», sagt Dubugnon.